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DER TAROT

die kabbalistische Methode der Zukunftserforschung als Schlüssel zum Okkultismus

von ERNST KURTZAHN
(Daïtyanus)
Zweite unveränderte Auflage 1925

Einleitung

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Einleitung.

Was ist der Mensch?! In seinem, sichtbaren Teil eine Anhäufung von Stoffteilchen, in seinem unsichtbaren eine Summe von Kräften. Beide entstanden und vereinigt durch uns zum allergrößten Teil unbekannte Mächte. Nennen wir sie kosmische Einflüsse!

Der Kosmos, den wir erkennen können, besteht neben einer ungeheueren Anzahl von Sternen aller Art noch aus einer größeren Menge von Fixsternen, dann den Tierkreissternbildern und endlich den Planeten. Den uns am besten bekannten letzten drei Gruppen, die unsern winzigen Planeten Erde in bestimmten, ewig wiederkehrenden Rythmen umkreisen, hat man seit undenklichen Zeiten stets merklichen, wahrnehmbaren Einfluß auf unsern Weltkörper einräumen müssen. Die Wirkungen von Sonne und Mond werden wohl von keinem geleugnet werden können, es hieße den Leser langweilen, hiervon weiter zu sprechen. Wie verhält es sich dagegen mit den Einflüssen der übrigen Planeten, Fixsterne und Tierkreissternbilder? Sind diese tatsächlich vorhanden oder ist jede vermutete Einwirkung von ihnen auf die Erde und - ihre Bewohner nur Einbildung?

Auf Grund exakter wissenschaftlicher Forschungen, die im Jahre 1915 durch die Tageszeitungen bekanntgegeben wurden, wurde erwiesen, daß diese Einflüsse in der Tat vorhanden sind, was Eingeweihten natürlich überhaupt niemals zweifelhaft war. Durch Anwendung eines neuartigen Thermoelementes, bestehend aus eigenartig konstruierten Platin? und Wismutmetallfädenanordnungen ist es der Sternwarte in Koblenz gelungen, die Wärmestrahlen (!) von Fixsternen zu messen, da das neue Thermoelement etwa die hundertfache Empfindlichkeit des früher angewandten Radiometers besitzt.

Die Entfernung der Sonne von der Erde beträgt 149 531 600 km, das heißt, um die Entfernung dem Leser etwas zu veranschaulichen, die Sonne wäre mittels Schnellzugs von 100 km Stundengeschwindigkeit "schon" in 170 Jahren zu erreichen. Der der Erde nächste Fixstern jedoch, der Stern Alpha im Centaur, ist schon 33 240 874 680 000 km entfernt! Die Tatsache, daß auf die ungeheuere Entfernung von über 33 Billionen Kilometern eine Strahlungswirkung wissenschaftlich nachweisbar ist, dürfte auch einen Fundamentalbeweis für unsere eingangs aufgestellte Behauptung ergeben, wonach der Mensch letzten





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Endes nichts ist als ein Gebilde kosmischer, universeller Kräfte, die sich durch Strahlungskreuzungen manifestieren. Ist dem aber so, so hat auch die uralte Astrologie Daseinsberechtigung!

Hat nun die Astrologie mit ihren Lehren von dem durch die Gestirnstände im Augenblick der Geburt oder Zeugung eines jeden Wesens unverrückbar festgelegten Lebensplan Recht - und sie hat Recht, da die Gestirneinflüsse dauernd weiter auf ihr Gebilde einwirken - dann sind wir Menschen nur Schauspielern vergleichbar, die eine gegebene Rolle gut oder (meistens leider) schlecht bis zum des öfteren bitteren und tragischen Ende spielen müssen, ob wir es wollen oder nicht!

Unser herrlicher Goethe drückt das unübertroffen aus in seinem Gedicht "Das Göttliche":

Nach ewigen, eh'rnen,
großen Gesetzen
müssen wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.
und in Ergänzung dazu im "Gesang der Geister über den Wassern":
Des Menschen Seele
gleicht dem Wasser
vom Himmel kommt es
zum Himmel steigt es
und wieder nieder
zur Erde muß es
ewig wechselnd!

Gleichen wir aber nun in unserm Erdendasein Schauspielern, so könnte sich mancher Bösewicht, manches leichtsinnige Menschenkind sagen wollen: Nun gut, ist alles Bestimmung, dann habe ich ja auch keine Freiheit des eigenen Willens und damit auch keine Verantwortlichkeit. Stimmt das nun?!

Nein, durchaus nicht!
Ein altes Volkssprichwort lautet zwar:

Lustig gelebt und selig gestorben,
Das heißt dem Teufel die Rechnung verdorben!

Aber betrachten wir das leichtfertige Wort einmal näher, so sehen wir, daß hier scharf zwischen einem Diesseits und einem. jenseits unterschieden und ein "seliges Sterben" dringend empfohlen wird, um dem die Rechnung zu verderben. Doch das "selige Sterben", das dazu noch wenig von eigenen Wünschen abhängt, genügt wirklich nicht! Eine Freiheit hat jeder Mensch, nämlich die, die ihm übertragene Lebensrolle auf der Erdendaseinsbühne gut oder schlecht zu spielen, um sich damit in neuen Erdendaseinsstücken bessere oder





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schlechtere Rollen zu verschaffen als er vielleicht gegenwärtig gezwungen ist, spielen zu müssen! 1) Von der Bühne aber ganz und für immer abtreten wird er nicht früher als bis er die höchste Rolle gut zu Ende gespielt hat. (Bis daß man bezahlte alles, was man schuldig war.) -

Hat man sich nun entschlossen, zuzugeben, daß alles im gegenwärtigen Leben unentrinnbares Schicksal ist, so taucht auch mit vollem Recht die Frage auf: Ist es möglich, dieses Schicksal vorher zu erfahren?!

Auf Grund jahrtausende alten Wissens kann man diese Frage getrost bejahen!!!

In einer Unzahl von überlieferten Schriften sind alle nur irgend erdenklichen Verfahren enthalten, um das unbekannte Schicksal zu ergründen. Von der wissenschaftlichsten astrologischen Methode herab bis zum Wahrsagen aus - Kaffeesatz! Es gibt kaum etwas, was nicht schon in näherer oder fernerer Beziehung zur Wahrsagekunst gestanden hätte! Zugegeben, daß in den Händen dazu berufener hochstehender Ausnahmemenschen alle Methoden etwas wert gewesen sein mögen, so ist doch dabei eins zu bedenken.

Wozu wurde und wird diese Fähigkeit einzelner oder eine jedem zugängliche erprobte Wahrsage- und Zukunftserforschungsmethode gebraucht oder richtiger meistens gemißbraucht?!

Jede Wahrsagerin (die übrigens auch meistens danach ist zufolge ihres wenig göttlichen Lebenswandels!) könnte Hunderte wo nicht Tausende von Fällen aus ihrer eigenen "Praxis" berichten, wo sich das zu Erforschende auf die ödesten Alltäglichkeiten und Nichtigkeiten erstreckte oder wo das Sinnen und Trachten der Forschenden auf Haß Und Rache gerichtet war. Die Ergebnisse derartiger Prophezeiungen sind denn auch meistens dementsprechend, wie das ja in solchen Fällen gar nicht anders sein kann, nämlich: Lug und Trug!

Es erscheint hier vielleicht angebracht, die Frage aufzuwerfen: "Ist das Erforschen der Zukunft überhaupt erlaubt, oder ist es Sünde ?"

Mit ruhigem Gewissen kann man die Frage ein für allemal dahin entscheidend beantworten, daß man Sich dessen bewußt werden soll, ob man die Frage nach der Zukunft aus edlen Beweggründen an das Schicksal richtet, oder nur aus müßiger Neugierde, oder gar zum Zeitvertreib. Im ersten Fall ist es durchaus keine Sünde, in den übrigen genannten Fällen jedoch unbedingt.




    1) Der ungläubige Leser wolle die staunenswerten Entdeckungen von Alb. de Rochas berücksichtigen; niedergelegt in seinem Werk "Die aufeinanderfolgenden Leben". Deutsch. Leipzig 1914.



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Will man z. B. wissen, ob das eigene Leben bald endigen wird, um vorher seinen nachmaligen Hinterbliebenen aus dieser ernsten Vorerkenntnis heraus die Wege für ihr Leben besser ebnen zu können, so ist doch nichts dagegen zu sagen. Ganz etwas anderes ist aber die Benutzung bestimmter Forschungsmöglichkeifen aus irgendwie gearteten selbstsüchtigen und unedlen Motiven; davor kann auch gar nicht genug gewarnt werden. Befragt jemand nur aus Neugier das Schicksal oder wünscht Hab- und Rachsucht dadurch zu befriedigen, so wird mit Recht gelten müssen:

"Ein Narr steht am Ufer und wartet auf Antwort", wenn nicht gar sein Schicksal ihm bestimmt hat, für seinen üblen Vorwitz durch äffende und trügerische Prophezeiungen mehr oder minder schwer büßen zu müssen. -

An dieser Stelle sei ausdrücklichst darauf hingewiesen, daß das ganze Gebiet der Zukunftserforschung Magie ist und alles andere eher als Spielerei. Es soll und muß tiefernst aufgefaßt werden! Wer glaubt, die später offen und vorbehaltlos zu zeigenden Verfahren mißbrauchen zu können oder trotz aller gegenteiliger Ermahnungen nichts als ein unterhaltendes Gesellschaftsspiel darin sehen will, der wird dringend gebeten zur Vermeidung von Unheil, das Buch bis zu einer günstigeren inneren Verfassung aus der Hand legen zu wollen, ehe er sich schweren Täuschungen und damit sehr leicht verknüpften suggestiven Gefahren aussetzt.

Überhaupt, wer seiner nicht ganz sicher ist, und es gehört eine edle, durchgeistigte Natur dazu, es zu sein, dessen kann der Leser versichert sein, der

... versuche die Götter nicht
Und begehre nie und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedecken mit Nacht und mit Grauen.

Der skeptische Leser, der den unumgänglich nötigen einleitenden Ausführungen vielleicht nur widerwillig folgte, wird nun ungeduldig fragen (da er sich natürlich mit tödlicher Sicherheit für den in jeder Beziehung berufenen und starken Mann hält): Gibt es denn wirklich überhaupt auch nur eine einwandfreie Methode der Zukunftserforschung??

Es gibt nicht nur eine, sondern einige. Eine der zuverlässigsten und wenn nicht die Beste, zugleich eine der urältesten bildet den Gegenstand dieses Buches:

Es ist der Tarot,

eine besondere Form der Kabbala, anwendbar für jeden, der in die an sich einfachen Methoden einzudringen weiß, unerschöpflich in seinen Folgerungen, wert eines Lebensstudiums!





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Wir werden weiter unten zeigen, in welchem innigen Zusammenhang Tarot und Kabbala stehen, ja wie sie eigentlich eins miteinander sind. Wir werden seinen Ursprung, seine Theorie und - seine Praxis so genau zeigen, daß es jedem wahrhaft Strebenden vergönnt sein kann, bis in die tiefsten Tiefen der Geheimnisse der Kabbala einzudringen, je nach seiner Veranlagung und seiner Schicksatserlaubnis.

Über die Technik des Tarots wird ihm nichts vorenthalten werden trotz des knappen Rahmens dieses Werkes, während von der oft verwickelten und sehr schwierigen Symbolik nur sozusagen das Handwerkszeug mitgegeben werden kann.

Um dem wißbegierigen Leser jedoch weitmöglichst entgegenzukommen, wird am Ende des Buches eine sorgfältige Bibliographie einschlägiger Quellen und Werke gegeben werden. Leider sind die wichtigsten für das Tarotstudium in Frage kommenden Werke nicht in deutscher Sprache erschienen. Es wurde schon im Vorwort erwähnt, daß dieses vorliegende Werk das erste in Deutschland erscheinende Buch über den Tarot ist, und wir möchten wünschen, daß auch dieser wundervolle, durch den Tarot dargestellte Zweig des okkultistischen Baumes in Deutschland Blüten und Früchte treiben möge.

Wenden wir uns nunmehr dem Tarot selbst zu und beginnen wir mit einem kurzen Abriß seiner interessanten Geschichte.