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DER TAROT

die kabbalistische Methode der Zukunftserforschung als Schlüssel zum Okkultismus

von ERNST KURTZAHN
(Daïtyanus)
Zweite unveränderte Auflage 1925

Erster Teil.

Theoretischer und symbolischer Tarot.

1. Kapitel.

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Erster Teil.

Theoretischer und symbolischer Tarot.

1. Kapitel.

Zur Geschichte des Tarots.

Ehe wir von der Geschichte des Tarots sprechen, wollen wir, damit der Leser endlich erfährt, was der Tarot eigentlich - oberflächlich gesehen - ist, eine ganz kurze Beschreibung des Tarots vorausschicken.

Der Tarot ist ein eigentümliches Kartenspiel, das achtundsiebzig Blatt enthält, von denen zweiundzwanzig die "großen Arkana" (Geheimnisse) genannt werden; die übrigen sechsundfünfzig Karten bilden in vier Gruppen geteilt, die sogenannten "kleinen Arkana,".

Unser Tarot nun, der älteste, den wir kennen, beruht auf den zweiundzwanzig Buchstaben des althebräischen Alphabetes.

Hierbei sei vorweg bemerkt, daß die Geschichte des Tarots (infolge seiner vielen Abarten) sehr dunkel genannt werden muß und einwandfrei kaum je ganz ergründet werden kann.

In bezug auf seine Entstehung werden die verschiedensten Behauptungen aufgestellt, für die die Beweise aber mehr oder minder fehlen oder sehr lückenhaft sind.

In keinem Falle möchte sich der Verfasser die Meinung zu eigen machen, welche - die Albigenser als Urheber des Tarots ansieht. Dagegen sprechen denn doch gar zu viele zwingende Beweise und Tatsachen.

Wer waren denn von jeher die Bewahrer geheimen okkulten Wissens und der höchsten Geheimnisse?

Die geheimen Gesellschaften!

Werfen wir deshalb auf diese einen kurzen Blick.

Die Hauptquelle, aus der - in historischen Zeiten - die geheimen Gesellschaften hervorgingen, waren die Mysterien und die "Schule von Alexandrien". -

Bei weitem die Mehrzahl der "Initiierten", der in die Mysterien Eingeweihten, hatten im Osten ihre Zuflucht genommen und vor noch nicht langer Zeit (1884) entdeckte das Abendland in Indien und ganz besonders in Tibet das wirkliche Bestehen einer "okkulten Brüderschaft", welche die durch die alten ägyptischen und eleusinischen





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Mysterien überkommenen Geheimlehren und wirklichen Geheimnisse in absoluter Reinheit und Vollkommenheit besitzen. Um mit dieser Brüderschaft in Verbindung zu treten, wurde u. a. die bekannte "Theosophische Gesellschaft" gegründet. Diese versuchte und versucht nun die Lehren der eingeweihten Gesellschaften im Westen im Verein mit denen aus dem Osten zu verbreiten, natürlich ohne wirkliche Geheimnisse preiszugeben. -

Solche "eingeweihten Gesellschaften" im Westen waren und sind von jeher:

Die gnostischen Sekten, Kabiren und Araber, Alchemisten, Tempelherren, Rosenkreuzer und - Freimaurer. Sie alle verbindet ein mächtiges Band, die erhabene Kabbala, die Mutter aller menschlichen Erkenntnis und Weisheit überhaupt. Solange diese Weisheit in den geheimen Gesellschaften treu bewahrt wird, wird sie den wirklich Suchenden, deren es so wenige, so sehr, sehr wenige gibt, immer zugänglich bleiben, mögen auch ihre Hüter und Bewahrer keine Ahnung mehr von ihrer Anwendungsmöglichkeit besitzen, ihre Aufgabe ist eben nur das treue Bewahren; wohl ihnen, wenn sie diese Pflicht erfüllten . . . Sapienti sat!

Mit der Kabbala war natürlich allen diesen geheimen Gesellschaften auch der Tarot bekannt, dessen höchste Geheimnisse aber wirklich nicht profaniert werden können, wenn man das auch tun wollte. Da heißt es eben, selbst unermüdlich suchen und arbeiten und das erste selbstgefundene Goldkörnchen auf kabbalistischem Gebiet ist bei unablässiger Weiterarbeit die sichere Gewähr für die Erreichung des Gipfels jenes goldenen Berges mystischen Wissens, neben dem das metallische Gold zu einem - Symbol wird. -

Leider gibt es unter den vielen Forschern, die sich mit dem Tarot beschäftigt haben, keinen einzigen Deutschen! Oberhaupt berührt es den Kundigen traurig, wenn er sieht, in welcher liebevollen und umfassenden Weise Magie und Kabbala neben den übrigen okkulten Wissenschaften in anderen Ländern gehegt und gepflegt wurden und werden. Größen auf den Gebieten Kabbala und Magie wie in Frankreich "Eliphas Lévi" (Abbé Constant) und "Papus" (Dr. med. Gérard Encausse) haben wir kaum jemand gegenüberzustellen! Unsere Lichter auf diesem Gebiet in neuerer Zeit sind gegen diese tief in die kabbalistische Weisheit eingedrungenen Männer mit wenigen Ausnahmen Glühwürmchen, wo nicht - Nachtlichter zu nennen! -

Vergleicht man einen der neueren großsprecherischen "kabbalistischen Autoren", die sich zuweilen sogar mehrere Bände leisten, mit der (in Leipzig hocherfreulicherweise deutsch erschienenen) Kabbala





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von Papus, so kann nach aufmerksarnem Vergleich nur zur Entschuldigung der deutschen Autoren gesagt werden: "Sie wußten nicht, was sie taten"', wobei ich aber die bekannten kabbalistischen Schriftsteller Gustav Meyrink, Buchmann - Naga Charlottenburg und Peryt Shou von diesem abfälligen Urteil ausdrücklich ausnehmen will! Sonst fand ich keinen einzigen neueren Datums seit den vergangenen Tagen des großen deutschen Mystikers und Magiers Agrippa von Nettesheim.

Auch ähnliche Gelehrte wie Flammarion, Lombroso, A. de Rochas, Crookes, Baraduc usw., haben wir wenige gegenüberzustellen. Auf dem Gebiet der Alchemie haben wir den sehr verdienstvollen Dr. med. Ferdinand Maack, der neben Dr. med. Freudenberg auch bedeutender Rosenkreuzerforscher ist. Auf dem spiritistischen Gebiet wäre Freiherr von Schrenck-Notzing zu nennen, in astrologischer Hinsicht die Forscher Kniepf, Brandler-Pracht und Ernst T i e d e, dann ist es aber auch aus. Auf dem Gebiet der Magie bis vor kurzem 1) - keinen einzigen!

Der Leser möge diesen Exkurs entschuldigen, wir kehren nun wieder zu unserer Geschichte des Tarots zurück.

Aus oben erwähnten Gründen werden wir uns bei unsern Ausführungen in allererster Linie auf die Berühmtheiten auf diesem Gebiet: Eliphas Lévi und Papus stützen.

Zunächst läßt sich einwandfrei feststellen, daß der Tarot schon im vierzehnten Jahrhundert so ziemlich in ganz Europa bekannt war.

Ferner bringt Eliphas Lévi an mehreren Stellen in seinen Werken 2) bildliche Nachweise, daß der Tarot im alten Ägypten, in China und im alten Indien bereits bekannt war und zu Wahrsagezwecken gebraucht wurde, ganz bestimmt gilt das von der altägyptischen Priesterschaft.

Vorgenannte Tatsachen sprechen schon für ein Alter des Tarots von mehreren tausend Jahren. Nach der Meinung des Verfassers ist der Tarot jedoch sicher noch viel älter! Erinnert man sich der Tatsache, daß das urälteste Ägypten eine Kolonie der heute fast sagenhaften Atlantier, der Einwohner des versunkenen Erdteils Atlantis (zwischen Afrika und Amerika) war, und auch von dort her seine




    1) Sehr erfreulicherweise erscheint jetzt auch in Deutschland seit kurzer Zeit eine Zeitschrift für "praktische Geheimwissenschaften", und zwar im Verlag dieses Buches unter dem Titel "Magische Blätter", die sehr Erfreuliches bieten. Auch das von R. H. Laars im gleichen Verlag erschienene, ganz vorzügliche einschlägige Buch "Das Geheimnis der Amulette und Talismane" verdient hier genannt und empfohlen zu werden. Anmerkung des Verfassers!
    2) Eliphas Lévi, "Dogme et Rituel de la Haute Magie". Paris 1910. Tom. I er, pag. 389, und "Histoire de la Magie". Paris 1914, pag. 67.



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Priester und Eingeweihten erhielt, so läßt sich nach Scott Elliot 1) also für den Tarot ein Alter von weit über 21000 Jahren annehmen. (Zu dieser Zeit wurden auch die Pyramiden erbaut.) -

Endlich dürfte den Leser, namentlich den von einiger okkulter Erfahrung und Belesenheit, sicher nocii die Tatsache fesseln, daß auch bei den Rosenkreuzern der Tarot und seine Symbolik eine Rolle spielte.

Liest man z. B. die Schrift des großen englischen Rosenkreuzers Robertus de Fluctibus: "Tractatus Apologeticus", Leyden 1617, so wird man bei gewissen Stellen kaum an etwas anderes als an den Tarot denken könne. Auch die durchaus rosenkreuzerische "Tafelrunde König Arthurs" weist deutliche Beziehungen zum Tarot auf. 2)

Dieser Zusammenhang weist aber schon auf ein Bekanntsein im Jahre 1150 hin, in welchem Jahr ungefähr der Roman von Robert Wace, "Roman du Brut", erschienen ist, der dieses Tafelrundenthema behandelt. -

Selbstverständlich ist es nach den vorangegangenen Ausführungen leicht zu begreifen, daß es ungemein schwierig, wo nicht völlig unmöglich ist, einen Ur-Tarot zu entdecken. Alle bisher in dieser Hinsicht gemachten Funde haben sich als trügerisch erwiesen!

Durch religiöse, d. h. priesterliche, zeitgeschichtliche und nationale Einflüsse änderte sich unvermeidlich in jedem Land der ursprüngliche Tarot im Laufe der langen Zeit- und Kulturperioden derart, daß er schließlich nur noch von Spezialisten auf diesem Gebiet als solcher erkannt werden kann.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das namentlich in &Ouuml;sterreich sehr bekannte und beliebte Tarokspiel. Dieses ist nämlich nichts anderes als ein allerdings ungemein verwässerter Tarot, dessen Symbolik sehr gelitten hat.

In Europa sind wohl die Zigeuner, dieses geheimnisvolle, von moderner Unkultur nicht beleckte Nomadenvolk, die Hauptverbreiter des Tarots gewesen, wobei es dahingestellt bleiben möge, ob gerade sie ihn auch nach Europa eingeführt haben mögen, wie dies allerdings verschiedene Forscher von Bedeutung anzunehmen scheinen. Spricht doch z. B. Papus ausnahmslos nur vom Tarot des Bohémiens, dem "Tarot" der Zigeuner.




     1) W. Scott-Elliot, "Atlantis". Leipzig o. J. (mit Karten), und "Das untergegangene Lemuria". Leipzig 1905 (ebenfalls mit geographischen Karten).
     2) Wertvolle Rosenkreuzerschriften siehe im Verzeichnis von Quellenwerken am Schluß! Anmerkung des Verfassers!



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Die Bedeutung des Wortes Tarot 1) ergibt sich bei ringförmiger Schreibweise, so daß dadurch ein T überflüssig wird:

T
OA
R

Liest man nämlich gegen die Uhrzeigerdrehung, so erhält man das Wort Tora, was hebräisch "Gesetz" bedeutet. Es sei hier zum Schluß des Kapitels noch eine kleine, aber wichtige Abschweifung verstattet.

Wir führten schon an, daß der Tarot mit seinen 22 "großen Arkana" auf den 22 althebräischen Buchstaben beruht. Es ist aber bei weitem nicht genügend bekannt, daß diese sogenannten hebräischen Buchstabenzeichen mit ihren eigentümlichen und höchst geheimnisvollen symbolischen und zahlenmäßigen Bedeutungen nicht etwa jüdischen, sondern ägyptischen Ursprungs sind. Moses, höchstwahrscheinlich selbst ein Ägypter, und zwar ein in die höchsten Mysterien Eingeweihter (vgl. die "Blaubücher" von A. Strindberg!), hat den Juden diese Hieroglyphen übermittelt. Das einzige Verdienst der Juden ist das, daß sie an dem überlieferten festgehalten haben durch die Jahrtausende hindurch, allen Schwierigkeiten zum Trotz, zumal in ihnen meist feindlichen Ländern. Auf diese Weise bewahrten sie treu diese wunderbaren Geheimsymbole, so daß man ihnen das - mag man nun über die Juden denken wie man will, nicht hoch genug anrechnen kann!

Wie traurig fahrlässig sind dagegen die germanischen Völker mit ihren eigenen wundervollen Runen, Buchstaben und Heilszeichen umgegangen! Mögen auch einzelne Runenforscher, wie die Gebrüder Grimm und neuerdings Guido von List 2) sowie meinetwegen Vereinsgruppen, wie die Guido-von-List-Gesellschaft, die Runenkunde noch bewahren und pflegen: Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit weiß nichts mehr von den heiligsten Hieroglyphen und Symbolen seiner Vorväter, von den Runen, während jeder sechsjährige Israelit in der "Schule" seine hebräische Fibel studieren muß und noch heute kein jüdisches religiöses Buch in anderen als hebräischen Buchstaben gedruckt wird!

Nicht nur der mit der Materie Vertraute, sondern jeder Nach-




    1) Herstammend von dem allägyptischen Wort: Tarut, was "die Befragte" bedeutet. Dies Wort leitet sich wieder aus dem uralten Zendwort Tarisk ("ich verlange die Antwort") ab. - Anmerkung des Verfassers!
    2) Auch Ernst Tiede mit seinem ganz vorzüglichen Werke: "Ur-Arische Gotteserkenntnis", Berlin 1917, wäre noch zu nennen! Anmerkung des Verfassers!



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denkende wird sich sagen können, was die gleichmäßige Kenntnis einer so tiefen, vielseitig anwendbaren, in den Buchstaben verborgen ruhenden umfassenden Symbolik für ein fast auf der ganzen Erde in führenden Stellungen tätiges Volk bedeuten muß! Es bedeutet nichts mehr und nichts weniger als einen großen Geheimbund aller Juden, sehr ähnlich dem der Freimaurerei und verwandten mächtigen Gebeimbünden, denen übrigens die jüdisch-kabbalistische Geheimsymbolik natürlich auch bekannt ist.

Wenn doch die arischen Völker etwas Ähnliches - bewahrt - hätten - - - Auf der Erde stände dann manches besser!

Hiermit wollen wir den Abschnitt über den geschichtlichen Teil des Tarots beschließen und wenden wir uns nun dem Studium der zweiundzwanzig großen und sechsundfünfzig kleinen Tarotarkana und gleichzeitig - weil davon vollkommen unzertrennlich - dem Studium der ägyptisch-althebräischen Schrift sowie den ersten damit verknüpften kabbalistischen Anfangsgründen zu. -