internetloge.de - internetloge.org - Hamburg, Deutschland -
Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel XLVI



Der rein menschliche, der göttlich-menschliche Geist und Zweck der Freimaurerei leuchtet tief ansprechend und überzeugend auch besonders aus ihrer Einrichtung des Dienstverhältnisses, der dienenden Brüder hervor. Selbst das Dienstverhältniss ist den Maurern ein brüderliches, ihre Diener sind ihre Brüder und die unentbehrlichen Dienste werden nur als Bruderdienste gefordert und geleistet. Die Anerkennung und die Achtung der allgemeinen Menschenwürde und des allgemeinen, an sich gleichen Menschenrechtes konnte sich nicht stärker und lebendiger bethätigen, als dass sie selbst die Diener in den Bruderbund aufnimmt und einschliesst, selbst diese noch als Brüder betrachtet und behandelt; jede rohe und harte, kränkende und herabwürdigende Behandlung der Diener wurde leichter und wirksamer als durch alle Lehren und Gebote durch den Umstand ausgeschlossen, dass auch die Diener





Bundesmitglieder waren und nur als Brüder angeredet werden konnten, wie umgekehrt die Diener dem Herrn zur brüderlichen Liebe und Treue bis zum Tode durch den Bruderbund und Bundesschwur verpflichtet sind. Das maurerische Dienstverhältniss tritt durch diese seine Natur auf das Innigste sofort an alle jene indo-germanischen Familien-, Gemeinde- und Staatsverbindungen hinan, welche zum Symbole ein gemeinschaftliches Feuer und Licht haben und beim Familienheerde, beim Gemeindeheerde eingegangen und beschworen werden. Der Diener ist Feuer- und Lichtgenosse und wird blos dadurch auch zum Haus- und Logengenossen, ja zum Diener selbst; das ganze Dienstverhältniss ist vom ersten Anfange an und wesentlich ein geheiligtes, - unter den göttlichen Schutz, unter den Schutz des Zeus Herkeios gestellt, dem alle Lichter der Maurerloge brennen und dessen Altar im Osten steht. Die wahre und höhere Absicht dieser Heiligung des Dienstverhältnisses ist die Beschützung und Emporhebung des Dieners selbst und diese Absicht ist wirklich seit den ältesten christlich-germanischen Zeiten in weitem Umfange durch die dienenden Brüder der Klöster erstrebt und erreicht worden. Jedoch ist die letzte, die weltgeschichtliche Unterlage dieses Verhältnisses die Gesetzgebungs- und Verwaltungspolitik oder Kunst der staatsbeherrschenden Priesterschaften des Alterthums und besonders der ägyptischen Priester, denen für uns zunächst die keltischen Priester oder die Druiden sich anreihen. Das grosse Geheimniss der Herrschaft und der Gründung, Ausdehnung und Erhaltung dieser Herrschaft bei den Priesterherrschaften des Alterthums, an deren Spitze das ägyptische Priesterflium steht und durch allen Wechsel der Ereignisse sich Jahrtausende erhalten hat, war, alles Wissen und Können von dem niedrigsten Handwerke an bis hinauf zur höchsten Himmels- und Sternkunde in stets sich verengenden concentrischen Kreisen oder Einweihungsgraden, - in einem pyramidalen Baue, an dessen Spitze der Hohepriester dem grossen Haufen unsichtbar stand, leitete und herrschte, an sich zu fesseln, sich unterthänig zu machen und als sein bewahrtes urd zu bewahrendes Geheimniss nur an Bewährte, an Geprüfte und Eingeweihte, an Brüder zu ertheilen.





Dieses Geheimniss der ägyptischen Priester hatte in Aegypten selbst, Pythagoras 1) in zweiundzwanzig Jahren angestrengten und mühevollen Studiums erlernt und erhalten und in seinem Bunde den Versuch gemacht, das ägptische Priestergeheimniss der geheimen geistigen Herrschaft auch auf dem griechischen Boden unter ihm selbst als ägyptisch-griechischem Oberpriester, thronend auf der Pyramidenspitze des Bundes und der Bundesgrade, zu verwirklichen und zu üben. Allein schon waren die Griechen in Unteritalien oder in Grossgriechenland zu gebildet und zu einsichtig, um die geheime Herrschaftsabsicht des Pythagoras nicht alsbald mehr oder weniger klar zu erkennen und zu fühlen und ihr durch die gewaltsame Zertrümmerung seines Bundes und seiner durch ihn beginnenden Herrschaft entgegenzutreten. Es ist unbegreiflich, dass bisher der letzte und höchste, der verborgenste Zweck der geistlichen Mysterieneinrichtungen des Alterthums, zumal Aegyp-




    1) Die kleine Abhandlung von Oppel, Redner der Loge Sokrates zur Standhaftigkeit: Pythagoras und die Freimaurerei, Frankfurt a. M. 1861, ist zwar wohl gemeint, jedoch nicht nur ohne allen wissenschaflichen Werth, sondern voll grober geschichtlicher Irrthümer. Nach Oppel ist Pythagoras im Jahre 586 v. Chr. geboren und starb um das Jahr 504 v. Chr. Die letzten Spuren des pythagoreischen Bundes, welcher namentlich auch durch Apollonios von Tyana in Kappadocien hohes Ansehen erlangte, finden wir um das J. 300 n. Chr. Geburt, nachdem er mit Unterbrechungen 800 Jahre geblüht hatte. Erst Pythagoras brachte bei den Griechen Spaziergänge zur Pflege der Gesundheit auf. Pythagoras und seine Schüler erwarben sich hohe medicinische Kenntnisse, um sich jedoch mit den Ansichten seines Volkes nicht in schroffen Widerspruch zu setzen, musste er Beschwörungen und dergleichen vornehmen, wie auch noch heutigen Tages die Aerzte Manches thun, wovon sie selbst heinen andern Nutzen erwarten, als den, dass der Kranke befriedigt wird. Pythagoras hatte keine Gütergemeinschaft eingeführt, die Freundschaft seiner Jünger, welche bei den Alten sprichwörtlich geworden war, that das in rührendster Weise. Der pythagoreische Bund war ein politischer Orden und zu Kroton liefen täglich von allen Weltgegenden Nachrichten und Anfragen ein: Sollen wir dieses Bündnis abschliessen? Auf wessen Hülfe könnten wir bei ausbrechendem Kriege rechnen? Auf wessen Seite sollen wir uns wenden? Die Abhandlung schliesst nach Aristoxenes mit einer Fabel, welehe den lieben Frankfurter Brüdern und standhaften Sokratikern als ein wahres Beispiel der treuen pythagoreischen Freundschaft dargelegt und empfohlen wird.



tens und des pythagoreischen Bundes so wenig erkannt und verstanden worden ist, dass man noch dermalen darüber streiten und sogar beharrlich verschiedener Ansicht sein kann, ob auch der geheime Bund der Essäer und Therapeuten und des Pythagoras geheime Pläne und Absichten gehabt habe. Wer irgend einen allgemeinen Zweck, und besonders die Herrschaft unbemerkt und geheim erreichen will, kann dieses natürlich und nothwendig allein durch einen geheimen, zweckmässig gegliederten Bund; die theoretischen und praktischen Meister dieser geheimen Herrscherverbindungen waren die ägyptischen Priester, sie sind die praktischen Lehrer der geheimen priesterlichen Staatskunst und Herrschaft, die wahren Machiavelle des Alterthums, weshalb zu ihrer Form auch gegriffen und greifen musste, wer in der Vergangenheit und Gegenwart auf ähnlichem Wege ähnliche Zwecke erstrebte. Die christlichen Mönchsorden und Klöster sind die weltgeschichtlichen Erben und Fortpflanzer des ägyptischen Priestergeheimnisses und durch dasselbe herrschte Jahrhunderte lang die christliche Priesterschaft gleich der ägyptischen, bis endlich ihr in der allgemeinern Volksbildung das Geheimniss und die Herrschaft für immer entschlüpfte. Von den gallischen Kelten sagt Diefenbach, Origines Europaeae, S. 123, dass hier der Staat und die Gesellschaft von den obersten aristokratischen Schichten bis zu den niedersten Massen herab in den boaartigen Umschlingungen der Kirche sich befunden habe; die Religion sei zu Superstition verzerrt, deren Gespensterfurcht die Aemter des Herrschers wie des Richters, des Arztes und des Seelsorgers in die geweihte Hand des Priesters gebe; dieser habe die waltenden Götter im Himmel und auf Erden geschaffen, oder habe sich selbst unter dieselben erhoben und sein Haupt sei manches Mal mit dem Herrscherschmucke beider Welten geziert gewesen. Die bewährte und einzig brauchbare Form ist geblieben, nur ist dieselbe anderen und reineren Zwecken dienstbar geworden und statt der selbstsüchtigen Herrschaft und Beknechtung des Volkes erstreben besonders die Freimaurer unter der ägyptischen Hülle und in dem ägyptischen Gewande blos die Idee der allgemeinen Menschen- und Bruderliebe.





Es müssten zwischen der ägyptischen Priesterherrschaft und der Gegenwart nicht Jahrtausende, nicht die gesammte germanische Entwicklungs- und Weltgeschichte liegen, wollte man in der Freimaurerei heute andere Zwecke anstreben; und selbst wenn die Freimaurerei sich unreinen Herrscherzwecken hingeben wollte, sie könnte es nicht, weil ihr die Mittel dazu fehlen und sie selbst durch die ausser ihr stehende und herrschende allgemeine Gelehrten- und Volksbildung beherrscht und an jedem feindlichen und schädlichen Streben und Wirken gehindert wird. Auch ist die Freimaurerei kein Geheimniss und keine geheime Verbindung mehr, sondern was sie will, gesehieht vor aller Augen und kann von Jedem beobachtet und überwacht werden, so dass nur in Umkehrung aller geschichtlichen und persönlichen Verhältnisse auch heute noch der Freimaurerei die Herrscherabsichten der ägyptischen und spätern christlichen Mönche, Priester und Ritter untergeschoben werden können. So wenig in der That und Wahrheit heute noch die alten Maltheser- oder Johanniterritter bestehen und wie von deren Macht und Herrschaft nur der grosse leere Name übrig geblieben ist, ebenso und noch weit weniger sind die heutigen Freimaurer allwissende und allein wissende ägyptische Priester und Herrscher.

Die dienenden Brüder der alten Mysterien und der christlichen Mönchsorden und Klöster waren Diejenigen, welche blos noch die niedrigsten Weihen oder auch nur den ersten Weihegrad empfangen hatten, und in diesem Sinne, sind nicht blos die eigentlichen dienenden Brüder (fratres servientes, engl. servants 1)) der Maurer dienende Brüder, sondern es gehören dahin auch alle Lehrlinge und Gesellen im Gegensatze der Meister und höhern Eingeweihten, oder selbst die jüngern Meister, Jungmeister, und jüngeren Gesellen, Junggesellen, gleichsam die Studentenfüchse, im Gegensatze zu den ältern Meistern und Gesellen, Altmeistern und Altgesellen, 2) insofern, als von ihnen gewisse Dienstleistungen, wie sie in der Natur und




    1) Krause, Kunsturkunden, II. 2, S. 258, Anm.; Heldmann, a. a. O., S. 226.
    2) Fallou, a. a. O., S. 27.



Stellung der niedern Grade und der jüngern Graduirten liegen, gefordert werden dürfen und wirklich gefordert werden, und als sie an der eigentlichen Bundesregierung noch keinen Antheil haben, weshalb namentlich apprentifs im Deutschen mit Diener übersetzt wird. 1) Die Schüler, Akolythen der Geistlichen, wurden im deutschen Mittelalter ihre "lêrnknaben" genannt, z. B. im Reinhart 1487. Diener, Dâsa, hiessen in den indischen Râgaputra-Familien, z. B. in Mewar, die vertrauteren und gut behandelten Angestellten. 2) Die gemeine deutsche Steinmetzordnung vom J. 1459 nennt die Lehrknaben Diener. 3) Wo in einem Vereine oder Bunde verschiedene Grade bestehen, müssen diese sich auch in einer Verschiedenheit der Rechte und Pflichten, der Stellung und der Leistungen geltend machen: nur muss diese Ungleichheit und Verschiedenheit nicht mit dem allgemeinen menschlichen Zwecke aller Grade im Widerspruche stehen und darf Nichts enthalten, was eines gebildeten und freien Mannes unwürdig ist, wie sich auch etwas Derartiges jetzt gar nicht auf die Dauer würde erhalten können. Dass so viele gebildete und grosse Männer durch die verschiedenen Grade der Freimaurerei hindurchgegangen sind oder ihnen auch jetzt noch angehören, gewährt die sicherste und unwiderlegteste Bürgschaft dafür, dass auch dem Maurer des niedrigsten Grades nichts Unwürdiges zugemuthet, sondern er blos in mildester Form an Gehorsam und Unterordnung gewöhnt werde, an sich aber und als Bruder auch dem Höchsten im Bunde gleichstehe. Bei den alten Bauzünften hatten die dienenden Brüder, die Lehrlinge und Gesellen, natürlich die Bedeutung der dem den Bau leitenden Meister untergeordneten Arbeiter; 4) jetzt ist das Dienen der Lehrlinge und Gesellen gleich der gesammten Maurerei oder Baukunst nur noch ein symbolisches, ein moralisches oder rein humanes. Die dienenden Brüder aber im heu-




    1) Krause, II. 2. S. 247.
    2) Lassen, III. S. 982.
    3) Holdmann, a. a. O., S. 226; Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. S. 89.
    4) Vergl. auch Krause, a. a. O., II. 1. S. 174 und 284 ff.



tigen eigentlichen und engern Sinne, welche die Loge in Ordnung zu halten, die Circulare zu vertragen und bei den geselligen Zusammenkünften die Bedienung zu besorgen haben, sollen die Maurer trotz des Dienstverhältnisses als Brüder, als Menschen, als die Kinder des gleichen göttlichen Schöpfers und Vaters achten und lieben. Deshalb müssen sie auch am Sommerjohannisfeste bei dem allgemeinen Maurertoaste an der Tafelloge unter allen übrigen Brüdern Platz nehmen und mit ihnen auf das Glück und Wohl aller anwesenden und abwesenden Maurer trinken, - den Minnetrunk trinken. Viele Religionen des Alterthums und darunter besonders auch die jüdische haben durch besondere religiöse Vorschriften und Gebräuche in gleicher Weise das Gefühl und die Ansicht zu wecken gesucht, dass auch die Dienenden und die Armen Menschen, Kinder Gottes seien. So hatte Moses II. 21, 2, verordnet, dass, wenn Jemand einen hebräischen Knecht kaufe, derselbe sechs Jahre dienen und im siebenten Jahre frei ausgeben solle. Dasselbe wird bei Moses V. 15, 16, für den Fall bestimmt, dass sich ein hebräischer Knecht oder eine hebräische Magd selbst verkaufen sollte; jedoch wurden diese Gesetze schlecht gehalten, wie aus Jeremia 34, 8 ff., zu ersehen ist. Unter König Zedekia in den Zeiten der Noth wurde daher verfügt, dass die Juden unter einander die Freiheit verkündigen und ein Jeder seinen Knecht und seine Magd freilassen solle, damit Niemand mehr einen Juden, seinen Bruder, leibeigen halte, was aber gleichfalls umgangen wurde. In dem Geiste, welcher diese Gesetze geboten, sagt der älteste Prophet Joel 3, 5:

Und Jeder, der den Namen des Ewigen anruft, soll errettet werden!

d. h. der Himmel ist kein Vorrecht der Reichen, sondern einzig der Gläubigen und Gottesfürchtigen. Bei Sacharja 7, 9 heisst es daher:

So spricht der Ewige der Heerschaaren:
Wahrhaften Rechtsspruch fället,
und Liebe und Erbarmen übet, Einer gegen den Andern!
Wittwe und Waise, Fremdling und Elenden unterdriieket nicht,
Und sinnet nicht Einer auf des Andern Unglück in eurem Herzen!





An diese alttestamentalischen Aussprüche darf eine Verordnung der Halliwell'schen Urkunde angeschlossen werden:

Dass Die, welche die Künste können und üben,
Gott und die Kirche sollen lieben,
Und den Meister auch, unter dem er steht,
Zu Land, zu Meer, wohin er auch geht:
Auch sollst du lieben die Genossen dein,
Denn es will die Kunst, so soll es sein.

Artikel 8 derselben Urkunde legt Allen, die im Handwerk sind, den Höhen wie den Niedern, die heilige Pflicht auf, sich nicht einander zu widerstreben, entgegen zu sein, sondern wie Bruder und Schwester zu leben. Die trotz der von Br. Kloss dagegen erhobenen Zweifel doch wohl ächte Yorker Urkunde vom Jahr 926 1) enthält unter den von Prinz Edwin auferlegten Gesetzen und Pflichten:

  1. "Gegen alle Menschen sollt ihr dienstfertig sein, und so viel ihr könnt, treue Freundschaft stiften, euch auch nicht daran kehren, wenn sie einer andern Religion oder Meinung zugethan sind."

  2. Besonders aber sollt ihr auch immer treu gegen einander sein, einander redlich lehren, und in der Kunst beistehen, einander nicht verleumden, sondern euch untereinander thun, wie ihr wollt, dass euch Andere thun sollen.

Nach der buddhistischen Lehre auf Ceylon dienen die Almosen, zumal an die Priester, der abgesehiedenen Seele als Boote, um sie über den furchtbaren See der Unterwelt aus Blut und Feuer an das jenseitige Ufer des Landes der Glückseligkeit zu bringen. 2) Auch an den römischen Saturnalien und den griechischen Kronien sollte in Erinnerung an die goldene saturnische Zeit der allgemeinen Freiheit und Gleichheit ein jeder Ständeunterschied aufgehoben sein, daher die Sklaven von den Herrn wie ihres Gleichen behandelt, vor der Herrschaft oder mit ihr gespeist, oder wohl gar von derselben bei der Tafel bedient wurden und sich überhaupt sehr viel




    1) Vergl. darüber auch Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. S. 107 ff.
    2) Ritter, Vorhalle, S. 112.



herausnehmen durften. 1) Ebenso herrschten an dem babylonischen Feste der Sakäen, welches von den Babyloniern am Anfange ihres Jahres vom 9. bis 14. Juli, d. h. an den fünf Zusatztagen des Jahres von 360 Tagen gefeiert wurde und mit den römischen Saturnalien einige Aehnlichkeit hat, die Sklaven über ihre Gebieter und wählten sich einen König, dem unter allerlei Possen gehuldigt wurde. 2) An den römischen Saturnalien trug der Sklave seines Herrn Kleider und als Zeichen der Freiheit den Hut des freien Mannes. 3) In der kretensischen Stadt Kydonia wurden gleichfalls gewisse herkömmliche Feste gefeiert, welche alle Freigeborne verliessen und wobei die Sklaven gänzlich Meister von Allem waren (), sogar das Recht hatten, die Freien, denen sie etwa auf der Strasse begegneten, zu schlagen. 4) Diese Gebräuche sollten übereinstimmend darauf hinweisen, dass der Gott Ahuramasda, Saturn u. s. w., dessen Andenken festlich begangen wurde, der Eröser, und Erretter von allen Leiden und Fesseln sei. Auch schliessen sich hieran die deutschen Rechtsgebräuche des Mittelalters, wodurch das Dienstverhältniss von dem Herrn erleichtert werden sollte und worüber Grimm, Rechtsalterthümer, S. 394, zu vergleichen ist. So bestimmt z. B. das Essener Hofrecht vom Jahr 1322: "Item, die boumester des veihoves sall hebben van der scholasterschen 1 par hanschen, ind sal den ersten dans mit der scholastersehen dansen (sed rehabebit par chirothecarum et chorizabit unam choream cum. scholastica 5)." Bei der Geburt eines Kindes erhält der Vater häufig ein Klafter Holz und ähnliche Begünstigungen, zuweilen auch die Mutter selbst. 6) Ebenso darf nach dem hier in Frage stehenden allgemeinen menschlichen Gesichtspunkte hierher bezogen werden




    1) Preller. röm. Mythol., S. 414; Schoemann, II. S. 413.
    2) Knötel, Cheops, S. 106, oben.
    3) Marbach, die heilige Weihnachtszeit, Frankfurt a. M. 1859, S. 16, unten.
    4) Creuzer, Symbolik, II, S. 217 und 218.
    5) Hochzeitsbegünstigungen z. B. bei Grimm, Weisthümer, I. S. 238.
    6) Grimm, a. a. O., I. S. 10. 96. 141. 307. 417 und 425, II. S. 119, oben.



die allgemeine rechtliche Verpflichtung der Nachbarn, sich erforderlichen Falls gegenseitig zu beerdigen. 1) Bei den Indern ist das Ahutam eines der fünf grossen Opfer und besteht in Ernährung aller geschaffenen organischen Wesen und ganz besonders der Gastfreunde. Die Gastfreundschaft und Wohlthätigkeit selbst galten als Opfer, so heisst es z. B. im Krijâjogasâras, Kap. 29, V. 2 ff.: "Von den beiden (Tugenden): Büssungen und Wohlthätigkeit, wird die Wohlthätigkeit als die bessere genannt; die Busse ist vergänglich, bei der Wohlthätigkeit dagegen gibt es keine Vergänglichkeit. Die Busse (Tapas) ist im Kritajug das Beste, das Nachdenken im Tretajug, die Andacht im Dwâparajug, Wohlthätigkeit aber ist das Beste im Kalijug oder Karmadschas (d. i. in dem jetzigen Zeitalter der Welt). Darum sollen im Kalijug die das Paradies anstrebenden Frommen aus Ehrfurcht vor dem Kamatâ-Gatten wohlthätig sein. Wie der Mond nach und nach immer um ein Kleines zunimmt, so soll es auch mit dem Fortschritte der Menschen in Wohlthätigkeit und Busse der Fall sein. Ansammlung von Reichthilmern ist mit Eifer zu beschaffen; den gesammten Reichthum verwende der Weise aber zu Werken der Wohlthätigkeit. Der Sterbliche, welcher den erworbenen Reichthum nicht geniesst und nicht ausgibt, der ist als ein des Genusses des Gebens beraubter Armer zu betrachten." 2)

In dem Ausdrucke und Begriffe der dienenden Brüder liegt ein grosser und der ursprünglichste Theil der Welt- und Menschengeschicbte eingeschlossen, so dass derselbe kaum vielseitig und tief genug erwogen und betrachtet zu werden vermag; zugleich und besonders aber enthält dieser Ausdruck und Begriff auch die Urgeschichte der Baubrüderschaften, Baucorporationen, Bauzünfte und der Freimaurerei. Der Ausdruck und Begriff der dienenden Brüder ist unverkennbar ein religiöser, - ein priesterlicher in der guten und schlechten Bedeutung, welche nur immer gedacht und gefunden werden mag. Das Religiöse, das rein Göttliche und Menschliche ist dabei




    1) Grimm, a. a. O., I. S. 417.
    2) Wollheim, Mythologie des alten Indien, S. 189.



der Ausspruch und die Anerkennung, dass alle Menschen als die gleichen Kinder des Einen grossen Gottes und Vaters auch gleich berufen, gleich berechtigt und gleich zu lieben und zu achten seien bis herab zu dem Niedrigsten der Diener. Sobald die Mensebheit und die Völker begannen, sich ihr VerhäItniss zu Gott als ein elterliches, Gott als den grossen und guten Vater und die Göttin als die liebende und gütige Mutter zu denken, war es eine nothwendige Folge dieses Gedankens, dass auch die Mensehen selbst sich unter einander als Brüder und Schwestern ansahen und nannten. Es ist daher der menschliche Bruder- und Schwestername jedenfalls mit dem göttlichen Vater- und Mutternamen gleich alt und gleich gebräuchlich, was nicht zu vergessen ist. In der griechischen Thierfabel redet daher wenigstens einmal der Esel den Wolf an und , gleichsam wie den Zeus, wie sich überhaupt in der Thierfabel die menschlichen Verhältnisse widerspiegeln. 1) Höchst merkwürdig ist, dass Cook auf den Sandwichsinseln auch eine Art Adonisklage in Gebrauch fand, indem in einem Trauergesange die Worte: Aweh meduah! Aweh Tane! Ach mein Vater! Ach mein Gatte! den vorzüglichsten und oft wiederholten Refrain bildeten. 2) Auf den Marquesas-Inseln, welche G. Forster mit Cook im Jahr 1774 besuchte und woselbst ihnen zum Zeichen des Friedens Pfefferwurzeln und Zweige von Tamannuh (calophyllum inophyllum Linn.) entgegengetragen wurden, nannten und betrachteten sich alle Einwohner als Brüder (teina), als eine grosse Familie. 3) In dem gleichen Sinne betrachten sich wenigstens noch die GeistIichkeiten der verschiedenen Völker und besonders die Genossen eines Klosters bei den Christen und bei den Buddhisten, sowie eines ganzen religiösen Ordens und Bundes als eine eng und innig verbundene Familie, als das heilige Gottesheer, wie die Mönche im Reinhart V. 1023 genannt werden; im Pfaf Chuonrad heissen die christlichen Kämpfer




    1) Grimm, Reinhart Fuchs, S. XXIX.
    2) Forster, Geschichte der Seereisen, VII. S. 331.
    3) Forster, a. a. O., V. S. 24, oben, und S. 26, vergl. mit S. 70 oben, und S. 125, unten.



Gottes Heerstrangen. - Auf dem buddhistischen Ceylon werden, um die Hinfälligkeit der Erdengütter zu zeigen, die Leichname der verstorbenen Könige bestäubt herumgeführt, wobei das Klageweib folgt und ausruft: "O Männer, seht euren König! gestern euer Herr, nun ist seine Herrlichkeit dahin! Der Richter des Todes hat seine Seele genommen; zählt nicht auf die Hoffnungen des Lebens." Nach Herodot, IV. 71, wurden in dem gleichen Sinne am kimmerischen Dosporus die mit Wachs überzogenen und einbalsamirten Leichen der Skythenkönige von Ort zu Ort herumgefahren, um den königlichen Körper noch vielfach zu verwunden. 1) Der höhere Gottheits- und Menschheitsbegriff gehört namentlich den ägyptischen Priestern an und durchwehet am höchsten und reinsten als die Stimme der Propheten und des Ewigen, als der messianische Gotteshauch und Gotteswort, - als der ewige Logos, welcher in Christus und in der Christenheit zur Erde herabgekommen ist, das jüdische Leben, Dichten und Hoffen. So z. B. spricht Ezechiel 11, 15:

Menschensohn, deine Brüder, deine Brüder,
die Leute deiner Verwandtschaft und das Haus Israel insgesammt sind es:
Zu welchen u. s. w.

Ezechiel erläutert hier in gewissem Sinne, wer die Brüder des Menschen, des Juden seien, nämlich seine eigentlichen Blutsverwandten und das gesammte Haus Israel; der Christ und der Freimaurer würden noch die ganze Menschheit und Welt hinzugefügt haben und in dieser wirklichen Hinzufügung liegt der Fortschritt und die Entwickelung von dem blos nationalen Judenthum zu dem universalen, humanen oder kosmopolitischen Christenthum. Prophetisch sagt Jeremia 4, 1 und 2:

Willst du zurückkehren, Israel, ist des Ewigen Spruch, zu mir zurückkehren:
Und willst du deine Greuel wegschaffen von meinem Angesichte, und nicht umherschweifen -
Sondern schwören, "So wahr der Ewige lebt!"
mit Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit:




    1) Ritter, Vorhalle europäischer Völkergeschichten, S. 247.



So werden, wie es heisst, Völker (die Menschheit) in ihm sich gesegnet preisen
und sein sich rühmen,

In gleicher Weise spricht Jeremia 10, 6:

Gar Keiner ist wie du, o Ewiger!
Gross bist du, und gross ist dein Name durch mächtige That.
Wer sollte dich nicht fürchten, du König der Völker?

Amos 4, 13 fügt bei:

Denn siehe, der die Berge bildete und den Wind schuf,
und den Menschen kund thut, was Gottes Gedanke ist,
der die Morgenröthe, zur Finsterniss macht,
und auf den Höhen einherschreitet:
Ewiger, Gott der Heerschaaren ist sein Name.

In einem jüdischen gottesdienstlichen Liede heisst es:

"Wie der Thon in der Hand des Töpfers,
wie das Silber in der Hand des Goldschmieds,
so sind wir in der Hand des Schöpfers."

Jedoch dem göttlichen Brudernamen ist eine nähere menschliche Bezeichnung, eine menschliche Bestimmung beigesetzt; die Brüder werden der Priesterherrschaft unterworfen und zu dienenden Brüdern. Die dienenden Brüder, die dienenden Völker und Menschheit verkünden und bezeugen die Herrschaft, die Knechtschaft, welche in dem heiligen Namen Gottes so lange, so oft und so drückend von seinen Priestern über seine Kinder oder die Menschen geübt worden ist und theilweise noch geübt wird oder geübt werden will. Die Benennung seiner Mitmenschen und Mitbrüder als der Diener geht nur von dem Herrn, von den priesterlichen Herrschern aus und die ägyptischen herrschenden Priester und nach ihnen die christlichen haben unzweifelhaft zuerst die dienenden Brüder und Brüderschaften, das geistliche Herrschafts- und Beknechtungsmysterium begründet und am dauerndsten und längsten in ihren Banden und Mysterien festgehalten. Die ägyptischen Mysterien und mehr oder weniger alle Mysterien des Alterthums, von dieser Seite betrachtet, sind nur die heiligen und unsichtbaren Bande, mit denen die Priesterherrschaft die Menschen und die Völker umschlingt und





bindet; die verschiedenen Mysteriengrade sind blos die verschiedenen Stufen der Herrschaft und Knechtschaft, des Herrschens und Dienens. Dass die dienenden Brüder in den maurerischen Mysterien bis auf die Gegenwart lebendig, sich forterhalten haben, ist nicht der schwächste urkundliche Beweis für den Zusammenhang dieser Mysterien mit den ägyptischen Mysterien und mit der ägyptischen Priesterschaft, wenngleich der Maurerdienst jetzt nur ein rein idealer und humaner ist und Niemanden und Nichts gedient wird und werden soll als der grossen und allumfassenden Idee der Gottheit und der Menschheit, dem göttlichen Geiste und der Liebe zu Gott und allen Menschen. Das ausschliessliche und eigennützige höhere Priestermysterium ist nun gebrochen und das Mysterium das uneigennützige und liebevolle Gemeingut der freien Menschheit geworden; an die Stelle der alten Priestermysterien und priesterlichen Bruderschaften sind die freien Geheimbünde der Männer und der Menschen getreten, - der Priester ist zum Menschen und der menschliche Diener zum Alleinherrscher geworden; früher schürzte das Band des Bundes die Herrschaft und Gewalt, jetzt das Herz und der Geist, die Liebe. Die Grundgesetze des neuenglischen Grossmeisterthums bestimmen daher ausdrücklich, dass aller Vorzug, d. h. aller Unterschied unter den Maurern sich einzig auf wahren Werth und selbsteigenes Verdienst gründe (Preferement among Masons is grounded upon real Worth and personal Merit only. 1)) Seit dem Jahr 1717 ist die Freimaurerei, wie man sich auszudrücken pflegt, eine rein geistige (speculative) im Gegensatze zu der früheren wirklichen Baukunst, Werkmaurerei (operative Masonry).

Was hier aus dem Begriffe der dienenden Brüder abgeleitet worden ist, wird geschichtlich auch noch dadurch bestätigt, dass die freigewählten Vorsteher des freiwillig geschlossenen und stets durch den einfachen Zurücktritt lösbaren maurerischen Bundes den Namen der Beamten führen und in ihrer Gesammtheit das leitende und herrschende Beamtencollegium der Loge (collegii) bilden. Der Name Beamten und Beamtencollegium weisen darauf hin,




    1) Krause, Kunsturktinden, II. 1. S. 200.



dass einstens und ursprünglich die Beamten staatliche, bürgerliche und ihre Gewalt eine amtliche, ein Staatsamt gewesen seien, wie wir noch wirklich im Staatsleben Bezirksamtmänner, Stadtamtmänner, Gemeindeamtmänner u. s. w. besitzen und alle Staatsdiener Staatsbeamte und ihre Stellen Staatsämter, oder auch schlechthin die Beamten, das Amt und die Aemter genannt werden. In den englischen maurerischen Urkunden werden die Beamten Officers genannt, 1) welcher Ausdruck nur der gleichbedeutende romanische für die deutschen Beamten, wie Office, Officium für Amt ist. Das Wort Beamter stammt vermuthlieh aus dem Keltischen ambactus, goth. andbahts, ahd. ambaht, welches Wort ganz lateinisch lautet, als Particip von ambigere, von welchem Worte es auch ganz gut abstammen könnte. 2) Holzmann vermuthet eine Wurzel bah = facere. In der zweifelhaften Yorker Constitution vom Jahr 926 erscheinen die Meister und Vorsteher der Logen als magistri et curatores, d. i. ministri conductores ahd. ambahti, ambaht, amphat, ampht. Die Strassburger Bauhütte, errichtet im Jahr 1275, stand unter dem dirigirenden Baumeister und einigen Amtsmeistern. 3) In der Woche Johannes des Täufers des Jahrs 1439 wurden das Kreuz und der Knopf, sammt einem schönen Marienbilde, endlich auf den Heim des Münsterthurmes zu Strassburg gesetzt. Hültz von Cöln wurde im Jahre 1338 nach dem Tode Johannes von Steinbach, des Sohnes des im Jahr 1318 verstorbenen Erwin's von Steinbach, als Werkmeister des Thurmbaues oder Gubernator Fabricae bestellt. Als der Thurm in der Woche Johannes des Täufers im Jahr 1439 vollendet wurde, hatte man am Thurm 163 und am ganzen Münster 6 70 Jahre gebauet. 4) Die Bauhütte zu Strassburg




    1) Krause, a. a. O., I. 1. S. 183.
    2) Diefenbach, Origines Europaeae, S. 226 ff.; Grimm, Rechtsalterthümer, S. 304; Kraner, C. Julii Caesaris commentarii de bello gallico, S. 234 (der zweiten Auflage). Kraner, hält andbaths, ampaht für ein ursprünglich germanisches Wort = minister, , nach Ennius = servus, nach Schneider = servus circum-actus (von am, amb = circum und agere).
    3) Krause, II. 2. S. 236, Anm.
    4) Krause, II. 2. S. 241.



war nicht allein die Vermittlerin in allen Streitigkeiten ihrer Mitglieder unter sich, 1) sondern war im Jahr 1461 als ein förmliches Gericht mit einer eigenen Gerichtsordnung und mit einem rechtskundigen Schreiber bestellt und im Jahr 1490 bestätigt worden, 2) bis es im Jahr 1620 wegen Missbrauchs seiner Amtsgewalt aufgehoben wurde. Die Bauhütte und Bauzunft zu Strassburg war sonach ein förmliches Amt im strengsten staatsrechtlichen Sinne, ein Amtsgericht, womit es gewiss und allein zusammenhängt, dass z. B. nnl. ambacht auch das Handwerk, dän. amt auch die Zunft bedeutet. Die Urtheile der Bauhütte, des Bauamtes und Baugerichtes zu Strassburg wurden Hüttenbriefe, lettres de loge geheissen. Eine Hauptpflicht der Mysterien-, Zunft- und Bundesbeamten, besonders aber des Br. Ceremonienmeisters, des Poliers oder Parlierers (parabolator 3)), war und ist es auch, gegen die fremden und besuchenden Brüder die Pflichten der Gastfreundschaft zu üben und ihnen vorzüglich aus den schon bei den römischen Baucorporationen üblich gewesenen Zunftbechern oder Zunftpokalen in der heiligen Dreizahl sehr ceremoniell den Willkommenstrunk zuzutrinken und darzubringen. 4) Das Trinken aus dem gleichen Becher, 5) die




    1) Krause, II. 2. S. 247.
    2) Krause, II. 2. S. 245.
    3) Heldmann, die drei ältesten geschichtlichen Denkmale der Freimaurerbrüderschäft, S. 213, 225 und 276; Fallou, a. a. O., S. 44 und 233; Winzer, a. a. O., S. 133.
    4) Krause, II. 2. S. 255 ff.
    5) Auf Java nehmen die Verlobten, sitzend auf einer Decke oder einer Matte, zum ersten feierlichen Zeichen der Vereinigung und Einheit den beliebten Siri-Sirang aus einer Dose. Vergl. Ausland für 1849, S. 536 a. Wie Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 271, oben, berichtet, erfolgt bei den Nairar in Malabar die Trauung einfach dadurch, dass der Bräutigam einen Strick um den Hals der Braut bindet; bei der niedrigen Kaste der Poliar dagegen erfolgt die Trauung dadurch, dass der Bräutigam der Braut einen Ring auf den Finger steckt (Lassen, IV. S. 271, unten>. Auch gehört hieher ein sinniger Gebrauch, den Vollmer in seinem Natur und Sittengemälde der Tropenländer, München 1829, S. 234, mittheilt: "Am Ende der Mahlzeit nahm mein Wirth, der Kazike Atahuaco, eine schöne Ananas, zerschnitt sie und reichte mir die eine Hälfte, indem er mir durch den Dolmetscher zu verstehen gab, sowie er diese Frucht mit mir theile. wolle er fortan sein Lehen mit mir theilen."



Theilung des Weines und überhaupt des Trunkes galt stets und gilt noch heute bei dem ganzen deutschen Volke als erstes und höchstes Zeichen der Liebe und Freundschaft, der innig verschlungenen Herzen, und könnte sehr leicht nur als ein symbolischer Gebrauch für die ursprüngliche Bluttheilung entstanden und eingeführt worden sein. Es ist blos eine Ausdehnung des Trinkens aus dem gleichen Becher, dass bei den inaurerischen Tafellogen und im Volksleben nicht selten auch Ein Becher von dem Vorsitzenden um die ganze Tafel bis wieder zu ihm zurück kreiset und so gleichsam eine magische Kette um alle Tischgenossen und Freunde schlinget. Dass alle Anwesenden zugleich aus ihren Gläsern grüssend oder liebend trinken, ist nur eine andere Form des von Mann zu Mann erfolgenden Trinkens aus Einem Pokale. In diesen durch den Pokal mit dem goldenen Weine geflochtenen Ring der Freundschaft und der Ewigkeit werden bei den Maurern auch die dienenden Brüder eingeschlossen, gerade wie man in allen rechten Familien und Häusern die Dienstboten, überhaupt die Bediensteten an den Haus- und Familienfesten und Freuden Antheil nehmen lässt, die selben auch in dieser Hinsicht als wirkliche Haus- und Familiengenossen, als Heerd- und Feuergenossen behandelt. Wie oft müssen die Bediensteten mit der Herrschaft die Schmerzen und Leiden theilen, deshalb sollten sie auch nicht mindern Antheil an dem Glücke und den Freuden haben. Das schönste aller maurerischen Logenämter, ein Ehrenamt (dignitas) ist, im Namen der Loge den besuchenden und den dienenden Brüdern die brüderliche Freund schaft und Liebe zu bezeugen, - mit ihnen den Minnetrunk zu Ehren des Vaters und Schöpfers aller Welten und aller Menschen zu trinken. Nach dem von Krause, II. 2. S. 260, theilweise mitgetheilten Gebrauche der Handwerksmaurer zu Altenburg 1) sprach hierbei der fremde Handwerksgeselle namentlich:

"Veste Dinge dieser Erde müssen unverändert sein; willst Du jetzt mein Bruder werden, es gescheh' bei Bier und Wein, so musst Du mit Mund und Hand ewig




    1) Vergl. auch Fallou, S. 65 ff. und S. 351 ff.



halten Bruderschaft. Sonn und Mond die stehen ewig, erstere ist ganz unbeweglich: also wirst Du auch nun sein, ewig bleiben Bruder mein. Die Maurerarbeit ist von Stein und Kalk; kein Feuer sie verzehren kann: drum bleibet unsere Bruderschaft ein vestes Ding; durch Schnee und Eis bin ich gereist!" 1)

Die Beamten erscheinen aber blos in ihrem Vergleiche mit den tiefer und den ausser den Aemtern stehenden Brüdern als höher Berechtigte, als Leitende und Führer; im Vergleiche zu dem Ganzen, zu dem herrschenden Gesammtwillen sind auch sie eigentlich nur dienende Brüder und ihre Amtsleistungen Dienstleistungen, gerade wie die Staatsbeamten auch Staatsdiener und die Staatsämter Staatsdienste, - goth. andbahtjan, amhd. ambahten, altn. norw. embätta servire, dienen und amt minister, ministerium heissen. Ja die ganze Baukorporation, Baubrüderschaft war nur ein untergeordneter Nebentheil des grossen und ällumfassenden ägyptischen und christlichen Priestergebäudes, wie dieses wohl ebenmässig bei den Druiden der




    1) Einen ganz ähnlichen Gruss hatten noch im Jahr 1810 die Maurergesellen zu Dresden, den Krause, a. a. O., S. 256 mittheilt. Bei dem darauf folgenden Examen wurden die Massstäbe über das Kreuz gelegt, was auch in England vorkommt. In diesem Examen wurde auch gefragt, woran man den Maurer erkenne, und darauf geantwortet: "An der Ehrbarkeit!" Merkwürdig ist übrigens, dass auch der Hosenbandorden nach Krause, II. 2. S.481, ein rothes Buch mit zwei kreuzweise gelegten Federn (cross-pens) hatte, welches der Vater von Chr. Wren, Registrator des Hosenbandordens, bewahrte. Diesem Orden soll die Feier und die ganze Einrichtung des sogenannten maurerischen Grossfestes nachgebildet sein. Bei der Aufnahme in die westphälische Vehme musste der Schwur über zwei kreuzweis übereinander gelegten Schwertern abgelegt werden, wie es noch heute Sitte ist, bei der Aufnahme in die deutschen Studentenverbindungen das Gelübde auf zwei kreuzweise übereinander liegenden Schlägern abzulegen. Die Mitglieder der Vehme erhielten bei der Aufnahme auch ein Nothwort neben dem Griffe, dem Zeichen mit dein Grusse und der Loosung. Vergl. Winzer, a. a. O., S. 159. Das allgemeine Zeichen, gleichsam das allgemeine Wappen der Steinmetzen und der Freimaurer ist ein ausgespannter Zirkel und ein kreuzweise darüber gelegtes WinVelmass und findet sich nach Fallou, S. 231, und Winzer, S. 130, schon auf dem Grabmale des Meisters Hugo Libergier, der 1229 die Kirche St. Nicaise zu Rheims erbaute und dort begraben liegt.



Fall war. Das Innungswesen, die Innungen erscheinen auch in den indischen Staaten sehr ausgebildet und die Vorsteher der Innungen waren nicht ohne politischen Einfluss, bildeten mit den Priestern eine Art allgemeiner Volksversammlung, die besonders den neuen Herrscher anerkennen und bestätigen musste. 1) Auf Java wird im 13. Jahrhundert eine Gilde der pândi oder der Eisenschmiede erwähnt, 2) deren Vorsteher ein unebenbürtiger königlicher Prinz war. Der Vorsteher einer Innung heisst çresthin. 3) Zur Zeit des Megasthenes führte in den einzelnen Städten eine Kommission von fünf Personen die Aufsicht über die Handwerke, und das Gesetzbuch hatte bei Strafen genau vorgeschrieben, wie die Gewerbe von den betreffenden Ilandwerkern ausgeübt werden sollen. 4) Selbst die Handwerker in dem von Ladislas Magyar besuchten Negerreiche Bihé beobachten eine gewisse Zunftordnung, denn die Arbeitstheilung hat bereits begonnen. Den Meistern oder Essene werden die Lehrlinge oder Katungissa im Alter von 10-12 Jahren gegen ein Lehrgeld von etwa zwanzig Ellen Zeug und einer Ziege übergeben, und die Freisprechung erfolgt mit dem Impemba-Zeichen, welches auf das Opferblut gemacht wird, womit man den Lehrling bestreicht. 5) - Das maur. Beamtencollegium möchte ein geschichtlicher Nachklang der auch in England eingeführten römischen collegialischen Gewerbs- und Zunftverfassung sein, worüber besonders Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 94 ff., und Heldmann, S. 57 ff., zu vergleichen ist und die bekanntlich von König Numa ausgegangen sein soll. Nach L. 20 C. Theodos. de pagan. bestand die römische Zünftigkeit (sodalitas) besonders darin, dass die Collegia an festgesetzten Tagen zusammenkommen, sich zusammen über die Angelegenheiten ihres Gewerbes und über das Beste der Collegien berathen und auf gemeinsame Unkosten, zusammen speisen durften. Eine Gesellschaft mit diesen Rechten nannten die Griechen




    1) Vergl. z. B. Lassen., IV. S. 349,
    2) Lassen, IV. S. 478.
    3) Lassen. III. S. 981.
    4) Lassen, II. S. 716.
    5) Ausland für 1860, S. 878 b.



Hetaireia, eine Genossenschaft, Brüderschaft, Verbrüderung. Zu dem Ende hatte ein jedes Collegium seine Vorgesetzten, wovon Einige die eigentlichen Geschäfte leitetene Andere den Schatz (fisci rationes conficerent) besorgten. Daher fanden sich in den alten Inschriften: Magistri quinquennales Coll. Fabr. tignarior; Magistri (Meister) quinuennales Aurificum; Honorati et Seribae Fabrorum tignariorum (der Zimmerleute) u. s. w. Zugleich hatte jedes Colleg einen Schutzherrn (patronus) aus den Patriciern und dem Adel, welcher sie bei dem Senate und dem Volke vertreten sollte. Jedes Colleg hatte eine Zunftkasse, welche im römischen Rechte und in Inschriften Lade (arca communis) genannt wird, wie auch jedes Colleg nach der Anordnung des Numa seine besondere Schutzgottheit (genius), und besondere religiöse Gebräuche und Feste hatte, so namentlich die Fabri, die Stein- und Metallarbeiter aller Art; die Fabri scheinen vorzüglich den Baumcultus, den maurerischen Akaziencultus geübt zu haben und hiessen daher Baumträger, Dendrophoren. Honorius untersagte den Collegien im Jahr 399 n. Chr. die Opfer und Opferschmäuse. Die Mitglieder der Collegien wurden verderbt (corrupte) Frataleas, Brüder genannt, 1) - auch Collegiati, Collegen, wie dieser Ausdruck noch heute von den gleichen Berufsgenossen gebraucht wird. Die Collegien wandten sich besonders gerne dem fremden Cultus und den fremden Mysterien zu, wie z. B. in einer Inschrift das Collegium des Serapis und der Isis erwähnt wird. 2) Unter dem Kaiser Commodus gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts nach Chr. werden die Architekten neben den fabri (Holz- und Metallarbeitern), structores s. aedificatores (Maurern oder Bauleuten), lapidarii (Steinbrechern) als ein eigenes collegium genannt und unter die Befreieten (immunes) gerechnet; 3) im Jahr 337 wurden die Architekten und die structores i. e. aedificatores, sowie die sculptores ligni (die Holzschnitzer) durch Constantin von allen Staatslasten befreiet (ab universis muneribus vacare praecipi-




    1) Vergl. du Cange unter Fratria und Fratres de Gilda.
    2) Krause, II. 2. S. 107.
    3) Krause, S. 112 und 113.



mus). Ebenso erklärten im Jahr 344 die Kaiser Constantin und Constans die Geometer und Baumeister, welche die Anordnungen aller Theile, und die Kenntniss aller Abschnitte der Säulenordnungen aufbewahren, und durch Angabe der Masse, sowie durch ihre Anordnungen an den Bauten geschäftig sind, für steuerfrei. Schon Romulus soll zwei Priestercollegien, das Collegium Fratrum Arvalium und das Collegium sodalium Titiorum eingerichtet haben. Die genaue Betrachtung der von Marini vollständig dargelegten Verfassung, der inneren und äusseren Rechte, der Gebräuche des Collegium der Fratrum Arvalium macht es höchst wahrscheinlich, dass dasselbe allen übrigen später gestifteten Collegien in den erwähnten Dingen zum Muster gedient habe. Die älteste dergleichen Gesellschaften war die Priesterschaft der Lupercorum (sodalitas Lupercorum), welche noch vor der Erbauung Roms in jenen Gegenden durch den Arkadier Evander eingeführt worden sein soll, 1) so dass also die religiöse griechische Collegienverfassung von den Römern nachgeahmt worden zu sein scheint. Die gewerblichen Collegien gehörten zu den collegia privata und nach I. 1 §. 2 D. de coll. et corp. durfte Niemand zugleich Mitglied zweier oder mehrerer Collegien sein, wie die ähnliche Vorschrift auch heute noch für die Maurer gilt. Die Gewerbszünfte waren durchaus nach dem Vorbilde des römischen Staates eingerichtet. Schon die römischen Zünfte hatten die Gewohnheit, auch Nichtgewerbsgenossen als Mitglieder aufzunehmen, wie wir dieses noch besonders bei den mittelalterlichen Bauzünften in den accepted Masons sehen. Ihre Versammlungsorte nannten die Collegia Curia, Phretrium s. Phetrium. Die meisten Collegien hatten eigene Schulen (scholas) für Zöglinge oder Lehrlinge (alumni), deren Beschaffenheit und Bestimmung mit den in der Yorker Constitution erwähnten Logen (Lodges, logia, collegia) der Baukorporationen genau übereinstimmt. 2) In ihren Curien hatten die Zünfte auch ihre Archive (archivas, tabularia); auch führten sie eigene Siegel (sigilla) und Fahnen und Schilde (vexilla),




    1) Krause, S. 129.
    2) Krause, S. 140.



deren sie sich vorzüglich bei öffentlichen Prachtaufzügen bedienten. Für ihre inneren Angelegenheiten besassen sie eigene Gerichtsbarkeit und Richter. Gegen einander übten sie Gastfreundschaft, das sogenannte jus sodalitium, welches auch die gegenseitige Unterstützungspflicht überhaupt in sich schloss. Höchst wahrscheinlich hatten die Zünfte ähnliche besondere Constitutionen, wie die nach ihnen gebildete Yorker Constitution. 1) Gemeinsame Festfeiern der Zunftmitglieder unter sich sowohl, als mit andern Zünften waren sehr gewöhnlich und beliebt. Die Mitglieder zahlten an die Zunftkasse monatliche Beiträge. Ebenso hatten sie Ehrenfrauen (honoratae oder matronae. 2) Auch waren für alle Collegien besondere Priester und deren Gehülfen unentbehrlich (sacerdotes collegii, qui a sacris sunt, et eorum apparitores, qui sacerdotibus apparent seu praesto sunt). Auf ähnliche Weise hat die grosse Loge von England und Schottland einen eigenen Logenprediger, welche besonders auch bei öffentlichen Gelegenheiten und bei Begräbnissen maurerisch-religiöse Vorträge halten. 3) Die verschiedenen Zunftbeamten bildeten das Beamtencollegium (ordinem 4)). Nach römischem Vorgange erhielten die mittelalterlichen Bauzünfte den heiligen Johannes zu ihrem allgemeinen kirchlichen Patrone. 5) Die römischen Zünfte hatten auch mehrere dienende Mitbrüder als Einsammler der monatlichen Beiträge (eranistas) und Bedienten (viatores), sowie eigene Sklaven (servos) und Fahnenträger und Träger der Bildnisse der Götter (signiferos s. vexilliferos). Da sich die Collegien nach dem Vorbilde einer Familie ausbildeten, finden sich ausser den Benennungen Vater, Mutter, Söhne, Töchter und Schwestern ausdrücklich auch hin und wieder der Name Bruder für die Mitglieder eines Collegiums. 6) Ueber den symbolischen Gebrauch der Werkzeuge und Zunftgeräthe konnte Krause




    1) Krause, S. 142 oben.
    2) Krause, 8. 147 und 148, S. 156.
    3) Krause, S. 149; Heldmann, S. 72 und 73.
    4) Krause, S. 162.
    5) Krause, S. 161.
    6) Krause, S. 166.



nichts Bestimmtes entdecken, ausser dass auf einigen Grabmälern von Zimmerleuten und Maurern ihre wichtigsten Geräthschaften und Werkzeuge, z. B. Zirkel, Winkelmass, Senkblei, Massstab, Kelle und Spitzhammer ganz nach der jetzigen Weise abgebildet sind. 1) Für einen symbolischen Gebrauch scheinen die beiden Schuhe mit darauf liegenden, halb geöffneten Zirkeln zu sprechen; denn wahrscheinlich deutet dies Symbol auf einen rechtschaffenen geselligen Wandel, oder auf eheliche Treue. Auch dürften einige römische Innungen den Gebrauch der Haus- oder vielmehr Fabrikmarken gehabt haben; wenigstens möchten wir die Zeichen, welche z. B. in Rheinbaiern unten auf zu Rheinzabern aufgefundenem Töpfergeschirr bemerkt worden sind, 2) für solche Marken halten. Wieder in Nachahmung der römischen Staatsverfassung und Staatseinrichtung zählten die Collegia ihr Alter nach Lustren, einem Zeitraume von fünf Jahren, nach dessen Ablauf sie eine feierliche Lustration hielten, ihre Zunftlisten bereinigten und in Ordnung brachten, ihre vorzüglichsten Beamten, die somit in der Regel ein Lustrum im Amte standen oder fünfjährige waren, erneuerten und öffentliche Spiele feierten. 3) Auch fand Krause ein Beispiel, dass ein Collegium jährlich seinen Stiftungstag (diem natalem collegii) durch ein Gastmahl und Spiele feierte. Nachdem die Collegicn in ihren Versammlungen die Zunftangelegenheiten erledigt hatten, beschlossen sie in der Regel den Tag mit einem Gastmahle (epulis), wobei sie sich künstlicher Armleuchter mit Wachskerzen und eines grossen, auf dem Tische stehen-




    1) Krause, S. 166 und 167, mit den Anmerkungen.
    2) Erster Jahresbericht des historischen Vereins der Pfalz, Seite 65, vergl. mit S. 68.
    3) Neuerlich hat der britische Astronom Henry Hennessy sogar die Behauptung aufgestellt, dass die ägyptische Sothisperiode nicht eine Periode von 1461 Jahren, sondern nur von 1461 Tagen, oder 365 ¼ Tage multiplicirt mit 4 gewesen sei und dass eine Sethisperiode der griechischen Olympiade entsprochen habe. Nach Hennessy wäre nicht zu bezweiflen, dass den ursprünglichen Anstoss zu den olympischen Festen die Einschaltung und die populäre Anerkennung des Tages gegeben habe, den wir jetzt alle vier Jahre dem Monate Februar einschalten. Vergl. Ausland für 1860, S. 1224 b.



den Zunftbechers bedienten. Jedes Collegium hatte gewöhnlich seine gemeinsame Grabstätte, bei denen sie auch kleine Tempel (aediculas) errichteten, die Opfergebräuche begingen und die Leichenschmäuse hielten. Arme Mitglieder liessen sie auf Kosten der Gesellschaft beerdigen 1) und verdienstvolle ehrten sie durch Grabdenkmale, jährliche Gedächtnissfeiern u. s. f. Auch mehrere deutsche Zünfte waren darnach Begräbnissgesellschaften und unterhielten gemeinsame Begräbnisskapellen. Die Grabmäler wurden mit Rosen und Lilien geschmückt; auch pflegten die Gräber sorgfältig gereinigt und unterhalten zu werden, so dass die Collegien sich in jeder Richtung durch ihren Todtencultus auszeichneten oder bis nach dem Tode die collegialischste Treue und Liebe bewahrten. Ebenso eigenthümlich war den Römern wie den Griechen der Geniendienst. 2) Nach Plutarch war das gleichschenkelige Dreieck das Symbol des Genius, wie das gleichseitige Gottes und das ungleichseitige des Menschen. Auch Krause, S. 172, und Heldmann, S. 72, erblickten schon in dem: funde merum genio, ein Ueberbleibsel des römischen Geniendienstes. Dem Genius musste in weissem Gewande geopfert werden. Krause S. 174 vermuthet, dass die geheimen Namen der Genien als Losungsworte gedient haben und daher die maurerischen Losungsworte abzuleiten seien. Nach einer Seite hin waren die römischen Collegien gleich den noch heute bestehenden religiösen Brüder- und Schwesterschaften der katholischen Kirche, z. B. der heiligen Maria




    1) Ueber die ähnlichen Verpflichtungen der deutschen Handwerksinnungen vergl. Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 15. Das Gildestatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden vom Jahr 1266, Art. 25 (bei Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, S, 150), macht es zur Pflicht, sterbende und todte Brüder zu besuchen.
    2) Krause, S. 171, Anm. d.; Fr. A. Ukert, über dieDämonen, Heroen und Genien, in den Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, I. (Leipzig 1850). S. 137 ff. Bei Orelli Inscr. Nr. 941 und 1705 erscheint ein Genius collegii, anderwärts ein Genius nautarum, ein Genius vexillariorum et imaginiferum, ein Genius beneficiariorum (erster Jahresbericht des historischen Vereins der Pfalz, Speyer 1842, 39).



oder irgend eines andern Kirchenheiligen in Cöln, München und Wien, entweder ausschliesslich oder doch vorzugsweise religiöse, diesem oder jenem auswärtigen Gotte und Mysteriendienste bei dem allmähligen Absterben des Glaubens an die einheimischen Götter gewidmeten Vereine, wie die Juden sich in die Collegien mit ihren eigenen Tempeln oder Synagogen retteten und die Christen sich vergeblich zu retten versuchten oder nicht die Bewilligung erhalten konnten, christliche Collegien zu bilden. Noch mehr, in dem römischen Reiche waren die im Ganzen freien und selbständigen Collegien und die Mysteriendienste derselben die Zufluchts- und Bergungstätten, das Mittel und die Form eines reineren und freieren Gottglaubens, - die römischen Freimaurerlogen, wenn der Ausdruck erlaubt ist. Vorzüglich die gebildeten und deshalb freidenkenden und freigläubigen Architekten oder Baukünstler fanden in den ihnen durch ihren Beruf und ihre Beschäftigung am nächsten stehenden Collegien der baulichen Gewerke, deren Patrone oder Vorsteher sie zu sein pflegten, die Gelegenfieit und den Ort zur Verheimlichung und zur Verbreitung ihres religiösen Freisinns und Freiglaubens, besonders unter der Hülle der Bauwerkzeuge und Bauausdrücke, die nur zu leicht kosmopolitisch oder im des grossen Baues der Gottheit und der Menschheit jerstanden und ausgelegt werden konnten, wie wir dieses aus den Schriften des Vitruvius, des reinsten und grössten römischen Bausymbolikers ersehen. Alles wohl erwogen, werden wir daher gleichsam dazu gedrängt, die germanisehen Bauzünfte und spätere Freimaurerei der Form wie der Sache nach an die römischen Architekten, Baukünstler und Baukollegien anzuknüpfen und mit ihnen in einen unmittelbaren geschichtlichen und dazu sehr innigen Zusammenhang zu bringen, wie es nach dem allgemeinen Entwickelungsgange der Völker- und der Menschengeschichte gar nicht anders sein kann und wie es vollständigst erwiesen vorliegt. Die römisch-griechische Bildung und die römisch-griechischen Einrichtungen kamen den Germanen theils unmittelbar von den Römern selbst, theils und noch mehr durch das Mittel der für fremde Bildung äusserst empfänglichen Kelten in Gallien und Britannien zu, und





namentlich gilt dieses von der Zunftverfassung und dem Mysteriendienste, für welches Letztere ganz besonders das pythagoreische Pentagramm, der Drudenfuss zeugt. Die Architektur des Alterthums ist wesentlich der heilige Tempelbau und fällt durchaus mit der Religionsgeschichte zusammen, aus dem doppelten Grunde, weil der gläubige Mensch zuerst darauf bedacht ist, die Gottheit in einem ihrer würdigen Gebäude, in einem Prachtgebäude, in einem göttlichen Gebäude zu verherrlichen, und sodann weil die Priester zuerst bauen lernten und lehrten, daher die ältesten Gebäude überall priesterliche sind. Kunst und Wissen fesselten die Architekten, die Bauleute und Bauzünfte gleich stark an die Priesterschaft, an die Tempel und die Klöster oder Kirchen. Die schönsten, die grössten und die dauerhaftesten Gebäude, die göttlichen und himmlischen Gebäude bauete von den ägyptischen Pyramiden und Tempeln an bis herab zu den gothischen Kirchen, Domen und Thürmen der fromme Glaube, die Gottesbegeisterung. Die Römer suchten die Kelten, besonders in Britannien unter Agricola, sich dadurch zu unterwerfen und dieselben zu entwildern, dass sie bauen lehrten, dieselben gleichsam einbauten. 1) Zur Zeit des Eumenius gegen das Ende des dritten Jahrhunderts nach Chr. war Britannien äusserst reich an den besten Künstlern. 2) Krause, a. a. O., S. 212 ff., hat den Beweis zu führen versucht, dass die Freimaurerbrüderschaft seit den Römerzeiten auf den britischen Inseln als Collegia Fabrum und Caementariarum, dann unter dem Namen Masons und Free-Masons ununterbrochen fortbestanden habe. Dafür, dass die Kelten die Gewerbe und Handwerke durch die Römer haben kennen lernen, überhaupt erst durch sie cultivirt worden seien, darf wohl auch angeführt werden, dass das keltische Wort Carpentum, der Wagen, carrum pompaticum, womit ital. ecrpentiere, span. carpintero, port. carpenteiro, prov. carpentier, franz. charpentier, d. i. Wagner, Zimbermann und zuletzt jeder Holzarbeiter (omnis faber lignarius), römischen Ursprungs, - das




    1) Tacitus, vit. Agricol., cap. 21.
    2) Krause, S. 203, Anm.



römische carpentum, woher carpentarius, zu sein scheint. 1) Grimm, Myth. S. 1223 , hat die alte lat. Deutung aus carpere viam adoptirt und vergleicht die Verwandtschaft von Wagen und Weg. Diefenbach neigt sich jedoch zur keltischen Abstammung des Wortes, das die Römer früh von den cisalpinischen Galliern empfangen haben mögen und wofür ihm der gallische Stadtnamen Carpentoracte und der britannische , vielleicht auch der schottische Cairpentaloch sprechen. Ueber das verwandte Carrus, Carrum, Carra f. vergl. Diefenbach, S. 283 Nr. 91. Dem Lateinischen argentum, sanskr. rag-ata, zend. crezata, von rang (leuchtend), haben die keltischen Sprachen ihre Benennungen des Silbers und des Geldes, weil Silbergeld das gewöhnlichste war, entlehnt: irisch und gölisch airgod Silber und Geld, franz. argent, - coreisch gueidvur argans, argentarius, - gäl. airgiodh ruadh (lit. red money) Copper: aes, - airgod beò (mit beò 1. lebendig, 2. lebhaft, engl. quick, woher quicksilber) Quecksilber, walach. argentu vivu (argentum vivum), - toskisch , gegisch 2) Welche Stellung die griechischen Colonisten zu Massilia den Kelten gegenüber eingenommen haben, geht am besten daraus hervor, dass die Rhone, Rhodanus, vermuthlich von dem griechischen (schlank, schwankend) oder 'Po-, den Namen tragen könnte. 3) - Bei der Beurtheilung der Frage über das Entstehen der Bauzünfte und der ihnen eigenthümlichen Symbole und Lehren ist auch niemals ausser Acht zu lassen, dass noch im 12. Jahrhundert nach Christus fast alle Gelehrsamkeit einzig im Schosse des geistlichen Standes zu suchen ist 4) und daher die aus oder vor dieser Zeit vorhandenen maurerischen Urkunden, wie namentlich die Yorker Constitution nur von Geistlichen verfasst worden sein können. Die römische Zunftverfassung möchte zunächst von Gallien und Italien her (nicht im 10. Jahrhundert aus Constantinopel in alle Gegenden des




    1) Vergl. Diefenbach, a. a. O., S. 281, Nr. 90.
    2) Pott in der Zeitschrift für Völkerpsychologie, II. S. 120 ff.
    3) Diefenbach, Origines Europ., S. 408.
    4) Vergl. Grimm, Reinhart Fuchs, S. XCIX.



Abendlandes, besonders nach Deutschland und Frankreich, wie Heldmann, S. 98 u. S. 155, theilweise meint) an den Rhein und in das südliche Deutschland vorgedrungen sein, wie auch Grimm, a. a. O. S. CXV, die Vermuthung geäussert hat, es möchte von dort her in frühester Zeit das südliche Deutschland günstige Einflüsse erfahren haben, die es zu geistiger Bildung früher reif machten. Hiermit stimmen auch die vier Haupthütten der gemeinen deutschen Steinmetzordnung, Cöln, Strassburg, Zürich (später Bern) und Wien, und noch mehr das Entstehen und Aufblühen der gothischen oder germanischen Baukunst im nördlichen Gallien und südlichen Deutschland zusammen. Denselben Blüthesitz haben auch die französische und die deutsche Dichtkunst und selbst die politische Geschichte; im Norden lag seit den Zeiten des Mittelalters die Kraft des französischen Reiches und im südlichen Deutschland blühten die Hohenstaufen, die Zähringer und die Habsburger mit vielen andern edlen und berühmten Geschlechtern. Vom Süden aus wurde das mittlere und nördliche Deutschland zuerst durch die Franken dem christlichen Germanenthum unterworfen. Es würde gewiss viele geschichtliche Aufschlüsse gewähren und manches noch Dunkele aufklären, wollte und könnte man genauer die Wege, Sitze, Ursachen und Träger der eigentlichen französischen und deutschen, der franzosisch-deutschen Bildung in Sprache, Dichtkunst, Baukunst mit allen Hülfskünsten, und in den gesammten bürgerlichen und staatlichen Einrichtungen erforschen; schon in der hochdeutschen Sprache als der gemeinsamen Schriftsprache, als der Sprache aller Gebildeten liegt der Entwickelungsgang und die heimathliche Wiege der deutschen Bildung aufgeschlossen bis herab auf Göthe und Schiller, die grössten Dichter des südlichen und des gesammten Deutschlands. Der stärkste und unwiderleglichste Beweis für die Fortdauer und den Uebergang der römischen Bildung und Wissenschaft, der römischen Baukunst und Bauzünfte bei den christlich-germanischen Völkern liegt in den romanischen Sprachen und niemals hätten die Römer nach der politischen Vernichtung und Unterwerfung die germanischen Eroberer in Spanien und Portugal, in Gallien und Italien, in England u. s. w. nochmals sprach-





lich bezwingen und sich unterwerfen können, wenn nicht noch die römische Bildung und römischen Einrichtungen Überwiegend und beherrschend in den eroberten Ländern sich forterhalten gehabt und mit diesen die germanischen Eroberer sich angeeignet hätten. Wie und weshalb die reine lateinische Sprache sich in die romanischen Sprachen umgestaltete und umwandelte, so und aus dem gleichen Grunde ging auch der römische Baustyl allmählig in den gothischen, in den französisch-deutschen über; jener ist der Baustyl der Eroberten und des Alterthums, der gebildeten Alten und Vorchristen, dieser der Eroberer und des Mittelalters, der neugebildeten und christlichen Germanen. Mit dem Christen- und Kirchenthume selbst empfingen aus der Hand der Römer die Germanen auch die Kirchen, den römischen Baustyl, die römische Baukunst und Bauzünfte. Rom beherrschte die Welt, die Germania, und die Germanen zuerst mit dem Schwerte und dann durch die Kirche, durch den Geist, das Wort und die Schrift, und die letztere Herrschaft war und ist die bleibendere und dauerndere, die tiefer wirkende und greifende, weil sie die geistigere war und ist. Wer den unmittelbaren Zusammenhang der germanischen Bildung, der mittelalterlichen Baukunst und Bauzünfte, der heutigen Freimaurerei mit dem Alterthume und namentlich mit dem Römer- und Griechenthume zu bezweifeln und zu bestreiten vermag, kennt die Welt- und Völkergeschichte, die Geschichte seines eigenen Volkes nicht. Vergl. auch bei Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 212 ff. (vergl. mit S. 345 ff.): Sammlung von Nachrichten aus englischen und andern Schriftstellern, welche das ununterbrochene Dasein der Freimaurerbrüderschaft, vorzüglich in den britischen Inseln bis zu dem 18. Jahrhunderte beweisen. Die Geschichte der europäischen Kunst, in Steinen und besonders steinerne Kirchen, Klöster u. s. w. zu bauen, ist auch die Geschichte der Freimaurerei. In Deutschland scheint der im Jahr 1015 begonnene Bau des Münsters in Strassburg der erste grössere steinerne Kirchenbau durch eine förmlich eingerichtete Bauhütte (tabernaculum, lapidariorum societas, fraternitas, sodalitas, collegium) gewesen und dadurch die Strassburger Bauhütte als die älteste und die erste





zur Haupthütte (nach Grandidier grande loge, loge métropole) von ganz Deutschland geworden zu sein, wie Schöpflin sagt: A principibus bis fabricis, quas tabernacula vocant, reliquae omnes civitatum Germaniae ab antiquo pendebant. 1) Vorher hatte Schöpflin von dem judicium lapidariorum Argentinensium gesagt: imo hodieque inter lapidarios Germaniae omnes locum occupat supremum. Ueber den Zusammenhang des deutschen Innungswesens überhaupt mit den römischen Einrichtungen spricht sich Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte, §. 313, also aus: "Ausserdem hat die Entstehung der Innungen wahrscheinlieh auch eine Beziehung auf den römischen Ursprung einzelner Städte; freie Handwerker waren in römischen Städten häufig in solche Genossenschaften vereinigt, und da es eine römische Polizeieinrichtung war, für allen feilen Verkauf, gewisse Plätze zum Zweck der Polizeiaufsicht anzuweisen, mit welcher die Vereinigung der Handwerker, die an diesen Plätzen feil halten durften, in eine Genossenschuft zusammenhing, so waren Handwerksinnungen in allen ursprünglich römischen Städten wohl ein wesentlicher Bestandtheil der Polizeiverfassung." - In §. 25, a. a. O., sagt Eichhorn: "In den Gegenden, welche burgundisch oder westgothisch gewesen, oder von den Franken erst seit Chlodwig erobert worden waren, ebenso in Churrhätien lässt sich die Erhaltung der römischen Städteverfassung in vielen Städten nicht bezweifeln." 2) Nach Gaupp war es nicht blos in Frankreich und besonders im Süden desselben das zum grösseren Theile römisch bleibende Volksthum, welches der Fortdauer des römischen Rechts zur Grundlage diente, sondern auch alle germanischen Länder sind mehr oder weniger romanisirt worden, und man darf sicherlich behaupten, dass die in England und in den deutschen Donau- und Rheinprovinzen gepflanzte Saat römischen Lebens niemals gänzlich zerstört worden ist; offenbar aber sind die Städte aus römischer Zeit auch hier das hauptsächlichste Bindeglied zwischen der antiken und der spä-




    1) Krause, II. 2. S.242.
    2) Vergl. auch Gaupp, die germanischen Ansiedlungen und Landtheilungen in den Provinzen des römischen Westreiches. Breslau 1844.



tern Welt gewesen und die Wurzel der germanischen Municipalverfassung erscheint antik; nächstdem erfolgte die Romanisirung in allen diesen Ländern durch das auf Rom gestützte christliche Kirchenthum, denn die römische Kirche des Mittelalters ist in den mannigfaltigen Beziehungen als ein Denkmal römischer Sitten und Einrichtungen aus den Jahrhunderten der Kaiserregierung zu betrachten. 1) Gegen die von Eichhorn und Gaupp behauptete Fortdauer römischer Städteverfassung hat sich mit Hüllmann und Wilda freilich Hegel, Städteverfassung, II. S. 379 - 465, erklärt, und Walter, deutsche Rechtsgeschichte, Bonn 1853, S. 234, dieses gebilligt: allein kaum mit genügendem Grunde. Mannert, Geschichte der alten Deutschen, besonders der Franken , I. S. 374, sich anschliessend an die Forschungen von Savigny und Eichhorn, nimmt gleichfalls an, dass jedenfalls in Gallien die ältern Einrichtungen der römischen Städte unverrückt geblieben seien, weil die Franken nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen wussten. Ebenso erklärt Aug. Thierry, récits Mérowingiens , 2me ed. Paris 1842, die Korporationen oder Vereine des Handwerks für römischen Ursprungs, 2) auf welche dann die Gilde, wie auf die Stadtgemeinde selbst, angewandt wurde. Aus welcher Wurzel sich aber die deutschen Städte und Handwerksinnungen, ob aus einer römischen oder einer rein germanischen, entwickelt haben möchten, die Entwickelung der Bauverbindungen, der Bruderschaften der Baukünstler und der Baukunst, blieben daneben als eine eigenthümliche und ursprünglich römische dennoch bestehen. Savigny hat besonders in dem zweiten Bande seiner Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter den Beweis für die Fortdauer des römischen Rechts bei den einzelnen germanischen Völkern in den dunkelen sechs Jahrhunderten von dem Untergange des westlichen römischen Reiches bis auf Irnerius zu führen versucht, worauf hier nicht näher eingetreten werden kann. Mit Savigny stimmt bezüglich des fränkischen Reiches im Ganzen und Wesentlichen überein Waitz, deutsche Verfassungsge-




    1) Gaupp, a. a. O., S. 5 und 6.
    2) Vergl. auch Winzer, a. a. O., S, 160 ff.



schichte, II. S. 287 ff., indem er glaubt, dass die römischen städtischen Einrichtungen in Gallien aus älterer Zeit bestehen blieben, vielleicht ohne in den Formen viel zu verlieren, aber in einer Weise die ihnen doch alle politische höhere Wichtigkeit raubte und welche sieh mit der Einordnung in das allgemeine System der Reicbsverwaltung unter den fränkischen Königen vertrug, dass sie dann später eine grössere Bedeutung wieder erlangen und auf die Entwickelung einer neuen städtischen Verfassung einen Einfluss ausüben konnten. Dieselben Ansichten, nur etwas bestimmter, stellt auf Warnkönig, französische Staatsgeschichte, Basel 1846, S. 143 ff., dass nämlich die germanischen Eroberer Galliens die städtischen Einrichtungen haben fortbestehen lassen, im Laufe der Zeiten aber sich die römische Städteverfassung allmählig verloren und in der germanischen aufgelöset habe, wie dieses Savigny, a. a. O., I. S. 887, und Raynouard, histoire du droit municipal en France, Paris 1828, II. S. 23, annehmen; die häufigsten Beweise der Fortdauer der römischen Municipalverfassung während der fränkischen Periode liefern die Formelsammlungen, indem nach denselben die meisten feierlichen Rechtsgeschäfte vor städtischen Magistraten nach alter Weise eingegangen werden. Zufolge Thierry, a. a. O., haben sich die Stadtgilden zuerst in Nordfrankreich, zu Cambray, Lille u. s. w. ausgebildet und sich alsdann von da nach Deutschland, diesseits und jenseits des Rheines, ausgebreitet; die Strassburger Stadtordnung von 1100 wäre eine der ersten derartigen in Deutschland.

Die maurerische besondere und geheime Schrift 1) war wohl auch den Kelten und Druiden bekannt und eigenthümlich. Eine alte Schrift (Geheimschrift) der Iren hiess ogham, oghum, von welcher vielleicht erst als Eponymos "Ogma, Elathani filius", hergeleitet ist. 2) Die germanische Runa, Raune bezeichnet auch das religiöse Hysterium und sodann die geheime, auch alterthümliche




    1) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 257, Anm. a; Ragon, cours philosophique et interprétatif des initiations anciennes et moderns, p. 179; Heldmann, a. a. O., S. 9.
    2) Diefenbach, Origines Europ., S. 391, Nr. 237.



Schrift, altn. runa f. linea neben rûn litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, - gadh. rûn, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, - ruine f. secretum, silentium, - finn. runo carmen. 1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, - rund artificium, scientia, - rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnât loqui, runnas collegium, sermo. 2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war. 3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-




    1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
    2) Diefenbach, a. a. O.
    3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.



heit, des weltbürgerlichen Sinnes, des höheren Menschengeistes und zwar nach einer doppelten Richtung hin. Unter den Eingeweihten selbst musste in ihrem eigenen Interesse dem erleuchteteren Geiste und der stärkeren Tüchtigkeit die Herrschaft und Leitung zugestanden, darnach allein der einzunehmende Mysteriengrad bestimmt und ertheilt werden, so dass die Mysterien sich hierin als die Herrschaft der Besseren und Besten im pythagoreischen und platonischen Sinne, - als die Aristokratie der Bildung und des Geistes oder auch als eine geistige Demokratie darstellen. Noch demokratischer gestaltete sich die Priesterschaft, wenn wie bei den Buddhisten, wie bei der Sekte des für das südliche Indien so einflussreichen Râmânuga im 12. Jahrhundert 1) und bei der christlichen Geistlichkeit ohne Rücksicht auf die Geburt oder die Kaste, worauf die ägyptische und jüdische Geistlichkeit mit den Brahmanen abgestellt hatte, der Eintritt jedem geistig Befähigten und Berufenen gestattet und ihm der Weg zu den höchsten Stufen geöffnet war. Auf diese Weise verschmolz die Geistlichkeit, die Priesterschaft alle Emporstrebenden im ganzen Volke mit sich, entfernte die Unzufriedenen und entzog dem Volke die möglichen Führer und Häupter. des Widerstandes und der Empörung, wie noch heute die Monarchie und Aristokratie die Demokratie dadurch zu überwinden strebt, dass sie die hervorragenden Demokraten zu den Ihrigen hinüberzieht, durch Aufnahme in ihre Mitte ihren Absichten und Interessen dienstbar macht. Wurden sodann durch die Aufnahme, oder gar durch Einrichtung gleicher Mysterienanstalten, priesterlicher Geheimbünde, die Mysterien nicht allein über alle Provinzen und Theile des eigenen Landes getragen, sondern auch nach fremden Ländern ausgebreitet, wie die Mysterien der Isis und des Serapis, des Mithra nach Rom und nach allen Provinzen des weiten römischen Reiches, wurden damit ein gewisser weltbürgerlicher Glaube und weltbürgerlicher Sinn gepflegt und gepflanzet, der einem reineren Kosmopolitismus, dem Christenthum den Weg bahnte und in der äusseren Zerrissenheit und Getheiltheit die Einheit in grösserem oder




    1) Lassen, a. a. O., IV. S. 130.



geringerem Umfange erhielt. In dieser Beziehung stellt sich die Verbreitung der Mysterien des Alterthums in ihren Wirkungen durchaus gleich der Verbreitung der symbolischen und kosmopolitischen Freimaurerei seit dem Jahr 1717 über alle Völker und Länder der Erde, wie denn eigentlich in der Menschengeschichte sich nichts Neues begibt und Alles nur in neuer Gestalt und Form sich wiederholt. An die Mysterienstädte, an die allgemeine Büssungs- und Reinigungsorte, an die Wallfahrtsorte (die indischen tirtha, für welche oft die kostspieligsten Einrichtungen getroffen wurden 1), an die heiligen Wanderungen und Versammlungen schliessen sich daher auch die allgemeine Welt- und Völkerkunde und noch mehr der allgemeine Welthandel, 2) der Karawanenhandel, die Messen und Dulden (von den damit verbundenen Indulden oder Ablässen) besonders, innigst an. Mysterieneingeweihte namentlich waren in Griechenland die ersten Geographen und Völker- und Geschichtskundigen; in Asien die chinesischen und die arabischen frommen Pilger, welche noch jetzt unschätzbar sind. Schon vor Muhammed's Auftreten unter den Arabern war mit den jährlichen, vier Monate dauernden Versammlungen der arabischen Volksstämme zu Mekka, während welchen die Blutrache ruhte und bei denen die poetischen Wettkämpfe stattfanden und in der Kaaba die als Götterbilder dienenden Steine geweiht wurden, eine zwanzigtägige Messe bei Okaz verbunden. 3) Alle diese Bildungswege pflegen freilich in der gewöhnlichen Geschichtschreibung wenig beachtet zu werden und noch weniger Berückaichtigung schenken denselben die jetzigen maurerischen kritischen Geschichtschreiber, welchen unter der strengen Kritik der Weltgeist und die Weltgeschichte selbst verloren gegangen ist; aber dessen ungeachtet bestehen sie und werden dereinstens mehr erforscht und erkannt werden. Die ägyptische und griechische Bildung, Wissen-




    1) Vergl. z. B. Lassen, IV. S. 82.
    2) Vergl. Kiesselbach, der Gang und die Entwickelung des europäischen Völkerlebens im Mittelalter, Stuttgart 1860, und die Anzeige dieses Werkes in der Beilage von Nro. 29 und 30 der allgemeinen Zeitung für 1861; Büttiger, Kunstmythol., I. S. 151.
    3) Lassen, III. S. 614.



schaft und Kunst, die Dichtung und die Baukunst, und eben so die mittelalterliche Bildung in allen ihren Theilen und Richtungen sind durchaus religiöse, priesterliche, mysteriöse, - ein Mysterium, eine Rune. Ein arabisches Sprichwort bezeichnete auch schon den Handel geradezu als "unzertrennlich von dem Glauben." Die grossen und grössten Ideen, welche heute die Menschheit und die Weltgeschichte tragen, waren zuerst nur das Erzeugniss und das Eigenthum einzelner besonders begabter Geister, gingen sodann auf einzelne bevorzugte Schüler als ein Geheimniss über und verdichteten sich nur allmählig zu einem Gemeingute der Völker und der Menschheit, wie z. B. der grosse pythagoreische Lehrsatz. 1) Damit die Kritik die Weltgeschichte und den Weltgeist verlieren konnte, mussten dieselben ihr vorausgegangen sein; die Gegenwart ist nur, weil eine Vergangenheit war, wie die Zukunft aus der Gegenwart und so die ganze Geschichte entsteht; psychologisch erscheint jede frühere menschliche geistige Arbeit in der gegenwärtigen enthalten und verwerthet und wir sind die geistigen Erben aller Völker und aller Zeiten. Ein Erbe zu sein, kann die Beschränktheit und Undankbarkeit leugnen; das grosse Testament, welches die Erbschaft stets fort und fort eröffnet und gibt, ist vorzüglich die Sprache und die Schrift, weshalb auch sie den Völkern des Alterthums überaus heilige waren. In der grossen Weltloge sind wir alle dienende Brüder und der Meister vom Stuhl ist der ewige Weltgeist, Gott; die drei Säulen der Weltloge sind die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, - sie sind der dreifache Schlag des Weltmeisters, welcher die Diener zur Ordnung und stets neuer Thätigkeit ruft und selbst die Todten (Hiram) wiedererweckt, - sie sind das unverlierbare, in Tod und Leben gleiche Meisterwort, - sie sind der für die Menschheit sich selbst opfernde Sohn, - sie sind die Weltenuhr, die stets von Neuem aufgezogen wird, ohne jemals abgelaufen zu sein. Schliesslich möge noch eine an einen dienenden Bru-




    1) Vergl. Verdichtung des Denkens in der Geschichte, ein Fragment, in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 54 ff.



der (im engern Sinne) gehaltene Ansprache hier beigefügt werden:

"In Berücksichtigung der bisher von Ihnen bewährten guten Eigenschaften, besonders Ihrer Thätigkeit und Ihrer Anhänglichkeit an die Loge, sind Sie nun zum dienenden Br. aufgenommen worden. Diese Aufnahme sei daher Ihnen eine Aufmunterung, Ihre guten Eigenschaften nicht nur zu bewahren, sondern noch zu kräftigen und zu vermehren. Drei Tugenden sollen vorzüglich einen dienenden Br. zieren:

"Seien Sie zunächst mit unwandelbarer Treue der Loge und jedem einzelnen Mitgliede derselben ergeben. Sie sind in den Bund der Brüder als Bruder aufgenommen worden und haben sich damit feierlich verpflichtet, allen Brüdern in jeder Lage als treuer Bruder zu dienen. Erfüllen Sie unverbrüchlich diese heilige Pflicht, dann dürfen Sie auch versichert sein, dass wir in Wort und That niemals vergessen werden, dass Sie unser Br. sind. Von heute an gehören Sie zu den Unsern, sind ein Angehöriger unserer Loge und sollen dieses bis zu Ihrem Tode sein und bleiben, indem Sie durch Ihr ganzes Leben das eben gegebene Versprechen lösen und von sich selbst, von Ihrem Worte nicht weichen. Nicht allein gegenüber der Loge, sondern hauptsächlich auch vor der profanen Welt bewähren Sie durch Ihr Handeln und Ihr Verhalten, dass die erste maurerische Tugend, die aber dennoch auch von dem geringsten Maurer geübt zu werden vermag, die brüderliche Liebe und die brüderliche Treue sei. In der Volksklasse, in welcher Sie zu leben pflegen, herrscht die Ansicht, der Maurerbund sei ein Bund von Männern, die unter keinen Verhältnissen von einander lassen und in der Noth Alles mit einander theilen; beweisen Sie jener Volksklasse jedenfalls, dass der maurerische Diener der treueste Diener sei.

"Die zweite Tugend, welche Sie sich vorzüglich aneignen sollen, ist das Stillschweigen über alle und jede Vorgänge in der Loge. Haben Sie Augen, ohne zu sehen, und Ohren, ohne zu hören. Die profane Neugierde pflegt am meisten an die dienenden Brüder sich zu drängen und deshalb müssen Sie Ihre Aufmerksamkeit verdoppeln,





durch Miene und Wort Nichts zu verrathen. Schwatzhaftigkeit, Verrath der ihm anvertrauten Geheimnisse entehrt jeden Mann, voraus aber denjenigen, der mit einem Eidschwure zu schweigen gelobet hat. Sollte jemals das Stillschweigen von Ihnen gebrochen und das Geheimniss treulos verrathen werden, die Entlassung aus dem Bunde und aus dem Dienste müsste sofort erfolgen. Beherrschen Sie Ihre Zunge streng, wenn Sie die Herrschaft über sich selbst und Ihr Geschick nicht verlieren wollen; das einmal dem Munde entflohene Wort kehrt nicht wieder zurück.

"Der maurerisehen Treue und dem maurerischen Stillschweigen fügen Sie als die dritte Haupttugend des dienenden Br. die Aufmerksamkeit bei und zwar Aufmerksamkeit in einem doppelten Sinne. Vollziehen Sie mit der pünktlichsten Aufmerksamkeit alle Aufträge, welche der Meister vom Stuhl, die Brüder Beamten oder andere dazu berechtigte Brüder Ihnen ertheilen werden. Verschieben Sie niemals einen aufgetragenen Dienst, denn das Verschobene wird später entweder nur schlecht oder gar nicht besorgt; der schnell vollzogene Auftrag ist wenigstens nicht vergessen worden und kann am leichtesten genau und gut, vollzogen werden. Seien Sie aber auch aufmerksam auf Alles, was innerhalb und ausserhalb der Loge sich begibt und deren Wohl zu fördern oder, ihr Nachtheil zu bringen im Stande ist. Als dienender Br. seien Sie besonders ein Wächter des Logengebäudes und lassen Sie dasselbe von Uneingeweihten nicht betreten. Merken Sie sich, um die Uneingeweihten von den Eingeweihten unterscheiden und erkennen zu können, sorgfältig die Erkennungszeichen und Erkennungsworte, welche der Meister vom Stuhl Ihnen gegeben hat, vorzüglich das Halszeichen, den Händedruck und das heilige Wort. Wünschbar wäre es, wenn auch das von dem Grossmeister der Alpina jedes einzelne Jahr bestimmte Passwort den dienenden Brüdern mitgetheilt würde, um daran die Mitglieder des schweizerischen Logenvereins zu erkennen. -

"Endlich sollen Sie einigermassen mit den in der Loge befindlichen Symbolen sich vertraut machen, um die Loge mit Sachkenntniss den besuchenden Maurern zeigen und





dabei wieder den wirklichen Maurer prüfen zu können. In diesem Sinne mache ich Sie noch besonders auf den Teppich oder den Tapis aufmerksam, welcher die sämmtlichen maurerischen Symbole umfasst."


Doch noch einmal sei es wiederholt, dass alle Maurer insofern dienende Brüder sind, als sie sich dem Dienste der Verwirklichung der Idee der Gottheit in der Menschheit, - dem Dienste der Idee des Wahren, Guten und Schönen als heilige Streiter gewidmet haben. Mit dem Zurufe: gajatu, d. i. er siege, er gedeihe, werden die indischen Könige begrüsst, 1) und mit Hinsicht auf den unternommenen und gelobten heiligen Kampf dürften ähnlich die Maurer begrüsst werden. Die Çrivaishnava, eine Religionssekte des südlichen Indiens oder im Dhekan, welche sich unter einander überhaupt der grössten Höflichkeit befleissigen, begrüssen sich mit den Worten, wenn sie sich begegnen: "dâso 'smi, ich bin dein Diener," 2) ohne Zweifel, um sich zu erinnern, dass sie gegenseitig stets zu allen erforderlichen Dienstleistungen bereit sein sollen; ebenso sollten alle Menschen, wenigstens die Christen und die Maurer, sich mit den Worten begrüssen: "Ich bin dein Bruder und dein Diener." Freilich sind dieses zunächst blosse Worte, aber oft wird und muss dem Worte auch die That folgen und schwerer wird der Bruderdienst versagt werden, nachdem man sich eben erst dem Bruder als seinen Diener anerboten hat; der Grad der Menschlichkeit, des Rechtes und der Liebe, welche je bei einem Volke herrschen, kann auch schon nach den äusseren Begrüssungsformen ermessen und bestimmt werden; welcher Zauber und welche Macht liegt unter Liebenden und unter Freunden nicht schon in dem traulichen Du. Auf einer in dem westlichen Vorderindien aufgefundenen Inschrift vom Jahr 752 n. Chr. wird von einem Fürsten gerühmt, dass er durch sein versöhnliches (dienstfertiges) Benehmen sich die Freundschaft seiner Feinde erworben. und die Zunei-




    1) Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 116 Anm. 1.
    2) Lassen, a. a O., IV. S. 128.



gung seiner Freunde bewahrt habe, 1) und gleichmässig, sollen alle Maurer wegen ihres Benehmens gegen alle Menschen die Feinde wie die Freunde, gerühmt werden können. - Das Land zwischen dem Zusammenflusse der östlich strömenden Jamunâ und der südlich fliessenden Gangâ hiess mit historischer Berechtigung wegen dort oft an Geistliche und Arme ergangenen königlichen Geschenke die Stätte der Almosen, Dhanamandala 2) und eine solche königliche Stätte der Bruderliebe und Mildthätigkeit sei eine jede maurerische Loge; die königliche Kunst sei die Kunst, den Armen gleich Königen wohlzuthun. Die Stadt Medina wird von den Arabern das Heiligthum, das Haus der Gerechten, das Haus der Guten, das Haus des Gesetzes, das Haus des Heils, das Haus des Guten, das Haus der Sicherheit, die Sicherheit, die bereichernde, der feste Panzer, die Stadt der Helfer, der Eingang der Wahrheit, die heilende, die siegreiche, die begnadigte, die beglückte, die zuverlässige, die gläubige, - die zerbrechende, welche die Macht ihrer Feinde zerbricht u. s. w. 3) genannt und alle diese Benennungen sollten auch den maurerischen Logen beigelegt werden können und dürfen.

Johannes der Täufer 4) scheint wegen seiner lichtgläubigen und sabäischen Lehren in die Mysterien der alten Bauleute Eingang gefunden zu haben und von ihnen als Schutzheiliger anerkannt worden zu sein. In Basra gibt es noch dermalen eine Gemeinde baptistischer Sabäer, welche Johannes den Täufer als Religionsstifter verehren. 5) Von dem Lichtschöpfer wird in den Schriften der Johannis-Jünger gesagt: "Alles ist von dem König des Lichts geschaffen; und wäre unser Mund dem Meere gleich und unsere Zunge den Felsen der Vorgebirge, und unsere Lippen dem Gestade, wir vermöchten nicht seine




    1) Lassen, III. S. 554.
    2) Lassen, III. S. 703.
    3) Wüstenfeld, Geschichte der Stadt Medina, Göttingen 1860, S. 9 und 10.
    4) Vergl. über dessen Verehrung: Paciaudius, de cultu S. Joannis Baptistae, 1750; Fabricii Bibliotheca antiquar. S. 475.
    5) Ausland für 1860, S. 1115 b. Vergl. auch Hottinger, über die Jähannis-Jünger, in der Alpina für 1859, S. 33 ff.



Macht zu bestimmen und auszusprechen. Heil Dem, der ihn kennt! Für sein Licht hat keine Sprache Namen, es ist ewig, unvergänglich; er selbst ist ewig, hat keinen Vater, keinen älteren Bruder, keinen Zwillingsbruder, er ist immer heiter und glücklich, ohne Leidenschaft, Furcht und Lüge." Den Johannis-Jüngern wird vor Allem der Dienst der sieben Planeten und der zwölf Sterne des Thierkreises geboten; sie sollen sich weiss kleiden, gleich den Genien, nicht in die Farben der Finsterniss; sie sollen sich gegenseitig lieben und treu sein; täglich beten und zu gewissen Zeiten fasten; sie sollen nicht trauern um die Verstorbenen, denn diese seien in das Lichtreich eingegangen, und keine Waffen tragen als die Waffen der Wahrheit, des Rechts und der Tugend; wenn die rechte Hand Almosen ertheilet, soll die linke nicht wissen, was die rechte thut, und Alles, was ihr wollet, dass man euch thue, das thut auch Andern. - Auch bei El Markad östlich vom Libanon leben noch solche Johannischristen. - Die Beherrscher Abyssiniens werden in mittelalterlichen Quellen die "Erzpriester Johannis" genannt. 1) Krause, Kunsturkunden, I. 2. s. 303, hält es für unrichtig, die Gemeinde der alten Sabier (Sabaei) Johanneschristen zu nennen, weil, soweit sich ihr Dasein geschichtlich verfolgen lasse, sie wider die Christen eine feindselige Stellung einnehmen und ihren Meister Johannes weit über Christus erheben. Krause theilt, um die Schriften der Johannis-Jünger als aller Beachtung werth darzustellen, folgende Stelle daraus mit: "Im Namen des höchsten, ersten Lebens, des Höchsten der Lichtgeschöpfe, das an Erhabenheit alle Werke übertrifft. - Wohin ich komme als Gesandter (Bote, apostolus) des Lichtes, wende ich mich zu dir, o König des Lichts! Lob über mich (?), und (denn) ich erleuchte die finstern Herzen mit meiner Stimme. Selig sind die Friedfertigen, die sich alles Bösen enthalten! Ich (Johannes) bin der Bote des Lichtes, den der Herr in die Welt gesandt hat. Ich bin der wahre Gesandte, in dem keine Lüge ist. Wer den Namen (die Lehre) des Lichts annimmt, der wird erfüllt vom Lichte,




    1) Ausland für 1860, S. 1150 b.



und sein Antlitz wird erfüllt mit Glorie und sein Herz mit Weisheit. - Es sei gepriesen der erhabene König des Lichtes, der Gott der Wahrheit, der reine, gute, erbarmende Glanz! Wer seinen Namen mit Wahrheit preiset, wird nicht fallen. Es leuchtet das Licht allen Geschöpfen, die vor ihm stehen, und die in ihrem Lichte strahlen und in dem grossen Lichte, welches über ihnen wohnet; die da stehen in den Wolken des Lichtes, anbetend und bekennend den Herrn in der Höhe: selig gesprochen sei er mit allen Seligsprechungen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er ist ganz Leben; er ist ganz Gerechtigkeit, unveränderlicher Glanz, unvergängliches Licht, ein Lebender über jeden Lebenden, ein Glanz über jedem Glanze, ein Licht, worin kein Schatten, ein Leben, worin kein Tod, ein Guter, in dem kein Böses, ein Sanfter, in dem keine Bitterkeit: der da segnet alle gerechte und getreue Geschöpfe, in deren Mund sein Name ist; ein König der lebendigen Stadt." Schon hieraus ist zu entnehmen, dass die Johannis-Jünger, deren Verhältnisse und Geschichte übrigens noch keineswegs genügend aufgeklärt sind und worüber noch besonders der betreffende Artikel von Gesenius in der Encyklopädie von Ersch und Gruber nachzusehen, eine christlich zoroastrische, wesentlich lichtgläubige syrische Sekte seien, welche zugleich mit den Essäern in demselben Zusammenhange stehen wie Johannes selbst. 1) Ob auf Johannes und seine Jünger auch indische und namentlich buddhistische Einflüsse, das indische Büsserleben eingewirkt haben, ist gleichfalls unermittelt, jedoch wäre es an sich nicht unmöglich; eine gewisse johanneische und zugleich maurerische Beziehung hat es jedenfalls, wenn z. B. in den Veden (welche ihren Namen von dem Wissen tragen) zu Varuna gebetet wird:

So höre jetzt, o Varuna,
Hör meinen Ruf und segne mich,
Schutzflehend ruf ich dich herbei.

Du Weiser bist der Herr des Alls,
Des Himmels und der Erde Herr,
Auf deinem Wege höre mich.




    1) Vergl. auch den Artikel über Johannes den Täufer in Lenning's Encyklopädie.



Auf dass wir leben, löse uns
Den Strick vom Hals, nimm weg den Strick
Von unserem Leib, von unserem Fuss.

Oder:

Lass mich noch nicht, o Varuna,
Eingehen in des Staubes Haus,
Gib Gnade, Allmächtiger, Gnade.

Ich ging, du starker lichter Gott,
Aus Schwachheit auf den falschen Weg,
Gib Gnade, Allmächtiger, Gnade!

Ob ich in Wassers Mitte stand,
Kam über mich des Durstes Noth,
Gib Gnade, Allmächtiger, Gnade!

Wann dein Gesetz wir brechen je,
Gedankenlos in Schuld verstrickt,
Gib Gnade, Allmächtiger, Gnade! 1)

Um die Verse bezüglich des Strickes zu verstehen, ist zu bemerken, dass Varuna Fesseln und Stricke hat, um die Uebertreter zu binden und Jeglichen innerhalb seiner Grenzen zu halten; er ist der Herr über Leben und Tod, er bestraft das Unrecht und belohnt das Gute, er hält die sittliche Weltordnung aufrecht, indem er jeden Gedanken und jede That durchschaut; er ist der Wächter der Unsterblichkeit. In Psalm 18, 5 wird gesagt:

Es umgaben mich Stricke (Wogen) des Todes. 2)

Judith, als sie in das Lager des Holofernes gehen will, betet: "Verschaffe du, Herr, dass des Feindes Hochmuth mit seinem eignen Schwert gedämmt werde: dass er mi dem Stricke seiner eignen Augen in mir gefangen werde, und dass du ihn mit den Lippen meiner Liebe schlagest." - Buddha sagte:

Wer alle Fesseln hat zersprengt und vor nichts erzittert je,
Den Bandenlosen, wahrhaft Freien, diesen nenn' ich Brahmanen.

Um Varuna sind die Lichtgenien versammelt, die Aditjas, die Ewigen, den Amchaspands der Parsen verwandt, Mitra, der Freund, Arjaman, der Ehrwürdige, Bhaga, der Segner,




    1) Carriere im Auslande für 1860, S. 1180 b.
    2) Bunsen, Gott in der Geschichte, I. S. 366. R. Weber übersetzt: "Mich umbrandeten Wogen des Todes,"



Daschka, der Einsichtige, und Andere; sie sind ganz hell und rein, sie sind die im Licht, dem Quell des Lebens, offenbare geistige Wesenheit, die persönlichen Principien aller sittlichen Begriffe und Verhältnisse für den einzelnen Menschen wie für die gesammte Menschheit. Sie heissen nicht blos die ewigen, sondern auch die geisigen, Asuren. 1) Und wenn bei Homer die Götter als die Uranionen angerufen werden, bei den Germanen als die Tyvar und Vanen, die Lichten und Glänzenden, - wenn die Perser den Einen wahren Gott Ahura-masda nennen und einem idealen Lichtkultus huldigen, so werden wir in dieser Uebereinstimmung auf ein Urgemeinsames hingewiesen und dürfen in dem Allumfasser Varuna und in den um ihn versammelten Wohlthätern als Ausstrahlungen seiner Macht und Herrlichkeit die älteste Gottesanschauung der Veden erkennen.

An die drei Welten der Inder, die drei Regionen des Lichts, des Luftmeeres und der Erde, an das dreifache Leben der Brahmanen klingt es an, wenn es in den Schriften der Johannisjünger heisst: "Es stand Johannes in dem Orte alles Glanzes und alles Lichtes, und sprach: euch bitte ich, erstes Leben, und zweites Leben, und drittes Leben, dass zu dem Orte des Lichtes, in welchen ich gestellt worden bin, alle Gerechten aufsteigen mögen." 2) Ebenso erinnert es an die indischen Aditjas, wenn in denselben Schriften von dem Lichtschöpfer auch gesagt wird: "Von ihm geschaffen sind die übrigen Könige des Himmels, Engel des Lichts, die in unendlicher Zahl, weise, jung, ewig, seinen Thron umgeben, mit Gebet, Hymnen und heiligen Dingen beschäftigt. Sie wohnen tausendmal tausend Parasangen von einander; aber sie sind schnell wie ein Gedanke, wie ein Sonnenstrahl. Er ruft einen und ihrer tausend sind da. Ihre Wohnungen sind lichtglänzend von Perlen und Edelsteinen, und sie trinken Unsterblichkeit aus Jordanen ätherischen Wassers." 3) Von der Ankunft Johannes des Täufers, des Lichtboten und Lichtengels heisst es: "Als der Lebensbote dem Erdkreis




    1) Carriere, a. O., S. 1215 b.
    2) Krause, Kunsturkunden, I. 2. S. 305.
    3) Alpina für 1859, S. 38.



erschien in seinem Glanze, da floh das Meer, der Jordan wich zurück, die Berge sprangen auf wie Hirsche, die Hügel erhoben gleich den Vögeln die Stimme, die Berggipfel brachen in Hymnen aus, die Cedern des Libanon zerbrachen. Die Erde bebte, der König des Meeres floh. O Meer, vor wem fliehst du? Jordan, vor wem weichst du zurück. Berge, vor wem spranget ihr auf? - Vor dem Glanz und dem Lichte des Lebensboten." 1) Johannes ist gleichsam die goldene Morgenröthe, Usha bei den Indern, welche den beiden Asvinen, dem Castor und Pollux der Griechen und Römer, den ersten Lichtstrahlen erscheint und von der in den Veden gesungen wird:

Strahlend kommt sie gleich dem jungen Weibe,
Weckt zum Tagewerke die Lebendigen;
Feuer zünden wir auf dem Altare.
Und ihr Licht verscheucht die Finsternisse!
Wie sie wächst in Schönheit, glanzbekleidet
Sie die Glückliche! Sie bringt des Gottes
Auge (die Sonne), bringt das Ross, das sonnenhelle,
Ihre Schätze spendend allerwegen. - -
Bring herbei das Schöne, Menschenfreundin,
Du der Götter Mutter, Auge der Erde,
Opferbotin, aller Wesen Wonne,
Gib uns Heil, und segnet uns, ihr Ew'gen.

Die Morgenröthe (Johannes) ist der Vorläufer und Verkündiger des kommenden Grössern und Herrlichsten, - des erzeugenden (Savitar), bildenden (Tvaschtar) und leuchtenden (Surya) Sonnengottes, welcher letztere auch von den Indern als Reiniger, Schützer und König des Weltalls, als der Vorsitzende der Götter durch Majestät, herrlich im unverletzlichen Licht, angerufen wird. Wie den Wagen die Achse, so trägt und hält die Sonne alles Unsterbliche und der lenkende Gott waltet über ihr: Wenn die Sonne (Hiram) auch untersinkt und die Nacht ihren Schleier webt, weiss der Weise doch die Macht des Gottes nicht erloschen und dass er am Morgen wiederkehren, das verlorene Wort wieder gefunden werden wird. Der Lichtgott wird nach einer Seite, als die im Gewitter sich offenbarende Gottesmacht, zum Indra, dem Blauen oder dem Regnenden (Ju-




    1) Alpina, a. a. O.



piter pluvius) und wenn der siegreiche Blitz- und Donnergott Indra in seinem Glanze auftritt, erbeben die Wogen des Himmels und fragen sich: Was ist dies Wunder? 1) Johannes gleicht auch diesem im Donner des Gewitters erscheinenden und die Erde in den Tiefen der Meere und in den Höhen der Berge erschütternden Indra. Wenn Indra, der deutsche Thôrr den goldrothen Bart (die Blitzesflamme) schüttelt, erbebt die Erde mit ihren Bergen; der von ihm geschleuderte Blitz, sein ehernes Geschoss kehrt stets wieder in seine Hand zurück. Weil aber Indra doch nur der Allumfasser Varuna ist, wird von ihm gesagt:

Wenn Indra hundert Himmel dir wären und hundert Erden auch,
Nicht tausend Sonnen, o Blitzschleuderer, fassen dich,
Nicht das Geschaffene, Welten nicht.

Mit Varuna und Indra fällt auch wieder Rudra zusammen, .der glänzende Himmelseber, welcher mit dem Blitze wie mit einer Geisel gleich Osiris und andern Göttern die regentriefende Wolkenmasse peitschet. 2) Himmel und Erde, Zeus und Dione, Ouranos und Gäa, sind der Vater und die Mutter aller Götter und Menschen, aller himmlischen und irdischen Wesen, - von Allem, was sich beweget und reget, und zu ihnen wird in den Veden geflehet:

Wie liebe Eltern treu ihr Kind bewahren,
Bewahrt vor Uebel uns, o Erd' und Himmel!

Das Feuer des Himmels und der Erde, die Himmels- und die Herdflamme wird zum reinen und reinigenden, hellen und leuchtenden starken Jünglinge Agni.

Zu dem menschenholden, wahrhaftigen,
Dem Gebieter des wahren Lichts,
Zum ewigen Feuer flehen wir.
In geliebten Wohnungen strahlt
Des Gewordenen und Werdenden Liebe,
Agni als einziger Herr.

In dem berühmten, in dem sogenannten modernen normannisch gothischen Style am Ende des 14. Jahrhun-




    1) Ausland, a. a. O., S. 1216 b.
    2) Ausland, a. a. O., S. 1230 b.



derts von Johann I., Könige von Portugal, erbauten Kloster zu Batalha findet sich oft das Motto wiederholt: Tanyas erey, welches ein portugiesischer Schriftsteller erklärt: "Suche, so wirst du finden!" 1) Dieselbe Aufschrift könnten die dem Lichtboten Johannes dem Täufer geweihten Maurerlogen, die Johannis- oder Lichtlogen tragen. Da die mit gothischen Buchstaben geschriebenen Worte zu Batalha mit einem Kreise in einander verschlungener Ringe umgeben sind, könnte die Deutung noch bestimmter dahin gefasst werden, dass die Maurer das gesuchte Licht jenseits des Grabes in der Ewigkeit finden werden.

Es ist eine grosse Streitfrage, 2) ob blos die englischen Bauhütten oder auch die deutschen Steinmetzen Johannes den Täufer zum Schutzheiligen gehabt haben. Winzer, a. a. O. S. 113, verneint dieses, weil in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung vom Jahr 1459 die Gekrönten, deren Todestag am 8. November das Hauptfest gewesen und noch heute von der Wiener Haupthütte gefeiert werde, als die Schutzheiligen angerufen werden; auch seien in Strassburg noch die Marienfeste gefeiert worden. Winzer hat diese Ansichten nur von Fallou, S. 73 und S. 115, aufgenommen. Diese Meinung und Behauptung von Fallou und Winzer ist schon darum auffallend, weil doch beide die englischen Bauhütten und englischen Steinmetzen von den deutschen oder gothischen Steinmetzen ableiten und deshalb das einzig Glaubliche ist, dass die letztern auch in England den Schutzheiligen beibehalten und verehrt haben, welchen sie in ihrem Vaterlande verehrten. Wir glauben, dass Johannes der Täufer der allgemeine oder gemeinsame Schutzheilige der christlich-germanischen Bauleute und Steinmetzen gewesen sei, womit es aber sehr wohl vereinbar ist, dass einzelne Bauhütten oder auch die sämmtlichen Bauhütten eines einzelnen Landes daneben ihren besondern Schutzheiligen, wählten, wie z. B. die Hütten zu Strassburg und Wien die vier Gekrönten und die schottischen Bauhütten den heili-




    1) Krause, II. 2, S. 264 und 265.
    2) Vergl. besonders Lenning, Encyklopädie, unter Johannes der Täufer.



gen Andreas. 1) Für dieses spricht zunächst, dass in der Woche des Täufers im Jahr 1439 zu Strassburg das Fest der endlichen Vollendung des Thurmbaues am Dome durch Aufpflanzung des Kreuzes und des Knopfes auf dem Helme des Thurmes gefeiert wurde, wie schon oben es gesagt und hervorgehoben worden. Sodann wird berichtet, dass Kaiser Maximilian 1. der Strassburger Steinmetzbrüderschaft als Wappen vier goldene Zirkel im blauen Felde und den Adler des Evangelisten S. Johannes auf dem Helme verliehen habe. 2) Freilich erscheint hier Johannes der Evangelist anstatt des Täufers, allein auch in England berühren sich die beiden Johannes und gehen vielfach in einander über, woraus bei den heutigen Freimaurern die gleichzeitige Feier des Winter- und des Somnierjohannisfestes, das Fest Johannes des Evangelisten und des Täufers, das alte Julfest und Mitsommerfest hervorgegangen ist. Sodann behaupten Fallou und mit ihm Winzer, das eigentliche Wappen der Strassburger Haupthütte sei gleich dem bischöflichen roth mit einem silbernen Schrägbalken gewesen, in welchem sich zwei goldene Hämmer befinden, sowie in dem oberen rothen Felde eine Setzwage, im untern ein goldener Zirkel. Als alte bischöfliche Bauhütte hatte dieselbe begreiflich und zuerst das bischöfliche Wappen: allein als gemein-deutsche Haupthütte musste sie ein anderes Wappen haben. Die Verbindung der Bauleute, der Steinmetzen Deutschlands wenigstens mit Johannes dem Evangelisten beweiset auch die Ablegung des Eides auf dessen Evangelium, wie auch manche Steinmetzwappen mit dem Attribute desselben, einem Adler mit der Feder im Schnabel geziert gewesen sein sollen und auf manchen Kirchenglocken des 13. Jahrhunderts sich die Inschrift findet:

"In principio erat verbum
(Im Anfange war das Wort." 3))

Endlich beziehen wir hierher das schon berührte Minnetrinken, sowie das Symbol der Rose, 4) besonders bei den




    1) Lenning, a. a. O., unter Andreas.
    2) Fallou, S. 231; Winzer, S. 130.
    3) Fallou, S. 242.
    4) Vergl. darüber auch noch Winzer, S. 152 ff.



Gastmalen, wovon schon Stuck, Antiquitatum Convivalium libr. 3. ed. seeunda Tiguri 1547, p. 387 das Sprichwort anführt:

Was wir hie kosend
das bleyb under der Rosen.

und welches selbst Winzer, S. 130, als ein altes Symbol der deutschen Steinmetzen zugesteht. Das Gewichtigste und Entscheidenste bleibt aber noch anzuführen übrig und besteht darin, dass nach Heldmann, a. a. O. S. 193, die Bauleute am Münster zu Strassburg vor dem Jahre 1440 Johannisbrüder hiessen, d. h. eine dem heiligen Johannes gewidmete oder diesen als ihren Schutzheiligen verehrende und feiernde Brüderschaft bildeten. Gestützt auf die Weihezeit des Münsterthurmes zu Strassburg in der Woche des Täufers darf ohne alles und jedes Bedenken angenommen werden, dass wenigstens bis zum Jahre 1439 oder 1440 der Schutzheilige der Baubrüderschaft zu Strassburg Johannes der Täufer gewesen sei, woraus von selbst folgt, dass die Feier des Johannisfestes das jährliche kirchliche Hauptfest der Brüderschaft gewesen sei. In mehr als einer Beziehung darf diese geschichtliche Thatsache als von hoher Bedeutung betrachtet werden, besonders aber wird dadurch die Verwandtschaft und Uebereinstimmung der deutschen und der englischen Steinmetzen und ihrer Bruderschaften, ihres Kirchendienstes und dessen vorchristlicher Hintergrund hergestellt, wie dieses auch der allgemeine Entwickelungsgang der germanischen Völkerbildung und alle sonstige besondere Nachrichten und Verhältnisse erfordern.

Noch ist eine sehr wichtige geschichtliche Bemerkung an die römischen Baucollegien, Bauzünfte anzuknüpfen, welche besonders für das richtige Verständniss der englischen Baulogen nicht ausser Acht gelassen werden darf. Gewöhnlich werden die Bauzünfte gleich den übrigen Zünften innigst mit der Verfassung einer einzelnen und bestimmten Stadt verbunden und verwachsen, der Stadt incorporirt, einen Theil des städtischen Gemeinwesens bildend gedacht, was im Allgemeinen und der Regel nach auch wahr, jedoch nicht nothwendig und daher auch





nicht immer der Fall ist. Zum Wesen einer Bauhütte, einer Loge im rechtlichen oder collegialischen Sinne gehört nur, dass eine Anzahl von physischen Personen das Recht erhalten habe, eine künstliche, geistige oder moralische Person oder Einheit, universitas, collegium, fraternitas, Loge oder Bauhütte mit eigenen Beamten und Organen und mit eigenem Vermögen, mit einer Kasse zu bilden, welcher Collegien in jeder Stadt eine beliebige Anzahl zu verschiedenen oder gleichen Zwecken und ohne alle nähere Beziehung und Verbindung mit dem städtischen Gemeinwesen sich bilden und bestehen können. Insonderheit wurden und werden die eigentlichen Bauhütten nur durch unternommene grössere Bauten, kirchliche oder weltliche, in das Leben gerufen und erloschen deshalb oft wieder, sobald der Bau, die Ursache ihres Entstehens und Bestehensi vollendet war; jedoch mochte neben diesen beweglichen und vergänglichen Bauhütten für die ausserordentlichen und vorübergehenden Bauten auch eine feste und bleibende Bauhütte, Bauzunft in der Stadt zur Besorgung der stets wiederkehrenden gewöhnlichen städtischen Bauten bestehen, sei es, dass sie schon aus älteren Zeiten vorhanden und mit der Stadt selbst emporgewachsen war, oder dass die ursprünglich bewegliche und vorübergehende Bauhütte eine feste Stätte gewann. Die in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung genannten vier Haupthütten von Strassburg, Cöln, Wien und Zürich sind unverkennbar keine eigentlichen Zünfte (gildated or incorporate Masons) der betreffenden Städte, sondern nur diejenigen Bauhütten, welche durch die grossen Kirchen- und Thurmbauten jener Städte geschaffen worden waren und die ursprünglich und zunächst nur aus Nichtstädtern des In- und des Auslandes zusammengesetzt werden konnten. Gerade auf dem letztern Umstande beruht der nothwendige und eigenthümliche weltbürgerliche, nicht an die Abstammung und den bestimmten Glauben geknüpfte, sondern blos die bauliche Tüchtigkeit, die Arbeit beachtende Charakter der Verfassung und der Einrichtung der Bauhütten, der Logen. Die grossen Kirchen- und Thurmbauten zu Strassburg, Cöln, Wien und Zürich weckten natürlich den Eifer und das Verlangen der umliegenden Städte und Gegenden, ähnliche oder auch





gleiche Kirchen und Thürme zu erbauen und zu besitzen, bei welchen nachahmenden Bauten man sich zugleich eines Theils der ältern Bauhütten bediente und diesem die Rechte einer eigenen Bauhütte ertheilte. So wurden Strassburg, Cöln, Wien und Zürich von selbst und auf ganz natürlichem Wege zu den Haupt- und Mutterhütten oder Logen ihrer Gegenden, so dass die spätere gemeine deutsche Steinmetzordnung in dieser Beziehung nicht etwas ganz Neues schuf, sondern blos den schon längst bestehenden factischend Zustand rechtlich anerkannte. Die schweizerische Haupthütte ist von Bern nach Zürich verlegt worden, nachdem dort der im Jahr 1421 begonnene Dombau beendigt war, weshalb auch die gar nicht eigentlich an die Stadt geknüpfte schweizerische Bauhütte in Zürich keine urkundlichen Spuren irgend welcher Art zurückgelassen hat und es ähnlich sich auch mit der Berner Haupthütte verhält. 1) Ganz in Uebereinstimmung damit steht, dass der Kirchen- und Thurmbau zu Zürich und Bern sich weniger anregend für das umliegende Land erwiesen, und weil sie dieses nicht vermochten, gingen sie auch bald wieder unter. Anders war dieses bei Strassburg namentlich, und an dem dortigen Dome hörte das Bauen kaum jemals vollständig auf, abgesehen davon, dass um und in Strassburg sich Bauten auf Bauten folgten. Kaum richtig möchte übrigens die Behauptung Findels, Geschichte der Freimaurerei, I. S. 80, sein, dass die sächsischen Steinmetzen noch heutigen Tags die Strassburger Hütte als ihre Haupthütte anerkennen. Die geschichtlich so bedeutsam und wirksam gewordenen Bauhütten Londons in dem hier vorliegenden Sinne lehnen an den Neubau der Paulskirche zu London und der ganzen Stadt London nach dem grossen Brande im Jahre 1666 unter Christopher Wren am Ende des 17. Jahrhunderts an und sind durchaus verschieden von der in London eingebürgerten alten städtischen Bauzunft, welcher allein Masonhall, die Zunfthalle angehörte und die den übrigen durch die Neubauten veranlassten neuen Logen nur zuweilen aus Gefälligkeit die Benützung ihres Zunft-




    1) Vergl. Heldmann, S. 299.



gebäudes gestattete. 1) Sonst mussten die neuen Logen zu London und anderwärts ihre Zusammenkünfte an den ihnen sich zufällig als geeignet darbietenden Orten, in Wirthshäusern, in Klöstern, in ihren eigenen Bauhütten und selbst im Freien bei gutem Weiter auf Hügeln halten. 2) Die freien Maurer (Free-Masons) waren wohl ursprünglich die nicht eigentlich städtischen und zünftigen, die von der eigentlichen Stadt- und Staatsgewalt befreiten und aus den verschiedensten Ländern zur Ausführung einer grossen Baute versammelten Baukünstler und Bauleute. Ganz verfehlt und ungeschichtlich ist es, dass Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 264, welchem auch Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. S. 94, beizustimmen scheint, wie es vor ihm Winzer gethan hatte, Freemason ableiten will von Free-stone-mason, d. i. Freistein- oder Quadermaurer, auch glatte Maurer oder Steinmetzen genannt, im Gegensatze von Rough-stone-mason, d. i. Bruchstein- oder rauher Maurer. Nicht von der Arbeitsweise, der Art der bearbeiteten Steine, sondern von den ihnen ertheilten Freiheiten, Privilegien, Freibriefen tragen die Maurer, die freien Masonen den Namen. 3) Zufolge Heldmann, die drey ältesten geschichtlichen Denkmale der teutschen Freyinaurerbrüderschaft, S. 193, hat die Baugesellschaft des Strassburger Münsters sich in Deutschland zuerst den Namen freier Maurer beigelegt, da hingegen die früher unter der Leitung der Mönche gestandenen Baugesellschaften blos Brüderschaften dieses oder jenes Heiligen hiessen und selbst die Bauleute am Strassburger Münster vor dem Jahr 1440 den Namen der Johannisbrüder geführt hatten. An den Klöstern und an den Bischofssitzen wuchs aus der Hörigkeit und Unfreiheit die bürgerliche und städtische Freiheit empor und erstarkten namentlich die unfreien klösterlichen und kirchlichen Brüderschaften der Handwerker zu befreiten und freien Zünften der Stadtbürger, wie dieses die Verfassungsgeschichte von beinahe unzähligen Städten, von Strassburg, Bamberg, Cöln, Mainz, Magde-




    1) Krause, II. 2, S. 350. Anm. a.
    1) Krause, II. 2, S. 350.
    2) Krause, II. 2. S. 251 und 354 Anm. a., S. 381 und 433.



burg, Augsburg, St. Gallen, Lucern, Basel, Genf u. s. w., beurkundet und bezeugt. Die gemeine deutsche Steinmetzordnung aus dem 15. und 16. Jahrhundert spricht von "gefreyeten" oder "gefrygeten" Meistern; 1) ferner wird in dieser Ordnung einem jeden Wandergesellen geboten, die altherkömmlichen Ordnungen und Freiheiten der Bauhütten zu halten. In Deutschland war es zuerst Br. Fessler, welcher in seinem Versuche einer kritischen Geschichte der Freimaurerei von den ältesten Zeiten bis auf das Jahr 1812 die Abstammung der Freimaurerei von den befreieten Baucorporationen des Mittelalters historisch nachzuweisen versucht hat. Die Rechte der Handwerker und ihrer Innungen sind gleichbedeutend mit ihren Freiheiten, mit ihren Privilegien. So heisst es z. B. in den neuen Statuten der thüringischen Stadt Arnstadt vom Jahr 1543, Art. 61, unter der Aufschrift: Innunge vnd freyheiten der hantwerge:

"Auch haben die rethe macht die hantwerge vnd innunge pei iren freiheiten vnd innungsbriefen vnd hantwergsgewonhaiten zw erhalten vnd zuhanthaben." 2)

Maurer und Maurerei ist eine ganz unpassende und herabwürdigende Verdeutschung des romanischen Mason und Masonry, in welchen romanischen Benennungen zugleich die ganze Geschichte, der Ursprung der Freimaurerei für jeden Sprach- und Geschichtskundigen angedeutet liegt. 3) Etymologisch oder von der indo-germanischen Wurzel m-t, m-s, mas (Mass, messen, und der Mond, woran man die Zeit, den Monat mass und der das Zeitmass, der Monat selbst war) bezeichnet Mason, lat. mensor, den Messer, den Messkünstler, den Baukünstler und Bauenden, den Künstler überhaupt, und Masonry, Masonei die Messkunst, die Geometrie, die Baukunst, die Kunst, die Messung und das Mass. Ein Freimaurer ist sonach ein freier Künstler und die Freimaurerei eine freie Kunst (ars liberalis), wie, sie sich auch selbst in ihren Urkunden als die fünfte der




    1) Heldmann, a. a. O., S. 256; Findel, a. a. O., I. S. 84.
    2) Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen, Lieferung I. Jena 1852, S. 54.
    3) Vergl. besonders Krause, II. 2. S. 360 ff.



sieben alten freien Künste aufzählt. Auf die angegebene Wurzel ist wohl auch das Wort Steinmetz, Metz oder Metzer, niederdeutsch Metselaer, Metzelaer, niederl. metser, metselaer, metselen zurückzuführen, weil der Steinmetz den Stein zu messen, zu metzen, alth. mëzen, hat. 1) Verwandten Stammes und Sinnes mit Mason ist auch der Mann und der Mensch, vermuthlich auch der Meister, franz. maitre. Im Sanskrit bedeutet man, men sprechen und denken; der Mann, der Mensch, sanskr. Manu, Menu, grieeh. Minos, Menes und der Manes der persischen Manichäer, ist somit das denkende und redende Wesen, der Denker und Sprecher, der Sinn, die Seele, im Sanskrit manas (das Vorstellungsvermögen, die Vorstellung, der Gedanke), manotar (im Weda, Erfinder, Ersinner) und mati (die Meinung), baktrisch manê, mainis (Denkungsart, Gedanke), manô (Sinn, Gedanke), demâna (Haus), - griech. , - lat. und roman. mens, memini, memoria, mansa und mansus, mansio, massa (ital.), massum, masa, masada, maison (franz. das Haus) u. s. f. 2) Die Masonen im letzten und höchsten Sinne sind also die Denkenden und Redenden, die Männer und die Menschen und besonders die Hausbauenden, die Messenden und Bauenden, - und Masonry, Freemasonry, Francmaçonnerie, Freimaurerei ist der Gedanke und die Sprache, der freie Gedanke und die freie Sprache, der freie Geist und die geistige Freiheit. Man hat viele dicke Bücher über die sogenannten Zwecke der Freimaurerei bis herab auf Kloss und Seydel 3) geschrieben, während der Zweck und Begriff schon in dem Namen und noch mehr in der Geschichte und den Lichtsymbolen deutlich und unabänderlich vorgezeiehnet lag. Mit dem Namen der Masonen hängt zugleich auch derjenige der römischen Minerva oder Menerva, auf etruskischen Denkmalen Menerfa, Menrfa, zusammen 4) und Mi-




    1) Krause, II. 2. S. 362.
    2) Krause, II. 2. S. 398 ff.
    3) Reden über Freimaurerei an denkende Nicht-Maurer, Leipzig 1859, deren philosophische Begriffsbestimmun, Findel an die Spitze seiner Geschichte der Freimaurerei gestellt hat.
    4) Preller, röm. Mythologie, S. 258.



nerva ist die Göttin des Denkens und des Wissens, des Geistes und des Lichts, der Wissenschaft, des Masses und der Zahl, der Masonry oder Freimaurerei, - ist nur der personificirte mens und memoria, die personificirte Masonry, so dass das Dreieck und die Dreizahl auch das gemeinsame Attribut der Masonry und Minerva sind. Weil bei den Römern die Zahl als eine Erfindung der Minerva galt, wurde auch der Jahresnagel auf dem Capitolium zwischen ihrer cella und derjenigen des Jupiter eingeschlagen. Ducange in seinem Glossarium unter Macio, Mattio, Machio, gall. Maçon, Latomus, welches man bei Krause ausgezogen findet, leitete unrichtig Machiones, die Masonen, von den Maschinen ab, auf denen sie wegen der Höhe der Mauern stehen und arbeiten müssen (a machinis, quibus insistunt propter altitudinem parietum). Meister, maitre, engl. mastre, ital. maëstro, möchte auch blos der Messer (mensor), der Meiner (von sanskr. mati, die Meinung), der Reder und Redner (sonst Parlierer, Polier genannt) sein und die Meister sind zugleich die Genossen, die Freunde, die Gesellschafter, socii, Aequales, welche Bedeutung Mat, Mate in den germanischen Sprachen vorzüglich hat. 1) Einen zum Meister aufnehmen heisst, einen in die Gesellschaft, in die Bruderschaft (Maatschappy holl.) aufnehmen.

Die Bildung und die Freiheiten, vielleicht auch die Geselligkeit der Masonen hatten in England während des 17. Jahrhunderts und besonders nach dem grossen Brande in London im Jahre 1666 viele Nichtmaurer bewogen, sich bei den Freimaurern aufnehmen und annehmen zu lassen, wofür nun der Ausdruck freie und angenommene Maurer (Free and accepted Masons) aufkam. So war der berühmte und ausgezeichnete Philosoph, Chemiker und Alterthumsforscher Ashmole, 2) welcher im Jahre 1692 nach Bekleidung mehrerer wichtiger Staatsämter im Alter von 76 Jahren verstarb, schon im Jahr 1646 zum Freimaurer aufgenommen worden und ihn, der auch das nach ihm benannte Museum zu Oxford im Jahr 1683 gegründet hatte,




    1) Krause, II. 2. S. 403 ff.
    2) Vergl. darüber Krause, II. 2. S. 277 ff.; Lenning Encyklopädie, unter Ashmole.



wollten daher einige maurerische Schriftsteller zum Stifter der Freimaurerei in ihrer dermaligen Gestalt machen. Indessen muss man, um die spätere und bald folgende Entstehung der englischen Grossloge im Jahr 1717 zu London zu begreifen und gleichsam vorgehen zu sehen, davon ausgehen, dass zu London in den neuen Bauhütten mit Mitgliedern aus allen Theilen Englands und des Festlandes ein frisches und freieres geistiges Leben und Streben in Verbindung mit der allgemeinen Zeit- und Geistesentfaltung erwacht war, - dass schon am Ende des 17. Jahrhunderts der Weltgeist seine Schwingen regte, welchen wir den grossen Geist des 18. Jahrhunderts nennen und der endlich die weltumwälzende französische Revolution erzeugte und gebar. Nachdem die grossen Londoner Neubauten und darunter vorzüglich die Paulskirche beendigt waren und gewiss viele der dazu herbeigekommenen Bauleute wieder London verlassen hatten und nach ihrer Heimath zurueckgewandert waren, auch ihr bisheriger Träger und Leiter Wren im höchsten Alter stand und bald verstarb, wären die neuen Logen wieder eingegangen und verschwunden, wenn nicht die blossen angenommenen Maurer sie in geeigneter Weise umgestaltet und forterhalten hätten. Sehr nahe lag es diesen blossen angenommenen Maurern, die wirkliche Baukunst und die wirklichen Baukünstler als solche ganz fallen zu lassen und sich unabhängig von denselben in der hergebrachten Form und Weise zu einer freien, rein geistigen Verbindung zu verbinden. In der von Noorthouck besorgten Ausgabe des englischen Constitutionenbuches vom Jahr 1794 wird nun die Stiftung der neuen englischen Grossloge für die blos symbolische Freimaurerei also vorgetragen: "König Georg I. kam am 20. September 1714 in London an. Da nun die wenigen Logen in London eines thätigen Patrons ermangelten, wegen Christopher Wren's Unvermögen (denn der König war ein Freimaurer und noch dazu der Landessprache unkundig), so erkannten sie es für zweckmässig, den Mittelpunkt der Vereinigung und der Harmonie unter einem Grossmeister zu befestigen. Zu dem Ende versammelten sich die Logen 1) zur Gans und zum Rost, in St. Paul's Church-Yard, 2) zur Krone, in Parker's Lane,





ohnweit Drury-Lane, 3) im Weinhause zum Apfelbaum, in Charles-street, bei Covent-garden, 4) im Weinhause zum Römer und zu den Trauben, in Channel-row zu Westminster, mit einigen alten Brüdern, in dem genannten Apfelbaume; und nachdem sie den ältesten Meistermaurer, der auch Meister einer Loge war, in den Stuhl gesetzt hatten, so constituirten sie sich selbst zu einer Grossloge, pro tempore, in gehöriger Form. Sie beschlossen, die vierteljährigen Mittheilungen (Zusammenkünfte) der Logenbeamten zu erneuern, die jährliche Versammlung und Fest zu halten, und dann einen Grossmeister aus ihrer Mitte zu erwäblen, bis sie die Ehre haben würden, einen hochadligen Bruder an ihrer Spitze zu haben. Demnach wurde im Jahre des Herrn 1717 an St. Johannes des Täufers Tage die Versammlung und das Fest der freien und angenommenen Maurer (the Assembly and Feast of the free and accepted Masons) in dem vorerwähnten Hause zur Gans und zum Roste, in St. Paul's Church-Yard, gehalten. Vor dem Mittagsmahle trug der älteste Meistermanrer, der zugleich Meister einer Loge war, vom (grossmeisterlichen) Stuhle ein Verzeichniss schicklicher Kandidaten vor und die Brüder wählten durch die Mehrheit der aufgehobenen Hände der Wohlgebornen Anton Sayer zum Grossmeister der Maurer." 1) Dieses ist der Anfang und Ausgang der Freimaurerei im engern und eigentlichen Sinne, deren weitere Entwickelung aber zur Seite gelassen werden muss. Seitdem sind die Masonen, die Maurer nur noch symbolische oder sittliche Messkünstler, Geometer, Künstler. Von den Engländern, z. B. von Stephen Jones bei Mossdorf, Mittheilungen für denkende Freimaurer, Dresden 1818, S. 137, wird diese neue Freimaurerei allgemein als die speculative oder wissenschaftliche im Gegensatze zur operativen oder Werkmaurerei bezeichnet. Die Geometrie, der Buchstabe G in dem fünfeckigen flammenden Sterne, ist dem symbolischen und heutigen Maurer die Kunst, seinen Gedanken, Worten und Werken das gehörige Mass zu ertheilen, - die Kunst, recht zu denken,




    1) Krause, II. 2. S. 316 ff.; Lenning, Encyklopädie, unter Sayer; Fallou, a. a. O., S. 270 ff.



zu reden und zu handeln, - die Kunst, das Leben und die Zeit richtig zu theilen und zu gebrauchen, - der Lebensmassstab und die Lebenskunst. Die Geometrie ist jetzt die Kunst, das menschliche Leben zu messen und zu theilen, - die Kunst des Menschen, im rechten Masse, im rechten Winkel zu denken, zu reden und zu handeln, - die schwerste aller Künste, die menschliche Kunst. Die Maurerei ist die sittliche Messkunst, der sittliche Massstab, das sittliche Gesetz und Leben. Die Messwerkzeuge, der Zirkel, das Winkelmass, die Bleiwange, der 24zöllige Massstab u. s. w., welche einst der wirkliche Maurer zum Bearbeiten der Steine und zur Ausführung der Bauwerke bedurfte, sind nunmehr Symbole des sittlichen Lebens, welches der Mensch in sich selbst und in der Menschheit schafft und bauet. Im Anklange hieran lässt schon der Szufi Dschelaleddin Gott von sich sagen:

Ich bin der Kalk, die Kelle, der Meister und der Riss,
Der Grundstein und der Giebel, der Bau und sein Verfall.

Der rohe Stein und der cubische Stein, an welchem der Maurerlehrling und Maurergeselle, die Maurer unablässig arbeiten sollen, sind die Symbole ihrer selbst, indem sie aus ihren Gedanken, Worten und Werken alles Rohe und Unregelmässige ausscheiden und in das rechte Mass bringen müssen, um als taugliche und wohlbehauene Steine eingefügt werden zu können in den grossen Bau der Menschheit, in den unsichtbaren geistigen Tempel der Gottheit.

Neben Ashmole wird die Gründung der neuen Freimaurerei, besonders Christoph Wren, geb. am 20. October 1632 und verstorben am 25. Februar 1723, Doctor der Rechte, Oberaufseher der königlichen Gebäude und Wiedererbauer der niedergebrannten Stadt London, besonders der St. Paulskirche daselbst , - Magister der Künste vom Wadham Collegium, Professor der Astronomie zu Gresham und Oxford, - Ritter und Präsident der königl. Gesellschaft der Wissenschaften, zugeschrieben, 1) wie unter den Deutschen es vorzüglich Lessing in Ernst und Falk gethan




    1) Vergl. Lenning, a. a. O., unter Wren und Paulskirche; Krause, II. 2. S. 473.



hat. Wren war lange Jahre entweder Grossaufseher, oder Grossmeister oder dessen Deputirter bei den alten Logen in London und hatte allerdings der von ihm ausgeführten Bauten wegen die maurerische Tugend der Duldung und derAchtung auch Andersgläubiger zuerst im Leben und im umfassendsten Masse geübt, wie dieses Ashmole zugleich philosophisch oder theoretisch in seiner im Jahr 1658 erschienenen Schrift: the Way to Bliss, der Weg zur Glückseligkeit, zu begründen versuchte. Wren's Leichnam liegt in den Gewölben der Paulskirche begraben und sein gleichnamiger Sohn liess auf einem Pfeiler seines Grabmales folgende Inschrift anbringen:

"Subtus conditur hujus ecclesiae et urbis conditor, Christophorus Wren, qui vixit ultra nonaginta non sibi, sed bono publico. - Lector, si monumentum requiris: circumspice! Obiit 25. Febr. Anno 1723, aet. 91."

"Dieser Kirche und dieser Stadt Erbauer ruhet hier. Ueber 90 Jahre hat er nicht sich, sondern dem Gemeinwohle gelebt. - Leser, suchst du sein Denkmal: so blick' umher."

Die durch Wren in den Londoner Logen freundlich und brüderlich Vereinten mochten mit Wahrheit von sich rühmen, dass Tempelbau ihr Zweck sei; Wren war der grosse Meister dieses wirklichen Tempelbaues. Im Uebtigen sind über die maurerische Wirksamkeit des sogenannten augustischen Baumeisters Wren besonders die Constitutionenbücher von Anderson zu vergleichen. Aus Ahiman Rezon dürfte geschlossen werden, dass Wren zuletzt von dem Könige Georg I. mit Undank belohnt und seiner Stelle zu Gunsten des William Benson entsetzt wurde und nur in Verletzung über diese Behandlung sich auch von der Theilnahme an dem Logenleben zurückzog. Bei der Gründung der Grossloge der sogenannten modernen Maurer im Jahr 1717 mochte auch Wren als damaliger Grossmeister der alten Maurer, der York-Maurer willkührlich oder unter dem Vorwande seiner Absetzung übergangen worden sein, obwohl selbst die modernen Maurer mit den alten Maurern die Yorker Constitution als ächt 1) aner-




    1) Krause, II. 2. S. 469.



kannten und mithin auch hätten beachten sollen. Ahiman Rezon vindicirt den Namen der freien und angenommenen Maurer nur für die York-Maurer und nennt die modernen Maurer blos die Freimaurer von England. 1) Jedenfalls ist die Stiftung und Verkündigung der symbolischen Freimaurerei und der sie tragenden Grundidee:

"Es ist Ein Gott, weil Eine Vernunft in Natur und Geschichte und in der einzelnen Seele, und dieser Gott ist die ewige Güte: Liebe ist der ewige Gedanke und Wille der Schöpfung." 2)

weder von Ashmole, noch von Wren, noch selbst von der ganzen neu-englischen Grossloge, ausgegangen, sondern ist der allmählig gereifte und erstarkte Gedanke der Jahrhunderte und der Jahrtausende, der gesammten Weltgeschichte; ist der göttliche Weltgedanke oder Urlogos, durch welchen zugleich auch in der geschlossensten und gedecktesten Loge die Maurer in der Menschheit und auf der Weltbühne stehen. Die neu-englische Maurerei wurde nur deshalb zu einer Welteinrichtung, umspannt den ganzen Erdkreis, weil in ihr der Weltgeist, die Liebe lebt; was alle Sprachen in allen Theilen der Erde verkünden und bekennen, muss das Menschliche, das Göttliche, der Geist sein. Ueber alle Angriffe des furchtsamen Unverstandes und der bewussten Verleumdung hat die Freimaurerei zum Voraus durch ihre Geschichte, durch ihren Weltgang gesiegt; dies ist das reine Licht, welches überall unvergänglich leuchtet. Die neu-englische symbolische Freimaurerei, die Freimaurerei des 18. Jahrhunderts ist wesentlich auch die christliche, weil ihr Grundgedanke des Einen Gottes der Liebe und der Einen von diesem Gotte erfüllten Menschheit auch der Grundgedanke alles wahren Christenthums ist und weil die Freimaurerei den ihrigen nur Christus, nur der Bibel, dem Buche der Bücher entlehnt hat. Nicht einzelne Menschen machen die Weltgeschichte und den Geist der Zeiten, sondern der göttliche Geist offenbart sich in den Menschen und der Menschheit und schaffet die Zeit und die Menschheit zum Spiegelbilde, sei-




    1) Krause, a. a. O., S. 479.
    2) Bunsen, Gott in der Geschichte, I. S. 99.



ner selbst. Von dem Christenthum und von der Freimaurerei gilt gleichmässig das alte Kirchenlied:

Vater deines Geistes Wehen
Durch die ganze Christenheit
Lässt uns schon von ferne sehen
Deines Reiches Herrlichkeit.
Denn dein Wort wird ausgespendet
Durch die ganze, weite Welt,
Millionenweis' entsendet
Auf das grosse Ackerfeld.

Dieser Same wird bald blühen
Allenthalben hoch und hehr:
Denn Evangelisten ziehen
Ueber Inseln, Land und Meer,
Um die Saaten zu begiessen.
Geist der Pfingsten, komm herab!
Lass die Lebensströme fliessen
Bis zum Grabe tief hinab.

Sei gegrüsst du ew'ger Morgen!
Steige Sonne bald empor,
Weicht nun all' ihr bange Sorgen,
Tagsverkünder, tritt hervor.
Seht der Berge Spitzen glühen
Schon im ew'gen Morgenlicht,
Und die Frühlingsblumen blühen:
Theure Brüder, sorget nicht. 1)

Ja der Morgen der allgemeinen Bruder- und Menschenliebe, welcher am Anfange des 18. Jahrhunderts mit der symbolischen Maurerei der Menschheit und der Erde angebrochen ist, und erst noch die fernen Bergesgipfel vergoldet, wird vielleicht dereinst als die allleuchtende und allerwärmende Mittagssonne sich in die tiefsten Thäler herabsenken; und wenn es Hochmittag geworden und vor dem lichten Tage die Morgenröthe erbleichet ist, dann dürfen die Maurer von ihrer Arbeit ausruhen und dem tröstlichen Gefühle sich beglückt hingeben, dass das Licht und das Wort vom Morgen aus in die Welt gekommen sei. Auf




    1) Bunsen, a. a. O., I. S. 134.
    2) Ueber das Völkerrecht des Alterthums, welchem ein jeder Fremder (peregrinus) gleichbedeutend mit Feind (hostis) war, vergl. auch noch Gaupp, a. a. O., S. 17 ff., der sehr lesenswerthe Bemerkungen über die Behandlung der eroberten Länder und bekriegten Völker mittheilt.



den maurerischen salomonischen Tempel darf der Gesang der böhmischen Brüder bezogen werden:

Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herrn,
Der seiner Menschen Jammer wehrt
Und sammelt draus zu seinen Ehren
Sich eine ew'ge Kirch' auf Erd':
Die er von Anfang schön erbauet
Als seine auserwählte Stadt,
Die allezeit auf ihn vertrauet,
Sich tröstet seiner grossen Gnad'!

Sie ist gebaut auf rechtem Grunde,
Der Jünger und Propheten, Lehr'.
Wie hoch bezeugt mit Einem Munde
Der Auserwählten heil'ges Heer;
Von edlen und lebend'gen Steinen
Gefüget durch des Geistes Trieb,
Der wahre Leib des Ewig Einen,
Erfüllt mit Treu', Glaub', Huld und Lieb'.
1)

Am Ueberraschendsten aber tritt uns die innige Verwandtschaft der Freimaurerei mit dem Christenthume darin entgegen, dass das Maurer- und das Kirchenjahr nichts Anderes sind als die sinn- und deutungsvolle Durchwanderung und Darstellung des von Sonnenwende zu Sonnenwende im ewigen Kreislaufe auf- und niedersteigenden Sonnenjahres und Sonnenlebens. Daher sagt auch Bunsen, a. a. O., I. S. 131: "Wenn du in der Gemeinde lebst, so begreifst du von selbst, dass unser Sonnenjahr als Gemeindejahr die Geschichte Gottes unter den Menschen im Kreislaufe durchwandert. Du weisst, dass das Gemeindejahr der Christenheit seinen festen Mittelpunkt hat im Leben Jesu, welches dir von Weihnachten (der Wintersonnenwende) bis zum Ende der Osterzeit (der Frühlings-Tagundnachtgleiche) vorgeführt wird." Es ist dieses keineswegs ein Sonnen- und Naturdienst, sondern die Anerkennung des in der Natur- und in der Menschenwelt, ausser uns und in uns waltenden Einen göttlichen Geistes und Gesetzes, welcher im niemals endenden Umschwunge zwischen Geburt und Grab, Entstehen und Vergehen, Kommen und Scheiden, Tag und Nacht, Freude und Leiden zur Ewigkeit fortschreitet,




    1) Bunsen, a. a. O., I. S. 118.



das ewige Leben selbst ist. Nicht die Natur und Schöpfung, vielmehr der in der Natur und Schöpfung sich offenbarende und herrschende Gott ist erkannt und verehrt worden; der Geist soll sich selbst und die äussere Natur sich unterwerfen und dadurch die sittliche Freiheit, die Sitte erringen; der sich selbst und die Natur beherrschende Geist ist der göttliche. Derselbe Gott, welcher die Blumen blühen und welken heisst, lässt auch die Geschlechter der Menschen entstehen und vergehen: aber aus jedem Grabe erblühen neue Blumen und werden neue Geschlechter geboren, denn die zeugende Kraft, die Seele, der Geist sind unvergänglich und dauern ewig. Nicht allein die Menschheit, sondern die ganze Welt ist Eine, weil Gott (Jahveh, Jehova) Einer ist, war und sein wird. Der Gedanke und Geist Gottes in der Natur ist das ewige und unabänderliche Naturgesetz, das Gesetz und die Kraft. - in der Menschen- und Geisterwelt aber die sittliche Ordnung, das Sittengesetz, der Geist und die Wahrheit und die Gerechtigkeit, - die göttliche Weltordnung; das Naturgesetz, die natürliche Ordnung anerkennen alle Menschen, weil es ausser ihnen unverkennbar liegt; weniger erkannt ist das Sittengesetz, die sittliche Ordnung, welches wir in uns selbst erkennen und verwirklichen sollen. Die welche vor Andern das Sittengesetz, Gott, den Ewigen erschauen und verkünden, sind bei den Juden die in förmlichen Propheten-Schulen gebildeten, nach Eichhorn, Bunsen, und Andern auch geweihten Propheten, die begeisterten Seher, 1) - bei den Griechen die Orakel, im Alterthume überhaupt die Eingeweihten. Theilweise folgend dem Propheten Baruch, dem Schüler des Propheten Jeremias, des Knechtes Gottes, worunter man früher unrichtig Jesus verstand, 2) mögen in den Worten des Jeremias 44, 23 und 24: "Mir sollen sich alle Kniee beugen, und alle Zungen schwören und sagen: Nur im Herrn ist Gerechtigkeit und Stärke," das Christenthum und die Freimaurerei eine unwillkührliche Weissagung ihres




    1) Vergl. darüber Bunsen, a. a. O., I. S. 141 ff. und S. 188ff., S. 323.
    2) Bunsen, I. S. 201 ff.



über alle Völker und alle Zungen errungenen Sieges erblicken; freilich wäre hier die Weissagung und ihr Prophet, wie es bei der Auslegung der Schriften des alten Testamentes nur zu häufig der Fall ist, blos die Schöpfung der deutelnden Nachwelt. Auch können die Worte des Jesaja 56, 7 hierher bezogen werden:

Mein Haus wird heissen ein Bethaus allen Völkern.

Psalm 8, 10:

Herr unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde.

Ebenso Psalm 24, 1:

Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.

Für die kosmopolitische oder weltbürgerliche Grundidee der symbolischen oder neu-englischen Freimaurerei ist es nicht tief genug zu beklagen, dass sie dieser Grundidee in ihrer äusseren Verfassung und Regierung durch eine einzige, die Logen aller Völker und aller Länder umfassende Grossloge als oberste gesetzgebende und verwaltende Bundesbehörde Oeinen lebendigen Ausdruck zu verleihen vermochte, obwohl das Bestreben der neu-englischen Grossloge lange Zeit darauf gerichtet war, die Eine Centralbehörde aller nach dem neu-englischen Systeme arbeitenden Logen auf dem ganzen Erdkreise zu werden und zu sein und in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch den natürlichen Gang der Gründung und Ausbreitung der neu-englischen Freimaurerei von dem Muttersitze London aus schon Vieles zur Verwirklichung dieses Planes geschehen war. Dieselben Ursachen und Verhältnisse, welche die Bauhütte von Strassburg zuerst faktisch und sodann auch rechtlich zur gemeinsamen Haupthütte von ganz Deutschland erhoben hatten, würden auch allmählig mehr oder weniger die neu-englische Grossloge zu London zur Grossloge, zur Haupthütte aller Länder oder der ganzen maurerischen Erde erhoben haben, wenn nicht schon im ersten Anfange die Maurer in England selbst in die alten Maurer unter der Grossloge von York und in die neuen Maurer unter der Grossloge von London sich gespalten und sogar bis zum Jahr 1813 feindlich bekämpft





hätten, 1) namentlich nicht auch bald eine sehr achtbare und wirksame schottische und irische (gegründet im Jahr 1730 zu Dublin, wogegen die schottische im Jahr 1736 zu Edinburg gestiftet wurde), wozu im Jahr 1739 beziehungsweise 1772 2) in England selbst die Grossloge der sogen. alten oder York-Maurer kam, Grossloge entgegengetreten wären, und wenn nicht die späteren politischen Ereignisse, namentlich die Losreissung der nordamerikanischen Colonien Englands, wieder zerstört und gebrochen hätten, was auf dem friedlichen Gebiete der Maurerei gegründet und vereinigt war. 3) Ebenso liessen die politischen Entzweiungen und Feindschaften zwischen den Staaten von England und Frankreich nicht zu, dass, auch wenn die maurerischen Systeme der beiden Staaten dieselben und nicht völlig verschieden gewesen wären, die französischen Logen sich in irgend ein bleibendes Unterwerfungsverhältniss zur neu-englischen Grossloge begeben hätten, und die französischen Logen der verschiedenen Systeme bildeten daher ihre eigenen französischen Grosslogen und maurerischen Oberbehörden. Aehnlich ging es in Deutschland, in Holland, in Dänemark und Schweden, in der Schweiz und in andern Ländern, so dass im Ganzen überall wenigstens äusserlich auch die weltbürgerliche Freimaurerei den politischen Scheidungen und Trennungen folgte und folgen musste. In Deutschland vorzüglich gab und gibt sich der völlige Mangel an jedem allgemeinen Volksgefühle und Volksgeiste sogar im weltbürgerlichen Reiche der Freimaurerei kund und die Kleinstaaterei, Spiessbürgerlichkeit und Entzweiung tritt nicht allein in einer königlich hannoverischen, königlich sächsischen, grossherzoglich darmstädtischen oder armstädtischen Grossloge (zur Eintracht! genannt, wie eine Berliner Grossloge die grosse Landesloge von Deutschland) u. s. w. hervor, sondern Berlin, die deutsche und weltbürgerliche Stadt, zählt sogar drei Grosslogen neben einander, welche drei Grosslogen noch immer mit der eng-




    1) Mossdorf, Mittheilungen, S. 210 ff.
    2) Heldmann, S. 421 und 442.
    3) Heldmann, S. 453 ff.



lischen Grossloge unterhandeln, ob sie sich bei ihr durch nur einen gemeinsamen Repräsentanten, wie die englische Grossloge will, vertreten lassen dürfen oder aber durch drei, was beharrlich, aber vergeblich die Berliner Grosslogen verlangen. 1) Nicht einmal zu einem deutschen allgemeinen Maurervereine mit jährlichen Zusammenkünften haben es bis jetzt die deutschen Weltbürger bringen können und vergeblich waren bisher alle Bemühungen, dass ein solcher wissenschaftlicher Verein der deutschen Freimaurer im Geiste und nach der Art der deutschen morgenländischen Gesellschaft gestiftet werde. Dieser Mangel an praktischem Gemeinsinn der deutschen Freimaurer ist ein Massstab für den praktischen politischen Gemeinsinn des deutschen Volkes, wenn auch neuerlich Vinke und seine polnischen Genossen zur Schmach von ganz Deutschland dieses nicht in einem feierlichen Kammerbeschlusse beurkundet hätten. Es gibt kaum deutsche Maurer und deutsche Freigesinnte, sondern ihre weiteste Welt ist ihr enges Heimathsland, Ländchen und Städtchen. Eine erfreuliche, aber für die deutschen Logen und Naurer nicht belehrende Ausnahme machen und machten in dieser Hinsicht die schweizerischen Maurer und Logen in der am 22. Juni des Jahrs 1844 gegründeten allgemeinen schweizerischen Grossloge Alpina, welche Ausnahme um so vaterländischer und weltbürgerlicher erscheint, als nicht allein die Logen der verschiedenen schweizerischen Kantone, sondern auch der verschiedenen Sprachen, der Deutschen und Franzosen, in Eine vaterländische oder schweizerische Grossloge vereinigt werden mussten und konnten. Der vaterländische Bund der schweizerischen Logen unter einer gemeinsamen Bundesbehörde war der bedeutungsvolle und in dem Volksgeiste, in den Volksgesinnungen und Volksbestrebungen begründete Vorläufer der schweizerischen Bundesverfassung vom zwölften Herbstmonat 1848 mit gemeinsamen gesetzgebenden Räthen, mit dem Bundesrathe als der gemeinsamen obersten Verwaltungsbehörde und einem gemeinsamen Bundesgerichte. An der schweizerischen Grossloge ist blos auszusetzen, dass




    1) Bauhütte für 1861, S. 72.



dieselbe allzusehr nach den vorhandenen alten und veralteten Vorbildern dem Aeussern, den Formen hingegeben sei und es nicht versucht und bis jetzt verstanden habe, sich zu einer geistig eingreifenden und geistig vereinigenden Macht zu gestalten und zu erheben, weshalb auch die beiden Nationalitäten, die deutschen und französischen Logen, im Ganzen noch immer unvermittelt und sich widerstrebend neben einander bestehen und besonders in den deutschen Logen von manchem wohlmeinenden und strebenden Bruder schon die anklagende Frage aufgeworfen worden, was denn auch für das eigentliche maurerische Leben, für das innere Logenleben die theure Grossloge nütze und ob sie wirklich die dafür jährlich zu bringenden grosse Geldopfer werth sei. Bisher hat die Vaterlandsliebe und der vaterländische Sinn die Opfer in der Hoffnung des kommenden Bessern nicht gescheuet. Im Uebrigen können die Grosslogen hier nicht weiter in Betrachtung gezogen werden und wir verweisen einfach neben Heldmann, a. a. O., S. 440 ff., und dessen Akazienblüthen, Aarau 1819, wo ein Verzeichniss sämmtlicher Grosslogen und ihrer Vorsteher in Europa mit einem Verzeichnisse aller bekannten, wirklich in Thätigkeit befindlichen St. Joh. Logen gegeben ist, - auf Lenning's Encyklopädie III. S. 54 unter Orient, - A. F. Polik, Verzeichniss sämmtlicher in Deutschland seit dem Jahr 1737 gegründeten, erloschenen und noch bestehenden Gross- und Provinziallogen, Johannislogen, Schottenlogen und Capitel, sowie der bekannten Winkellogen; mit historischen Notizen unter Angaben des betreffenden Logenbundes, der Zeit der Gründung, Veränderung und des Erlöschens, Leipzig 1860, - Th. Merzdorf, Geschichte der Freimaurer-Bruderschaft in Schottland, nach Laurie's "history" etc. frei bearbeitet, Cassel 1861 - u. s. w.

Möge doch bald und endlich die gleiche Vaterlandsliebe, die gleiche Bruder- und Menschenliebe das deutscheVolk und die deutschen Maurer zu Einem Bunde, zu Einer Kette und zu Einem Herzen verbinden:

Zum Guss vereinigt sich das Eisen nur heiss mit heissem.1)




    1) Hirzel, Urwasi und der Held, S. 52.



die maurerischen Schwesternfeste sind, um dieselben noch kurz zu berühren, nur ein Ueberrest des Gebrauches der alten deutschen Handwerksinnungen und Handwerkszünfte bei ihren jährlichen Hauptversammlungen, der hohen Morgensprache, 1) zu dem Gelage, zu der Zeche, zu der Schmauserei auch die Weiber und Töchter der Innungsgenossen, der Brüder, als Schwestern beizuziehen. 2) Eben so ist das maurerische Viaticum, welches durch den Meister vom Stuhl aus der Logenkasse dem dürftigen fremden Bruder verabreicht wird, nur das Geschenk, die gastfreundliche Aufnahme, die gastfreundliche Begrüssung mit dem Willkommenstrunk aus dem Zunftpokale, welche den besuchenden fremden Meistern und Gesellen, den besuchenden Brüdern bei den alten deutschen Handwerkern, wie gewiss auch bei den römischen nicht versagt werden durfte. Gastfreundschaft, Kranken- und Armenpflege, die Leichenbestattung sind die schönsten und heiligsten Bruderdienste. Die Hausgenossen des Meisters, bei welchem der wandernde Geselle gastfreundliche Aufnahme gefunden, begrüsste er als Vater, Mutter, Bruder und Schwester und selbst den Herbergen standen ein Herbergsvater und eine Herbergsmutter u. s. w. vor. Der Willkommens- und Ehrentrunk, sowie der Abdanketrunk wird in den Gesellenbruderschaften, wie bei den maurerischen Tafellogen, in drei Zügen oder Absätzen getrunken, indem der dazu dienende Zunftpokal mit weissen Handschuhen, oder mit einem reinen weissen Taschentuche, niemals mit blosser Hand ergriffen wird; bei einzelnen Brüderschaften wird beim Aufheben und beim Niedersetzen des Pokales zugleich mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Tisch getupft. 3)




    1) Fallou, Mysterien, S. 19.
    2) Fallou, a. a. O., S. 27 ff. und S. 148 ff.; Winzer, die deutschen Bruderschaften, S. 31.
    3) Fallou, S. 62, S. 75 und 76, 150.