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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel III., Teil 2, Seiten 160-220

Die kymrischen Barden.

gewiss, dass ihr ihr Vorhaben gelingen werde. Dann schickte sie rings zu den Nachbarn, borgte 21 Bratroste, vertheilte sie in 21 Brode. buck diese üblicher Weise und legte sie, wie sie gebacken waren, eines nach dem andern in den Brodschrank. 1) Merddyn Emrys und seine 9 Barden fahren zur See nach dem Glashause. 2) Es bedarf nach keltischem Ausspruche 9 Schneider, um einen Mann zu machen. 3) Fin schwarzer wollener Faden mit 9 Knoten wird in Schottland gegen Verrenkungen gebraucht.4) Die unzähligen Schaaren der Engel, der Genien, welcher Genienglaube ja auch ein wesentlich keltischer war, wurden im Mittelalter in je 3 x 3 oder 9 Chöre eingetheilt. 5) Daran mögen gereiht werden: das gnadenreiche Wunderbild von nuestra Sennora de los remedios zu Mexiko wurde der Sage nach im J. 1540 durch einen spanischen Soldaten auf dem Montezumahügel aufgefunden und kehrte, fortgebracht. 3 Mal auf übernatürliche Weise zur selben Stelle zurück, woran man erkannte. dass es dort verehrt sein wolle, wie Aehnliches in so vielen deutschen Sagen erzählt wird. In gefahrvollen Zeiten wird das Bild von seinem Hügel in feierlicher Weise nach Mexiko gebracht und hier 9 Tage ausgestellt. 6) - Als die 3 Wahrzeichen des Elsasses galten früher: die 3 Schlösser auf einem Berge, die 3 Kirchen auf einem Kirchhofe und die drei Städte in einem Thal. 7) Die Gemahlin des Grafen Uffo an der Weser stiftet und bauet während einer langen Abwesenheit ihres Gemahles 9 Kirchen, worunter das Kloster Möllenbeck. 8) Die Gemahlin des Grafen Gebhard auf Quernfurt in Sachsen gebar in Abwesenheit des Grafen 9 Kinder auf ein Mal. 9) Früher glaubte man, ein neugeborenes Kind müsse sich nach 9 Tagen zum Leben




    1) San-Marte. S. 141.
    2) Eckermann, III. 1. S. 38.
    3) Eckermann, III. 1. S. 39.
    4) Eckermann, III. 1. S. 77.
    5) Schnaase, IV. 1. S. 87 Anm.
    6) Ausland für 1834, S. 1373 a: Symbolik, II. S. 758.
    7) Stoeber, Sagen des Elsasses. St. Gallen 1858, S. 102 u. 428.
    8) Grimm, deutsche Sagen. II. Nr. 543.
    9) Grimm, II. Nr. 571.



oder Tod verändern. 1) Zufolge einer Sage in Uri und Engelberg wird ein Stierkalb 9 Jahre lang blos mit Milch aufgefüttert, und zwar das erste Jahr mit der Milch von einer Kuh, das zweite mit der Milch von zwei Kühen u. s. w., worauf der erwachsene Stier von einer unbefleckten Jungfrau über den Felsgrat geführt und laufen gelassen wird, damit er ein dort hausendes gespenstisches Ungeheuer bekämpfe und besiege. 2) In den jüdischen Traditionen wird der Wiege, nach andern Sagen dem Bette des Riesen Og die Länge von 9 Ellen, d. i. 9 Manneslängen zugeschrieben. 3) Nach der sog. Yorker Urkunde vom J. 926 soll König Herodes an dem dritten Tempel zu Jerusalem 9 Jahre und 6 Monate gebaut haben. 4) Bei Sophokles, Oedipus auf Kolonos, V. 483 und 484, wird dem Oedipus aufgegeben, den Platz, auf dem er nach Osten gewandt, 3 Libationen von Wasser darbringen soll, mit 3 x 9 theils mit der rechten, theils mit der linken Hand hingelegten Oelzweigen zu bedecken. Nach indischer Vorschrift soll die Wohnung eines Brahmanen 9 Stockwerke, diejenige eines Paria aber nur ein einziges haben. 5) - In einer thüringischen Sage heben die Jungfrauen Etwas von 9lei Essen auf und setzen sich mit demselben um Mitternacht zu Tische, damit die Geister ihrer Geliebten erscheinen möchten. 6) Einer koburgischen Sage zufolge zünden die Mädchen in der Christnacht um Mitternacht ein Feuer aus 9lei Holz an, entkleiden sich und werfen ihre Hemden vor die Thüre, welche die Geister der zukünftigen Gatten in die Stube zurückbringen sollen. 7) Die Sage vom Rattenfänger bei Grimm, I. Nr. 245, erzählt, dass, wenn der Rattenfänger einen gewissen Ton auf seiner Pfeife 9 Mal pfeife, ihm alle Ratten, wohin er immer wolle, nachfolgen müssen. Der Ritter von Schwarzach hatte 9 Töchter,




    1) Grimm, I. S. 132.
    2) Grimm, I. Nr. 124.
    3) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 105 Anm.
    4) Krause, II. 1. S. 76.
    5) Romberg und Steger, I. S. 72 b.
    6) Grimm, I. S. 173; Symbolik, II. S. 758.
    7) Grimm, I. Nr. 117; Symbolik, II. S. 759.



welche ein Räuber in den Wald verlockte und ermordete; nach 30 Jahren traf ihn die Reue, daher er die Todtengebeine ausgraben und in geweihter Erde beisetzen liess. 1) Unverkennbar erscheint hier die Zwölfzahl, die Jahreszahl personificeirt. Der mordende Räuber der 9 Schwestern ist der 3monatliche Winter, welchen in der Wintersonnenwende die Reue befällt, indem er sich selbst als neue Sonne aus dem Grabe erhebt. Diese Grabeserhebung ist die Geburt der Cbristnacht mit ihren Wundererscheinungen. Bei einem Brunnen auf Island heben sich in der Johannisnacht alle Steine an die Oberfläche und den Rand des Brunnens, während sie sonst in dessen tiefstem Grunde ruhen; 2) ebenso noch bei einem zweiten Brunnen. Diese Steine werden Natursteine, náttúrusteinar, genannt, d. h. sie besitzen magische Kräfte. Ueber alle germanischen Länder und selbst über einen Theil von Frankreich 3) ist der Glaube verbreitet. dass in der Weihnacht alles Vieh sich erhebe, mit einander rede und dergleichen mehr. Wolf, Beiträge, I. S. 120, glaubt, dass dieses nur von dem Rindvieh gelte, und erblickt darin eine Art Huldigung des Viehes dem in der Nacht der Sonnenwende nach dem alten heidnischen Glauben umziehenden Gotte. Nach dem isländischen Aberglauben findet das Sprechen der Kühe in der Neujahrsnacht, nach Andern in der Mitternachtsstunde der Johgnnisnacht statt. 4) An der Mosel wird geglaubt, dass in der Christnacht, in dem Augenblicke, wo Christus geboren wurde, alles Wasser zu Wein werde. 5) Nach dem Aberglauben in Tyrol soll in der Christnacht während der h. Wandelung bei allen Brunnen anstatt Wasser Wein fliessen. Jeder kann so viel Wein holen, als er will: doch wehe Dem, der, während er Wein auffängt, nicht schweigt oder spricht, 6) denn vor den Göttern




    1) Grimm, I. S. .394; Symbolik, II. S. 758.
    2) Maurer, isländische Volkssagen, Leipzig 1860, S. 179.
    3) Eckerrnann, III. 1. S. 26.
    4) Maurer, S. 170.
    5) Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythol., S. 243, Nr. 33; derselbe, Beiträge zur deutschen Mythol., II. S 124 ff.; meineSymbolik, II. S. 513 und 787.
    6) Wolf, Zeitschrift, I. S. 238 oben.



muss heiliges und demuthsvolles Schweigen walten. - Nach dem Volksglauben in Chartres sind am Weihnachtsabend alle verborgenen Schätze geöffnet. 1) Westlich von Blois bei den Ruinen einer alten Brücke (arche du roi), am äussersten Ende des Teiches von Beauregard, einst Longuenoue, langer Teich genannt, steht auf einem Hügel ein Dolmin, der Mitternachtsstein genannt, welcher in der Mitternachtsstunde der Weihnacht sich dreht, und zwar durch der Feen Zauberkraft. Der Dolmin ist 16' lang und 2' breit, und der Eingang im Osten. 2) Die Seehunde haben dem isländischen Glauben nach eigentlich die Gestalt von Menschen und dürfen in der Winterjohannisnacht ihr Seehundsgewand ablegen, an das Land sich begeben und in menschlicher Gestalt mit dem Menschen sich erlustigen; nimmt man ihnen ihr Sechundsgewand (gleichsam ihr Schwanhemd), müssen sie bei den Menschen verbleiben, bis es ihnen gelingt, ihr Seehundsgewand wieder zu erhalten. 3) Die Frühlingsblumen, welche der von der winterlichen Eisdecke erlösten Erde wieder entsprossen, werden durch wunderbare Kraft schon in der Christnacht blühend gedacht, und sind daher die Schlüssel, die Zauberkräfte, welche die verschlossenen Räume öffnen; werden zu förmlichen Springwurzeln. 4) Näher betrachtet, sind die öffnenden Blumen und Mächte die Frühlingsblitze, welche die Winterwolken durchbrechen und den befruchtenden Regen zur Erde niedergiessen; die Blumen sind zugleich der Lösestein, Lausnarstein, der isländischen Sage. 5) Auch gehört hierher der sonst als Oster- oder Frühlingsgebrauch vorkommende Gebrauch in Deutschland, dass bei der Feier des Festes der Wintersonnenwende an einzelnen Orten alle Lichter gelöscht und neue reine Feuer entzündet werden. 6) In Schweden brannte man noch im vorigen Jahrh. die Jullichter. 7) Noch jetzt schmücken die




    1) Eckermann, III. 1. S. 62.
    2) Eckermaun, III. 2. S. 35.
    3) Maurer, S. 172.
    4) Vergl. z. B. Grimm, I. Nr. 303. 314, 223, 9.
    5) Maurer, S. 180.
    6) Wolf Beiträge, I. S. 118 oben.
    7) Wolf I. S. 120.



Japanesen zur Feier des Neujahrs ihre Hausthüren mit Tannenzweigen und pflanzen Tannenbäume vor denselben auf. 1) Das hervortretendste Fest der chinesischen Buddhisten ist das Laternenfest, welches am ersten Vollmond nach Neujahr im ganzen Reiche begangen wird. Alle Häuser, alle Ströme und alle Schiffe werden bei dieser Gelegenheit mit vielfarbigen papiernen Laternen erleuchtet. 2)

Mit der obigen Sage von den geraubten und ermordeten 9 Schwesstern berührt sich die Sage von den 12 Johannes, welche ein fränkischer König hatte und die auch die deutschen Schüler genannt wurden; sie fuhren auf einer Glücksscheibe durch alle Länder und konnten binnen 24 Stunden erfahren, was in der ganzen Welt geschehen war, um es dann dem Könige einzuberichten; der Teufel aber liess alle Jahre einen von der Scheibe herabfallen und nahm ihn zum Zoll; den letzten liess er auf dem Petersberge bei Erfürt, der zuvor Berbersberg genannt war, fallen; dort liess zum Andenken der König eine Capelle für einen Einsiedler erbauen und nannte sie Corpus Christi. 3) Der fränkische König ist der Sonnen- und Jahresgott Odhin, die Sonne mit den 12 Monaten und Monatsgöttern, welche von der Zeit (dem Teufel) von Monat zu Monat als Zoll dahin genommen und von der Scheibe herabgestürzt werden. Täglich oder alle 24 Stunden schwingt sich zugleich scheinbar die Sonne um die Erde und erfährt dadurch Alles, was sich auf der Erde begibt. Ferner treten Odhin und Petrus auf dem Petersberge (Christus) mit einander in Verbindung, indem dieser von jenem den Jahresschlüssel (den letzten herabfallenden Schüler) erhält und nun die neue Zeit eröffnet. Das stets vergehende und doch wieder erstehende Jahr ist Corpus Christi, das zeitliche Gewand der Gottheit, und die 12 Johannes, die 12 fahrenden Schüler sind die 12 Apostel. Die 7 Wintermonate sind die 7 Arbeiter, mit welchen nach einer andern Sage in einer Nacht (Winter) der Teufel den




    1) Ausland für 1861, S. 710 b.
    2) Lassen, IV. S. 744.
    3) Grimm, I. Nr. 337.



Teufelsgraben bei der Stadt Strehlen in Niederschlesien gräbt. Mit der Vollendung des Grabens müssen auch die 7 Arbeiter sterben. 1) Nach einer Sage bei Grimm, I. S. 34, erhält der Scherfenberger 7 Wunden, doch nur eine Pein. In Petersburg ist es Sitte, am Ostersonntag das Evangelium Johannis: Im Anfang war das Wort u. s. w. durch 24 Zungen in 24 Sprachen vorlesen zu lassen. 2) In einer Sage bei Grimm, I. Nr. 209, treffen 12 Landsknechte auf das Grauröcklein, welcher sie auf das Glücksrad setzte und 12 Stunden, 1 Mal in jeder Stunde darauf herumdrehte, unter sich helles Wasser, worin sich ihre guten und bösen Gedanken spiegelten, und über ihnen glühendes Feuer; zuletzt fiel vertragsgemäss einer von ihnen dem Grauröcklein zu und die übrigen 11 blieben so arm als zuvor. - Die Gaina nehmen 24 Gina (ein Name Buddha's) an, in welcher Hinsicht sie mit den Buddhisten übereinstimmen, die eben so viele Buddha's besonders hervorheben. 3) Auch scheinen die Gaina 12 eigentliche heilige Schriften zu besitzen, welche Anga genannt werden. 4) In dem von Mahmûd, von Ghazna im J. 1026 zerstörten Tempel in Somanâtha befanden sich 12 grosse Linga. - In einer Sage bei Grimm, I. S. 297, nehmen Menschen, welche sich in Wehrwölfe verwandelt haben, nach dem Ablaufe von 12 Tagen wieder menschliche Gestalt an. - 12 Soldaten werden gewöhnlich zur Vollziehung der Strafe des Erschiessens gebraucht. 12 Gespenster erscheinen wiederholt in einer isländischen Sage bei Maurer, S. 138. Bei einem Hexentanze gibt eine Hexe dein Spielmann 12 Pfenning. 5) Auf dem Schwarzkopf und in der Seeburg im Murchthale hausen ein Ritter mit 12 Schwestern und eine Schwester mit 12 Brüdern; der Ritter bemächtigt sich der Schwester der 12 Brüder, worauf diese ihm vor den Augen seiner sterbenden Geliebten 12 Dolche in den Leib stossen; zuvor




    1) Grimm, I. Nr. 338.
    2) Wiener Jahrbücher, Bd. 26, S. 152.
    3) Lassen, IV. S. 763.
    4) Lassen, IV. S. 767.
    5) Grimm, I. S. 339.



aber hatten die 12 Brüder die 12 Schwestern geraubt und diese rissen die 12 Dolche aus dem Leichname ihres Bruders und tödteten in der Nacht die 12 Raubgrafen. 1) - Bei dem Hexenbrünnelein auf dem Dielberge standen noch im Anfange dieses Jahrhunderts 12 hohe mannsdicke Birken. 2) - 12 Mitglieder zählte der Areopag, das atheniensische Blutgericht. Das gefangene Fischlein verspricht bei Rückert, brahmanische Erzählungen, S. 25, für seine Freilassung:

Er (der Vater) soll vom Weihergrund an jedem Tag dir schicken
Zwölf Fische fett und rund, die mögen dich erquicken.

Die Sawitri erfleht für ihren söhnelosen Vater die Gnade:

Die Tochter ist ein Strauss am Busen; dass ihm kröne
Ein voller Kranz das Haupt, gib ihm ein Dutzend Söhne! 2)

12 Amorinen mit den Attributen der 12 olympischen Götter auf einem erhobenen Werke im Palaste Mattei ist die symbolische Darstellung, dass alle Götter Liebe fühlen. 4) Nach dem arabischen Massoudi, welcher sein Werk über die Universalgeschichte im 10ten Jahrh. verfasste, wurde unter der Regierung Brahma*s, des ersten (mythischen) indischen Königs, ein Tempel mit 12 Thürmen gebaut, welche die 12 Zeichen des Thierkreises vorstellten und auf denen alle Sterne eben so verzeichnet waren. Bei Tours in der Gemeinde Metray und St. Antoine-du-Roche mitten auf einem Acker befindet sich das sog. Feenschloss oder die Feengrotte, aus 12 rohen Felsen erbaut. 5) - In einem in der Mitte den Asklepios und die Hygieia darstellenden ovalen Bilde, bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 785, sind dieselben gleichfalls von den 12 Zeichen des Thierkreises am Rande umgeben, und das Bild ist verschieden nach den Texterläuterungen von Wieseler gedeutet worden, namentlich von K. O. Müller




    1) Grimm, I. Nr. 331.
    2) Wolf, Beiträge, I. S. 299.
    3) Rückert, brahman. Erzähl., S. 201.
    4) Winckelmann, Allegorie, S. 47.
    5) Eckermann, III. 2. S. 35.



dahin, dass hier die beiden Heilsgottheiten als der Mittelpunkt des Weltsystems bezeichnet werden; nach Guattani soll die Stellung des Asklepios und der Hygieia mitten im Thierkreise auf den Einfluss der Gestirne und besonders der Sonne auf der Ekliptik hinweisen. Es dürfte aber diese symbolische Darstellung ähnlich den 12 Schaubroden im salomonischen Tempel ausdrücken, dass Asklepios und Hygieia, Gott in allen 12 Thierzeichen oder durch das ganze Jahr die Gesundheit verleihe, wie Helios durch das ganze Jahr leuchtet und deshalb 12 Strahlen von seinem Haupte ausgehen; 1) Helios' Brustbild steht in einem aufwärts gekehrten Mondsviertel und zu beiden Seiten sind zwei 6eckige Sterne angebracht. Auf der Marmorgruppe in der Bruckenthal'schen Sammlung zu Hermannstadt 2) trägt Hekate das Brustbild des Sonnenngottes mit neun Strahlen, gleichsam mit den maurerischen 9 Sternen. Die so häufigen 3fachen Todesanzeichen und 3 Todestage 3) gehören gleichfalls hierher: 3 Tage zuvor, ehe am Dome zu Merseburg ein Domherr starb, geschah auf seinem Stuhl in der Kirche von unsichtbarer Hand ein heftiger Schlag. 4) Oft pflegen 3 Glockenschläge, von unsichtbarer Gewalt an die Glocke gethan, ein Todeszeichen zu sein. 5) Peter Dimringer von Staufenberg wird von seiner überirdischen Geliebten angedroht und erfüllt, dass er den dritten Tag darnach sterben müsse, wenn er jemals ein ehlich Weib nehmen sollte. 6) Ein Bäckersknecht, welcher sich vermessen hatte, am Pfingsttage während der Predigt 3 Mal über die Elbe nach dem Siebeneichenschloss unausgeruht hinüber zu schwimmen, wird beim dritten Hinüberschwimmen von einem grossen Fische in das Wasser hinabgezogen, dass er ertrinken musste . 7) Ein Mühlknappe, welcher eine Nixe auf dem Wasser sitzend und ihre Haare kämmend erblickt hatte,




    1) Wieseler, a. a. O., II. Nr. 972.
    2) Wieseler, II. Nr. 893.
    3) Vergl. Symbolik, II. S. 770 ff.
    4) Grimm, I. S. 351.
    5) Grimm, I. Nr. 265; Symbolik, I. S. 513.
    6) Grimm, II. Nr. 521.
    7) Grimm, I. Nr. 54.



muss am dritten Tage darauf ertrinken. 1) In dem Schlossberge bei Salurn in Tyrol sitzen in einem Weinkeller drei alte Männer an einem kleinen Tische, vor ihnen eine mit schwarzer Kreide beschriebene Tafel, welche einem Manne 30 Thaler in den Hut zählen, worauf dieser nach 10 Tagen sterben rnuss. 2) Der dürre Stab, welcher nach dem Ausspruche des Papstes eher grünen als Tannhäuser die Gnade und Verzeihung Gottes finden sollte, fängt am dritten Tage an zu grünen, nachdem Tannhäuser zur Frau Venus in den Berg zurückgekehrt ist. 3) - In dem Gedichte "Peter Lewe, der andre Kalenberger," abgedruckt im weimarischen Jahrbuche für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, VI. S. 417 ff., wird gesagt:

Der son sprach; "ich hab ein gesicht
Gesehen, das ich dir nit sag,
Es vergeh denn vor der dritte Tag,
Damit mir nichts widerfahr."

Als dem verurtheilten Socrates im Traum eine weibliche Gestalt erschien und den homerischen Vers sprach: "Ehe drei Tage vergehen, magst hin du nach Pthia gelangen," deutete er selbst dies auf seinen am dritten Tage bevorstehenden Tod. 4) Nach der Sage klopft auch der Teufel 3 Mal an die Thüre, um den ihm Verschriebenen abzuholen. 5) Weinn der Scbnellertsgeist in Hessen durch die Haal fährt, klopft er stets 3 Mal an einen Posten, dass die Fenster zittern. 6) Nach einer Mittheilung von Böttiger, K. M., I. S. 354, über die Darstellung der geflügelten Mors oder Schicksals-Parce auf einer volaterranischen Graburne oder auf einem Sarcophage aus Tufstein bei Gori im Museum Etruscum tab. 122, 2, wovon auch Böttiger, Taf. V. Fig. 5, eine Nachbildung gegeben hat, trug




    1) Grimm, I. Nr. 64, vergl. mit Nr. 278 und S. 436, wo ganz gleiche Sagen erzählt werden.
    2) Grimm, 1. S. 40.
    3) Uhland, alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, S. 765, 769 und 772.
    4) Schoemann, II. S. 268 unten.
    5) Wolf, hessische Sagen, S. 8 oben und Nr. 121.
    6) Wolf, a. a. O., Nr. 19,



diese etruskische Todesgöttin neben einem erhobenen Schwerte in der Rechten auch einen geschwungenen, aber jetzt abgebrochenen Hammer in der Linken. Die Todesgöttin Atropos (Athrpa) wird auf einem etruskischen Spiegel neben Meleager dargestellt, mit einem Hammer einen grossen Nagel festschlagend, das Symbol des unabwendbar festgesetzten Geschickes. 1) In Indien scheint Mahmûd der Ghaznevide von seinem zerrnalmenden Heereszuge in den J. 1025 und 1026 den Beinamen mudgala, im Sanskrit der Hammer, erhalten zu haben. 2) Auf altgriechischen oder davon kopirten etruskischen Vasen finden sich auch Furien mit Hämmern, Lanzen und andern Mordinstrumenten. 3) Die Morta, Mors der Römer erscheint auf altgriechischen Denkmälern in Etrurien sehr oft mit einem Hammer oder mit andern furchtbaren Werkzeugen an der Thüre des Grabmals. 4) Auch gehört hierher der Ausspruch Lenau's im Savonarola:

Ihr führt gen Gott ein eitles Kriegen;
Wenn auch der Tod mich (Savonarola) bald verschlingt,
So wird die starke Hand doch siegen,
Die mich als ihren Hammer schwingt!

Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 426, Anm. 4, theilt aus Vincent. Bellov. XXIX. 142, folgende Stelle mit: Quem non mollit mulier? Igitur mulier est malleus, per quem diabolus mollit et mallcat universum mundum.

Den bedeutendsten Einfluss auf die gesammte abendländische Sagen- und Romanenliteratur gewann die kymrische oder bretonische Literatur durch die Sage von dem britischen Könige Artus oder Arthur, welcher im 6ten Jahrh. den eindringenden heidnischen Angelsachsen mit seinen 12 Rittern, die zum Zeichen ihrer Gleichheit um eine runde 5) Tafel (daher die Tafelrunde) zu sitzen




    1) Vergl. Müller, Denkmäler, Taf. LXI und S. 307.
    2) Lassen, IV. S. 760.
    3) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 238, Anm. ** und S. 241, Anm. **.
    4) Böttiger, K. M., II. S. 98.
    5) Die Rundform ist bei den Kelten eine symbolische. Vergl. Symbolik, II. S. 486 ff.; Villemarqué, I. S. 40.



pflegten, siegreich widerstanden hatte. Der als Bischof von Asaph im J. 11522 verstorbene Gallfried, Gottfried, mit dem Zunamen von Monmouth, seinem Geburtsorte, hatte in seiner historia Britonum die ganze britische Geschichte von den mythischen Zeiten des Königs Brutus (von den lateinischen Chronisten auch Brito genannt 1), einem Nachkommen des trojanischen Aeneas, an bis in das 7te Jahrhundert, darunter also auch die Geschichte des Königs Arthur und seiner 12 Ritter, mit der grössten Ausführlichkeit und Zuversicht nach kymrischen und bretagnischen Sagen geschrieben, und ist dadurch der Urheber und das Vorbild der Jahrhunderte lang im Abendlande, namentlich auch später in der mit Gottfried Chaucer, wahrscheinlich geb. im J. 1328, anhebenden eigentlichen englischen Literatur und Poesie, 2) blühenden sagenhaften Geschichtschreibung, der Ritter- und Zaubererliteratur geworden, da der Zauberer Merlin mit seinen Prophezeihungen gleichfalls eine sehr wichtige Stelle bei ihm einnahm.3') Die Helden Arthurs zogen in alle Länder nach Heldenthaten und Abenteuern aus, deren Beschreibung und Verherrlichung in Versen und in Prosa den Gegenstand des bretonischen Sagenkreises bildet. 4) Arthur selbst ist der Sage nach nicht gestorben, seine Seele ist in einen Raben übergegangen und er wird einst, wie die schlafenden deutschen Kaiser und Helden, 5) zur Errettung seines Reiches und Volkes wiederkehren. Daher auf seinem Grabe der Leoninische Vers gestanden haben soll:

Hic jacet Arturus, rex quondam, rexque futurus.




    1) Diefenbach, O. E., S. 274 oben.
    2) Büchner, Gesch. der englischen Poesie, I. (Darmstadt 1855) S. 7 ff.
    3) Walter. S. 45 und 344; Villemarqué, I. S. 42 ff.; Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 77 ff.
    4) Kurz, Leitfaden der Gesch. der deutschen Literatur, §. 24 und 37; Villeinarqué, contes populaires des anciens Bretons, précédés d'un essai sur l'origine des épopées chevaleresques de la table - ronde, Paris 1842; San-Marte (Schulz), die Arthursage, Quedlinburg 1842; derselbe, Beiträge zur bretonischen Heldensage, Quedlinburg 1847.
    5) Symbolik unter schlafende Kaiser; Eckermann, III. 2. S. 151.



Andere lassen den Arthur durch die ihm gewogene Fee Morgana nach dem Lande der Seligen, Avallon, entrückt werden, - oder er wird naeh Avallon versetzt (advectus), um von den Wunden geheilt zu werden, welche er in der letzten furchtbaren Schlacht mit Modred empfangen hatte.

Es ist hier nicht der Ort, das Entstehen, den Inhalt und den Werth des bretonischen Sagenkreises, der bretonischen Ritterliteratur näher zu behandeln und zu betrachten; es genügt die geschichtliche Thatsache, dass die kymrische oder bretonische ritterliche, phantasievolle und phantastische Lebensauffassung und Geschichtschreibung mit ihren edlen Thaten, Abenteuern, Zaubereien und Prophezeiungen die Völker in Britannien, Gallien, Spanien, den Niederlanden und Deutschland bis nach Skandinavien mächtig ergriffen und angeregt hatte, bis sie sich in Ariost's rasendem Roland und des Cervantes Don Quixote komisch verlief. Villemarqué namentlich hat ausführlich nachgewiesen, dass die französischen Romanendichter den Arthur, Merlin, Lancelot, Tristan, Ivain (Iwain), Erec, unter dem Namen Ghéraint, den bretonischen Barden, Sängern und Erzählern entlehnt haben, was besonders auch von Parcival, dem letzten Sohne einer armen Wittwe, gilt. 1) In der vortrefflichen Recension in Bd. 29 der Wiener Jahrbücher, S. 71 ff., über John Dunlop, history of Fiction, von Fr. Wilh. Val. Schmidt wird als das Charakteristische der Romane von Artus und der Tafelrunde das Centrum bezeichnet, um welches sich Alles dreht und dem es zustrebt; dieses Centrum sei nichts Anderes als das höchste Gut selbst, wie es das Christenthum uns kennen gelehrt hat, die Erlösung und Beseligung durch den Weltheiland; dieses Gut sei ein äusserlich wahrnehmbares, wirkliches und konkretes geworden in dem sanctus cruor (heiligen Blut, Graal), wie es aus der Seite Christi durch den Lanzenstich des Longinus hervorströmte und von Joseph von Arimathia, im Demantgefäss aufgefangen, unter die Huth des geweihten Ordens der Ritter von der Tafelrunde gestellt ward. Zufolge Ecker-




    1) Villemarqué, I. S. 181 ff. und vorzüglich S. 222 ff.; Kurz, Leitfaden, §. 36 und 61, §. 54.



mann, III. 2. S. 149, soll der heilige Graal an die Stelle des Waschbeckens der Ceridwen und die Ritterschaft von der Tafelrunde an die Stelle des Bardenordens getreten sein. Schmidt scheint dabei (S. 73 Anm.) die gewöhnliebe Ableitung des Wortes Saint Graal (San Gréal) von Sanguis regalis, Sang real, Sang royal immer noch die richtige, hergenommen von dem Munus regium des Heilandes. Dieser höhere ritterlich-christliche Sinn, diese menschliche Begeisterung und Hingebung der kymrischen Barden und Geistlichen, welches kymrische oder druidische Christenthum auch auf die britischen Bauleute und Bauverbindungen einwirkte, hat den festen Grund gelegt, über dem im Anfange des 18. Jahrh. sich das freimaurerische Gebäude des reinen Menschenthums und Christenthums erhoben. Die wandernden Sänger (Minstrells, Troubadours, Trouverres, Jongleurs, cantores historici u. s. w.), die wandernden Ritter und die wandernden Bauleute haben die Rittersagen und ritterlichen Gesinnungen, das Barden- und Ritterthum, das begeisterte und sich opfernde Christenthum, das Menschenthum zuerst durch die Länder des nördlichen, südlichen und westlichen Europa's getragen. 1) Die Barden und Ritter sangen und stritten an den Höfen, im Lande und auf den Strassen; die Bauleute bauten die Gotteshäuser und die Städte. Jedenfalls muss die Entwiekelung des Städtewesens und der Bauzünfte in fortwährendem und innigstem Zusammenhange mit dem Aufschwunge des Ritterthums und des Ritterromans gedacht werden, wie sich auch das Bürgerthum und die Baukunst durch die Kirchenbaukunst und kirchlichen Bruderschaften und das Ritterthum und die ritterliche Dichtkunst durch den heiligen Kelch (Graal) und durch das königliche Blut mit der Kirche und Religion, vorzüglich auch mit dem Abendmahle, dem grossen christlichen Mysterium berührten. Die 12 Ritter an der Tafel Arthur's gleichen den 12 Aposteln an dem Tische des Herrn und beide sind die Boten und Verkünder des Christenthums und des Menschenthums, die ritterlichen Streiter Gottes; die Ritterromane werden in den Legenden




    1) San Marte, Arthursage, S. 54 ff.



der Heiligen zu heiligen Romanen. In den christlichen Domen finden sieh auch die Helden der Tafelrunde, Ywein auf dem Löwen, Tristan auf seinem Schwerte über das Meer gehend, Lancelot in seinen Abenteuern. 1) Der Dom zu Modena trägt seinen Reliefs den Namen Artus de Bretania beigeschrieben. 2) "So ist denn," sagt San-Marte, Arthursage, S. 62, nach Schmidt mit besonderer Rücksicht auf den hierher gehörenden colossalen Perceforest, "die allmählige Einführung einer geläuterten Gottesverehrung der zweite Brennpunkt des Romans." - Ueber Perceforest vergleiche man die Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 108 ff., wo auch gesagt wird: "Wie die Hysterien der Griechen der Ceres, der Stifterin des Urbarmachens und der Geselligkeit, gewidmet waren, so werden hier die Einrichtungen des Ritterthums und des Christenthums gefeiert als segensreiche Spender des Lichts und der Milde." Der Berg Cadair-Arthur in der Provinz Brecheinoc in Wales, d. h. der Dom Arthur's wegen seiner zwei gleich den zwei Thürmen einer Kirche aufstrebenden Gipfel, 3) darf wohl den zwei Säulen des Melkart oder Herakles, des salomonischen Tempels und der Maurerlogen verglichen werden. Arthur verrichtet auch 12 herakleische Thaten und wird wieder erwachen, indem er nur im Berge schläft oder den vermissten heiligen Kelch suchen soll und noch nicht zurückgekehrt ist. Der verlorene und gesuchte Graal (la queste du dit sang Greal) könnte wenigstens zum Vorbilde des verlorenen und gesuchten Meister- und Gotteswortes bei den Bauleuten gedient haben und die Hirammythe nichts anderes sein als der bauliche Nachklang eines bretonischen christlichen Ritterromans. Die königliche Kunst 4) wäre das Aufsuchen und Finden des verlorenen Blutes und Wortes Christi. In dem 40sten orphischen Hymnus wird , die ernährende und glückspendende Urmutter angerufen, "überströmende Füll' und königliche Gesundheit" zurückzu-




    1) Schnaase, IV. 1. S 375.
    2) Schnaase, IV. 2. S. 222.
    3) San-Marte, a. a. O., S. 64.
    4) Vergl. Symbolik, I. S. 82 ff.



bringen. wornach also schon dort königlich die Bedeutung von auszgezeichnet, vortrefflich, sehr gut, göttlich hat.1) Das Ritterthum und das Maurerthum sind gleich königlich, weltbürgerlich; auch die Freimaurerlogen sind Tafelrunden und gleich den Helden Arthur's oder Karls des Grossen sollten auch ihre Glieder in alle Länder ziehen, für die leidende und gedrückte Menschheit ringen und im Kampfe für Licht, Wahrheit und Recht sterben. Krause, dem um die Maurerei so hoch verdienten und so schlecht durch die königliche Loge in Dresden belohnten Menschenfreunde, gebührt neben seinem treuen Freunde Br. Schneider aus Altenburg 2) das unbestreitbare Verdienst, die altbritische, die druidische oder culdeische Quelle der Freimaurerei aus der sog. Yorker Urkunde vom Jahr 926 zuerst erkannt und in dem zweiten Bande seiner Kunsturkunden entwickelt und begründet zu haben. 3) Das Aufblühen der britischen Baukunst und Bauvereine fällt seit dem 10ten Jahrh. mit dem Aufblühen des Bardismus zusammen und dieser könnte der Zeit und seiner allgemeinen und leitenden Stellung nach auch auf jene bestimmenden Einfluss geübt haben. Erscheinen nun wirklich unter den maurerischen Symbolen Symbole der Barden, wie z. B. das der drei Pfeiler oder Säulen, - war der Lichtglaube mit den Lichtsymbolen den britischen Barden und Bauleuten gleich eigenthümlich, - finden sich in den maurerischen Urkunden urkundliche Lehren und Sätze der Barden, - und ist sogar die ganze Lehrweise der Maurer in Triaden oder dreigegliederten Sätzen eine bardische: dann dürfte der geschichtliche Zusammenhang beider englischer Einrichtungen um so weniger zu bezweifeln sein, als die Maurerei zu dem Bardismus (und dem später damit verbundenen Ritterthume) sich verhält wie das Besondere zu dem Allgemeinen. Die Vereine der Bauleute mit ihren höhern Zwecken gleichen dem Ritterorden "du franc palais", welchen Perceforest gestiftet haben soll, wie




    1) Bachofen, Mutterrecht, S. 140.
    2) Krause, II. 1. S. 7 Anm.
    3) Vergl. auch Lenning (Mossdorf), Encykl. der Freimaurerei, unter Culdeer.



auch der von Perceforest gelobte, gebaute und geweihte Tempel des höchsten Gottes (souverain Dieu) an den salomonischen Tempel mahnt, d. h. die Yorker Urkunde und der mehrere Jahrhunderte jüngere französische Ritterroman Perceforest sind demselben letzten Boden und Vorstellungskreise entsprossen. Der Bardismus, die Philosophie der Barden möchte aber zugleich mit der alexandrinischen Philosophie, mit der Gnosis und durch sie auch mit dem Buddhismus in Verbindung und Zusammenhang stehen. Nicht die Kelten waren ursprüngliche Buddhisten, wie vielfach behauptet werden wollte, aber den keltischen oder britischen Christen sind später buddhistische Lehren und Grundsätze, Speculationen zugetragen worden, weshalb noch einige Triaden des Bardismus (Trioedd Barddas) angefügt werden mögen:

  1. Drei ursprüngliche Einheiten gibt es, und mehr als eine von Jeder kann nicht sein: ein Gott; eine Wahrheit; und eine absolute Freiheit (un pwnge rhyddyd, eine höchste Spitze der Freiheit), und die hält allen Gegensätzen das Gleichgewicht.

  2. Drei Dinge gehen aus diesen drei ursprünglichen Einheiten hervor: alles Leben, alles Gute und alle Macht.

  3. Die drei nothwendigen Wesenheiten Gottes: der höchste an Leben, der höchste an Wissenschaft, und der höchste an Macht; und was in einer Beziehung das Höchste ist, davon kann nicht mehr als Eins sein.

In dem von Krause nicht ganz mit Recht als das älteste bezeichneten englischen Lehrlingsfragstücke erscheinen diese drei nothwendigen und einzigen Wesenheiten Gottes als die drei grossen Pfeiler der Weisheit, Stärke und Schönheit, welche die Loge (die Welt) unterstützen und welche durch den Meister vom Stuhl im Osten, den älteren Aufseher im Westen und den jüngeren Aufseher im Süden vorgestellt werden. 1) Die philosophischen Sätze, um sie den Handwerkern gerecht zu legen oder aber zu verbergen, erscheinen in diesem maurerischen Gewande:




    1) Krause, Kubsturkunden, I. 1. S, 212 ff.



Fr. Warum soll der Meister den Pfeiler der Weisheit vorstellen?
A. Weil er den Arbeitern Unterricht gibt, ihr Werk in gehöriger Form und in gutem Einverständniss fortzuführen.

Fr. Warum soll der ältere Aufseher den Pfeiler der Stärke vorstellen?
A. So wie die Sonne untergeht und den Tag endet, so steht der ältere Aufseher im Westen und bezahlt den Lohnarbeitern ihren Lohn; welches die Stärke und die Stütze aller Arbeit ist.

Fr. Warum soll der jüngere Aufseher den Pfeiler der Schönheit vorstellen?
A. Weil er im Süden steht, genau um 12 des Mittags, welches (wann) die Schönheit des Tages ist, um die Arbeiter von der Arbeit zur Erholung abzurufen, und zu sehen, dass sie zu rechter Zeit wieder an die Arbeit gehen, damit der Meister Vergnügen und Vortheil davon haben möge.

Fr. Warum wird gesagt, dass eure Loge von jenen 3 grossen Pfeilern, Weisheit, Stärke und Schönheit getragen werde.
A. Weil Weisheit, Stärke und Schönheit aller Werke Vollender sind, und Nichts ohne sie ausgeführt werden kann.

Fr. Wie so, Bruder?
A. Weisheit entwirft, Stärke unterstützt und Schönheit ziert.

Nur die beiden letzten Antworten lassen den tiefern, den esoteriseben Sinn des Svmbols der drei Grundpfeiler oder Grundsäulen der Welt durchblicken und weisen nicht undeutlich auf den allmächtigen Schöpfer und Baumeister hin, von dem alle Werke sind.

  1. Drei Dinge bekunden, was Gott gethan hat und thun wird: unendliche Macht, unendliche Weisheit, und unendliche Liebe; denn es gibt nichts zu vollbringen, wozu es diesen Eigenschaften an Vermögen, Einsicht oder Willen mangelt.

  2. Die drei Grundfesten des Seins: was nicht anders





    sein kann, was nicht anders zu sein braucht, und was nicht besser gedacht werden kann; und hierin werden alle Dinge endigen.

  1. Drei Dinge worden unfehlbar geschehen: alles was für die Allmacht, für die Weisheit, und für die Liebe Gottes zu vollbringen möglich ist.

  2. Die drei grossen Eigenschaften Gottes: unendliche Fülle des Lebens, der Wissenschaft und der Macht.

  3. Drei Ursachen alles Seienden: göttliche Liebe, geleitet von vollkommener Wissenschaft; göttliche Weisheit, die alle möglichen Mittel kennt; die göttliche Macht, geleitet von dem Antriebe der Liebe und Weisheit.

Es wird nicht entgehen, dass in diesen verschiedenen Triaden über die drei Wesenheiten, die drei grossen Eigenschaften Gottes und über die Ursachen, die Grundfesten und Stützen der Schöpfung, der Welt, der Loge, in dem dritten Gliede das Leben mit der Liebe abwechselnd oder als gleichbedeutend gesetzt werde, da alles Leben nur durch die Liebe des allmächtigen und allweisen Gottes ist und besteht. Auch erschöpfen und übertreffen diese wenigen walischen Triaden Alles, was sonst noch vom maurerischen Standpunkte aus über die Bedeutung des Symbols der drei Pfeiler der Loge gesagt werden möchte und schon vielleicht gesagt worden ist. Was von dem höchsten Schöpfer und der Schöpfung, von dem Weltbaue gilt, findet auch gleichmässig Anwendung auf den Bau der Menschheit und die Bauten der Menschen, den Menschheitsbau und die menschliche Baukunst: aber das Symbol ist schwerlich ein ursprünglich architektonisches, oder, wie Krause in dem Register zu den Kunsturkunden sich ausdrückt, ein geometrisches. Trilogisch wurden die Wesenheiten oder grossen Eigenschaften, die Grundeigenschaften der einen Gottheit wohl zuerst bei den Britonen oder bei den Kymren betrachtet wegen ihrer allgemeinen Vorliebe zur Dreizahl, wobei es sehr wahrscheinlich ist, dass sie früher und ursprünglich eine Götterdreiheit hatten und diese in 3 Steinen verehrten, wie diese 3 Steine auch noch oben bei den spätern Barden getroffen werden, nur jetzt im neuphilosophischen, nicht mehr im alten volks-





thümlichen Sinne. Bei den Bauleuten in Britannien wurden sodann 3 Pfeiler oder auch 3 Säulen zum architektonischen Symbol der Haupteigenschaften Gottes gewählt. Die Darstellung dieser göttlichen 3 Wesenheiten oder Haupteigenschaften bei den Bauleuten durch 3 Personen, durch die drei ersten Vorsteher dürfte mit dem christlichen Begriffe der Dreieinigkeit zusammenhängen. Krause, I. 2. S. 370, meint dagegen: "Sowie nun Vitruvius die dorische Säulenordnung männlich, die ionische weiblich, die corinthische jungfräulich zierlich nennt, so konnten diese Säulen, mit einer leichten Umänderung, im Einklange mit 3 grossen Lichtern, auf Weisheit, Stärke und Schönheit, welche Eigenschaften auf die Eigenwesenheit des Weibes, des Mannes und der Jungfrau eine wesentliehe (schon im hellenischen Sagenthume ausgedrückte) Beziehung haben, gedeutet werden; da man den Sinn für diese Auslegung bei den Architekten vorfand." - Uebrigens fassen die Barden auch die Weisheit, Stärke und Liebe in einer Triade zusammen, um die 3 Hauptstücke des Guten zu bezeichnen, ohne welche keine guten Eigenschaften zu erwarten seien.

  1. Drei Kreise (oder Zustände) des Daseins gibt es: der Kreis der Unendlichkeit (cylch y ceugant), wo nichts ist, lebend oder todt, als Gott, und Niemand als nur Gott kann diesen durchschreiten; der Kreis des Anfangs (cylch y abred), wo alle natürlichen Dinge vom Tode anheben, und welchen der Mensch durchschreiten musste; und der Kreis der Glückseligkeit (cylch y gwynfyd), wo alle Dinge vom Leben entspringen; diesen wird der Mensch im Himmel durehschreiten.

  2. Beseelte Wesen haben drei Zustände des Daseins: den Zustand des Anfangs (abred) in der grossen Tiefe (anwyn), den Zustand der Freiheit (rhyddyd) in der Menschheit (dyndod), und den Zustand der Liebe (cariad), d. i. der Glückseligkeit (gwynfyd), in dem Himmel (nef).

  3. Alle beseelte Wesen sind drei Nothwendigkeiten unterworfen: einem Ursprung in der grossen Tiefe, einem Fortschritt in den Kreis des Anfangs, und der





    Vollendung im Himmel oder dem Kreise der Glückseligkeit; ohne diese Dinge kann nichts existiren ausser Gott.

Die drei Zustände des aufzunehmenden Maurerlehrlings als eines Suchenden, eines Beharrenden und Leidenden sind die Zustände seines Daseins und haben wir schon in der Symbolik, II. S. 312 und 373, aus der indischen Philosophie oder aus buddhistischen Einflüssen zu erklären gewagt, welche Ansicht die vorgehenden Triaden zu bestärken dienen möchten. Die Lehre von den drei Zuständen des Maurerlehrlings erscheint als ein unverstandenes, unbesprochenes und unbeachtetes Trümmerstück in den Ritualen einzelner maurerischer Systeme und dürfte gerade deshalb als sehr alt zu betrachten sein. Wären die drei Zustände ein neuerer oder erst später aus irgend einer Absicht eingefügter Bestandtheil der Rituale, würde sich diese Absicht nothwendig darin beurkundet haben, dass man das neu Eingefügte benutzt und bedurft hätte: allein davon zeigt sich keine Spur. Die drei Zustände des Lehrlings stehen zugleich in vollkommener Uebereinstimmung mit seinen drei Reisen, drei Schritten u. s. w. Dass jedenfalls aber diese Triaden der Barden indischen oder buddhistischen Ursprunges seien, geht aus der Gestalt hervor, in welcher bei den christlichen Barden, also noch im 12. und 13. Jahrh. die Seelenwanderungslehre auftritt.

  1. Aus drei Gründen wird die Nothwendlgkeit des Wiederanfangs auf den Menschen fallen: wegen Nichtstreben nach Wissenschaft; wegen Nichtanhängen an das Gute; und wegen Anhänglichkeit an das Böse; auf Veranlassung dieser 3 Dinge wird er in den Zwitterzustand des Anfangs niederfallen; von wo er wie zum erstenmal zur Menschheit zurückkehren wird.

  2. In drei Stücken unterscheidet sich der Mensch nothwendig von Gott: der Mensch ist endlich, Gott is unendlich; der Mensch hat einen Anfang, den Gott nicht haben kann; der Mensch, da er die Ewigkeit zu bestehen nicht fähig ist, muss in dem Kreise der Glückseligkeit in der Art seines Daseins einen kreisartigen Wechsel haben; Gott aber ist





    unter dieser Nothwendigkeit nicht, indem er Alles bestehen kann, und dieses in Uebereinstimmung mit der Glückseligkeit.

Buddhistisch muss auch genannt werden:

  1. Durch die Kenntniss von drei Dingen wird alles Böse und der Tod vermindert und überwunden werden: durch die Kenntniss ihrer Natur, ihrer Ursache und ihrer Wirksamkeit; diese Kenntniss wird in dem Kreise der Glückseligkeit erworben werden. 1)

  2. Drei Hauptwerke der Weisheit: Jedes Ding zu erwägen; jedes nach Gelegenheit zu ertragen; und sich von jedem Ding frei zu halten.

Die Fünfzahl der Logenmitglieder und ihre Zusammenstellung mit den 5 Sinnen, wie dieselben in dem englischen Lehrlingsfragstücke enthalten sind, haben wir in der Symbolik, II. S. 393 ff., auf ihre arischen oder indogermanischen Anfänge zurückgeführt: allein die 5 Sinne erscheinen in demselben Lehrlingsfragstück auch als Gegenstand einer Triade:

Fr. Von welchem Gebrauche sind diese 5 Sinne für Euch in der Maurerei?
A. Drei sind von grossem Gebrauche für mich; nämlich: Hören, Sehen und Fühlen.

Fr. Von welchem Gebrauche sind sie, Bruder?
A. Das Gehör dient, um das Wort zu hören; das Gesicht dient, um das Zeichen zu sehen; das Gefühl dient, um den Griff zu fühlen; dass ich einen Bruder erkennen kann ebenso gut im Finstern als im Lichten. 2)

Unter den kymrischen Weisheitstriaden ist nun auch begriffen:

  1. Durch drei Dinge wird die wahre Erkenntniss jeder Sache erlangt: durch Sehen, Hören und Fühlen; und von diesen Drei kommt alle Einsicht; und ohne sie kann nichts vollkommen begriffen, verstanden und gewusst werden.

Es ist gewiss kein allzu kühner Schluss, dass dem oder




    1) Vergl. Symbolik, Il. S. 312 und 503.
    2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 201,



den Verfassern des englischen Lehrlingsfragstückes diese kymrische Triade bekannt gewesen und von ihnen den Verhältnissen der Bauleute angepasst worden sei. Jedoch ist es vielleicht blos zufällig, dass in den Triaden auch die drei bösen Gesellen begegnen:

  1. Drei brüderliche Gesellen sind: ein grauer Mönch, ein Schelm und ein Geizhals.

Als Gegensatz diene:

  1. Die 3 Segen, welche der Segen Gottes begleitet: der Segen von Vater und Mutter, der Segen des Kranken und Schwachen, und der Segen des bedürftigen Wanderers.

Mit dem alten Wales und seinen Lehrern wird in der Sagengeschichte der englischen Bauleute die Baukunst sehr frühe in Verbindung gebracht, denn aus Caerleon, dem römischen Isca Silurum am Usk, 1) soll der auch in der Yorker Urkunde vom J. 926 genannte römische Baumeister Amfiabalus nach Anderson's Constitutionenbuch gewesen sein, welcher den würdigen Ritter Albanus und spätern ersten britischen Märtyrer zum Christenfhum bekehrte. 2) Das gleiche Caerleon ist der sagenberühmte Wohnsitz Arthurs. In der Yorker Urkunde heisst es von Albanus. "St. Albanus, ein würdiger christlicher Ritter, nahm sich der Baukunst an, weil er sie liebgewonnen hatte, und liebte die Arbeiter und unterstützte sie sehr. Er traf Einrichtungen und setzte Chargen bei den Maurern fest, und lehrte die Gebräuche, Alles, wie ihm Amfiabalus 3) gelehrt hatte. Er verschaffte ihnen auch einen guten Lohn; denn er gab den Arbeitern zwei Schillinge auf die Woche und drei Pfennige zu ihrer Kost, da sie vorher nur einen Pfenning, nebst Essen, bekommen hatten. Er wirkte auch einen Begnadigungsbrief vom Kaiser Carausius aus, nach welchem die Arbeiter nun auch in Britannien eine ganze Gesellschaft heissen und unter den Baumeistern stehen sollten; welches vorher noch nicht war, weil Jeder einzelne




    1) Walter, S. 83, Anm. 12 und S. 119.
    2) Krause, II. 1. S. S5 Anm.
    3) Vergl. auch allgemeines Handbuch der Freimaurerei, unter Amphibalus.



Arbeiten annahm, wo er zu arbeiten fand. Er hielt sich selbst zu dieser Gesellschaft, half neue Arbeiter aufnehmen, sorgte, dass sie immer viel Arbeit hatten, und war der Erste in Britannien, der dieses that. Sein Tod musste für die Gesellschaft betrübt sein; denn da der Kaiser erfahren hatte, dass er heimlich ein Christ geworden war, wurde er, wie Johannes, als Bekenner der Wahrheit hingerichtet, und wurde so der erste Märtyrer in Britannien, wie Jener der Erste unter den Christen. Die Verfolgung nahm überhand und die Kunst lag nun darnieder, bis der Kaiser Constantius ihr wieder emporhalf, und unter seinem Sohne, dem Kaiser Constantinus, die christliche Religion aufblühete; wo dann einige Gotteshäuser und grosse Gebäude nach der römischen Baukunst aufgebauet wurden." - Beim unbefangenen und ersten Ueberlesen dieser und anderer Stellen kann allerdings nicht in Widerspruch gesetzt werden, dass die ganze Haltung und Fassung der Stelle sehr moderne Anklänge 1) habe und fast allzu auffallend die römischen Einrichtungen in Britannien am Ende des 3ten Jahrh. den Einrichtungen des 17ten und 18ten Jahrh. gleichstelle, so dass die Zweifel des Br. Kloss an der Aechtheit der Yorker Urkunde in der vorliegenden Gestalt keine leichtsinnige und unverzeihlich waren: aber den Zweifeln steht wohl überwiegend entgegen, dass jedenfalls die Urkunde nicht von den Bauleuten, sondern für sie und nach ihren mündlichen Mittheilungen von einem gebildeten und im Style gewandten Geistlichen verfaset ist, da im J. 926 die Schreibkunst und die eigentliche Gelehrtenschrift sich noch im ausschliesslichen Besitze der Geistlichen befand. Wenigstens die spätern Bauhütten hatten einen eigenen Geistlichen, Caplan, zur Besorung ihres Gottesdienstes und ihrer Schreibereien. Sodann könnte auch die ursprüngliche Urkunde im Laufe der Jahrhunderte mit den Zeiten überarbeitet und erweitert worden sein. Die Yorker Urkunde oder auch die Yorker Urkunden, Urkunden ganz gleich-




    1) Dahin gehört besonders auch die augustische Baukunst, der augustische Styl der Yorker Urkunde (vergl. Krause, II. 1. S. 81), welche Vitruvius wieder eingeführt haben soll.



mässigen Inhalts, obwohl vielleicht verschiedener Zeiten, müssen als unbezweifelt ächte zur Zeit der Abfassung des englischen Constitutionenbuches durch Anderson vorgelegen haben, da ihr Inhalt vollständig in dem Constitutionenbuche aufgenommen, wenn auch oft umgeändert, abgekürzt oder erweitert erscheint, wie die höchst sorgfältigen Nachweise und Vergleiche von Krause ergeben. Dabei liegt uns blos die lateinische Uebersetzung der Originalurkunde vor, welche leicht eine sehr freie und das alte Original (welches freilich noch fehlt) den veränderten Zeiten anpassende sein kann. Endlich sträubt sich das Rechtlichkeitsgefühl, eine förmliche Urkundenfälschung zu behaupten, welche die Yorkmaurer zu Gunsten ihrer Yorker Grossloge und der sog. Yorker Maurerei verübt hätten; die Yorker Urkunde wäre eine ältere und weit geschicktere Cölner Urkunde, der schändlichste Betrug. Jedoch fällt dieser Betrug um so eher hinweg, als sehr viele spätere Constitutionen aus der Yorker hervorgegangen sind und der Sache nach mit derselben übereinstimmen. 1) Krause, welcher die Yorker Urkunde als unbedingt ächt aus äusseren und inneren Gründen glaubte erwiesen zu haben, folgert aus der vorausgezogenen Stelle, S. 86 Anm., für die Geschichte der Freimaurerei: 1.) dass bis auf den h. Alban die Verfassung und Einrichtung der römischen Baukollegien (collegia fabrorum) noch nicht so vollständig in Britannien eingeführt gewesen sei, wie zu Rom und in den älteren Provinzen des römischen Reiches; erst Albanus habe diese Einführung erwirkt und die Bauhandwerker (operarios) mit den Architekten (architectis) zu einer Gesellschaft verbunden; 2.) dass diese Gesellschaft besondere, vielleicht auch christliche Gebräuche empfangen habe. - In den römischen Städten, zu welchen auch Isca Silurum in Wales gehörte, hatten die römische Bildung, die römische Baukunst, das römische Recht und auch das Christenthum ihren ersten und hauptsächlichsten Sitz; die christlichen Glaubensboten - und ein solcher scheint Baumeister Amfiabalus gewesen zu sein - breiteten mit dem christlichen Glauben auch die römischen Kenntnisse und Gesetze




    1) Krause, II. 1. S. 114 ff.



aus, regten Bauten und Baugesellschaften, Bauhütten an, wo und so lange es geduldet wurde.

Nach Anderson (4te Ausgabe, übersetzt zu Frankfurt a. M. 1783, I. S. 249) kamen auch später einige fromme Lehrer aus Wales und Schottland und bekehrten vieler von den Angelsachsen zum Christenthum; doch gelang es ihnen nicht, einen König dazu zu bekehren, bis im J. 597 der Papst Gregor I. den heiligen Augustinus mit 40 Mönchen nach England sandte und dieser zuerst den König Ethelbert von Kent taufte, dem später alle Könige der angelsächsischen Heptarchie nachfolgten. Derselbe Augustinus scheiterte aber bei der walischen Geistlichkeit mit seiner päpstlichen Sendung, schon der Abneigung gegen die Angelsachsen wegen, noch mehr aber an der Liebe der Walen für ihre nationale Freiheit und Unabhängigkeit. 1) Wales, d. h. jener Theil von Britannien, welcher sich nach dem Abzuge der Römer bei dem treulosen Angriffe der Angelsachsen gegen diese vertheidigen und unabhängig erhalten konnte, bewahrte und rettete damit die Bildungszustände, den christlichen Glauben und die christlich-römischen Einrichtungen, namentlich auch die Städteverfassung, die städtischen Collegien in der von den Römern zurückgelassenen Lage, so dass sie von hier aus in besseren Zeiten sich wieder erheben und ausbreiten konnten. Die Angelsachsen zerstörten, die Walen vertheidigten und erhielten. Daher bemerkt auch weiter Anderson (a. a. O., I. S. 248), dass man an den Orten, wo die Wälischen gewohnt haben, die frühesten heiligen Gebäude finde, so zu Glastonbury in Devonshire, zu Padstow in Kornwal, - zu Caerleon in Chester, so hernach nach St. Assaph in Flintshire verlegt worden, - Llan Twit oder die Kirche des Iltulus. - Llan Badarn Vawr oder die Kirche des grossen St. Patern, - das Kloster zu Llan Karvan, - Bangor in Karnavonshire, - Holyhead in Anglesey oder auf der Insel Mona, - Llandoff in Glamorganshire, - Menevia oder St. David in Pembrokeshire und viele andere Kirchen, Klöster und Lehrschulen. 2) In Wales,




    1) Walter, S. 224 ff.
    2) Vergl. auch Krause, II. 1. S. 87, Anm. b.



ist nach Walter, §. 54 und S. 83, Anm. 12, die Fortdauer mehrerer römischer Städte nachweisbar, so von Isca Silurum (Caerleon), Venta Silurum (Caerwent), Muridunum (Caermardyn), Conovium, Segontium, Salopia, Mediolanum u. s. w., worüber auch die von Walter beigefügte kleine Karte nachzusehen ist. Zu Isca Silurum hatte im Anfang des 5ten Jahrh. der Praeses der Provinz Britannia secunda seinen Sitz und daselbst wurden noch im 12ten Jahrh. die Ueberreste prächtiger Paläste, Tempel, Thürme, Theater, Bäder und Aquäducte gefunden. Caerleon bezeichnet vermuthlich Stadt der Legion, urbs legionis, weil zu Isca Silurum eine Legion gestanden. Im 5ten und 6ten Jahrh. sollen dort als Erzbischöffe die heiligen Samson, Dubris und Davy gewohnt haben und erst im 12ten Jahrh. verfiel dasselbe. 1) Der nach dem Abzuge der Römer aus Britannien auftretende britische Oberkönig hatte drei Hauptstadte (prif ddinas), drei Hauptstühle (prif orsedd, von gorsedd), nämlich London (Caer Lundain), wohl der alte Sitz der Provinz Britannia prima, - Caerleon am Usk (Caer Llion ar Wysg), der alte Sitz der Provinz Britannia secunda, und York (Caer Efrawe). 2) Unter den 3 britischen Bischöfen, welche im J. 314 an dem Concilium zu Arles theilnahmen und mit unterzeichneten, erscheint auch der Bischof von York. 3) An der Spitze aber der dioecesis Britanniarum stand ein Vicarius, welcher wahrscheinlich in Eboracum (York) residirte. 4) In ganz England hatten sich aus der Römerzeit her 28 oder 33 Städte nach Andern in ununterbrochener Fortdauer mit Mauern, Leuchtthürmen und schönen Heerstrassen erhalten und sie waren die Hauptstützen, Erhalter und Fortpflanzer des Christenthums und der Kirehenverfassung mit den Bisthümern und Bischofssitzen, der römischen Bildung und des römischen Rechts, namentlich aber der römischen Baukunst mit den römischen Baucollegien, des städtischen Lebens. Im Jahr 926 wurden auf der zu York allen übereinstimmenden




    1) Villemarqué, I. S. 303.
    2) Walter, S. 122.
    3) Walter, S. 233, Anm. 1.
    4) Walter, S. 119.



Nachrichten zufolge 1) auf Betrieb des Königs Athelstan abgehaltenen allgemeinen Versammlung der Bauleute diesen nicht eigentlich ganz neue Einrichtungen gegeben, sondern nur die alten römischen, von Albanus schon hergestellten, wieder eingeführt. Die Yorker Urkunde sagt ausdrücklich von dem Könige Athelstan: "Er hat daher befohlen, dass die von dem h. Albanus eingeführte Einrichtung der Römer wiederhergestellt und bestätigtwerde." 2) Das Privilegium die gemeine Bau- und Steinmetzordnung, welche Athelstan durch seinen Sohn oder Bruder Edwin ergehen liess, hatten jene Absicht. Obwohl die Schicksale dieses in die Geschichte und Sage der englischen Baukunst so tief eingreifenden Prinzen Edwin hier zur Seite gelassen werden müssen, mag doch die Bemerkung gestattet werden, dass Edwin auf einem Schiffe ohne Segel und Ruder 3) dem Meere übergeben worden sein und dort seinen Tod gefunden haben soll.

lnsofern wir auf diese Weise für England die Fortdauer des römischen Rechts und der römischen Städteverfassung, römischer Baukunst und römischer Baucorporationen behaupten und annehmen, treffen wir mit Krause, II. 2. 8. 212 ff.: "Sammlung von Nachrichten aus engländischen Schriftstellern, welche das ununterbrochene Dasein der Freimaurerbrüderschaft, vorzüglich in den britischen Inseln seit der Römer Zeiten bis zu dem 18ten Jahrhunderte beweisen, und mehrere einzelne Punkte ihrer Verfassung und Geschichte, nebst einzelnen Notizen", zusammen. Die Baucollegien und die ganze Baukunst standen anfänglich wesentlich im Dienste der Kirche der Bischöffe und Aebte, und des mit der Kirche verbundenen Königthums, so dass die Geistlichen die Baucollegien gründeten und einrichteten, sei es unmittelbar bei den Kirchen und in den Klöstern, oder getrennt von diesen in den




    1) Vergl. Anderson, a. a. O.. I. S. 254 ff.
    2) Krause, II. 1. S. 91.
    3) Vergl. Symbolik, II. S. 712 ff. Auch der Zauberer Merlin schifft sich in dem Glashause (maison de verre) ein und verschwindet, d. h. er stirbt und geht nach dem Glasberge oder Himmel (Villemarque, I. S. 50).



Städten. Die allgemeinen Versammlungen der Bauleute zur Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten und zur Festsetzung allgemeiner Gebräuche, Verordnungen und Gesetze fanden ihre nächsten Vorbilder in den Concilienversammlungen, in den Capiteln der Geistlichen, von welchen letztern der Eingang der gemeinen deutschen Steinmetzordnung spricht. 1) Für die eigentliche Verfassung oder innere Einrichtung wurde zum römischen Rechte gegriffen und natürlich den jetzigen und neuen Verhältnissen angefügt; den Geist, die geistigen und höhern Zwecke gaben die Barden und wahrscheinlich standen in England und in Wales die Vereine der Bauleute mit den Vereinen der Barden und Geistlichen im innigsten Zusammenhange, verfolgten das gemeinsame Ziel der vaterländischen Bildung, Sitte und Freiheit. Das Bauen, die Kirchenbaukunst und später die Städtebaukunst, war für jene Zeiten vom J. 1000 an eine ausserordentlich wichtige Angelegenheit, um welche die Kirche und der Staat sich bekümmern mussten und auch wirklich bekümmert haben. Im 7ten Jahrh. aber war schon neben Andern Wilfrid, Bischof von York und späterhin von Hexham, wegen seiner grossen und prachtvollen Steingebäude, besonders der nach Schnaase, IV. 2. S. 379, um das J. 674 erbauten Kathedralkirche zu Hexham, allgemein bewundert, welche Bauten nicht ausgeführt werden konnten, ohne dass es Bauleute und Bauhütten im eigenen Lande gab, obgleich erzählt wird, er habe Baukünstler von Rom mitgebracht und gebraucht. 2) Bei Richard Hagulst. lib. 1 cap. 5, anno 673, wird von ihm sogar erzählt: "De Roma quoque et de Italia et Francia et de aliis terris, ubicumque invenire poterat, caementarios et quoslibet alios industrios artifices secum retinuerat et ad opera sua facienda secum in Angliam adduxerat." 3) Bischof Benedict, Stifter der Abtei von Weremouth, ein Zeitgenosse und Freund Wilfrid's, genoss gleichen Ruhm und soll sich besonders französischer Künstler bei seinen Unternehmungen bedient




    1) Krause, II. 1. S. 270, Anm. 3, vergl. mit S. 217.
    2) Krause, II. 2. S. 227; Schnaase, IV. 2. S. 572.
    3) Schnaase, IV. 2. S. 572 Anm.



haben. Da von den Römerzeiten an jedenfalls die christliche Kirche, und es darf hinzugefügt werden, auch das Institut der Barden ohne Unterbrechung bei den Kymren sich erhielt, kann nicht alles städtische und gewerbliche Leben mit dem Einfalle der Angelsachsen zu Grunde gegangen und erloschen sein, sondern muss, wenn auch noch so kümmerlich, fortbestanden haben, an welchen schwachen Ueberresten mit Hülfe auswärtiger Gewerbsleute, Bauleute und Künstler sich wieder ein reicheres Thun entfalten konnte. Inscriptionen, welche für das Dasein der Gewerbscollegien in Britannien unter den Römern zeugen, hat Krause, II. 1. S. 209 ff., zusammengestellt. Der Abt von Weremouth schickte dem Pictenkönige "architectos qui romano more (nach Schnaase, IV. 2. S. 372, Anm. ***, mit Quadersteinen) ecelesiam ex lapide construerent."

Die Triaden, welche noch in den neuenglischen Svstemen der Maurerei, in der heutigen Freimaurerei mit besonderm Nachdrucke hervorgehoben werden, dürfen gewiss von Ueberlieferungen und Einwirkungen der Barden hergeleitet werden. Ausser den schon berührten maurerischen Triaden 1) gehören dahin:

  1. die drei besondern Punkte: Brüderschaft, Bundestreue und Verschwiegenheit, welche Bruderliebe, Hülfe und Treue vorstellen. 2) Die drei besonderen Punkte werden auch die drei grossen Grundsätze genannt, jedoch wird von diesem Symbole in der deutschen und schweizerischen Naurerei wenig Gebrauch gemacht;

  2. die dreimalinen Begrüssungen und die dreimaligen Bitten, Fragen u. s. w., welche in den verschiedensten und allgemeinen Anwendungen auch heute noch erscheinen.

Die Schlussformel der heutigen maurerischen Briefschreibung z. B., dass man in der heiligen Zahl, in der heiligen Dreizahl, in der uns heiligen Zahl grüsse, ist die abkürzende Bezeichnung für eine übliche und drei Mal zu wiederholende Begrüssung, wie man aus den kymrischen Triaden und aus den Handwerksgebräuchen zugleich entnehmen kann. Als die drei Grüsse bei der Begegnung




    1) Vergl. auch Symbolik unter Dreizahl.
    2) Krause, I. 2. S. 284.



nach der guten Sitte bezeichnen die Barden: "Gott segne euch, eure Arbeit oder Geschäft"; das Glück sei bei euch zu jeder Zeit des Tages; und Gott sei mit euch." - Als die drei Grüsse beim Abschied werden von ihnen genannt: "Gott sei mit euch; Gute Tagszeit für euch, und: Heil euch, oder: möge es euch wohl geben." Als die drei Begrüssungen der Gastlichkeit führt eine Triade an: ein höfliches Wort, Erkundigung nach dem Zustand und Befinden des Mannes und seiner Familie, und Einladung zu wechselseitiger Freundschaft. - Der deutsche Handwerksmaurer nach den Gebräuchen der Handwerker in Altenburg spricht und bittet bei der Erwiderung des dem losgesprochenen Lehrlinge dargebrachten Toastes:

   "Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbares Handwerk,
    Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbarer Meister,
    Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbare Gesellen,
dass ich den ehrbaren Handwerkswillkommen seines Hauptes entblösse (d. h. den Deckel vom Zunftpokale abnehme) und auf das Wohl des ehrbaren Handwerks, der ehrbaren Meister und der ehrbaren Gesellen, dem Losgesprochenen und dem ganzen Handwerk zu Ehren, eine Gesundheit ausbringen darf." 1)

Beim Gesellenmachen der Schlosser sagte der Altgesell, indem er dem Jünger 3 Mal das Bartende eines Schlüssels im Munde herumdrehte:
   "Also mit Gunst für den Herrn Ladenmeister,
    Also mit Gunst für den Altgesellen,
    Also mit Gunst für die ganze Gesellschaft." 2)

Eine Antwort des Aufzunehmenden beim Gesellenmachen lautet: "Meister, Gesellen und Jünger haben ein Recht nach mir zu fragen, weil ich Hammer, Zange und Steinmeissel trage." 3) Beim Gesellenmachen der Schmiede wurde dem neuen Gesellen gesagt: "Wenn du vor das Thor kommst, so wirf 3 Federn auf, 4) die eine wird




    1) Krause, II. 2. S. 259.
    2) Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, S. 29.
    3) Stock, S. 30.
    4) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 83.



fliegen rechts die andere wird fliegen über das Wasser, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirst du nun folgen? Die erste könnte dich auf einen Abweg führen und du könntest dich verlaufen, der zweiten, die über das Wasser fliegt, folge auch nicht, denn das Wasser hat keine Balken, folge der, die gerade aus fliegt." 1)

Aus der Torgauer Steinmetzordnung vom J. 1462 gehören hierher:

Art. 107: Das ist ein Gruss, wie ein Itzlicher geselle grüssen soll, wenn er vom ersten zu der Hütte eingehet, so soll er also sprechen:

"Gott grüsse euch, Gott weyse euch, gott lone euch, euch Oebermeister erwiderung, Pallirer vnd euch hübschen Gesellen." - So soll Im der meister oder pallirer danken, das er sieht, welcher der oberst ist in der Hütten. 2)

Da soll der geselle u. s. w. - Art. 109: Ein Itzlicher wandergesell soll bithen vmb eine bücke, darnach vmb ein stück steins, darauf darnach vmb gezeugk, das sol man Im williglichen leihen (um nämlich sein Steinmetzzeichen schreiben zu können). - Art. 110: Ein Itzlicher Gesell soll die andern Gesellen alle bithen vnd kein sol es verhören, sie sollen alle helffen: "Helffet mir auff oder In das euch Gott hellffe." Wen sie geholfen haben, so soll er seinen Hut abethunn vnd soll In danken vnd sprechen: "Gott danke dem meister vnd pallirer vnd den Erbarn gesellen." 3)

Aus Am 110 leuchtet jedem Kundigen verständlich das sog. maurerische Noth- und Hülfszeichen entgegen. Die empfangene Hülfe soll 3fach oder 3 Personen verdankt werden.

Nicht blos aber die Form oder die Formen der Rede und der Lehren, sondern die letztern selbst haben die englischen Bauleute und Bauvereine den kymrischen Barden entlehnt, und es vermag ziemlich zuverlässig oder




    1) Stock, S. 31.
    2) Vergl. Symbolik, I. S. 372.
    3) Heideloff, Bauhütte, S. 55 und 56.



mit solcher Zuverlässigkeit, als dieses in ähnlichen Dingen verlangt werden darf, die innere Geschichte des freimaurerischen Dogmas dargelegt zu werden. Unter dem Grunddogma der Freimaurerei, wie dieselbe als eine selbstständige und eigenthümliche im J. 1717 durch die 4 vereinigten Logen Londons begründet worden ist und seitdem in allen Theilen und Ländern der Erde geübt wird, möchte am richtigsten und am einfachsten zu verstehen sein der Glaube an den Einen Gott des ewigen Lichtes und der Wahrheit, von welchem die Eine Menschheit stammt und dem im Lichte und in der Wahrheit jeder einzelne Mensch gleichen soll, um wieder zu dem Lichte, woher er gekommen, zurückkehren zu können. Gott ist das Licht, die Weisheit, die Stärke, die Macht, die Schönheit und die Liebe, und welche Eigenschaften sonst nur von ihm gedacht und ausgesagt werden können, schlechthin und deshalb auch der Zahl wie dem Masse nach der Einzige oder Eine, er ist das Eine und der Eine, aus welchem daher auch Alles, was ist, was war und was sein wird, ist, war und sein wird und an dessen ewiger göttlicher Natur alles Seiende Antheil hat und haben muss. Nur das Zeitliche und Irdische, das Vergängliche, das Böse, das Dunkle, alles Ungöttliche ist nicht von Gott, sondern gehört allein dem Geschaffenen an und muss deshalb bekämpft, überwunden und entfernt werden. Gott ist das ewige Licht und der Mensch ist ein Licht oder soll es sein. Dieser Lichtglaube, welcher seiner Natur nach Gott und dessen Wohnung, den Himmel, in den Sternen, in dem Lichte suchte und fand, ist das eigenthümliche Erbtheil des indo-germanischen Volksstammes, der Japhetiden, zu welchem auch die Kelten und die Kymren gehörten. Auf den entlegenen britischen Inseln, in und auf seinen Bergen und im verzweifelten Kampfe des Volkes um seine Freiheit und Unabhängigkeit wurde der uralte Lichtglaube am längsten und am reinsten bei den Kymren und ihren Barden erhalten und im Christenthume geläutert, mit dem christlichen Lichte verbunden; als im 13ten Jahrh. das freie Wales und seine Barden fielen, bauten ihre geistigen Schüler, die Bauleute, fort und ihr schönstes, kaum begonnenes und noch der Vollendung harrendes Werk ist





die Freimaurerei, die freie und Eine Menschheit im Lichte und Geiste des Einen Gottes. Dass der Neodruidismus, die bardische Theologie, wie sie San-Marte, Beitr., S. 79, genannt wissen möchte, nicht unmittelbar aus dem alten keltischen Volksthume und Volksglauben hervorgegangen, sondern mehr das Werk der gelehrten Barden, der bardischen oder druidischen Theologen und Christenpriester ist, kann an der geschichtlichen Thatsache seines Daseins nichts Wesentliches ändern, und um so weniger, als das ganze Bardeninstitut sich als ein eben so volksthümliches als einflussreiches erhalten hatte. Die keltische Mythologie hatte in Wales unter dem eindringenden und eingedrungenen Christenthume ähnliche Umwandlungen und Umdeutungen, Vergeistigungen zu erleiden, wie die griechische Mythologie von der Philosophie erfahren hatte, nur dass diese offener, jene heimlicher und verdeckter erfolgten. Je mächtiger und allgewaltiger das heidnische und das christliche Rom in Britannien herrschte, um so dunkler wurden die Reden, Lehren und Gesänge der Barden oder verstummten zuletzt gänzlich. Die den römischen Priestern abgeneigten, freiern und reinern Religionsansichten fanden in den meist aus höher gebildeten, viel gereisten und erfahrnen fremden Mitgliedern zusammengesetzten Bauhütten (nicht Bauzünften) eine natürliche Pflege- und mächtige Schutzstätte, indem man sich gegen die fremden Bauleute von Seiten der kirchlichen und staatlichen Behörden gleich zuvorkommend, nachsichtig, freigebig und freisinnig benehmen musste, wollte man dieselben in der erforderlichen Zahl im Lande versammeln und behalten. Jene frühern kirchen- und staatengründenden Zeiten bewegten sich Jahrhunderte lang vorzugsweise um die Erbauung von Kirchen und Klöstern geistlichen und weltlichen Palästen. Schlössern und Burgen, - Rath- und Zeughäusern, Kirchen- und Burgthürmen, Kirchen- und Burggewölben u. s. w., dass für sie die Bauleute, die Bauhütten eine ganz andere Bedeutung hatten und sie zugleich eine weit grössere Anzahl derselben bedurften, als dieses bei uns der Fall ist, nachdem die Zwingburgen zerstört und die freien Städte erbauet sind, Kirchen und





Klöster aber nicht mehr erbauet werden. In dem bauenden Mittelalter wetteiferte man von Seiten der Kirche und des Staates, welche die gleichen Wünsche und Bedürfnisse in dieser Beziehung hatten, gleichsam in begünstigenden Privilegien gegen die Bauleute und ihre Vereine oder Hütten, wie dieses in ähnlicher Weise etwas später bezüglich der Universitäten geschah, geschehen musste und noch geschieht. Durch dieselben Gesetze und Massnahmen wurden und werden die Bauhütten und die Universitäten gehoben und blühend gemacht, verödet und gestürzt. Die Baumeister und Baugesellen wanderten nicht blos in dem einzelnen Lande, sondern durch ganz Europa nach allen 4 Weltgegenden an jene Orte, wo sie die beste Aufnahme und die reichste Arbeit fanden; denn die Bau- und Steinmetzkunst war damals eine europäische, eine weltbürgerliche. Wie sehr das Wandern den weltbürgerlichen, den allgemein-menschlichen, den freimaurerisehen Sinn wecke und nähre, mag man schon und selbst aus den Gebräuchen der Gesellenbrüderschaften entnehmen. In der dritten Ehre der Böttchergesellen zu Magdeburg, welche sie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied ausbrachten, hiess es z. B.: "Mit Gunst, dass ich mag unsern ehrlichen Willkommen von des Krugvaters Tisch aufheben, ihn an meinen Mund setzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Gesellen zu, der vor mir war und nach mir kommen wird, er sei aus Reussen oder Preussen, aus Holland oder Braband, so er hierher kommt, soll er Bescheid thun, das gilt dir Hans, prosit Hans!" 1) - Es ist durchaus glaubwürdig, wenn von dem gefeierten Könige Athelstan (924 - 940), welcher den englischen Staat nach langen verwüstenden Stürmen durch einen grossen Sieg über die Dänen wieder befestigte und auferbaute, in der Yorker Urkunde gesagt wird: "Er hat daher befohlen, dass die von dem heiligen Albanus eingeführte Einrichtung der Römer wieder hergestellt und bestätigt werde; daher er auch seinem jüng-




    1) Ch. L. Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, Magdeburg 1844, S. 5, Anm. * und S. 101.



sten Sohne Edwin einen Befreiungsbrief für die Maurer, um sich selbst unter einander regieren und Einrichtungen zum Gedeihen der Kunst treffen zu können, ausgehändiget hat, weil dieser die Chargen selbst angenommen und die Gebräuche erlernt hat. Er hat auch gallische Maurer kommen lassen und sie nun mit zu Vorstehern bestellt, und die Einrichtungen der Griechen, Römer und Gallier, welche sie in Schriften mitgebracht haben, nebst des heiligen Albanus Einrichtungen, durchsehen lassen; und hiernach sollen nun alle Maurergesellschaften eingerichtet werden."

Die genauere geschichtliche Betrachtung dieser Stelle ist sehr wichtig, auch zur Beseitigung der wider die Aechtheit der Yorker Urkunde, zuletzt von Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. (Leipzig 1860) S. 107 ff., nach Kloss erhobenen Zweifel, zumal van Dalen in seinem zu Berlin herausgegebenen Kalender für Freimaurer auf das J. 1862, S. 268, bei der lobenden Beurtheilung des Findel'schen Werkes behauptet, dass fortan sich jede maurerische Geschichtsschreibung auf den von Br. Kloss bestimmten Standpunkt zu stellen habe. Auch Schnaase, VI. 1. S. 311, erkennt die Yorker Urkunde an ihrem ganzen Inhalte als unächt, bestreitet zugleich jeden Zusammenhang der mittelalterlichen Bauzünfte und Bauhütten mit den römischen Collegien so wie überhaupt mit Mysterienverbindungen, - und meint, es haben sich in England die allgemeinen philantropischen Lehren der jetzigen Freimaurer des Zunftverbandes nur als eines passenden Gefässes bemächtigt. Offenbar hatte Schnaase, was ihm übrigens gar nicht zum Vorwurfe gemacht werden soll und darf, nur eine mangelhafte Kenntniss der diesfälligen Literatur, indem er sonst unmöglich, IV. 1. S. 312, Anm. **, die Behauptung hätte aufstellen können, dass die Franzosen am wenigsten von der Ansicht des Zusammenhanges der Bauvereine mit den alten Mysterien berührt seien und nur Daniel Ramée (hist. de l'arch., II. S. 283) dieselbe mit Stieglitz theile. Der Kloss'sche Standpunkt, welchen Br. Seydel in Nr. 39 der Bauhütte für 1861 den rationellen nennt und den auch unbedingt das eben bei Brockhaus in Leipzig begonnene allgemeine Handbuch der Freimaurerei ein-





nimmt, 1) besteht darin, es haben die neuern geschichtlichen Forschungen entgegen Krause und Schneider, 2) welche die germanischen Bauhütten mit den römischen Baucorporationen, besonders in Britannien, in unmittelbaren. Zusammenhang bringen wollten, nachgewiesen, dass die genossenschaftlichen Verbindungen der Bauhandwerker, wie sie seit dem Eindringen der christlichen Cultur in den mitteleuropäischen Ländern hervortraten, in den uralten Sitten der germanischen Völker iliren Ursprung haben und auch nur unter ihnen eine Ausbildung erlangten. 3) Gleich Krause und Schneider soll auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 252, in der Behauptung irren, aus den Handwerkern, welche, im Klosterverbande lebend, den Mönchen bei der Ausführung der Bauten dienten, haben sich genossenschaftliche Verbindungen gebildet, aus denen ohne Zweifel in der Folge die Bauhütten hervorgingen. Wie das allgemeine Handbuch, S. 17, glaubt, wurzeln die bruderschaftlichen Verbindungen, die Logen von dem schon im Angelsächsischen sich findenden englischen Worte Lodge, so recht im germanisehen Geiste und soweit die Geschichte deutscher Völkerschaften zurückreicht, finden sich Spuren davon, was Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, dargethan habe. Diesen rationellen Standpunkt finden wir wenigstens bei dem Verfasser des Artikels über die Bauhütte in dem allgemeinen Handbuche sehr irrationell, weil er doch eine Versammlung der englischen Masonen zu York im J. 926 glaubhaft findet (indem dort sich schon im 8ten Jahrh. eine Art blühender Bauschule befunden, an welcher der in Italien gebildete berühmte Baumeister Alcuin 4) lehrte und wohin die deutschen Bauleute die Manuscripte in griechischer, lateinischer u. s. w. Sprache mit hinüberbrachten), von welcher uns die Geschichtschreiber der englischen Logen erzählen, so dass er die Yorker Urkunde entweder




    1) Vergl. darin z. B. Baukorporation, Bauhütte.
    2) Altenburger Journal für Freimaurerei, III. 2. (1812) S. 166 ff.
    3) Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, S. 76.
    4) Vergl. allgemeines Handbuch unter Alcuin.



für ächt oder wenigstens für glaubhaft halten muss. In der alten Stadt und an dem alten Bischofssitze York, in dem römischen Eboracum wurde im J. 926 eine allgemeine Versammlung der Bauleute, d. h. der Architekten und Baumeister, gehalten und hier blühte im 8ten Jahrh., vorzüglich unter dem daselbst im J. 736 gebornen Alcuin eine Bauschule; hier auch erbaute Alcuin die im J. 780 eingeweihte Peterskirche, deren Schilderung eine glänzende Basilica erkennen lässt. Alcuin selbst muss schon in York zum Baumeister gebildet worden sein und hatte sich nur zu seiner weitern Ausbildung nach Italien begeben, wo er mit Karl dem Grossen in Verbindung trat und von ihm nach Frankreich gezogen wurde, bis er wieder nach seiner Vaterstadt zurückkehrte, die er aber nochmals auf Andringen Karls mit Frankreich vertauschte. Es liegt nun doch gewiss Jedem unendlieh nahe und ist das einzig Wahrscheinliche, der Bischofssitz York habe sich von den Römerzeiten her auch unter den Angelsachsen forterhalten da sonst in der Mitte des 8ten Jahrh. nicht bereits ein so reiches kirchliches und städtisches Leben wieder hätte erblüht sein können; York war eine alte römische, keine neu gegründete angelsächsische Stadt, in welchem Falle aber auch sich Einiges von der römischen Verfassung und Bildung forterhalten hat, wenngleich sehr bedrängt und verkümmert. Im J. 926, wo der bauunternehmende König Athelstan eine grössere Anzahl von auswärtigen Bauleuten um sich versammelt hatte, sollten und mussten die alten römischen Einrichtungen, die Einrichtungen des Albanus, die Autonomie der Bauleute wiederhergestellt werden. Athelstan hatte besonders gallische Bauleute berufen und an die Spitze seiner Bauhütte gestellt, weil unter allen vormaligen römischen Provinzen Gallien die meisten römischen Einrichtungen und Kenntnisse sich bewahrt hatte und schnell zu neuen Staatsbildungen geschritten war, im J. 926 es also füglich eine Anzahl Bauleute nach Britannien hinübersenden konnte. Schon im 7ten Jahrh. hatte sich der vorgenannte Benedict, ein britischer Abt, Bauleute (caementarios) aus Gallien kommen lassen, damit sie ihm nach der Sitte der Römer eine Kirche bauen





möchten. 1) Es steht demnach gewiss nicht zu bezweifeln, dass auch Karl der Grosse bei seinem Kirehenbaue zu Aachen sich römisch-gallischer oder italienischer Baumeister und Handwerker bedient habe; 2) der Bau selbst ist zugleich aus gallischen und italienischen Bau- und Kunsttrümmern aufgeführt. - Die gallischen oder französischen Bauleute brachten die griechisch-römischen Bauordnungen und Bauschriftsteller, wie sie sich in Gallien erhalten hatten, mit nach England und darnach wurde das Yorker Gesetz eingerichtet, vielleicht nach einer besondern Zusicherung, welche sich die gallischen Bauleute vor ihrem Hinübergehen hatten ertheilen lassen. Die gallischen Bauleute konnten ihre Schriften aber auch aus Griechenland und aus Italien, wo ja das römische Recht und Leben niemals zu bestehen aufgehört hatte, erhalten und nach Britannien weiter getragen haben. Möglich ist es sogar, dass Griechen, d. h. Griechen aus Unteritalien und nicht wohl aus Byzanz, nach York gekommen waren und ihre Schriften mit sich gebracht hatten, wie auch der Bischof Meinwerk von Paderborn (1009 - 1036) die Bartholomäuskapelle am dortigen Dome durch griechische Werkleute (per operarios Graecos) erbaut haben soll. 3) Unter allen Umständen war der Inhalt des neuen Yorker Gesetzes, der Yorker Bauordnung ein römisch-druidischer, da man im J. 926 nur noch römische Baugesetze kannte und nach ihnen druidisch-christliche Priester, britische Priester das neue Gesetz verfassten. Von dem so recht brüderschaftlichen germanischen Geiste vermögen wir in der Yorker Urkunde Nichts zu finden. Dass man in den römischen Collegien den Brudernamen nicht gekannt habe, wie in dem allgemeinen Handbuche der Freimaurerei, S. 76, gesagt wird, kann nicht zugestanden werden. Die Behauptung ist zunächst eine zu allgemeine und man müsste bestimmter behaupten und beweisen, dass man auch in den christlichen römischen Collegien den Brudernamen nicht gekannt




    1) Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 170; Schnaase, III. S. 484.
    2) Schnaase, III. S. 486 ff. und S. 500.
    3) Schnaase, IV. 2. S. 574.



habe, und zwar weder in Griechenland noch in Italien, weder in Gallien noch in Britannien. Der Brudername, worüber meine Abhandlung in der Symbolik, I. S. 86 ff., zu vergleichen ist, erscheint keineswegs als etwas eigenthümlich Christliches oder Germanisches, sondern die Christen und die Germanen haben ihn mit Allem, was sich daran anschliesst, aus dem höheren Alterthume und nach unserer Ansicht besonders aus den Mysterien und aus den griechischen Phratrien und ähnlichen griechischen Vereinen empfangen. Dem in jener Abhandlung Beigebrachten sei noch beigefügt:

Im Buche Judith 7, 23 ff., spricht Ozias: "Liebe Brüder, seid männlich, wir wollen noch 5 Tage auf die Erbarmung Gottes harren; vielleicht wird er von seinem Zorn ablassen und seines Namens verschonen." Die Anrede "liebe Brüder" gebraucht auch die Judith selbst. Jonathan, der Makknbäer, Makkab. I. 12, schreibt an die von Sparta, als an liebe Brüder, erneut die und , und versichert. dass ihrer als Brüder bei den Festen und bei den Opfern immer sei gedacht worden. Thiersch, Epochen der bildenden Kunst, S. 26 Anm., folgert aus diesem Schreiben und seiner gleichförmigen Beantwortung, dass sich bei dem hebräischen Stammvolke in Phönicien und Palästina eine dunkele Kunde eines Zusammenhangs zwischen ihm und den peloponnesischen Stammheroen forterhalten hatte. - In der Odyssee 21, 216 fordert Odysseus den Schweinhirt Eumäos und den Oberhirten der Rinder auf, auch in Zukunft des Telemachos Freunde und leibliche Brüder zu sein.

Im Samaveda II. 7. 2, 1 wird Agni, das Heerdfeuer angerufen als "der liebe Freund, der Genosse und Bruder der Menschen." Rig-Veda I. 11, 2 heisst es: "Ja dein, des starken (Indra) Brüderschaft fürchten wir nimmer, Herr der Kraft!" 1) Rig-V. I. 22, 10 werden die Wasser- und Wolkengöttinnen die Schwestern der Opfernden genannt. Agni wird im Rig.-V. 1. 31, 10 angeredet als Vater und als Bruder. Die Pflichten, welche der Mensch und Maurer gegenüber den Brüdern und der ganzen




    1) Benfey, Orient und Occident, I. (Göttingen 1861) S. 9 ff.



Menschheit erfüllen soll, bezeichnet in den indo-europäischen Sprachen schon das Wort Bruder, d. i. der Helfende, wie die Schwester die Sorgliche oder die für die Ihrigen Sorgende, der Vater der Schützende und die Mutter die Ordnende ist. 1) Dass alle Menschen oder wenigstens die Genossen eines bestimmten Gottglaubens sich als Brüder zu benennen und zu behandeln haben, musste geglaubt und gelehrt werden, sobald man die Gottheit als den Vater oder die Mutter der Mensehen ansah und verehrte. Daran schliesst sich das schöne persische Gebot, nicht für sich allein, sondern für alle Perser als einer Mutter Kinder zu beten. 2) Wohl in Nachahmung dieses Gebotes muss nach dem dermaligen englischen Meisterritual der neuaufzunehmende Meister schwören: "wenn meine Kniee gebeugt sind und ich Gebete zum Allmächtigen sende, sie nicht nur für mich allein zu thun, sondern dass ich alle Brüder Meister (warum nicht alle Menschen oder doch mindestens alle Maurer?) einschliessen und die Erhörung ihrer Bitten zugleich erflehen will." 3)

Die ersten christlichen Vereine und Gemeinden waren förmliche Mysterienbünde, Bruder- und Schwesterschaften, weshalb auch der Bruderkuss bei den Agapen oder Liebesmahlen der ersten Christen gewöhnlich war, welchen selbst die Frauen den Neuaufgenommenen gaben, der aber bald verrufen wurde. 4) Dass die ersten christlichen Verbindungen brüderliche gewesen seien, beweisen besonders auch die in den römischen Katakomben aufgefundenen Grabschriften, von denen eine z. B. lautet:

"Sabatius, süsse Seele, bitte und vemittele für deine Brüder und Genossen."

Bei dem ersten Entstehen der christlichen Gemeinden in den Städten traten auch sofort diese ersten städtischen Kirchengemeinden zu den nachher durch sie und um sie entstehenden Landgemeinden in das Verhältniss von Mutter-




    1) Weber, indische Skizzen, Berlin 1857, S. 9.
    2) Bachofen, Mutterrecht (1861), S. 205 a.
    3) Das Freimaurerthum in seinen 7 Graden, Leipzig 1857, S. 96.
    4) Böttiger, Ideen zur Kunstmythol., II. S. 427.



und Töchtergemeinden, 1) was dem griechischen Colonatrechte entlehnt sein möche, indem bei den Griechen das Verhältniss einer Stadt zu den von ihnen stammenden Colonialstädten als dasjenige von Mutter und Tochter bezeichnet wurde. 2) Ist diese Vermuthung begründet, sind die brüderlichen Christengemeinden zunächst griechischen Ursprungs und griechischer Stiftung. Aus dem einfachen Verhältniss der Muttergemeinde zu ihren Töchtergemeinden, welches ein Verhätniss der Lehre, des Schutzes und der Aufsicht gewesen, ist die ganze bischöfliche Gewalt und Kirchenverfassung emporgewaehsen. Ebenso hielten auch die Mutterklöster gegenüber den von ihnen gestifteten Töchterklöstern sehr streng ihre Rechte fest und die daherige Klosterhierarchie, Klosterverfassung mag den deutschen Bauhütten zum Vorbilde gedient haben. 3) So, zeigen sich die Kirchen-, die Kloster- und die Bauhütten verfassung als eine gleichförmige, alle drei auf demselben Grundgedanken beruhend und die gesetzgebende und verwaltende Gewalt durch die gleichen allgemeinen Versammlungen und die gleichen obersten Meister, Bischöfe, Aebte u. s. w. übend. Auf dem spätern Gebiete des Rechtslebens wiederholt sich die Erscheinung, dass diejenigen Städte, welche mit dem Rechte einer andern und ältern Stadt bewidmet worden waren, dadurch zu der Mutterstadt in ein gewisses untergeordnetes Verhältniss oder wenigstens in eine gewisse Verbindung insofern traten, als die Mutterstadt zum Oberhofe, zur Appellationsinstanz, zur berathenden und belehrenden Oberstelle wurde. 4) Wie an dem kirchlichen Range der einzelnen Städte des Landes dessen Kirchengeschichte hinläuft, so auch die Geschichte der deutschen Baukunst und der deutschen Bauhütten an den Haupthütten, und Strassburg als die oberste Bauhütte in ganz Deutschland ist ohne jeden Zweifel auch die erste und älteste, in der




    1) Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, Bonn 1831, S. 22 ff.
    2) Schoemann, griechische Alterthümer, II. S. 80.
    3) Vergl. Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 369 ff.
    4) Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. (Breslau 1851) S. IX ff.



Kirchensprache (Hüllmann, a. a. O., S. 28) prima sedes, prima cathedra. Albertus Magnus oder (vielleicht) Albertus Argentinensis, der Erfinder des Achtorts, 1) und Erwin sind die Bauapostel, die Baupatriarchen von Strassburg und von Deutschland. Die Yorker Bauhütte steht bis herab auf die Gegenwart zu den englischen Bauhütten (Logen) und zu der englischen Baukunst in demselben geschichtlichen und rechtlichen Verhältniss. Wie es isolirte Logen gibt, gab es auch isolirte Klöster, obwohl man ihnen feindlich entgegentrat und dieselben lieber in das allgemeine Band der Herrschaft und Unterwerfung eingefügt hätte. Selbst die Benennung der einzelnen Logen, als im Oriente zu N. N. gelegen, könnte der ältesten Kirchenverfassung 2) entlehnt sein, da die Geistlichen Jahrhunderte lang die einzigen Schreiber der Bauhütten gewesen und bei den mittelalterlichen Baubrüderschaften ihr Capellan als Bauhüttenschreiber, als Logensecretär gebraucht wurde. 3) Clere (clericus) bezeichnet im Französischen daher den Geistlichen und den Schreiber, 4) - ebenso clerk im Englischen. Die ältesten Kirchengemeinden bedienten sich, wenn es in gegenseitigem, genossenschaftlichem Schriftwechsel auf eine Bezeichnung ankam, blos der, von ihrer heimathlichen Stadt hergenommenen und nannten sich deren Einwohnerschaft; als: die Gottesgemeinen, wohnhaft zu Rom, zu Ephesus, zu Korinth. Diese kirchliche Uebung ahmten die kirchlichen Logenschreiber nach und schrieben:"Im Oriente zu Strassburg, zu Zürich." Die Mitgliederdiplome der Maurer, d. h. Urkunden über die in einer bestimmten Loge erworbene Mitgliedschaft, um damit bei fremden Logen sich ausweisen und deren Zulassung und nöthige Unterstützung erhalten zu können, sind unzweifelhaft lange vor dem J. 1717 gebräuchlich gewesen und sind hervorgegangen aus den sehr alten Beglau-




    1) Heideloff, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, Nürnberg 1844, S. 14 und 15.
    2) Hüllmann, a. a. O., S. 25.
    3) Heideloff, a. a. O., S. 13; Krause, II. 1. S. 58, Anm.a.
    4) Dupin et Laboulaye, glossaire de l'ancien droit francais, Paris 1846, unter clere.



bigungen und Empfehlungen (litterae communicatoriae) der Klöster für ihre reisenden Mitglieder, 1) - waren dieselben, so lange die wandernden Bauleute einem Kloster angehörten. Die Pässe sind etwas Aehnliches und vermuthlich gleichen römischen Ursprungs.

Die deutschen Steinmetzordnungen betrachten die Verbindung der deutschen Steinmetzen durchaus als eine (kirchliche) Brüderschaft und die einzelnen Glieder als Brüder, Mitbrüder; namentlich die Bestätigungsurkunde des Kaisers Maximilian I. vom J. 1498 hebt mit der Bruderschaft der Meister und Gesellen des Steinwerks und des Steinhandwerks zu Strassburg an. Der erste Artikel dieser Bestätigungsurkunde bestimmt: "Zum ersten das sich ain jeder Stainmetzt in dise Bruderschaft soll gebrudern, der anders sich Stainwerks gebrauchen will, dadurch vnser Gotzdienst vnd ander Erbarkeit desterpas gehalten mag werden." 2) Zugleich wird einem jeden Werkmann und Steinmetz auferlegt, sich ehrlich und freundlich nach christenlicher Ordnung und brüderlicher Liebe gegen seinen Mitbruder zu halten. Die Bruderschaft, von welcher hier gesprochen wird, ist also noch im fünfzehnten Jahrhundert eine wesentlich kirchliche oder gottesdienstliche, weshalb auch die Meister und Gesellen für den Gottesdienst bestimmte Geldbeiträge leisten müssen. Die erneuerte deutsche Steinmetzordnung vom J. 1563 spricht von "der gemeinen Gesell- und Brüderschaft aller Steinmetzen in Teutschen Landen", und trägt die Ueberschrift: "Der Steinmetzen Brüderschaft und Ordnungen und Articul."

Es ergibt sich hieraus mit Entschiedenheit, dass der Brudername und der brüderliche Geist weder in den gemeinen deutschen Steinmetzordnungen noch in der Yorker Urkunde vom J. 926 so recht brüderschaftliche germanische, sondern christliche, römisch-griechische seien. Daher beginnt die durch den frommen Prinz Edwin zu Stande gebrachte Yorker Constitution:




    1) Hüllmann, S. 40.
    2) Heideloff, S. 58.



"Die Allmacht des ewigen Gottes, Vaters und Schöpfers der Himmel und der Erde, die Weisheit seines göttlichen Wortes, und die Einwirkung seines gesendeten Geistes, sei mit unserm Anfange und schenke uns Gnade, uns in diesem Leben so zu regieren, dass wir hier seinen Beifall und nach unserm Sterben das ewige Leben erlangen mögen." 1)

Die gemeine deutsche Steinmetzordnung von 1459:

"Im Namen des Vaters, des Suns und des heiligen Geists und der würdigen Mutter Marien und auch ir seligen Diener, der Heiligen Vier gekrönten zu ewiger Gedechtnisse." 2)

Die Ordnung der Steinmetzen zu Rochlitz vom J. 1462:

"Inn dem Namen dess Vaters, dess Sohns, dess heiligen Geistes. Inn dem Namen dess Vatters, dess Sohns, des heiligen Geists, Inn dem Namen der Gebenedeyeten Junkfraw Maria, vnnd inn der Ehre der viere gekronten Merterin." 3)

Die Bruderschaft der Bauleute musste in den christlich-germanischen Staaten des 10ten Jahrh. noch jedenfalls deshalb eine überwiegend christliche, eine kirchliche sein, weil damals nicht allein die Kirchenbaukunst vorherrschte, sondern die Kirche auch das gesammte staatliche Leben leitete und alles Bürgerliche gleichfalls mehr oder weniger in ein kirchliches Gewand sich kleiden, sich an die Kirche anlehnen und unter den Schutz derselben stellen musste. Wir finden daher auch Stadtverfassungen, städtische Gemeinheiten, welche blosse Bruderschaften in ihrer Anwendung und Ausdehnung auf die Bürger einer ganzen Stadt sind. So erklärt Art. 2 der Charte de l'Amitié der Stadt Aire in Artois, welche städtische Verfassung Thierry, récits Mérowingiens, 2me edit. Paris 1842, I. S. 336, mit dem Gildestatut des Königs Erich vergleicht, dass Alle, welche zur Amicitia (Phratrie könnte man sagen) der Stadt gehören, eidlich gelobt und versprochen haben, "quod unus subveniet alteri tanquam fratri suo




    1) Krause II. 2. S. 58.
    2) Heideloff, S. 34; Krause, II. 1. S 269.
    3) Heideloff, S. 47.



in utili et honesto." In dieser Städteverfassung berühren sich allerdings oder verbinden sich vielmehr zu einem Ganzen die kirchliche Brüderschaft und die germanische Eidgenossenschaft (conjuratio, Gilde). Sobald der Bruderbund ein eidlich beschworner war, seine Erfüllung bei dem Eide erzwunzen werden konnte, war er ein mächtiger und daher nach Umständen staatsgefährlicher, staatlich verbotener. Das Gildestatut des Königs Erich von Ringstaden vom Jahr 1266, 1) abgedruckt auch bei Thierry I. S. 431, ist eine eidliche Bruderschaft oder brüderliche Eidgenossenschaft, woher die Schwurgenossen, Gildengenossen (congildae) durchgängig confratres, fratres genannt werden und die Schwurgenossenschaft (gilda) 2) confratria heisst. Das ähnliche Statut der dänischen Gilde des im J. 1036 verstorbenen Königs Canut nennt treffend diese Gildengenossen "gildbroder", 3) Eidbrüder. Die Yorker Constitution fordert keinen Eid, sondern blos das Versprechen der Beobachtung ihrer Gesetze vermittelst Anßegung der Hand auf das durch die Vorsteher dargehaltene Evangelienbuch, was schon Krause, II. 1. S. 92, Anm. 5, bei seinen Anfechtungen des jetzt üblichen Maurereides so nachdrücklich hervorgehoben hat. Bald nach dem J. 926 scheint jedoch der Eid auch bei den englischen Bauleuten eingeführt und dieser auf die Abschrift der Yorker Constitution abgelegt worden zu sein, welche die einzelne Loge als ihr besonderes Constitutionenbuch besass. 4)

Die nun von Edwin den Brüdern Bauleuten auferlegten allgemeinen oder menschlichen Pflichten sind nachfolgende:

  1. Die erste Pflicht ist, dass ihr aufrichtig Gott verehren und die Gesetze der Noachiden befolgen sollt, weil es göttliche Gesetze sind, die alle Welt befolgen soll. Daher sollt ihr auch alle Irrlehren meiden und euch dadurch nicht an Gott versündigen.




    1) Symbolik, II. S. 323.
    2) Symbolik, I. S. 641 ff.
    3) Thierry, a. a. O., I. S. 419 ff., woselbst das dänische Statut, jedoch ohne Uebersetzung mitgetheilt ist.
    4) Krause, II. 1. S. 115, 123, 157, 171.



  1. Eurem Könige sollt ihr treu sein ohne Verrätherei, und der Obrigkeit, wo ihr euch auch befinden werdet, gehorchen ohne Falschheit. Hochverrath sei fern von euch; und erfahrt ihr Etwas, so sollt ihr den König warnen.

  2. Gegen alle Menschen sollt ihr dienstfertig sein, soviel ihr könnt, treue Freundschaft mit ihnen stiften, euch auch nicht daran kehren, wenn sie einer andern Meinung zugethan sind.

  3. Besonders sollt ihr auch immer treu gegen einander sein, einander redlich lehren und in der Kunst beistehen, einander nicht verleumden, sondern auch sonst einander thun, wie ihr wollt, dass euch Andere thun sollen. Sollte sich daher auch ein Bruder gegen irgend Jemanden, oder einen Mitbruder, vergehen, oder sonst fehlen, so müssen ihm Alle beistehen, sein Vergehen wieder gut machen zu können, auf dass er gebessert werde.

  4. Treulich habt ihr euch auch zu den Berathungen und Arbeiten der Mitglieder in jeder Loge zu halten, und gegen Jedermann, der kein Bruder ist, die Merkmale geheim zu halten.

  5. Jeder soll sich der Untreue enthalten, weil die Brüderschaft nicht ohne Treue und Redlichkeit bestehen kann, und ein guter Name ein grosses Gut ist. Auch sollt ihr immer auf des Herrn oder Meisters, dem ihr dienet, Nutzen sehen und ihn befördern helfen, und immer auch seine Arbeit redlich zu Ende bringen.

Diese sog. alten maurerischen Pflichten galten jedenfalls in England Jahrhunderte vor dem J. 1717 oder vor der Einführung der blos symbolischen Maurerei mit Errichtung der jetzigen englischen Grossloge allgemein als maurerische Verpflichtungen, 1) und erscheinen zugleich zuerst und dann mit den Zeiten sich fortentwickelnd in der dem J. 926 beigelegten Yorker Urkunde. Die Gesetze, der gesetzliche Inhalt der Yorker Urkunde ist demnach ein wahrer und unbestreitbarer, ein geschichtlicher und




    1) Vergl. z. B. allgemeines Handbuch der Freimaurerei, S. 24 b: "In den Jahrhunderte alten Satzungen der Brüderschaft, denen sich ein jedes Mitglied unterwerfen musste, heisst es."



lebendiger, wodurch die Aechtheit, das Herrühren der Urkunde aus dem J. 926 auch erwiesen und eventuell gleichgültig wird. Sollte nämlich die Urkunde in ihrer gegenwärtigen Gestalt auch erst etwas später und selbst Jahrhunderte nachher abgefasst worden sein, berichtet sie dennoch die wahren und unverfälschten, von den Bauleuten angenommenen und stets befolgten Gesetze der wirklich im J. 926 abgehaltenen allgemeinen maurerischen Versammlung; Fälschung und Betrug nach irgend einer Richtung ist hier ebenso unmöglich als unbegreiflich. Mit fast der gesammten Maurerwelt bezweifelt z. B. auch W. Keller, Gesch. der Freiniaurerei in Deutschland, Giessen 1859, nicht entfernt die Aechtheit der in der Yorker Urkunde enthaltenen alten Pflichten, aber dennoch erklärt er mit Kloss nur die im J. 1840 aufgefundene Haliwell'sche Urkunde für die älteste erhaltene maurerische Urkunde. Ebenso gibt Keller zu und beruft sich dafür sogar auf die feindlichen Angriffe des bekannten Plot, gewesenen Professors der Chemie an der Universität Oxford, in seiner Natural History of Staffordshire, 1) dass die in der Yorker Urkunde enthaltene Erzählung über deren Erlassung auf einer allgemeinen Maurerversammlung zu York im J. 926 als eine alte, nach Plot in einem grossen Pergamentbande gemachte, wirklich vorhanden gewesen sei: aber dennoch ist die Yorker Urkunde falsch, weil sie eine bestandene Erzählung oder Sage mittheilt. Die homerischen Gesänge sind nicht falsch, so wenig als die Veden, wenn sie auch erst lange nach ihrer mündlichen Abfassung niedergeschrieben wurden: gleichmässig mag es sich mit der Yorker Urkunde verhalten. - Röhr, amerikanisch-deutsche Jahrbücher für 1859 - 1860, Williamsburgh 1860, S. 29 ff., scheint es als vollkommen geschichtlich hergestellt zu betrachten, dass zu York beinalie acht Jahrhunderte hindurch, wenn auch mit mehr oder weniger Unterbrechung, 2) und namentlich im J. 926, 1561 und 1663, jährliche allgemeine Zusammenkünfte (General-Assembly) der Maurer abgehalten worden seien; noch werde eine Abschrift der Regu-




    1) Krause, II. 2. S. 293 ff.
    2)Vergl. Krause, II. 1. S. 114 ff.



lationen aufbewahrt, welche jene Versammlung im J. 1663 bei dem Feste Johannes des Evangelisten aufgestellt habe und worin bestimmt sei, dass die einzelnen Logen der Generalversammlung jährlich über alle von ihnen im Laufe des Jahres gemachten Mitgliederaufnahmen Bericht erstatten sollen, wie bekanntlich jetzt alle einzelnen Logen einen solchen schriftlichen allgemeinen Jahresbericht, gleichfalls ihrer Grossloge einzusenden haben; die im J. 1717 bei Errichtung der neu-englischen Grossloge mit andern verbrannten hinterlassenen Schriften des berühmfen Alterthumsforschers Br. Ashmole 1) haben die Nachricht enthalten, dass Prinz Edwin die königliche Bewilligung zur Abhaltung der allgemeinen Jahresversammlungen ausgewirkt habe. Wer solche jährliche allgemeine Maurerversammlungen zu York seit dem J. 926 mit achthundertjähriger Fortdauer für erwiesen oder auch nur für wahrscheinlich und möglich hält, wird dann auch weiter nothwendig zugestehen, es sei über die Beschlüsse dieser Versammlungen durch die als Schreiber beigezogenen Geistlichen ein Protokoll geführt und daraus zuletzt, d. h. mehr oder weniger lange nach dem J. 926 der lateinische historische Bericht über die Beschlüsse der Yorker Versammlungen zusammengestellt worden. Die legenden- oder sagenhafte Einleitung zu den Yorker Gesetzen wird keinem Kenner mittelalterlicher Geschichts- und Gesetzesurkunden, welche fast alle an die Erschaffung der Welt, an die Sinfluth und Arche Noah's oder auch an die Zerstörung Troja's anzuknüpfen pflegten, auffallen, im Gegentheil wird er gerade in dieser Gestalt der Urkunde einen neuen Beweis für ihr höheres Alter erblicken. Die Ansichten des Br. Röhr in Williamsburg, des höchst achtbaren Vertreters der deutschen maurerischen Literatur in Nordamerika, welcher im Uebrigen auf dem geschichtliehen Gebiete den Ansichten von Kloss und Keller huldigt, haben wir nur als eine neueste Anerkennung der Ergebnisse der ausführlichern und gründlichern Forschungen von Krause berührt. Die englischen Generalversammlungen waren übrigens im Grunde nur gesetzgebende und




    1) Vergl. Krause, II. 1. S. 26 ff.



übten die gesetzgebende Gewalt nur in der vorübergehen den Versammlung unter dem für diese erwählten Vorsteher oder Vorstehern, dem später ständigen Grossmeister aus; 1) die Zusammenberufung der Versammlung und die laufenden Verwaltungsgeschäfte, namentlich auch die Aufbewahrung des Archives und der Protokolle wurden ohne Zweifel durch die Loge in York besorgt. Deshalb wurde sodann von dem sog. alten oder York-Maurern die Loge von York, deren Meister nunmehr oder vielleicht schon etwas früher gleichfalls den Titel Grossmeister annahm, 2) als die alte und einzig gesetzliche Grossloge der neu-englichsen und ungesetzlichen oder willkührlichen Grossloge zu London entgegengesetzt.

In einem Anhange zu der Yorker Urkunde findet sich eine dem Könige Wilhelm III. zugeschriebene neue Redaction der Pflichten und Satzungen der Maurer vom J. 1694 2) mit folgenden allgemeinen Pflichten:

  1. Die erste Pflicht ist, dass ihr treu gegen Gott sein und alle, Dem widersprechende, Irrlehren meiden sollt.

  2. Ferner sollt ihr auch treue Unterthanen eures Königs sein, und der von ihm bestellten Obrigkeit gehorchen. Ihr sollt nicht an Hochverrath oder Verrätherei Theil nehmen, sondern dem Könige oder seinem Rathe allemal Anzei'ge davon machen.

  3. Ferner sollt ihr gegen alle Menschen und besonders gegen einander treu sein, einander lehren und gegenseitigen Beistand leisten, und überhaupt allen Andern thun, wie ihr euch selbst thun würdet.

  4. Ferner sollt ihr die Logen fleissig besuchen, um immer mehr Unterricht zu erhalten, alte Gebräuche bewahren, und Alles treulich geheim halten, was ihr von der Maurerei erfahren möget, damit Fremde sich nicht unrechtmässig einschleichen können.

  5. Ihr sollt auch weder stehlen, noch gestohlenes Gut verhehlen, sondern treu sein dem Herrn, der euch bezahlt,




    1) Krause, II. 1. S. 35.
    2) Krause, II. 1. S. 37 ff.
    3) Krause, II. 1. S. 102 ff.



    dem ihr arbeitet, auch auf des Herrn Vortheil sehen und zu seinem Nutzen arbeiten.

  1. Ferner sollt ihr alle Maurer Mitgenossen oder Brüder nennen, und sie lieben, und keine andere Benennung gebrauchen.

  2. Ferner sollt ihr eures Bruders Weib nicht zurn Ehebruche verführen, noch seine Tochter oder Magd schänden, ihn auf keine Art in Schande bringen, noch ihn ausser Arbeit setzen.

  3. Ferner sollt ihr ehrlich euer Essen und Trinken bezahlen, wo ihr einkehret. Ihr sollt auch nirgends ein Verbrechen, oder etwas Schlechtes begehen, wodurch die Maurergesellschaft in üblen Ruf kommen könnte.

Auch die nur flüchtigste Vergleichung der ältern und der jüngern Fassung der maurerischen Pflichten wird überzeugen, dass die ältere erhabener und idealer, rein christlicher und rein menschlicher, bardischer und weniger römisch-katholisch, benedictinisch sei. Das Mönchs- und das Papstthum wurde auch in England immer mächtiger und unduldsamer, wodurch als Gegenwirkung zunächst die Reformation und in dem maurerischen Lebenskreise die Freimaurerei vorbereitet wurde. 1) Auch mag schon jetzt die für die Geschichte der Bauhütten und des sie erfüllenden höhern weltbürgerlichen, oder europäischen Geistes sehr wichtige Bemerkung gemacht werden, dass ursprünglich die Bauhütte keine bleibende und feste Stelle hat und haben sollte, sondern nur vorübergehend an dem Orte, in der Stadt aufgeschlagen wird, wo man eben, grosse Bauten unternommen hat, um nach Vollendung der Bauten wieder abgebrochen und nach einem andern Orte, verlegt zu werden. Die Beweglichkeit und Wandelbarkeit der Bauhütte, gleichsam des tragbaren jüdischen Gotteszeltes, erhielt den Sinn der Bauleute selbst beweglicher und blos auf ihren Zweck des Bauens gerichtet, und die Bauhütte selbst war eine stets sich bewegende, wandelbare und sich erneuernde, indem die sie bildenden Meister und Gesellen im ewigen Wechsel zu und wieder fortwanderten. Das Wandern und die Wandelbarkeit, die stete Ver-




    1) Vergl. auch Krause, II. 1. S. 116 ff.



jüngung und Fortbildung gehört somit zum innersten Wesen der eigentliehen mittelalterlichen Bauhütten, wie es ähnlich noch das Wesen der Hochschulen in den Lehrern und Studirenden ausmacht, oder doch ausmachen sollte. Alles Dieses änderte sich nicht zum Vortheile und zu seinem Gegentheile, sobald die bewegliche Bauhütte zu einem bIeibenden Bestandtheil der Stadt wurde, die Künstlerhütte zu einer städtischen Handwerkerzunft herabsank und das tragbare Gotteszeit versteinert wurde, wie z. B. whon im J. 1410 die Free-Masons (dieser Name wurde ausdrücklich gebraucht) in London als Zunft incorporirt worden sind. 1) Nunmehr oder durch eine solche Incorporation wurde wenigstens rechtlich aus dem europäischen freien Künstler ein gebundener und gedrückter städtischer Handwerksmann, aus dem bisherigen Weltbürger ein Spiessbürger, aus dem Wanderer ein Stillständer, aus dem Freunde aller Menschen der Feind aller Nichtstädter und Nichtzünfter, dessen höchstes Gebet für das Wohl der Brüder Mitmeister zum Himmel steigt. Diese versteinernden Incorporationen der Bauhütten gehen im Allgemeinen mit dem Sinken und Aufhören der Kirchenbaukunst Hand in Hand, sind gleichsam die kleinen städtischen Ueberreste der einstigen grossen Kirchenbauten; es wird nicht mehr neu gebaut, sondern blos wiederhergestellt und geflickt, bis im J. 1717 das wirkliche Bauen endlich ganz aufhörte. Man könnte in der That und Wahrheit sagen, im J. 1717 habe die Maurerei die festgesessenen Bauleute, die Steine abgeworfen, um wieder als freier, befreiter und befreiender Geist zu wandern; die Steinmaurerei, masonry operative, wurde zur Freimaurerei, zur freien Geistesmaurerei, masonry speculative, - der Zünfter und Städter wurde zum Künstler und Menschen, zum Weltbürger.

Hätte man die geistige und weltbürgerliche, die künstlerische und wissenschaftliche Natur der Bauhütten und Bauschulen, - die Kunst und Wissenschaft mehr erkannt und sie nicht mit den Zünften oder Gilden der städtischen Handwerker verwechselt, man würde gewiss in der mau-




    1) Krause, II. 1. S. 121 Anm. und S. 287.



rerischen Geschichtsforschung und Geschichtschreibung niemals auf die ganz ungeschichtliche Behauptung und Meinung verfallen sein, unsere Kunst und Wissenschaft, unser Weltbürgerthum hänge nicht mit dem Alterthume und der alten Welt zusammen. Aber dennoch soll das Ungeschichtliche nun das einzig Geschichtliche sein und nach Seydel das (Neu-) Rationelle, was indessen bald königlich sächsisch "rumpelte", 1) dass es ein Krausen, kein Grausen war. Den griechisch-römischen Ursprung der Bauhütten, der Freimaurerei beweiset hinlänglich schon die Kammer (camera, gr. ) 2) des stillen Nachdenkens.

Dass die in der Yorker Constitution niedergelegten maurerischen Grundsätze und Pflichten in den unmittelbar darauf folgenden Jahrhunderten und bis auf die Zeiten der Reformation hin nicht fortgebildet, sondern möglichst kirchlich verdeckt und vergraben worden seien, beweisen die alten Pflichten, wie sie Preston in seinen Illustrations of Masonry aus einem Manuscripte der Lodge of Antiquity zu London aus der Zeit des Königs Jakob II. und nach ihm Krause, II. 1. S. 171 ff., mitgetheilt hat. Die erste der Pflichten lautet jetzt:

"Dass ihr treue Männer gegen Gott und die heilige Kirche sein, und keine Irrlehre oder Ketzerei hegen sollt, nach eurem eigenen Verstande und nach weiser (freidenkerischer) Männer Lehre."

Die Urkunde, welche bestimmt war, bei der Einweihung eines Meisters vorgelesen zu werden, schliesst mit den Segensworten: "Der allmächtige Gott Jakobs, der euch und mich immer in Obhut nehme, segne uns nun und immerdar! Amen!"

Das Constitutionenbuch der neu-englischen Grossloge erklärt unter den alten Gesetzen als:


I. Pflicht.

In Ansehung Gottes und der Religion.

"Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, das




    1) Vergl. Nr. 39 und 43 der Bauhütte für 1861.
    2) Vergl. auch Krause, II. 1. S. 158.



Sittengesetz zu beobachten wie ein treuer Noachide, und wenn er das Gewerk recht versteht, wird er weder ein stumpfsinniger Gottleugner, noch ein irreligiöser Freidenker sein, noch wider sein Gewissen handeln."

"In alten Zeiten hatten die christlichen Maurer die Pflicht auf sich,. nach den christlichen Gebräuchen jeden Landes sich zu richten. worin sie reiseten oder arbeiteten: da aber Maurerei unter allen Völkern, selbst von verschiedenen Religionen, gefunden wird, so haben sie jetzt nur die Pflicht auf sich, der Religion anzuhängen, worin alle Menschen übereinstimmen (jedem Bruder seine eigenen besonderen Meinungen überlassend); d. i. gute und treue Männer zu sein, Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was immer für Benennungen, Religionen oder Ueberzeugungen sie unterschieden sein mögen: denn sie stimmen mit den drei grossen Artikeln Noah's überein, genug, um den Kitt der Loge zu bewahren. So ist die Maurerei der Mittelpunkt ihrer Vereinigung und das glückliche Mittel, Menschen zu vereinen, welche ausserdem in beständiger Entfernung hätten bleiben müssen."


II. Pflicht.

Von der bürgerlichen Obrigkeit, der höchsten und der untergeordneten.

"Ein Maurer ist ein friedlicher Unterthan, der sich nie in Zusammenrottungen gegen den Staat verwickeln lassen soll, noch auch den Unterobrigkeiten die Achtung vesagt. Von Alters her munterten Könige, Fürsten und Staaten die immer am meisten in Friedenszeiten blühende Bruderschaft auf und begänstigten sie wegen ihrer Bürgertreue. Aber obgleich ein Bruder gegen den Staat in seiner Rebellion nicht zu bestärken ist: so bleibt doch, wenn er keines andern Verbrechens überwiesen ist, sein Verhältniss zur Loge unveränderlich."

Bekanntlich standen in England lange Jahre zwei Grosslogen sich feindlich gegenüber, die neuenglische Grossloge und diejenige der sog. York-Maurer, welche sich aber im Jahr 1813 zu einer einzigen Grossloge





vereinigten und dabei die beiden ersten Pflichten dahin fassten: 1)


I.

"Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, dem Sittengesetze zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein stumpfsinniger Gottesläugner, noch ein irreligiöser Freidenker sein. Er sollte von allen Menschen am besten verstehen, dass Gott nicht siehet, wie der Mensch siehet; denn der Mensch sieht nur nach dem Augenschein, Gott aber sieht in das Herz. Ein Maurer ist daher besonders verbunden, nie Dem zuwider zu handeln, was ihm sein Gewissen vorschreibt. Lasst eines Menschen Religion oder Anbetungsart sein, welche sie wolle, er ist von dem Bunde nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt er glaube an den ruhmwürdigen Baumeister des Himmels und der Erde, und übe die heiligen Pflichten der Sittlichkeit aus. Die Maurer vereinigen sich mit den Tugendhaften von einer jeden Ueberzeugung unter dem festen und beseligenden Bande der Bruderliebe; sie werden gelehrt, die Verirrungen des Menschengeschlechts mit Mitleiden zu betrachten und dahin zu streben, dass sie durch die Reinheit ihres eigenen Verhaltens die höhere Vortrefflichkeit des Glaubens beweisen, zu dem sie sich bekennen mögen. So ist die Maurerei der Mittelpunkt der Vereinigung zwischen guten und treuen Männern und das glückliche Mittel, Freundschaft unter Solchen zu stiften, welche ausserdem in beständiger Entfernung hätten bleiben müssen."


II.

"Der Maurer ist ein friedfertiger Unterthan der bürgerlichen Gewalten, wo er auch wohnt und arbeitet, und soll sich nie in Zusammenrottungen und Verschwörungen gegen den Frieden und die Wohlfarth des Volkes verwickeln lassen, noch sich pflichtwidrig gegen die Unterobrigkeiten betragen. Er soll sich mit Freuden jeder gesetzmässigen Behörde fügen; er soll bei jeder Gelegenheit das allgemeine Beste aufrecht erhalten, und mit Eifer




    1) Krause, II. 1. S. 239 ff.



das Wohl seines eigenen Vaterlandes befördern. Die Maurerei hat immer in Friedenszeiten geblüht und ist immer benachtheiligt worden durch Krieg, Blutvergiessen und Verwirrung, so dass Könige und Fürsten in jedem Zeitalter sehr geneigt gewesen, die Mitglieder der Zunft ihrer Friedfertigkeit und Bürgertreue wegen, wodurch sie den bösen Leumund ihrer Gegner mit der That widerlegten, aufzumuntern und die Ehre der Brüderschaft zu befördern. MitgIieder der Zunft sind durch besondere Verpflichtungen verbunden, Frieden zu befördern."



Die Geschichte des Dogma's der Freimaurerei, welche hiermit in ihren Grundzügen dargelegt ist, ergibt, dass ganz unzweifelhaft York (Eboracum), die dort früh blühende Bauhütte oder Bauschule, die daselbst im J. 926 unter dem Vorsitze des Prinzen Edwin gehaltene allgemeine Versammlung der Bauleute, der Architekten und Baumeister, und die von dieser festgesetzten allgemeinen maurerischen Verpflichtungen die Wiege der Freimaurerei, d. h. des allgemeinen und reinen Menschenthums, des Weltbürgerthums unter den wandernden Menschen und Bauleuten sind. Die Freimaurerei ist dem Völkerrechte, dem Weltbürgerrechte 1) innigst verwandt, mit ihm innerhalb ihres Kreises gleichbedeutend und nur der Inbegriff derjenigen Grundsätze, nach welchem die Bauleute der verschiedensten Länder und des verschiedensten Glaubens in ihrem Zusammen- und Untereinandersein leben müssen, wenn sie mit einander sollen, und wollen leben und bauen können. Die Freimaurerei ist ein jus peregrinum, jus divinum et humanum. jus sodalitii humani, mit welchen Ausdrücken hinreichend ihr Wesen, ihr Zweck, ihre Bedeutung und ihre Geschichte bezeichnet ist, - sie ist das Recht und die Pflicht der fremden Bauleute, der wandernden Meister und Gesellen. Die Freimaurerei ist durchaus nichts Ungewöhnliches oder Besonderes, sondern blos eine vorzügliche Seite des allgemeinen Völkerverkehrs und Völkerrechtes, des Weltverkehrs und des Weltbürgerrechtes, - es ist das Völkerrecht der Bauleute. Man könnte wie von der Freimaurerei so von der Freihandlerei, Frei-




    1) Vergl. Symbolik, I. S. 293 ff. und S. 660 ff.



studirerei, Freisoldaterei u. s. f. reden, und sie entstanden und bestanden, entstehen und bestehen gleich jener; was die Staaten dem freien Handel, den Hochschulen, den angeworbenen fremden Truppen u. s. w. noch heute zugestehen und zugestehen müssen, wollen sie anders Handel, von Fremden besuchte Hochschulen und fremde Miethtruppen haben, mussten sie auch den fremden Bauleuten bewilligen, wenn sie mit ihnen und durch sie zu bauen beabsichtigten. Das Recht des fremden und ausländischen Menschen ist hier überall die Hauptsache und ihm soll die Fremde und das Ausland zur Heimath und zum Inlande gemacht werden, er soll erkennen, dass, wohin er auch ziehe und wo er weile, er auf Gottes Erde unter seinen Kindern, den Menschen weile. Daher hat auch die Freimaurerei den höchsten äussern Werth noch heute für den Wandernden, für den Fremdling und sein Freimaurerdiplom steht dem Passe wenigstens gleich, wenn nicht viel höher als derselbe. Für die Inländer, für die Heimischen ist die Freimaurerei die Pflicht der Gastfreundlichkeit, der Menschlichkeit, der Liebe und Hülfe gegen den Fremden und Ausländer. Die 13te Verpflichtung der oben berührten, von Preston veröffentlichten Urkunde der Lodge of Antiquity bestimmt demnach:

"Dass jeder Maurer fremde Brüder, wenn sie über Land kommen, aufnehme und liebreich behandle, und sie in Arbeit setze, wenn sie arbeiten wollen." 1)

Doch die gleiche Verpflichtung hatte schon die Yorker Urkunde als die zwölfte der besondern maurerischen Pflichten aufgestellt:

"Jeder Maurer soll fremde Brüder, die die rechten Zeichen geben, mit Liebe aufnehmen, und ihnen, wenn sie Arbeit bedürfen oder verlangen, diese bis zur nächsten Loge, wie gewöhnlich, dergestalt geben, dass er ihnen, wenn er Steine zu formen hat, die andere Hälfte zu formen überlässt, und sie so in Arbeit setzt. Hat er aber keine Steine zu formen, so soll er sie bis zur nächsten Loge mit Geld unterstützen." 2)




    1) Krause, II. 1. S. 176.
    2) Krause, II. 1. S. 107.



Die neuenglische Grossloge verordnete in der sechsten der alten maurerischen Verpflichtungen betreffend das Betragen gegen einen auswärtigen Bruder oder Fremden:

"Ihr sollt ihn sorgfältig ausforschen, wie euch die Klugheit leiten wird, damit ihr nicht von einem Unwissenden, der falschlich Ansprüche macht, betrogen werdet. Einem Solchen müsst ihr mit Spott von euch stossen, und über euch wachen, damit ihr ihm keine Winke gebet. Aber wenn ihr entdecket, dass er ein treuer und zuverlässiger Bruder ist, so sollt ihr ihn als einen Bruder achten, und wenn er in Noth ist, so müsst ihr helfen, insofern ihr könnt, oder ihm sonst Anleitung geben, wie ihm geholfen werden möge. Ihr müsst ihm Arbeit geben, wenn ihr könnt, oder ihn irgendwo empfehlen, dass er angestellt werde. Doch seid ihr nicht verbunden, über euer Vermögen zu thun." 1)

Auch bezüglich der Gastfreundschaft gegen fremde Glaubens- (und Kunst-, Gewerbs-) Genossen haben die Klöster den Bauleuten zum Vorbüde gedient, indem sie zuerst durch besondere Verträge oder durch die Gesetze ihres Ordens diese Pflicht gegen die fremden reisenden Klostergenossen übernahmen und trugen. Die Klöster nach dieser Seite hin waren Fremdenherbergen und hatten einen eigenen Beamten, um die fremden bedürftigen Ansprecher zu prüfen und nach bestandener Prüfung zu verpflegen und zu bedienen, wie noch ganz dasselbe Amt der maurerische Ceremonienmeister hat. Die Maurerdiplome, die besondern Erkennungszeiehen, die Griffe, die heiligen Worte der Maurer u. s. w. haben, gleich den ähnlichen Einrichtungen und Gebräuchen der Wandergesellen, alle nur darin ihren Entstehungsgrund und ihren Werth, um bei fremden Logen und Brüdern sich zu bewähren und deren Hülfeleistung sich zu versichern - in der eigenen Loge bedarf es dieser Sachen nicht, man kennt sich ohnehin, wie man auch keinen Pass im Inlande braucht. Die Herbergen 2) der Handwerkergesellen sprechen noch deut-




    1) Krause, II. 1. S. 235.
    2) Vergl. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, unter Herberge; Schmeller, baierisches Wörterbuch, III. S. 228; Benecke, mittelhochdeutsches Wörterbuch, I. S. 161.



licher und sie sollen zunächst nur die fremden Wanderer aufnehmen, woran sich die sog. Schaugesellen, Irten- oder Ordengesellen (die maurerischen Ceremonienmeister) schliessen, welche für die Unterbringung der einwandernden Gesellen zu sorgen, für sie bei den Meistern nach einer Anstellung Umfrage und Umschau zu halten, - auch sie zu bewirthen hatten, wo Geschenke eingeführt waren, und ihnen den Gruss (der Legitimation) abfordern mussten. 1) Die gleiche Sitte und Pflicht hatten und haben die Studentenverbindungen, namentlich die burschenschaftlichen, gegenüber den fremden Verbindungsgenossen und sie ist die stärkste Bewährung der Zusammengehörigkeit, der Einheit. Alle, welche vermöge ihres Berufes und Geschäftes oft und viel reisen müssen, die reisenden Handelsleute, lassen sich daher gerne zu Freimaurern aufnehmen, was ein beredtes Zeugniss für die Natur und den Werth der Freimaurerei ist. Die Herbergen, alt Heriberga, span. albergue, franz. auberge, werden noch näher bezeichnet als ellende Herbergen, Herbergen für Ellende, Fremde, 2) für Andersländische (ali-landi), wie z. B. Zürich eine solche hatte und das dazu gebrauchte Haus noch heute zur ellenden Herberge heisst. Die meisten Abteien des Herzogthums Baiern hatten in München eigene Herbergen oder Häuser zur Aufnahme ihrer dahin gesandten Conventsmitglieder. 3) Der letzte Grund und Ursprung der Sitte liegt wohl in den Gebräuchen der römischen Collegien und in ihrem jus sodalitium, worunter man namentlich auch die aus einem freiwilligen, wechselseitigen Vertrage entsprungene Verbindlichkeit verstand, sich wechselseits, wie Brüdern und Kindern, Hülfe zu leisten, welche Verpflichtung mit der der Gastfreundschaft zusammenfällt und von den Griechen und Römern sehr heilig gehalten wurde. 4) Hiermit hängt es denn auch zusammen, dass die Provinzialcollegien des römischen Reiches sehr oft mit ihren zu Rom befindlichen Patronen einen förmlichen wechselseitigen




    1) Stock, a.a. O., S. 9 und 33, S.49 ff.
    2) Ziemann, a. a. O., unter Ellende.
    3) Schmeller, a. a. O., III. S. 229.
    4) Krause, II. 2. S. 141.



Vertrag der Gastfreundschaft (per tesseram hospitalem) abschlossen. 1) Sodales, qui ejusdem collegii sunt, sind in dieser Richtung zur Gastfreundschaft, zur unentgeldlichen Beherbergung Berechtigten und sodalitium ist das Recht und die Pflicht dieser Beherbergung. Welchen Werth auch die Kymren und ihre Barden auf die Gastfreudschaft legten, ergeben die obigen Triaden. Bei den deutschen Zünften war ein reicher Zunftpokal, der sog. Willkommen oder auch das Geschenk zur Dartrinkung des feierlichen gastfreundlichen Bewillkommungstrunkes, des Willkommens, des Geschenkes ein wichtiges Recht, welches durch besondere obrigkeitliche Concessionen verliehen wurde und wornach die dazu berechtigten Handwerke sich geschenkt nannten. 2) Im Verlaufe der Zeiten wurde aus dem Willkommen, aus dem ehrenvollen Bewillkommnungstrunk ein Geldgeschenk (viaticum) an den reisenden Handwerksgesellen und Bruder, wie solche viatica auch bei den Freimaurern gefordert und gegeben werden. Durch §. 7 des Reichsschlusses von 1731 wurde der Unterschied der geschenkten und ungeschenkten Handwerke jedoch aufgehoben, und die Grösse des an einem Orte auf der Herberge einem Wandergesellen in Geld oder in Speisen und Getränken zu verabreichenden Geschenkes auf 4 - 5 gute Groschen oder 15 - 20 Kreuzer rh. festgesetzt. Zunftpokale waren auch schon bei den römischen Collegien im Gebrauche. 3) Schenker, Schenkgeselle hiess derjenige Meister oder Geselle, welcher das Geschenk den Fremden zu verabreichen hatte. Die Reichspolizeiordnung von 1577, Tit. 38. §. 3, bestimmte, dass die Wandergesellen, welche Dienst verlangen, sich an jedem Orte an den jüngsten Meister oder die dazu bestellte Person wenden sollen, damit er ihnen für einen Dienst sorge. 4) Dass übrigens auch die Klostergebräuche mehr oder weniger auf die Gebräuche der spätern Handwerkszünfte und Gesellenbrüder-




    1) Krause, Il. 2 S. 155.
    2) Stock, S. 38 ff.
    3) Symbolik, II. S. 240 ff.
    4) Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, S. 174.



schaften vorbildlich eingewirkt haben, davon sind noch mancherlei Spuren vorhanden. So sagt z. B. bei den Kupferschmieden der Schenkgeselle beim Zutrinken des Willkommens gleichsam zur Entschuldigung: "Das Kloster ist arm, der Brüder sind viel, der Abt trinkt selber gern." 1) Dieselbe Aeusserung kommt auch bei den Seilergesellen vor. 2)

Den oben berührten Maurerdiplomen stehen auch die Ritterdiplome gleich, welche in Frankreich schon frühe ausgefertigt wurden, 3) und beruhen auf denselben Gründen. Nach Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 15 Anm., sollen die Araber die Erfinder des Passwesens sein und dasselbe von ihnen auf die abendländischen Fürsten übergegangen sein, indem namentlich in dem Vertrage zwischen Richard Löwenherz und Saladin bestimmt worden sei, dass nur solche Pilger zu Jerusalem zugelassen werden sollten, welche Briefe des Königs oder seines Stellvertreters bei sich führten. Allein deshalb dürfte den Arabern noch nicht die Erfindung und das Aufkommen des Passwesens zugeschrieben werden und dasselbe liegt mehr in älteren oder gleichzeitigen europäischen Sitten und Bedürfnissen begründet. Bei den Persern wurden von dem Könige verdiente In- oder Ausländer für geleistete Dienste mit einer goldenen Schale (tesserae hospitales) als , als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen beschenkt, wie Demos, des Pyrilampes Sohn, also beschenkt worden war. 4) Diese Schale gewährte Vortheile mancherlei Art, namentlich zu Geldanleihen, weshalb Demos dieselbe an Aristophanes zum Zwecke einer Reise nach Persien vermiethete.




    1) Stock, S. 46 und 48.
    2) Stock, S. 70 und 96.
    3) Warnkoenig, franz. St.-Gesch, S. 250, Anm. 7.
    4) Rauchenstein, ausgewählte Reden des Lysias, Berlin 1859, S. 162.