internetloge.de - internetloge.org - Hamburg, Deutschland -
Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel V., Teil 2, Seiten 301 - 350

Die deutschen Bauhütten.

befähigten Priesterschaft übertragen werden konnte, welche nicht selbst aber die Brücken und Dämme erbaute, sondern nur die nöthigen fremden (etrurischen) und einheimischen Meister und Arbeiter anstellte und beaufsichtigte. Nachdem man in Böhmen einmal die französischen Baumeister beim Brückenbau gebraucht und achten gelernt hatte, gab dieses die Veranlassung, einige Jahre nachher auch zu dem beabsichtigten (gothischen) Neubau des Domes St. Veit den Meister Mathias von Arras zu berufen, welcher den Bau von 1344 bis zu seinem im Jahre 1352 erfolgten Tode wirklich leitete, worauf im J. 1356 bis 1392 ihm der Parlirer (der sog. Arler) Peter aus Gemünd in Schwaben als Dombaumeister nachfolgte. 1) Dieser deutsche Parlirer Peter baute sodann neben dem im J. 1360 begonnenen Chorbau der Bartholomäuskirche zu Kollin und der vermuthlich von ihm herrührenden, im J. 1377 durch Karl IV. gegründeten bewundernswerthen Kirche des KarIshofes zu Prag die kühne Moldaubrücke zu Prag mit einer Bogenspannung von 70'. - Auch in Babylonien und Assyrien war der Brücken- und Dammbau schon sehr ausgebildet, und es wurden die Brücken und Dämme von Quadersteinen durch Eisen und Blei verbunden und zusammengehalten. 2)

Ein orientalischer und babylonischer 3) Nachklang ist es, dass im Mittelalter gewirkte, auf die Wand gemalte Teppiche, welche von Engeln gehalten wurden, den Hintergrund der Kirchengemälde bildeten, wie solche Gemälde sich z. B. auch im Fraumünster zu Zürich finden, wovon G. Wyss in Bd. VIII der Mittheilungen der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, Taf. I. Fig. III und IV, eine Abbildung gegeben hat. Zu Borsippa bestand schon eine grosse Leinwandfabrik. Auch andere Waaren des Putzes und des Luxus wurden in Babylon verfertigt, z. B. Siegelringe mit geschnittenen Steinen, Stöcke mit verschiedenen Figuren, z. B. Rosen, Lilien , Adlern u. s. w., - wohl-




    1) Schnaase, VI. S. 309 ff.
    2) Braun, Gesch. der Kunst, I. S. 177 und 141.
    3) Vergl. Symbolik, I. S. 27; Semper, der Stil, 1. S. 276: "Exkurs über das Tapezierwesen der Alten."



riechende Wasser. 1) Nach Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 296, trägt die Weberin Athene ihren Namen von einem ägyptischen Worte, welches die Leinwand bezeichnet und von dem das griech. abgeleitet ist. Gleich der Weberei war auch die Kunst des Schleifens und des Schneidens der edlen und der halbedlen Metalle den Griechen und den italischen Völkern vorzüglich von den Aegyptern neben den Asiaten zugekommen. 2) Durch seine Steinhauer und Leineweber zeichnete sich nach Strabo besonders Panopolis aus. 3) Nach Beck, Anleitung zur genauern Kenntniss der allgemeinen Welt- und Völkergesch., I. 1. (Leipzig 1813) S. 385, und nach Büsching, Gesch. und Grundsätze der Steinschneidekunst, Hamburg 1774, scheint die Steinschneidekunst von den Aegyptern erfunden worden zu sein. Von den griechischen Münzstempelschneidern und Gemmenschneidern hat nun Brunn in dem zweiten Theile seiner Gesch. der griechischen Künstler am besten und sorgfältigsten gehandelt. Wie Athene wurde von den Griechen auch Apollo zu der Weberei in eine besondere heiligende Beziehung gebracht, denn ihm woben die Priester in Lakonien alljährlich einen Rock. 4) Obwohl wir uns in Sachen der Baukunst keine Entscheidung anmassen möchten, wird hier doch die Bemerkung erlaubt sein, dass die skulptirten Alabastertafeln, welche mit Reliefbildern die Palastwände zu Ninive bekleiden, 5) und die Reliefbilder auf den römischen Baudenkmalen, namentlich auf den Triumphbogen der Kaiser, gewiss nicht mit Semper, I. S. 345 ff. und S. 358 ff., S. 430, für Nachahmungen oder Ummodelungen in Stein jener bildlichen Darstellungen gehalten werden können, welche bei Gelegenheit feierlicher Aufzüge, besonders Triumphzüge, auf blossen Teppichen, en relief oder auf Leinwandgemälden gegeben wurden. Man bildete gewiss




    1) Bock, Anleitung zur allgem. Weltgesch., I. 1. S. 184 ff.; Meissner, Layard's populärer Bericht, S. 60.
    2) Semper, I. S. 473 ff.; Beck, Anleitung, I. 1. S. 383 ff.
    3) Brugsch, Reiseberichte, S. 105.
    4) Rinck, I. S. 267 oben.
    5) Meissner, Layard's populärer Bericht über die Ausgrabungen zu Ninive, Leipzig 1852, S. 12, 18, 33.



gleichzeitig in Stein, auf Teppichen, auf Leinwand, auf Stuckwänden, in Holz u. s. w., nachdem einmal die Kunst der künstlerische und bildende Sinn sich zu regen und zu schaffen begonnen hatte, wie man auch wirklich im Mittelalter und noch mehr bei den Griechen alle Künste im Ganzen gleichzeitig oder nach einem passenden Bilde Semper's als Zwillingsgeschwister entstehen, blühen und fallen sieht, vorzüglich aber die Baukunst, die Sculptur und die Malerei innigst verbunden zu sein pflegen und zwar nicht allein in den Zeiten, sondern auch in den Künstlern Griechenlands und Italiens selbst, wie ausser Lionardo da Vinci und Raphael z. B. in Michael Angelo Buonarotti 1) und sogar in der der bolognesischen Schule angehörenden Künstlerin Propertia de Rossi. 2) Bei den Griechen war z. B. Polycletus, aus der ältesten von den Dädaliden Scyllis und Dipaenus gestifteten Kunstschule zu Sicyon, 3) der Schöpfer des Canons und der argivischen Jungfrau, nicht blos ein glücklicher Erzgiesser und Bildner in Elfenbein und Gold, sondern auch Architekt und erbaute das herrliche Theater und die Rotonda zu Epidaurus. Ebenso war Phidias zugleich Architekt 4) und Skopas, welcher letztere einen Tempel der Pallas zu Tegea erbaute, an dem zuerst der korinthischen Säulen Meldung geschieht, 5) einen Tempel des Aesculap u. s. w. Euphranor im Zeitalter Philipps und Alexanders des Grossen war Marmorbildner, Erzbildner und Maler zugleich. 6) Brunn, Gesch. der griech. Künstler, II. S. 337 ff., hat ein alphabetisches Verzeichniss aller bekannten griechischen und römischen Architekten und ihrer Werke




    1) Harford, the life of Michael Angelo Buonarotti, London 1857, 2 Bde.
    2) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 66.
    3) Brunn, I. S. 43 ff. und S. 210 ff.
    4) Böttiger, Andeutungen über die Archäologie, S. 111 ff.; Brunn, I. S. 190.
    5) Winckelmann's Werke, herausgegeben von Fernow, I. (Dresden 1808) S. 378 und 382; Böttiger, Andeutungen, S. 160; oben S. 24.
    6) Böttiger, S. 179 ff.; Brunn, Gesch. der griechischen Künstler, I. S. 314; Winckelmann's Werke, IV. S. 31 ff.



mit grossem kritischen Fleisse zusammengestellt. Dieselbe Kunst bildet den Thon, den Stein, das Erz, das Holz und Elfenbein , - stiekt oder webt die Teppiche, malt die Leinwand und die Tempel- oder Kirchendecken und Wände, wie und wo die Stoffe sich darbieten. Die Gestalt, welche der Künstler dem Thone, Stein, Erz u. s. f. gibt, kleidet zunächst den Stoff, ist des Stoffes Kleid, weshalb der Künstler nicht noch anderweitige Bekleidungen zu entlehnen und nachzuahmen braucht, - kein Steinbekleider im Sinne Semper's, sondern ein Steinformer und Baumeister ist, und zwar weder factisch, noch auch nur genetisch, da in der Kunst die Genesis doch kaum von dem Factum getrennt zu werden vermag, wie dieses Semper anzunehmen scheint. Ueberhaupt ist die Kunst nicht so tiefsinnig, verwickelt und nachdenkend oder vielmehr mit Nachdenken stylnachahmend, als dieses Semper sich vorstellt: sondern die wahre und höchste Kunst ist die natürlichste, einfachste, unabsichtlichste und möglichst aus sich selbst schaffende. Alle die weitgehenden Folgerungen, welche nun plötzlich aus den assyrischen und babylonischen Kunstdenkmalen für die griechische Kunst gezogen werden wollen, sind um so bedenklicher, als die Babylonier und Assyrier mit dem aufblühenden Griechenland niemals in unmittelbarer Verbindung oder auch nur in irgend welcher näherer Beziehung gestanden sind, sondern jedenfalls phönicische oder kleinasiatische Vermittelungen eingeschoben werden müssten. Dazu kommt, dass ganz entschieden der babylonische Backsteinbau und der assyrische Steinbau, ja schlechthin Babylon und Ninive mit der Baukunst und ihren darauf bezüglichen Künsten jünger sind, als der ägyptische Steinbau, vielleicht selbst als die ägyptischen Pyramiden. 1) Die wirkliche Baukunst ist Steinbaukunst und die letztere wurde unwiderleglich als der Pyramiden-, Obelisken-, Tempel-, Gräber-, Fluss- und Canalbau zuerst und Jahrtausende vor Christus in Aegypten geübt, so dass die Aegypter als die Lehrer im Steinbau wenigstens bei den Völkern am Mittelmeere, namentlich bei den Griechen betrachtet




    1) Vergl. darüber die eigenen Bemerkungen Semper's, I. S.405 ff.



werden dürfen; möglicher Weise es aber sogar auch bei den Mesopotamiern, bei den Babyloniern und Assyriern waren, und wirklich bei den Phöniciern und Griechen es gewesen sind. Dass die griechischen plastischen Künste (arts plastiques) ägptischen Ursprungs seien, hat auch noch neuerlich Charles Blane in der gazette des beaux arts, Paris livraison 69, s. 229, ausgesprochen, während z. B. Overbeck, Gesch. der griechischen Plastik, I. Leipzig 1857, und H. A. Müller im D. Kunstbl. 1857, S. 451 b ff., sich dagegen erklärt haben, sich hierin an Winckelmann, K. O. Müller, Welker, K. F. Herrmann und Brunn anschliessend. Der Hafenbau, der Wasser und Befestigungsbau, der Quaderbau, worin auch nach dem Urtheile Semper's, I. S. 396 ff., die Phönicier vor allen Völkern am Mittelmeere sich hervorthaten, nach den Ausgrabungen von Beulé 1) namentlich auch bei dem Handels- und Kriegshafen, so wie bei der Burg (Byrsa) zu Carthago, 2) gründen sich gewiss auf ägyptische Erfindungen und Techniken, auf ägyptische Lehre und ehe nur die Phönicier an den Gestaden des Mittelmeeres vom persischen Meerbusen her angekommen waren und sich daselbst niedergelassen hatten, übte Aegypten schon vielleicht Jahrtausende lang den Tempel- und besonders Wasserbau, den Stein- oder Quaderbau. Die Priester-, die Kastenverfassung ist zugleich in Aegypten uralt oder primitiv trotz des Wahnwiderspruchs von Semper, I. S. 416, 3) weil die Völker-, die Staats- und Rechtsgeschichte




    1) Fouilles à Charthage, Paris 1861.
    2) Beulé, Taf. I. und IV.
    3) Semper schreibt: "Es ist ein sehr verbreiteter Wahn, den starren hieratischen Styl Aegyptens als etwas Ursprüngliches, gleichsam als das Windelband der Kunst zu betrachten, aus dessen Fesseln sich Aegypten niemals habe befreien können, aus welchem aber ein Aufschwung zu freier Kunst möglich sei, welchen Schritt die Griechen zuerst gewagt hätten. Die Sache verhält sich aber umgekehrt. Langwirkende tausendjährige Einflüsse vollendeten dieses Werk der Versteinerung; bereits zur Zeit der Pyramidenerbauer war sie weit vorgeschritten und wir erkennen an den ältesten Monumenten nur noch die Spuren einer schon im Erstarrungsprocesse begriffenen frischeren Kunst, die freilich auf früher Entwicklungsstufe bereits



es bezeugt, dass die Priester- und Kastenverfassungen mit den Staaten selbst, in ihrer vorhistorischen Zeit sich ausbilden und nur entstehen können, indem die Priesterschaft den ausschliesslichen oder doch überwiegenden Besitz des Wissens und damit der Macht und der Herrschaft erlangt. Die hieratische Baukunst ist in Aegypten an sich keine Erstarrung einer frühern höhern und freiern Kunstperiode, sondern der wesentlichste Fortschritt in der Staatsbildung und in allen Gewerben, Künsten und Wissenschaften, welcher Fortschritt unter der Priesterschaft nicht blos Jahrhunderte, sondern Jahrtausende lang im alten Reiche und in den ersten Jahrhunderten des neuen Reiches anhielt, und durch die Priesterschaft selbst geleitet und bewirkt wurde. Man darf sogar unbedenklich die Behauptung wagen, dass die Bedingung und das Mittel der wahrhaft monumentalen und kolossalen Baukunst Aegyptens die Priester- und Pharaonenherrschaft gewesen sei und ohne die priesterliche und königliche Gewalt sicherlich das Volk wenigstens in solchem Masse und für solche Ewigkeit niemals gebaut hätte; die Baukunst, von dieser Seite betrachtet, ist wirklich eine heilige (priesterliche) und königliche Kunst. Aehnlich verhält es sich mit der kirchlichen Herrschaft und Baukunst des Mittelalters. Auch waren diese Herrschaften und Künste an ihrem Orte und zu ihrer Zeit das einzig Natürliche und Angemessene, daher Entstehende und Bestehende; aber allerdings waren es Priesterherrschaften und Priesterkünste, trugen somit ein priesterliches Gewand und die priesterlichen Gesetze und Schranken. Dennoch steht sehr zu bezweifeln, ob in einer ägyptischen Volksherrschaft die Baukunst sich höher und mächtiger entfaltet hätte. Die geschnitzten Elfenbeinsachen ägyptischen Styls oder Arbeit, welche Layard zu Nimrud oder Ninive auf-




dem Typhon, dem versteinernden Wüstendämon für immer und unrettbar anheimgefallen war." Nach Semper wären die grossen Bauten in Theben, zu Karnak und Luxor, und die gesammte eigentliche ägyptische Baukunst, das glänzende neue ägyptische Reich typhonische oder dämonische Versteinerungen!!!



gefunden hat, 1) sind entweder auf dem Wege des Handels oder als Kriegsbeute nach Ninive gebracht worden. Dennoch aber ist durch die Ausgrabungen von Botta und Layard zu Ninive ein höchst reiches und vorangeschrittenes Handwerks- und Kunstleben aus den vielleicht weit über 2500 Jahre ihre Ueberreste bedeckenden Schutt- und Trümmerhaufen hervorgegangen, welches mit Hinsicht auf die Kleidung und den Kleiderschmuck, - den Ornat und die Ornamentation, - die Bewaffnung (Helme, Schuppenpanzer, Beinschienen, Schilde, Schwerter, Sturmleitern, Mauerbrecher u. s. w.), - den Pferde- und Wagenschmuck, - die Sculptur u. s. w. sich vollkommen dem ägyptischen zur Seite stellen darf, in einzelnen Hinsichten, vorzüglich in der Bekleidungskunst und was darauf Bezug hat, es selbst übertrifft und vielfach mit demselben so bedeutend übereinstimmt, dass man eine innere Verwandtschaft zwischen denselben voraussetzen möchte, wie Braun bekanntlich die ganze westasiatische Kunst aus der ägyptischen ableiten wollte. Für die spätern assyrischen Zeiten nimmt auch Lavard ägyptische Einflüsse an. 2) Geflügelte Sphinxe, geflügelte Stiere und Löwen, wovon Layard mehrere sehr schöne Abbildungen gegeben hat, 3) erinnern lebhaft an die ähnlichen ägyptischen Gestaltungen und ebenso verhält es sich mit den geflügelten Sonnenscheiben 4) oder Genien, welche auch zu Persepolis gefunden worden und selbst auf dem Zwischenwege zu. Omm-el-Amid bei Akka in Phönicien an dem Deckbalken eines kyklopischen, oder nach dem Sprachgebrauche des Euripides bezüglich der ähnlichen Mauern Mykene's phönicischen, Baues mit, ionischen Säulen und geneigten ägyptischen Seitenpfeilern und dreifacher Einstufung des ganzen Thürrahmens, wie




    1) Meissner, Layard's populärer Bericht, S. 163 und 166, vergl. mit Fig. 22 und 24; Braun, Gesch. der Baukunst, I. (Wiesbaden 1856) S. 221 ff. und S. 235. Ueber die Elfenbeinbildwerke bei den Griechen und Römern vergl. Winckelmann's Gesch. der Kunst, I. Buch I. Cap. 2, §. 10 und 11.
    2) Meissner, S. 222.
    3) Meissner, Fig. 3, 13 und 6.
    4) Meissner, Fig. 79 a b und c; Braun, I. S. 185 und 188, 212, 221, 311.



bei dem Grabe des Agamemnon zu Mykene, sich finden. 1) Den hier zugleich mitvorkommenden ionischen Styl erklärt Braun, I. S. 479 oben, für den phönicisch-hebräisch-assyrisch-babylonischen, wie solche ionischen Säulen nach Appianus auch den alten inneren Hafen zu Carthago umgaben. Auch auf einer neuerlich auf Cypern gefundenen, jetzt im Louvre zu Paris aufbewahrten silbernen Schaale schwebt über dem König, welcher zugleich zwei Uräusschlangen auf dem Kopfe trägt und der durch andere Symbole an die assyrische Kunst hinantritt, die geflügelte Sonne. 2) Der Ureus oder eine Schlange erhebt sich auch, wie bei den ägyptischen Gottheiten, auf Münzen der Insel Malta vorn an den Köpfen einiger phönicischer Gottheiten. 3) Ebenso verdient hier hervorgehoben zu werden ein etruskischer Krater (Mischgefäss), abgebildet bei Semper, II. S. 15, an welchem das Schlangen- und Löwenmotiv vereinigt erscheinen; die beiden Schlangen neben den Löwenköpfen an dem obern Rande des Trinkgefässes, welches selbst wieder auf einem Löwendreifusse ruht, deuten auf das dem Himmel, dem Sternbilde des Löwen , wenn die Sonne es betritt, entströmende Lebenswasser hin. Diese etruskische Symbolik darf wohl mit der agyptischen durch die Phönicier in Zusammenhang gebracht werden. Für die griechischen und römischen Badewannen oder Wassertröge lässt Semper, II. S. 30, die ägyptischen Labra, die auch als Sarkophage benützt sind, für die ältesten Vorbilder gelten. Der grosse Löwenrachen am Fusse des assyrischen Eimers bei Semper, Il. S. 45, soll nach Semper vielleicht die Trockenheit des Hochsommers bezeichnen, wenn die Sonne in das Sternbild des Löwen trete; aber er bezeichnet umgekehrt die in Aegypten durch den Nil und in Assyrien und Babylonien durch den Tigris und Euphrat das Wasser von den Schneebergen herabführende höchste Sonnenhitze, wie uns der wasserergiessende Löwenrachen nochmals begegnen wird. Ueberhaupt hatten die Assyrier und die Aegypter zu Reliefbildern und freien kolossalen Statuen dieselbe Neigung und dieselbe Geschick-




    1) Braun. I. S. 460; derselbe im Auslande für 1861, S. 1037 ff.
    2) Braun, I. S. 492.
    3) Winckelmann's Werke, III. S. 98.



lichkeit, so dass die Steinmetz-, die Bildhauerkunst auch bei den Assyriern unter der Leitung der Priester in erblichen Kasten gepflegt und fortgebildet worden zu sein scheint. 1) Durch die Priester- und Kastenverfassung würden auf diese Weise Indien, Babylonien und Assyrien und Aegypten zwar mit einander in innige Berührung treten, aber dennoch wäre die assyrische Kunst als die jüngere und höhere wegen der sichern, ruhigen und klaren Figurenzeiehnung und wegen der geschmackvollen Bekleidung der Figuren anzusehen, - sie wäre das vermittelnde Glied zwischen den indisch-ägyptischen nackten Thier- und Missgestalten zu den griechischen göttlich-menschlichen Gestalten im reichen Faltenwurfe, in schönster Draperie. Die assyrische Kunst 2) hat bereits einen Anflug des modernen Geschmacks und der modernen Kunst, und tritt deshalb dem Betrachtenden unendlich näher als die ägyptigschen und indischen Bild- und Kunstwerke; ihren Geschmack, ihren Styl, ihre wirkliche und höhere Kunststufe hat die assyrische Kunst durch die Stickerei und Weberei erlangt, indem deren Muster und Bilder, Draperieen als der allgemeinste Schmuck gebraucht wurden 3) und die langen assyrischen (wie auch die medischen, überhaupt orientalischen) Gewänder nur entstanden zu sein scheinen, um möglichst vielen Kleiderschmuck, Stickerei- und Webmuster entfalten und bloslegen zu können, wie die Mitren und Turbane auf demselben Grunde beruhen. Die Mitren und Turbane sind schmückende Kopfteppiche, gleich den Teppichen um den Körper selbst, - gleich den Leibbinbinden, - gleich den Tempelvorhängen, Tempelteppichen, Fussteppichen u. s. w. Wer sich im geistlichen oder weltlichen Leben, als Priester oder Fürst noch heute kleiden will, hüllt sich in den babvlonisch-assyrischen Teppich, in das (lange) orientalische Gewand, in die Gewebe von Kaschmir oder in einen Schawls von Bagdad; insofern ist




    1) Vergl. auch Braun, Gesch. der Kunst, I. S. 182; Böttiger, Andeutungen über die Archäologie, Dresden 1806, S. 5 ff. und S. 73.
    2) Vergl. darüber auch Braun, I S. 139 ff.; Semper, der Stil, I. S. 323 ff.
    3) Vergl. auch Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., Berlin 1858, S. 12 ff.



die Bekleidungskunst die königliche Kunst, da bei den Assyriern die Könige die schönsten, längsten, reichsten und würdigsten Kleider tragen. 1) Die Säume und Besetzungen, die Troddeln und Quasten der Kleider, die Ornamente in der Kleidung und in der Baukunst (der Pferde und Wagen), sind wesentlich babylonisch-assyrisch, orientalisch. Daran reiht sich die Liebe zur Pracht in den Farben, in den Stoffen (Metallen) und in den Massen (kolossalen) und Zahlen; die einfache Quaste wird zur schwersten roth- und goldgeflochtenen Quaste, und mühsam schleppt der Priester sich unter der Last seines Prunkgewandes zum Altare. Das (künstliche, 2) auch bei den Aegyptern und Carthaginensern übliche) Haupt- und Barthaar der Menschen, die Mähnen der Pferde und Löwen, die Blätter und Stämme der Bäume, 3) die Kleider der Menschen und die Flügel der geflügelten Menschen und Thiere, sind in Assyrien gleichmässig draperirt, gestickt, geziert, wie es das Kameel oder Dromedar, welches die stolze Araberin trägt, sogar noch heute ist. 4) Die leichte und lichte, farbige Stick- und Webkunst, der Teppich- und Holzbau, das Zelt, die Hütte sind babylonisch-assyrisch, für das Mittelmeer und seine Inseln und Küsten phönicisch; dagegen der schwere, starre und dunkele Steinbau, der Tempel-, Kirchen- und Klösterbau aus Aegypten stammt. Neben der Thiergestalt, welche durch die ägyptische, die babylonisch-assyrische, die phönicische und indische Kunst gleichmässig hindurchgeht und die ägyptische 5) vorwiegend bestimmt, herrschen in der indischen Kunst die menschlichen, mit Perlen überladenen Vielgestalten durch die vielen Arme und Köpfe, und in der babylonisch-assyrischen die Gewänder, die Ornamente, die Teppiche, der Troddeln-, Fransen- und Quastenschmuck, welcher Fransenschmuck sich nach Winckelmann, Gesch.




    1) Meissner, Fig. 1, 5 und 14.
    2) Braun, I. S. 186, Nr. 16 und S. 199, 209 unten; Winckelmann's Werke, III. S. 339, Anm. 369.
    3) Meissner, Fig. 19.
    4) Meissner, Fig. 4 und 7.
    5) Von der Kunst unter den Aegyptern s. auch Winckelmann, Gesch. der Kunst, I. Buch Il. Kap. 1 ff.



der Kunst, III. Buch VI, Kap. 1. §. 17 und 18, bei den Griechen niemals findet, jedoch hatten die Kleider der Griechen und Römer eine Besetzung (limbus, , ); 1) bei den Phöniciern aber herrscht der jedoch auch bei den Assyriern beliebte 2) Metallguss und Metallschmuck. Aus den Abbildungen auf den Alabasterplatten, welche die untern Theile der Palastwände zu Ninive bedecken, kann schon jetzt eine ziemlich vollständige Geschichte der Handwerke und Künste, der Gottesverehrung, - der Kriegs-, Befestigungs- und Belagerungskunst, der assyrischen Kriege und Eroberungen u. s. f. herausgelesen werden, auch wenn die Entzifferung der dabei stehenden erläuternden Inschriften nicht gelingen sollte. Gleich den Aegyptern und vielleicht nach ihnen zeichnen sich die Assyrier durch ihren documentirenden oder geschichtlichen Sinn vor allen übrigen Völkern des Alterthums und ganz besonders vor den Indern aus, so dass die Palastbauten zu Ninive zugleich die bildliche und geschriebene Geschichte Assyriens enthalten. Bisweilen waren auch, wie im Nordwestpalaste zu Nimrud, kleine Tafeln, welche den Namen und die Titel des Königs, nebst einer Angabe seiner vorzüglichsten Eroberungen, als ein Document der Errichtung des Gebäudes, enthielten, in den Mauern eingebettet. 3) Auf der Rückseite aller Alabasterplatten war eine Inschrift eingegraben, welche den Namen, den Titel und das Geschlechtsregister des königlichen Gründers des Gebäudes verewigte, 4) wie auch die ägyptischen Backsteine die Königsnamen oder Städtenamen u. s. f. tragen. 5) Mit ähnlich beschriebenen Alabasterplatten waren auch die Zimmer gepflastert. Figuren aus Alabaster, welcher in grossen Stücken bei Theben gebrochen wurde, verfertigten auch die Aegypter und es sind mehrere derselben auf uns gekommen. 6) Ebenso




    1) Winckelmann, III. Buch VI. Kap. 2, §. 8.
    2) Meissner, S. 219.
    3) Meissner, S. 218 oben.
    4) Meissner. S. 217.
    5) Brugsch, Reiseberichte, S. 83 und 296.
    6) Winckelmann, Gesch. der Kunst, I. Buch II. Kap. 4, §. 11 und die Anmerkungen dazu; Brugsch, Reiseberichte, S. 176.



arbeiteten die etruskischen Künstler in Alabaster. 1) Zu Babylon tragen die Backsteine an den Bauten Nebukadnezar's dessen Namen oder Stempel. Zu Ninive hat man auch, verwandt den diesfälligen ägyptischen Darstellungen bei Wilkinson, Platten gefunden, auf denen das Bauen und besonders der Transport eines grossen geflügelten Stieres durch Gefangene, welche theilweise noch gefesselt sind, abgebildet ist; die kommandirenden Offiziere geben durch Händeklatschen und Sprachrohre ihre Zeichen. 2)

Braun, Gesch. der Kunst, I. S. VII, bezeichnet den chronologischen Entwicklungsgang der Baukunst durch: Unterägypten, Oberägypten, Babylon, Ninive, Persepolis u. s. w., und fügt gewissermassen als Erläuterung und Begründung dieser Bezeichnung S. 324 bei: "Jede Nation kopirt von ihrem in der Kultur vorangeschrittenen Nachbar soviel sie nur immer kopiren können, und eine originelle Kultur kann niemals aufkommen, wenn eine andere entwickelte bereits daneben liegt." Diese Worte sind insonderlich auf das Verhalten der das Mittelmeer umgebenden Völker gegen Aegypten anzuwenden. Das vermittelnde Glied, den gemeinsamen Verbindungspunkt zwischen der ägyptischen und assyrischen Kultur und namentlich Kunst bilden übrigens die Phönicier und die Juden, wie dieses nach ihrer geographischen Lage in der Mitte zwischen den ägyptischen und assyrischen mächtigen Reichen gar nicht anders sein konnte und auch durch ihre politischen Schicksale, vorzüglich durch diejenigen der Juden, bestätigt wird. Die Einwirkungen des ägyptischen Baustyls auf den Baustyl zu Jerusalem sind unverkennbar und unleugbar, was aus den Nachweisungen von Braun sich ergibt, auch wenn man seine weiter gehenden Folgerungen nicht billigen und bestreiten sollte. Die ägyptischen Felsengräber z. B. sind über die Insel Cypern, 3) über ganz Syrien, Phönicien (besonders bei Tyrus 4) und Arad) und




    1) Winckelmann, I. Buch III. Kap. 3, §. 18 und S. 380, Anm. 580.
    2) Braun, I. S. 230.
    3) Braun, I. S. 519 und 520.
    4) Braun, I. S. 491 und 508 ff.



Palästina ausgebreitet und finden sich ganz besonders in der unmittelbaren Nähe von Jerusalem und auf dem Wege dahin aus Aegypten durch das peträische Arabien oder die Sinahalbinsel. 1) Eines der bewohnten Gräber des Dorfes Siloah auf der Thalseite des Hinnom am Fusse des Aergernissberges hat eine rein ägyptische Form, stellt den gewöhnlichen ägyptischen Pylonflügel dar, pyramidal geneigt und von einem ganz besonders schweren Hohlgesims gekrönt, welches ägyptische Hohlgesims sich auch sonst noch öfters an palästinischen Bauten findet. Braun, I. S. 446. hält dieses Grab für ein altes Denkinal der Jebusiter oder Hyksos, welche nach ihrer Austreibung aus Aegypten gemäss Josephus und Tacitus Judäa besetzt und Jerusalem erbaut haben sollen. 2) Aehnliche Gräber ganz ägyptischen Styles und Einrichtung finden sich nordostwärts von Jerusalem bei einem Dorfe Dschiboa, vor Alters Geba im Stamme Benjamin; sie werden die Gräber der Amelekiter genannt. Die Hyksos, die Amelekiter stellt Braun gleich den Peleschet (nach ihm Auswanderung), Pelasgern, Pelischti, - den Philistern und Kretern, den Kerethi und Plethi, aus denen Salomo sich seine Leibwache ausgewählt hatte. Diese Hyksos oder Pelasger sollen die ägyptische Kultur und Religion, besonders aber den ägyptischen oder dorischen Baustyl auch über die Inseln des Mittelmeeres, vorzüglich Kreta, nach der kleinasiatischen Küste, nach Griechenland und Etrurien getragen haben. Auf demselben Wege kam den Griechen und Etruskern durch die Semiten, durch die Philister oder Pelasger aus Aegypten auch z. B. die Sitte zu, den Heilgöttern Abbildungen der geheilten kranken Glieder zu weihen, wie einst auch die 5 verbundenen Philisterstädte dem Jehova 5 goldene Geschwulste und 5 goldene Mäuse geweiht haben sollen, um von den durch den Besitz der eroberten Bundeslade über sie gebrachten Beulen und Mäusen befreit zu werden. 3) - Die altägyptische Erfindung der Glasbereitung haben die Phönicier gleich-




    1) Braun, I. S. 424 ff.
    2) Braun, I. S. 449.
    3) Braun, I. S. 453.



falls von den Aegyptern zur Ausbeutung und Weiterverbreitung empfangen; 1) dass die Römer schon unter den ersten Kaisern Glasfenster gehabt, beweisen nach Winckelmann, I. S. 394 und II. S. 251 ff., die im Herculano gefundenen platten Stücke Glas. 2) Nur die Purpurschnecke als local mit der daraus gezogenen Farbe gehört den Phöniciern ausschliesslich an und daher haben auch die Phöniker, die Rothfärber, ihren Namen. Bereits die Decke von Mosis Stiftshütte ist phönicischer Purpur und die Helena Homer's spinnt Purpurwolle. Die Felsenbehälter für das Korn, welche sich von Gaza und Berseba an auf hellenischem Boden, z. B. beim Hafen Munichia vor Athen und auf der Burg von Mykene finden, so wie auf Sicilien, z. B. hinter dem Walle von Agrigent, werden auf Aegypten zurückgeführt. 3) Dass jedenfalls das Abendland zunächst von den Phöniciern den Steinbau, den Quaderbau erlernt habe, möchte auch nach den Symbolen der Freimaurerei kaum zu bezweifeln sein. Bei den Freimaurern werden noch heute die Gesellen, also die eigentlichen Steinarbeiter die Giblim genannt, d. h. die Gibliter, ein phönicischer Volksstamm im Norden von Byblus am Libanon, welche auch die grossen Steine zum salomonischen Tempel behauen und die schon im grauen Alterthume als Besitzer ausgezeichneter Steinbrüche in der Steinmetzkunst einen grossen Ruf besassen. Braun, I. S. 465 oben und S. 505, will deshalb sogar den letzten Ursprung des altphönikischen Quaderstyls bei dem Urvolke der Gibliter suchen. Im Lande der Gibliter besteht noch dermalen ein altes Kastel mit einem Unterbaue aus fugengeränderten Riesenquadern. Braun meint weiter, dass der Zug des Melkart, auch Archal, Archeleus genannt, woraus der griechische Name Herakles entstanden und der jedenfalls eine historische Figur sei, durch die Austreibung der Hyksos aus Aegypten veranlasst worden sei; der letzte König der Hyksosdynastie in Aegypten




    1) Braun, I. S. 458.
    2) Vergl. auch Winckelmann's Gesch. der Kunst, I. Buch 1. Kap. 2, §. 20 ff.
    3) Braun, I. S. 459.



habe nach Manetho gleichfalls Archles geheissen. 1) Das altkyprische Alphabet mit seinem Zeichenreichthum, wie dasselbe auf der zu Idalion in Cypern gefundenen Erztafel mit der Friedensproklamation des ägyptischen Königs Amasis erscheint, leitet Braun (S. 514 ff.) aus dem Aegyptischen ebenfalls her, oder wenigstens sei es nach ägyptischem Vorbilde geschaffen; denn die kyprischen Buchstaben seien alte Hieroglyphenbilder und deshalb so zahlreich für einen und denselben Laut, z. B. für Ch. 7, für Th 7 und für M 9 Buchstaben; die kyprische Schrift aber könne als die Urschrift der unter einander verwandten babylonischen, palmyrenischen, altgriechischen, etruskischen, umbrischen, oskischen, celtiberischen u. s. w. Schriften angesehen werden; die Griechen haben nach eigener Angabe ihre Schrift von den Phöniciern, von Kadmos, d. i. nach Braun (S. 511) dem Urvorweltlichen, dem Urgeiste. Böttiger, Andeutungen über die Archäologie, Dresden 1806, S. 37, erklärt dagegen mit Herder das etrurische Alphabet als den Typus aller europäischen Alphabete. Bei demselben Idalion, dem heutigen Dalin sind zahlreiche phönicische Statuetten von Sandstein, 1 bis 2' hoch, wahrscheinlich Venusfiguren, gefunden worden, die ganz den oben berührten ältesten Metopenbildern zu Selinunt, - den altgriechischen Bildwerken mit etwas dumm lachendem Ausdrucke, - der kopflosen Athene, die am Eingang der Akropolis zu Athen sass, 2) - den Figuren im Hofe des Klosters zu Orchomenos u. s. w. ganz gleichen, somit für die griechische Kunst die phönicisch-ägyptische Schule erweisen. 3) Jedenfalls hat Cypern Griechenland




    1) Braun, I. S. 465
    2) Vergl. auch Böttiger, Andeutungen über die Archäologie, S. 5 ff.
    3) Braun, I. S. 517 ff. Anderer Meinung ist Brunn, Gesch. der griech. Künstler, Winckelmann, Werke, III.S.14ff., welcher jedoch zugesteht, dass die Etrusker den Scarabaeus oder Rosskäfer durch einen besonderen Weg als Symbol angenommen haben (S. 18). Fea widersprach Winckelmann, besonders unterberufung auf die Einwanderung ägyptischer Colonien nach Griechenland und auf den von Herodot zugestandenen ägyptischen Ursprung der griechischen Götter.



die Aphrodite von Paphos und den Olympos gegeben; den Tempel der Aphrodite erkennt man zu Cypern noch an einigen kolossalen Quadern seiner einstigen Hinterwand. In den Gräberhöfen auf Cypern finden sich auch dorische Säulen, wie in den Gräbergrotten von Kyrene in Africa, 1) welchen dem inneren und äusseren Anblicke nach die Grottenreihe von Benihassan 2) am nächsten entspricht; namentlich zeigt sich hier wie zu Kyrene das ägyptisch-dorische Ornament der sog. Tropfen, unter die Triglyphen gehängt und ohne die darüber befindlichen Triglyphen, Tropfenband in Tropfenband gerückt. Offenbar hat nach Braun eine phönicische Nachbarschaft von der Syrtengegend her, oder eine phönirische Ureinwohnersehaft auf Kyrene eingewirkt. Der phönicische Styl sei die Verbindung, die gleichzeitige Uebung des doriscben oder ägyptischen und des ionischen oder assyrisch-babylonischen Styles, 3) wie auch an Absalons Grab bei Jerusalem zu ersehen, wo ein dorischer Triglyphensims über ionischen Halbsäulen erscheint; der salomonische Tempel ist gleichfalls insofern ein Denkmal dieses Styles, als er auf oder in Quadern, aus Cedernholz und Goldblech erbaut war. Auch zu Kyrene stehen dorische Triglyphengiebel und Friese über alterthümlich plumpen und schweren ionischen Säulen. Für die Abstammung des dorischen Baustyls aus Aegypten möchten auch die sog. Pyramidalthüren, wie Pochoke sie nennt, der alten dorischen Tempel anzuführen sein, welche Thüren oben enger sind als unten, wie viele Thüren ägyptischer Gebäude. 4) Nach Winckelmann scheinen diese Thüren den dorischen Tempeln eigenthümlich gewesen zu sein; denn sie ist also gebaut an dem Tempel zu Corli, welcher gleichwohl nicht sehr alt ist. Auch an corinthischen Tempeln hat man solche Thüren angebracht, wie an dem zu Tivoli. Einer Bemerkung desselben Winckelmann zufolge würde das christliche Kirchenschiff gleichfalls schon dem Alterthume entstammen, indem die Alten




    1) Braun, I. S. 520 ff.
    2) Vergl. darüber auch Brugsch, Reiseberichte, S. 91 ff.
    3) Braun, I. S. 522.
    4) Winckelmann's Werke, I. S. 388.



die gewölbten Teinpeldecken mit Schiffsböden, Navaten, verglichen; so hatte auch der Tempel des capitolinischen Jupiters drei Navaten, und dennoch eine Decke von Holz, welche nach der Zerstörung von Carthago vergoldet wurde. 1)

Die romanischen Sprachen, Völker und Staaten sind im vollsten Sinne das Verbindungsglied, die Brücke, das Ausgangs- und Eingangstbor zwischen dem Römerthume und überhaupt Alterthume und zwischen dem Germanenthume, dem Mittelalter, der Neuzeit, - zwischen dem Heidenthume und dem Christenthume. Die romanischen Völker und Staaten sind der Kampf und dennoch die Verbindung, die kämpfende und die sich versöhnende Neugestaltung zweier sich begegnenden weltgeschichtlichen Völker und Bildungen, der Römer und der Germanen; das Versöhnende und Verbindende sind die höhere römischgriechische Bildung, - die Wissenschaften, die Künste und Handwerke, noch geschätzt und gepflegt unter den verwüstendsten Völkerstürmen von der Kirche und den Geistlichen. Wo die germanischen Völker in alten römischen Ländern mit den Römern und den romanisirten keltischen Völkern zusammentrafen, war das Römerthum so fest begründet und mächtig, dass es selbst seine Sprache durch eine zeitgemässe Umbildung forterhalten konnte, und nur in den früh besetzten römischen Grenzlanden vermochten die germanischen Sprachen und Völker obzusiegen. Aber selbst die rein germanischen Staaten und Völker sind insofern römisch, - tragen das weltgeschichtliehe Gewand einer spätern Zeit, als sie die griechischrömische Bildung, die römischen Staatseinrichtungen und die römische Rechtsgesetzgebung, die römisch-christliche Kirche und die kirchlichen Gesetze, - die römischen Wissenschaften, Künste und Handwerke in sich aufgenommen und zur Unterlage der neuern Entwickelungs- und Bildungsstufen gemacht haben. Die griechisch-römische Bildung, die Griechen und Römer mit ihren grossen geistigen Errungenschaften auf den Gebieten der Poesie und der Kunst, der Wissenschaften des Himmels und der




    1) Winckelmann, I. S. 397 oben.



Zahlen, der Gesetzgebung und des Rechts, der Krankheiten und ihrer Heilung, des reinen Denkens und des Gottglaubens u. s. w. sind nicht untergegangen, sondern durchdringen bis tief in den Orient hinein belebend und begeistigend das ganze Mittelalter, die neuere und neueste Zeit in tausend sichtbaren und unsichtbaren Strömen. Die griechischen und die römischen Dichter, Theologen, Geschichtschreiber und Philosophen haben die romanischen Dichter, Theologen, Philosophen und Geschichtschreiber gebildet, gestärkt und genährt; die lateinische Sprache wurde zu den romanischen Sprachen mit der zugleich mit ihnen entstehenden romanischen, romantischen oder Romanenliteratur. 1) Die griechisch-römische Baukunst ist nicht blos die Vorstufe, sondern das breite und feste Fundament der germanischen und vorzüglich der gothischen oder französisch-deutschen Baukunst; das römische Staats- und Privatrecht, die römische Staatskunst und Rechtspflege sind die Stützen und Träger aller neuern Staaten und Rechte, und die romanischen und germanischen Staats- und Rechtsgelehrten müssen mit den römischen Studien und Rechten beginnen. Das deutsche Reich und die deutschen Kaiser nannten sich römische und die katholische Kirche nennt sich noch so unter ihrem zu Rom thronenden Oberhaupte. Die Worte Semper's, der Stil, I. S. 218: "Das bedeutendste Resultat der neuesten Eroberungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte ist der Zusammensturz einer verjährten Gelehrtentheorie, welche dem Verstehen der antiken Formenwelt unendlich hinderlich war, wonach hellenische Kunst als ein dem Boden Griechenlands urheimisches Gewächs betrachtet wird, da sie doch nur die herrliche Blüthe, das letzte Bestimmungsziel, der Endbezug eines uralten Bildungsprincipes ist, dessen Wurzeln gleichsam in dem Boden aller Länder, die vor Alters die Sitze gesellschaftlicher Organismen waren, weit verbreitet sind und tief haften," gelten analog auch hier. Der dem französisch-deutschen Baustyle vorausgehende Baustyl wird als der romanische und oft auch als der byzantinische bezeichnet und Tausende der schönsten Denkmale dieses




    1) Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 71 ff.



letzteren Styles sind noch jetzt vorhanden, selbst in den rein deutschen Landen. Eines der schönsten Denkmale der deutschen Baukunst, der Dom von Strassburg, ist gleich dem Stephansdome zu Wien, 1) dem Dom zu Autun, 2) der Kathedrale zu Brüssel, 3) dem Trierer Dome, welcher gemäss Schnaase, V. S. 350, in der That eine fast vollständige Architekturgeschichte enthält, in seinen älteren Theilen romanisch oder byzantinisch, wie auch noch viele andere Denkmale von den verschiedenen Baustylen gleichmässig zeugen, oder dem sog. Uebergangsstyle angehören. Die germanischen und deutschen Bauhütten und Bauhandwerke, namentlich die Steinmetzen, sollten nun nicht im römischen, im griechisch-römischen Boden wurzeln? Der Dom zu Strassburg auf der linken, auf der gallischen Seite Deutschlands in seinem zusammengesetzten Baustyle ist die steinerne Geschichte der deutschen Bauhütte, Baukunst und Steinmetzkunst; ein jeder Zug dieses romanisch-gothischen, gallisch-fränkischen oder fränkisch-deutschen Geschichtswerkes ist von schwerem und nicht misszuverstehendem Inhalte und lehrt, dass von den Römern, von den romanisirten Galliern und Franken die am Rheine wohnenden Deutschen, 4) Franken und Alemannen zuerst die städtischen Verfassungen, Künste und Handwerke, besonders die Baukunst und Steinmetzkunst, die Bauhütte und Steinmetzhütte empfangen und sodann weiter nach dem innern Deutschland und nach dem Norden getragen haben. Am Oberrhein, am Fusse der Alpen in der Schweiz und in Schwaben berühren sich das fränkische und italienische Städteleben mit dem deutschen auf den grossen Handelswegen und in den Handelsstädten, jedoch sind die italienischen Einflüsse nicht tief- und nicht weitgreifend, obwohl sie sich in einzelnen Zügen nicht blos in den Stadtrechten der Schweiz, sondern bis nach Böhmen und Schlesien bemerklich machen. 5) Aehnlich verhält es




    1) Schnaase, IV. 2. S. 152.
    2) Schnaase, IV. 2. S. 296.
    3) Schnaase, V. S. 225.
    4) Vergl. Mannert, Gesch. der alten Deutschen, I. S. 378 ff.
    5) Gaupp, II. S. 70.



sich mit den italienischen Baueinflüssen auf die Architektur der Rheinlande und Schnaase, IV. 2. S. 125 ff. und S. 224, leitet aus dem nördlichen Italien nur die Zwerggallerien unter dem Dache der rheinischen romanischen Kirchenbauten her. Die Anordnung der Zwerggallerien, welche z. B. in Italien beim Dome zu Parma 1) und St. Zeno in Verona 2) angetroffen werden, hängt zufolge Schnaase, IV. 2. S. 224 unten, offenbar mit den Arcadenreihen der toscanischen Schule, mit der Benutzung alter Fragmente, mit der Antike zusammen, indem man die Gallerieen oft aus antiken Säulentrümmern zusammensetzte. Von den Deutschen und nicht aus der Normandie erhielt dagegen die Lombardei allem Vermuthen nach 3) die Ueberwölbungsart und die damit verbundene Pfeilerbildung; der Dom zu Modena ist für die älteste der überwölbten lombardischen Kirchen zu halten. An die Zwerggallerieen, d. h. als ihr Vorbild, erinnert übrigens auch die sog. goldene Pforte (porta aurea), eines der Thore der Villa des Kaisers Diocletian, wovon bei Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer, II. S. 49, eine Abbildung gegeben ist; ebenso das von Augustus angelegte Thor von Aosta, bei Guhl und Koner, II. S. 52, und das Bühnengebäude des Theaters zu Orange im südlichen Frankreich, bei Gruhl und Koner, II. S. 161. Die aus Nordfrankreich an den Rhein, nach Cöln und Strassburg gezogene gothische, französisch-deutsche Baukunst wird ebenso bald durch deutsche Baumeister über die Alpen nach Oberitalien verpflanzt. Es ist dieses gleichsam ein nördliches Zurückwogen und Umkehren des Steinbaues nach Süden, während sonst der allgemeine und grosse Gang dieses Baues aus Süden, d. h. aus Aegypten über die Küsten und Inseln des Mittelmeeres nach dem griechischen Festlande und nach Italien, besonders Etrurien, nach Gallien, Britannien und Spanien und endlich von dem Rheine nach Deutschland und Skandinavien gerichtet ist. 4)




    1) Schnaase, IV. 2. S. 213.
    2) Schnaase, IV. 2. S. 199.
    3) Schnaase, IV. 2. S. 225 ff.
    4) Vergl. auch Schnaase, altdeutsche und niederländische Kunst in Italien, im d. Kunstbl. 1857, S. 459 ff.



Die Bildung der städtischen Genossenschaften, der Handwerkszünfte namentlich, fällt mit der Bildung der Städte selbst zusammen und Zünfte und Städte entstehen gleichzeitig, sind dieselbe Aeusserung des genossenschaftlichen Lebens und Bedürfnisses, 1) weshalb auch häufig aus der Zunft, besonders der Kaufleute, gleichsam die Stadt hervorgeht, d. h. der Handel die Zunft und die Stadt der Kaufleute hervorruft, wie namentlich zu Paris. 2) Zu Strassburg, Regensburg und Basel bildeten die Kaufleute die oberste Zunft; ebenso zu Zürich die Krämer. 3) Den Kaufleuten gewährte ihr Reichthum zuerst die Mittel und die Macht, sich zu verbinden und zu vertheidigen, und ihre Zunft oder Verbindung ist daher begreiflich häufig die älteste, jedoch ebenso mit dem Adel zugleich das aristokratische Element der Städtebildung. Auch waren die Kaufleute, d. i. die Grosshändler, wohl in der Regel persönlich freie. Die Handwerker dagegen konnten wegen ihrer Armuth und öfteren Unfreiheit erst später und nur schwerer das Recht der Genossenschaft und der Freiheit erringen; sie sind das natürliche demokratische Element der Städtebildung. Ueberall wo Städte bestehen und blühen, finden sich auch im Innern kleinere Genossenschaften der Städter, besonders der Kaufleute und der Handwerker. Die unter dem Schutze einer Burg oder eines Klosters, eines Bischofsitzes, einer königlichen oder kaiserlichen Pfalz versammelten oder sich freiwillig versammelnden Marktleute, Kaufleute und Handwerker, welche vielleicht ganz verschiedenen Gerichtsbarkeiten und Herrn unterworfen waren, daher mancherlei Verwirrungen und Uebelstände entstanden, begründeten häufig die Stadt oder veranlassten deren Gründung durch die Vereinigung zur Einheit mit freier Gerichtsbarkeit und freiem Marktrechte. 4)




    1) Lappenberg, hamburgische Rechtsalterthümer, I. S. VIII. und XXI; Rössler, das altprager Stadtrecht, Prag 1848, S. XCIX.
    2) Vergl. auch Gaupp, a. a. O., I. S. 45.
    3) Bluntschli, St.- und R.-Gesch, I. S. 323.
    4) Unger, altdeutsche Gerichts-Verfassung, §. 48; Mannert, Gesch. der Deutschen, II. S. 544.



Die Acta Murensia, cap. 40, sagen z. B. über die Entstehung des heutigen Fleckens Muri bei dem Kloster Muri, das wohl einer festen Burg durch den ertheilten Schutz sich gleichstellte: "In vico fuerunt multi artium periti homines (Handwerker), et adhuc sunt, et necesse est, ut semper sint, sive propter necessitatem hominum, vel ad honorem loci." Die Handwerker besonders wurden durch den gemeinsamen Lebensberuf, die gemeinsamen Interessen und Bedürfnisse zur Bildung von engern Vereinen gedrängt und geführt, so dass die Handwerkervereine in einer oder der andern Gestalt auch mit den Staaten selbst entstehen, als Kastenabtheilungen oder Innungen in den Kasten bei den Indern, Aegyptern und vielleicht selbst bei den ältesten Griechen oder den Pelasgern; als Collegien bei den Römern, als Gilden und Zünfte bei den Germanen u. s. w. Bei den Indern werden schon in dem Epos wiederholt Vorsteher der Handwerker und der Handwerkerinnungen genannt 1) und jede der indischen Handwerkerinnungen stand unter einem Altmeister. 2) Der Schutzgott der indischen Gewerbe, aller mechanischen Künste und Wissenschaften ist Vismakarma, der Baumeister der Götter, welchem zu Ellora eine eigene, zufolge Lassen, IV. S. 802, im 8ten oder 9ten Jahrh. erst ausgegrabene Grotte gewidmet ist, die sich durch ihre Grossartigkeit und Schönheit gleichmässig auszeichnet. 3) Seit sehr frühen Zeiten war bei den Indern die Ausübung der Baukunst, Sculptur und Malerei einer untergeordneten Kaste in der 4ten Hauptkaste der Sudra's 4) anvertrauet, welche darüber ihre heiligen, sehr geheim gehaltenen Bücher, Silpa Sastra (von Silpa, Handwerk, und Sastra, Wissenschaft) genannt, besassen. 5) Der indischen Kunstgewerbe gibt es 4 nach den 4 Köpfen und 4 Söhnen des sie beschützenden Vismakarma, nämlich des Architekten, Geometers, Schreiners




    1) Dunker, Gesch. des Alterthums, II. S. 104.
    2) Bohlen, das alte Indien, II. S. 27.
    3) Romberg und Steger, I. S. 63.
    4) Meiners und Spittler, neues götting. histor. Magazin, I. S. 516 und 526 ff.
    5) Romberg und Steger, I. S. 73 ff.



(nach indischen Begriffen) und Zimmermanns, wobei Semper, der Stil, I. S. 259 Anm., es auffallend findet, dass des Steinhauers nirgends Erwähnung geschehe. Eines der heiligen Bücher nennt die nothwendigen Eigenschaften jedes dieser Künstler. Ein Architekt z. B. soll in allen Wissenschaften wohl bewandert, in seinem Berufe stets aufmerksam, von tadellosem Charakter, edelmüthig, aufrichtig und von aller Feindschaft oder Eifersucht frei sein. Man glaubt in der That eine maurerische Urkunde reden zu hören. Der Geometer soll die gleichen Eigenschaften besitzen, der Sohn oder der Schüler eines Architekten sein und dem Willen des Baumeisters treu gehorchen. Die Masse und Verhältnisse aller Gebäude sind genau nach 4 Arten von Ellen oder Hastha's bestimmt; die Elle besteht aus 12 Angula's oder verschieden bestimmter Fingerbreiten. 4 Hastha's machen wieder einen Stab, und acht Stäbe sind gleich einer Ryju oder der Schnur, die zum Vermessen des Landes dient. Nachdem der Grund und Boden zu einem neuen Gebäude sorgfältig ausgewählt worden ist, muss der Baumeister in einem günstigen Augenblicke die Gebräuche der Reinigung vollziehen, die vorgeschriebener Opfer bringen, geweihtes Wasser nach allen Richtungen sprengen, die Gebote sprechen und endlich den Grund pflügen lassen. Das kleinste Dorf, das 12 Häuser enthält, heisst asrama oder Einsiedelei, und sollte wo möglich, um Einsiedlern die gewünschte Bequemlichkeit zu gewähren, in der Nähe von Bergen und Wäldern liegen. Das Dorf, das 24 Häuser enthält, muss an den Ufern eines Flusses liegen und wird von yatis oder heiligen Bettlern bewohnt. Diese indischen Zwölf- oder Vierundzwanzigschaften erinnern zugleich an die übrigen germanischen Zwölf- oder auch Zehnschaften in England, in Skandinavien, in Deutschland u. s. w. Nach den Vorschriften der. heiligen Silpa Sastra ist übrigens auch die Stadt Jyepur von einem einzigen Monarchen mit seltener Pracht und vollkommen regeImässig erbaut. 1)

In dem Gesetzbuche der Gentoos, aus dem Englischen übersetzt von R. E. Raspe, Hamburg 1778, S. 288, findet




    1) Semper, I. S. 266.



sich auch ein hier zu erwähnender Abschnitt von gemeinschaftlichen Handwerken und Gewerben, d. h. gesetzliche Vorschriften über die Theilung des Verdienstes unter gemeinschaftlich arbeitenden Handwerkern, wenn darüber keine Vertragsverabredungen vorhanden sind. Der jüngste Anfänger in der Kunst soll einen Theil, der erfahrene 2 Theile, der vollkommene Künstler 3 Theile und der Lehrmeister 4 Theile des Gewinnes empfangen. Bei dem Baue eines Hauses oder dem Graben eines Teiches sollen die Aufseher der Arbeit zwei Theile und die übrigen ein jeder einen Theil des Gewinnes bekommen.

Der Entwickelungsgang der deutschen Handwerkszünfte möchte im Allgemeinen etwa dieser sein: Als die Handwerker, aus der Hofhörigkeit der geistlichen und weltlichen Herren heraustretend, im 10ten, 11ten und 12ten oder auch erst 13ten Jahrh. frei zu werden begannen, bildeten auch sie nach dem allgemeinen Geiste und nach der Gesammtrichtung der Zeit Genossenschaften, besonders oft Schwurgenossenschaften, conjurationes, Gilden, indem bald mehrere verwandte kleinere Handwerke, oder auch nur die Genossen eines zahlreichen Handwerkes, z. B. der Bäcker und Metzger, je nach ihrer Zahl und den Umständen, theilweise auch schon nach ihrem bisherigen Zusammensein in dem Dienstverhältnisse sich zu einer Genossenschaft verbanden. Die Talemeliers, Tallemelliers, Taillemeiliers, die Taigkneter, wofür erst seit dem 14ten Jahrh. die Benennuing Boulangers, Bäcker aufkam, sind zu Paris z. B. eine der ältesten Zünfte, 1) deren ausführliche Statute von Boileau in seiner Sammlung der Statuten der Pariser Zünfte zuerst registrirt wurden. 2) Zu Basel kennt schon das Weisthum vom J. 1256 eine Bäckerzunft. 3) In einer Urkunde vom J. 1284 nehmen Schultheiss, Schöffen und Räthe der Stadt Frankfurt a. M., bei Strafe eines Pfundes leichter Pfenninge an den Schultheissen, eines solchen an die Stadt, und ebensoviel an die Handwerksgenossen (artificibus, qui antweregenoz dicuntur)




    1) Depping, introd., S. LI.
    2) Depping, S. 4 ff.
    3) Heussler, Verfassungsgesch. der Stadt Basel, S. 116.



und überhin bei Verweisung aus der Stadt Frankfurt auf ein Jahr, sämmtlichen Müllern und Mühlenbesitzern das Versprechen, fürderhin die Bäcker mit keinen Geschenken oder Zusagen (quod liebnusse dicitur) gewinnen zu wollen. 1) Im alten Rom hatten sich die Bäcker im J. 174 v. Chr. als Zunft constituirt. 2) Das Statut der Pariser Bäcker ist unter den Pariser Zunftstatuten das einzige, welches gewisser Gebräuche oder Ceremonien erwähnt, die bei der Aufnahme zum Meister beobachtet werden sollten. Der Aufzunehmende brachte in das Haus des Obermeisters einen neuen Topf mit Nüssen und mit einer besondern Art Gebäcke, und warf diesen an die Wand, worauf die Meister und Gesellen, die Meistergesellen (mestres vallès) in das Haus traten und von dem Obermeister zu trinken erhielten. 3) Es scheint, dass das Zerbrechen des Topfes, ein Symbol sein sollte der nun abgethanenen 4 Lehrjahre, da der Obermeister erst dann dem Aufzunehmenden befiehlt, den Topf an die Wand zu werfen, nachdem er sich Gewissheit darüber verschafft hat, dass der Aufzunehmende wirklich 4 Lehrjahre durchgemacht habe. Die Aufnahme des oder der jungen Bäckermeister (noviaus talemelier) sollte jährlich am ersten Sonntag nach dem Neujahr erfolgen und der Obermeister die Handwerksgenossen dazu besonders einladen, welche zugleich dem Obermeister für den zu verabreichenden Wein einen Geldbeitrag zu leisten hatten. Das Bäckerhandwerk und die niedere Gerichtsbarkeit (petite justice) über die Bäcker war von dem König seinem Oberhofbäcker verliehen. Der Obermeister konnte nicht allein den beharrlich ungehorsamen Bäckermeistern, sondern auch den straffälligen Bäckergesellen die Ausübung des Handwerkes untersagen, welche letztere alsdann von keinem Bäckermeister angestellt oder gefördert




    1) Kopp, Gesch. der eidgenüssischen Bünde, I. S. 714.
    2) Guhl und Koner, II. S. 290.
    3) Depping, S. 7. Einigermassen erinnert dieser Gebrauchr an den sog. Metzgersprung, d. h. die Wassertaufe, wodurch noch heute zu München jährlich am Fastnachtsmontage die ausgelernten und freizusprechenden Jungen in die Gemeinschaft der Gesellen beim Fischbrunnen auf dem Schrannenplatze aufgenommen werden. Vergl. Schmeller, bayerisches Wörterb., II. S. 661.



verden durften; 1) die im Verbot befindlichen Meister und Gesellen (li talemelier ou li vallès auquel li mestriers est deffendus) konnten nicht eher wieder arbeiten, als bis sie sich wegen ihres Ungehorsams und der dadurch verwirkten Strafe mit dem Obermeister abgefunden hatten. Dass die Bäckergesellen in dem Statute auch sergant, sergent, servientes, Diener, ähnlich wie in den englischen und deutschen Urkunden 2) genannt werden, hängt wohl mit den fratres servientes der Klöster zusammen. Noch das Reichsgutachten vorn J. 1731 wegen der Handwerksmissbräuche spricht von Handwerksknechten, den famulis, z. B. des Prager Statutarrechtes aus dem 14ten Jahrh. 3) Wie wenig selbstständig und berechtigt aber in Paris, im Sitze der königlichen Gewalt, die alte Bäckerzunft und überhaupt die Zünfte damals gewesen seien, ist aus den Statuten des Boileau deutlich zu ersehen; das Recht der Zünfte hing überall wesentlich davon ab, ob die staatliche oder städtische Gewalt sie dauernd zu beaufsichtigen und zu beherrschen vermochten, oder ob sie selbst die Stadt- und Staatsgewalt an sich bringen konnten. Man könnte in genauer Vergleichung der Handwerke mit der Baukunst sagen, dass, wie ursprünglich unter den Künsten die Baukunst die vorherrschende war und alle übrigen Künste sich zu ihr nur als blosse Hülfskünste verhielten, ganz ebenso unter den Erwerbsarten der Ackerbau beim Ursprunge der Staaten vorgeherrscht und die Handwerke im strengsten und vollsten Sinne in seine Dienste genommen hatte, die Handwerker blosse Bedienstete, Angestellte und Hörige der Ackerbauer, - Bauersknechte mit einem besondern Arbeitszweige gewesen seien, bis allmählig sie in den Städten ihren Beruf nicht nur als einen selbstständigen befreien, sondern umgekehrt selbst Ackerbauer werden und sogar diese nunmehr von sich abhängig machen konnten. 4) Sobald die Handwerker das Bürgerrecht, die




    1) Depping, S. 14.
    2) Symbolik, II. S. 229.
    3) Rössler, S. 18.
    4) Arnold, das Aufkommen des Handwerkerstandes im MittelaIter, Basel 1861, S. 10.



Freiheit, die städtische Zünftigkeit erstritten und erworben hätten, wurden sie selbst nunmehr nach dem gewöhnlichen Gange solcher Verhältnisse und solcher Menschen ausschliesslicher, aristokratischer und selbst freiheitsfeindlicher, indem sie die Zulassung und Aufnahme in ihre Mitte, in das städtische Bürger und Zunftrecht, in die Stadt und Zunft stets mehr erschwerten und selbst von ihnen, den vormaligen Unfreien und Hörigen, die Unfreien und Diejenigen, welche nicht die freie Geburt und eine bestimmte Anzahl von Ahnen zu erweisen vermochten, ausgeschlossen wurden; das vormalige demokratische und revolutionäre Element der Städte wurde zum aristokratischen und erhaltenden, nachdem seine Herrschaft gegründet oder gegen Angriffe zu vertheidigen war. Der geschichtliche Gegensatz und Fortschritt wird z. B. wesentlich durch das Capitulare Karls des Grossen über die Handwerker der königlichen Güter und durch ein späteres städtisches Privilegium bezeichnet; zur Zeit der germanischen Anfänge konnte man die dienenden Handwerker kaum nähren und speisen, sie wurden durch Lehen oder Naturallieferungen für ihre Dienste bezahlt; mit den Städten kamen die Münzen des Kaisers, der Fürsten und Bischöfe, der Städte und Herren auf und durch das Geld und den Handel wurden die Handwerker und Städte reich, mächtig und unzufrieden. Den eigenmächtigen Verbindungen, den Verschwörungen der Bürger und Handwerker traten nicht nur die Kirchen- und Staats- oder Reichsgesetze, sondern ebenso die deutschen, schweizerischen und italienischen Städteverfassungen entgegen. Zu Trier waren schon im J. 1161 die eigenmächtigen Verbindungen der Bürger untersagt worden. 1) In Ravenna waren ebenso einseitige Verbindungen der Zünfte zu bestimmten Zwecken untersagt wordpn. 2) Die Verfassung von Pistoja erklärte alle geschlossenen Zünfte und Ilandwerksgenossenschaften für aufgelöst und stellte es Jedem frei, zu kaufen, zu verkaufen und Handel zu treiben. 3) Zu Bologna hatten sich




    1) Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, V. S. 273.
    2) Raumer, V. S. 212.
    3) Raumer, V. S. 205.



um das J. 1174 sogar Waffenbrüderschaften gebildet und das Kriegswesen grössten Theils an sich gebracht, so dass sie bald politischen Einfluss gewannen und in Verbindung mit den Zünften die Stadtherrschaft an sich rissen. 1) Diese Waffenbrüderschaften stehen vielleicht mit den römischen Athletencorporationen 2) in Zusammenhang. Aehnlich, gestalteten sich die Verhältnisse alsbald in den schweizerischen und den deutschen Städten; auch sie hatten aber gegen unerlaubte Schwurgenossenschaften zu kämpfen, wie z. B. im J. 1349 die Stadt Bern gegen eine solche von den Leuten zu Grindelwald, Wilderswyl u. s. w. mit den Landleuten von Unterwalden eingegangene eidliche Verbindung sehr rasch und ernstlich einschritt, 3) In einem Urtheile vom 21. Juli 1407 in Sachen des Johanniterhauses Buchsen gegen die Leute ihres Hauses legte der Rath von Bern den letztern auf, dass sie von allen gegen ihre Herrn eingegangenen Eiden und Gelübden abstehen und keine dergleichen eingehen sollen. 4) Die Mitglieder der Handwerkergenossenschaften und sonstigen Genossenschaften waren überall zugleich Genossen, Bürger oder wenigstens Bewohner der Stadt und sobald sie die Stärke und Macht fühlten und erkannten, welche die Vereinigung ihnen gab, erstrebten sie auch politische Rechte oder Antheil an dem Stadtregiment durch Zulassung unter die Mitglieder der Räthe und Gerichte, besonders oft auch mit theilweisem oder gänzlichem Ausschluss des bisher meist allein herrschenden städtischen Adels. Die Geschichte vieler, ja der meisten Städte ist seitdem wesentlich die Geschichte der Kämpfe und des öfteren Sieges der (kriegerischen) Zünfte um das Stadtregiment, so z. B. zu Zürich, zu Basel, zu Speier, Mainz, Strassburg, zu Prag, 5) zu Augsburg. In einer Urkunde




    1) Raumer, V. S. 160.
    2) Guhl und Koner, II. S. 273, vergl. mit S. 333.
    3) Mohr, Regesten (des Klosters zu Interlaken), I. S. 71, Nr. 340, 342, 343, 346 und 347.
    4) Mohr, Regesten (des Männerhauses Buchsen), I. S. 130, Nr. 183.
    5) Rössler, das altprager Stadtrecht aus dem 14ten Jahrh., S. XCI; Eichhorn, deutsche St.- und R.-Gesch., III. §. 432.



des Männerklosters zu Interlaken im Kanton Bern vom 1. Sept. 1421 (bei Mohr, Regesten, I. S. 88, Nr. 501) werden zu Unterseen, welches im Allgemeinen mit dem bernischen Stadtrechte bewidmet war, nach Art der deutschen burgilde (Unger. S. 358) erwähnt der Rath und die Bürger zu Unterseen und "ihr gemeine geburzunft", welche das Eigenthum an einem Walde vor dem Rathe zu Bern ansprachen und obsiegten. Jedoch könnte der Ausdruck auch nur bildlich für Gebaursame, Dorfgemeinde, gebraucht sein, wie in der Urkunde Nr. 505 vom J. 1424 bei Mohr.

In dem allgemeinen zünftischen und städtischen Kämpfen und Ringen nahmen die Künste und Wissenschaften, die Bauhütten und Universitäten eine eigene Stellung ein, weil ihre Zwecke und Bestrebungen höher und weiter gingen als die engen und kleinlichen Absichten einer Stadt, - weil die Kunst und die Wissenschaft über den Städten und Ländern stehen, oder ein von Allen zu schützendes und zu suchendes Gemeingut sind. Die Forschung und Betrachtung hinsichtlich der Geschichte der Bauhütten wird aber wesentlich erleichtert und gefördert werden, wenn man stets sie den Universitäten vergleicht und nicht in den niedern Schranken einer städtischen Zunft auffasst, wie es so häufig geschieht. Auch die Musik und die Musiker gehören hierher und können selbst auf die Bauhütten Licht werfen, wie auch zu Rom unter den 9 Innungen (collegia opificum), deren Errichtung bis auf Numa zurückgeführt wurde, sich eine Zunft der Flötenspieler (tibicines) befunden haben soll. 1) Die oberelsässischen Musikanten bildeten so z. B. eine der heiligen Maria von Dusenbach geheiligte besondere Zunft und waren Lehensleute der Grafen von Rappoltstein. Die musikalischen Zunftmeister hiessen Pfeifferkönige und hatten das Recht, im Gerichte und bei öffentlichen Feierlichkeiten eine Krone zu trangen. Die Musikanten feierten alljährlich mit grossem Prange ihr Zunftfest, Dienstags nach Mariä Geburt, und noch jetzt heisst der um diese Zeit zu Dusenbach gehaltene Jahrmarkt der Pfeifferstag. 2) - Auch von




    1) Guhl und Koner, II. S. 286; Rich unter Tibicen.
    2) Stöber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, S. 117.



dem Kantone Zürich wurde ein solches Pfeifferkönigthum lange Zeit als ein Lehen in allen seinen Landen verliehen und im Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde für 1856, S. 28, ist der vollständige Lehenbrief abgedruckt, wodurch im J. 1430 Ulman Meyer von Bremegarten, ein fahrender Mann des Gotteshauses Einsiedeln, von Burgermeister und Rath der Stadt Zürich mit dem Pfeifferkönigreich in allen Grafschaften, Herrschaften, Gerichten, Gebieten etc. Zürichs beliehen wurde. Er wurde daher als ein rechter König der Pfeiffer und der fahrendenLeute bestätigt, also dass er und sein Marschalk das Königreich künftig wie bisher mit allen Würden und Ehren, - allen Freiheiten, Rechtungen und gutten Gewonheiten, als das von Alters herkommen ist, inhalten und haben sollten, von aller Mänglichem ungesäumt und ungehindert. Aus den Mittheilungen des genannten Anzeigers für 1859, S. 25, erhellt ferner, dass die Spielleute zu Bremgarten, bei denen sich das Pfeifferkönigthum in den zürcherisehen Gebieten erhalten zu haben scheint, eine der Maria geheiligte Bruderschaft bildeten, in welche Jeder, der ein Spillmann sein wollte, nach einer Rathsverleihung vom J. 1502 bei einer Busse von 1 Pfund 6 Schilling zu Handen der Bruderschaft sich musste aufnehmen lassen; bei derselben Busse durften die Brüder zur Bezahlung der vorhandenen Schulden angehalten werden. Die Schulden der musikalischen Bruderschaft, zu deren Stiftung bei einem Concilium zu Basel von Zürich mit vielen Kosten die Bewilligung ausgewirkt worden sein soll, liefen dadurch auf, dass im Anfange des 16ten Jahrh. das Pfeiferkönigreich und die Bruderschaft der Pfeifer in starken Abgang gekommen war, "wenn es kunt schier nieman mehr her, und wil auch nieman nutz geben, das er unser l. frowen (d. h. der Zunftkasse) schuldig ist." - An die Pfeifer- oder Musikantenzünfte schliessen sich übrigens vollkommen an die Zünfte der deutschen Meistersänger, jedoch dürfen diese Sängerzünfte nicht als eigentliche Handwerksinnungen angesehen werden. 1) Die Ver-




    1) Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 513; Kurz, Leitfaden der Gesch. der deutschen Literatur, §. 82.



sammlungen der Meistersänger zur Ausübung ihrer Kunst hiessen Schulen (scholae), wobei der Vorstand, die drei Merker, vor welchen jeder Zeit die Bibel aufgeschlagen liegen musste, auf einer Erhöhung, Bühne, Gemerk, sassen. Der bewährte Sängermeister trug eine silberne Kette mit dem Bildnisse Davids um den Hals. Die Versmasse hiessen Gebäude und das Versemachen, das Dichten, war ein Bauen. - In Frankreich wurden zu Paris im Anfange des 15ten Jahrh. mehrere Handwerker und Schreibergesellsehaften als Corporationen oder Brüderschaften, wie es scheint, zur Darstellung von Schauspielen privilegirt und zwar die confrairie de la passion für Mysterien oder geistliche Schauspiele, 1) die cleres de la Bazoch für sog. Morälitäten, Stücke allegorischen Inhalts, - und die enfans sans souci für Farcen und Sottisen. Diese Gesellschaften spielten keineswegs regelmässig wie unsere jetzigen Theatergesellschaften, sondern gaben als blosse Liebhaber der Kunst nur bei festlichen Veranlassungen ihre wenig werthvollen Spiele, so dass Schnaase sie den Marionettenspielen vergleicht. Schon im 14ten Jahrh. zog durch die französischen Städte eine Gesellschaft angeblich aus dem gelobten Lande kommender Pilger, welche die Passion darstellten. Es dürfte zwar nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen, dass im spätern Mittelalter in Frankreich zuerst und dann auch in Deutschland die weltlichen Schauspiele aus den geistlichen hervorgegangen seien und sich von der ursprünglichen Verbindung mit der Kirche und den Kirchenfesten befreit haben, aber dennoch waren die geistlichen Schauspiele nur als ein Gegensatz und Verdrängungsmittel der frühern heidnischen Schauspiele entstanden, 2) mit welcher Ansicht auch Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 74, übereinstimmt: "Die geistlichen




    1) Vergl. Wittich, über die mittelalterlichen Schauspiele Frankreichs, Eisenach 1861 (ein sehr schätzenswerthes Programm des Gymnasiums zu Eisenach); Schnaase, VI. S. 72. Ueber den Hang zu Schauspielen in den ersten christlichen Zeiten berichtet Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, IV. S. 244 ff.
    2) Symbolik, I. S. 620.



Spiele (mit Unrecht Mysterien genannt) sind sicherlich aus den weltlichen hervorgegangen, und wurden diesen von der Geistlichkeit entgegengesetzt, wie sie früher schon christliche Lieder den heidnischen entgegengesetzt hatte." 1) Der religiöse Charakter der Zeit und der unmittelbare geistliche Ursprung auch der weltlichen Schauspiele prägte sich in Frankreich den Bühnen selbst auf, indem diese in gewaltigem Umfange aus 3 Stockwerken errichtet zu werden pflegten, um neben den irdischen Hergängen auch Himmel und Hölle zeigen zu können. 2)

In den meisten schwäbischen Reichsstädten bestanden bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts eigene Corporationen von Schauspielern, die aus Bürgern und Bürgermädchen zusammengesetzt waren und jährlich bei gewissen Gelegenheiten ungefähr in der Art spielten, wie Shakspeare seinen Pyramus und Thisbe aufführen lässt. Die Sache stand unter der Aufsicht des Magistrats und hatte alle mögliche Rechtmässigkeit. So hatte auch Wieland nach seiner Zurückkunft aus der Schweiz zu Biberach als Stadtsecretär und als unterster Senator die Aufsicht über die Schauspielercorporation und die Schauspiele daselbst und da er nichts Gewöhnliches aufführen lassen wollte, gab dies Wieland die erste Idee zur Bearbeitung des Shakspeare'schen Sturms und später zur Uebersetzung des ganzen Shakspeare. Ein Büchsenspanner aus Ulm und ein Frauenzimmerschuster, der in Paris gewesen war und dort Carlin hatte spielen sehen, waren damals die Hauptacteurs des bürgerlichen Schauspiels zu Biberach. 3)




    1) Vergl. noch Holland, die Entwichelung des deutsch.Theaters und das Ammergauer Passionsspiel, München 1861; Mone, Schauspiele des Mittelalters, Karlsruhe I847, 2 Thle.; Bechstein, das grosse thüringische Mysterium von den zehn Jungfrauen, Halle 1855; K. Hase, das geistliche Schauspiel, Leipzig 1858; K. Bartsch, über ein geistliches Schauspiel des 15ten Jahrh., in Pfeiffer's Germania, III. S. 267 ff.; Künzelsauer Fronleichnamsspiel aus dem J. 1479, im Auszuge mitgetheilt von Werner in Pfeiffer's Germania, IV. S. 338 ff.
    3) Schnaase, VI. S. 83.
    4) K. A. Böttiger, literarische Zustände und Zeitgenossen, I. (Leipzig 1838) S. 198 ff.



Aus Wieland's Theaterdirection zu Biberach gingen jener Büchsenspanner als Schauspieler Abt und seine berühmtere Gattin, die Tochter des Chordirectors und Cantors Knecht, hervor.

Ganz besonders gehört aber noch zu den hier besprochenen Zunfteinrichtungen die Kesslerzunft unter dem sog. Kesslerkönig als ihrem Obermeister. 1) Auch die herumziehenden Kessler eines weitern Kreises, in der Schweiz des deutschen, alemannischen oder östlichen Theils derselben, bildeten nämlich gleichfalls eine geschlossene Genossenschaft mit einer bestimmten Ordnung und unter einem Obermeister, welcher der Kesslerkönig genannt wurde, wie die Genossenschaft selbst das Kesslerkönigreich hiess. Nach Segesser soll der bekannte zürcherische Burgermeister Waldmann als einer der Kesslerkönige, beziehungsweise als der letzte Kesslerkönig erwähnt werden, was aber auf einem vermuthlichen Missverständnisse beruht und wohl daraus entstanden ist, dass unter Burgermeister Waldmann, vielleicht als Lehnsherrn und obersten Schutzherrn, der Rath von Zürich auch einen Kesslerkönig bestellte oder belehnte. Die Kessler leiteten nach einem eidgenössischen Abschiede vom 9. Heumonat 1488 ihre Freiheiten (mit Grund) vom Reiche ab und hielten zur Behandlung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten Tage, Tagsatzungen, allgemeine Versammlungen, besonders zu Zürich, Luzern und Bern. Seit dem J. 1488 scheint in der Schweiz oder von Zürich kein Kesslerkönig mehr ernannt oder belehnt und unter den Kesslern am frühesten die allgemeine Gewerbsfreiheit eingeführt worden zu sein. Der Schutz über die Kessler am Rheine und in Ostfranken (protectio fabrorum erariorum) stand als ein Reichslehen dem Pfalzgrafen bei Rhein zu, welcher damit wieder die Familie Zobel belehnt hatte. 2) Die Hafner scheinen gleich den Kesslern bis in das 15te Jahrh. auch eine wandernde Genossenschaft gebildet zu haben und mit ihrem Schutze von Ravensburg bis gegen Strassburg hatte Kaiser




    1) Segesser, Reehtsgesch. der Stadt Lucern, II. S. 395.
    2) Besoldi, thesaurus practicus, I. S. 512 und II. S. 360 unter Kesslerschutz.



Sigmund durch Urkunde von 1435, abgedruckt bei Besold, den Ritter Heman Offenburg für sich und seine Erben belehnt. Das gemeine Haffnerhandwerk hielt gleichfalls jährliche Tage. Aus dem kaiserlichen Belehnungsbriefe ist auch zu entnehmen, dass das gemeine Kesslerhandwerk im Elsass Egnolff von Rotzenhusen, in Schwaben Rolly von Rinsegken und im Uechtland und Burgund Haintzwann von Pubenberg verliehen war. Die Familie Zobel als Affterlehnherr erhielt alles in der Haushaltung nöthige Kupfergeschirr von den Kesslern umsonst.

Auch sind zu erwähnen die in Frankreich und besonders in der Normandie seit den Zeiten Wilhelm des Eroberers und des Abtes du Bec, bis tief in das 16te Jahrh. und noch später, z. B. zu Rouen und Amiens, unter einem Fürsten (prince) bestandenen Bruderschaften, welche jährlich einen poetischen Wettkampf, genannt Puy, d. i. Höhe, Tiefe, oder Palinod von und , d. i. neuer Gesang, zur Besingung und Verherrlichung der (unbefleckten) Maria veranstalteten. 1) Die Wettgesänge hiessen königliche (chants royaux) von der darin als Himmelskönigin besungenen Maria und noch sind zwei Sammlungen solcher Gesänge, diejenige von Rouen und Amiens, erhalten, welche aber zu einem grossen Theile von einander abgeschrieben sind und die zu jedem einzelnen Gesange zugleich ein Miniaturbild aus der h. Geschichte als Illustration umfassen. Das Miniaturbild wurde stets zuerst als Gemälde in Oel, Wachs u. s. w. angefertigt und bei dem Puy oder Wettgesang ausgestellt, wie noch heute zu Amiens viele solcher Bilder vorhanden sind. Für die Abfassung der Wettgesänge waren von dem Puy bestimmte Vorschriften gegeben, z. B. zu Amiens durfte ein Gesang nicht mehr als 5 Strophen zählen, zu Rouen nicht mehr als 5 - 10 Strophen nach dem Belieben des Sängers; zu Amiens und Rouen bestand jede Strophe aus 11 Versen.

Die vier Haupthütten der gemeinen deutschen Steinmetzordnung dürfen als die Vierer oder Vierhütten mit Strassburg als dem Obervierer betrachtet werden und




    1) Didron, annales archéologiques, XXI. (Paris 1861) S. 345 ff.



beruhen auf dem uralten Grundsatze der Theilung eines jeden Landes und Reiches, einer jeden Stadt und eines jeden Dorfes in 4 Theile mit je einer Viertheilsregierung und einer gemeinsamen Oberregierung über die 4 Viertheile. 1) In dem maurerischen Verfassungsrechte hat sich bewusst oder unbewusst dieser Grundsatz darin bis auf lie Gegenwart wirksam erhalten, dass zu einer Grossloge 4 Johannislogen wenigstens erfordert werden. So wurde im J. 1717 die neu-englische Grossloge von 4 Logen in London gestiftet. Am 22. April 1784 gründeten 4 Provinziallogen in Wien die grosse Landesloge für Oesterreich. 2) Die Loge Royal-York in Berlin, um als eine Grossloge gelten zu können, vierte sich, d. h. theilte sich im J. 1798 auf den Vorschlag von Br. Fessler in 4 Johannislogen und diese bildeten alsdann eine Grossloge, woran sich bald noch drei auswärtige Johannislogen schlossen. 3) Zur Bildung der belgischen Grossloge traten ebenfalls 4 Johannislogen am 16. Dec. 1832 zusammen. Für die Geschichte der deutschen Baukunst ist es nicht ohne belehrende Bedeutung, dass sämmtliche 4 deutschen Haupthütten an vormals römischen Orten und in den von den Römern früher besetzt gewesenen Landestheilen liegen, anstatt ihrer Natur und Stellung nach eigentlich im Innern Deutschlands und auch nach Norden hin eine Stelle zu haben; die rechtlich ersten 4 deutschen Haupthütten sind auch geschichtlich die 4 ersten Hütten Deutschlands und wurden jenes blos, weil sie dieses waren. Einen Gerichtshof, der aus einem sehr gelehrten Brahmanen, der keine Tempelpflicht zu erfüllen habe, welchen der König ausgewählt und dem er drei schriftgelehrte Brahmanen als Ausleger des Gesetzes hinzugefügt, nennen nach dem Gesetzbuche Manu's VIII, 21 die Weisen den Hof Brahma's mit 4 Gesichtern. 4) Die italienischen Städte hatten ur-




    1) Vergl. Symbolik über die Vierzahl.
    2) Lewis, Gesch. der Freimaurerei in Oesterreich, Wien 1861, S. 21.
    3) Bauhütte für 1861, S. 355.
    4) Dunker, Gesch. des Alterthums, II. (2.Auflage) S. 117 oben.



sprünglich oft 4 Consuln. 1) Nach dem altprager Stadtrechte (Rössler, S. XCVII) soll ein jeder städtischer Gesandte an den König mit 3 Knechten und 4 Pferden ausreiten. Die Universität Leipzig hatte im 16ten Jahrh. und während 100 Jahren die Studenten in 4 Nationen eingetheilt, nämlich in die Meissnische, Sächsische, Bairische und Polnische. In einer grossen Anzahl civitates und oft an den kleinsten Orten im römischen Gallien finden sich als Gemeindsbeamte Quatuorviri. 2) In Nismes wählte das Volk nach einer Verordnung des Grafen Raimund V. vom J. 1198 nach den 4 Stadtvierteln je 5 viri boni und diese 20 erwählten sodann die 4 Consuln der Stadt, welche den südfranzösisehen mit den oberitalienischen Städten gemeinsame Consularverfassung, Warnkoenig, a. a. O., S. 319 ff., aus dem Exarchate ableitet. Auch die Bürgerschaft des alten Genf hatte 4 sindics oder procureurs jährlich zu erwählen, und ebenso 12 Rathsmänner. Knebel, Chronik aus den Zeiten des Burgunderkriegs, Basel 1851, I. S. 13, vergl. mit S. 22, erzählt, dass, nachdem im J. 1473 Herzog Karl von Burgund zu Trier von Kaiser Friedrich zum König der Niederlande erhoben worden, er den Kaiser um die Errichtung von 4 Herzogthümern in seinem Reiche und Unterordnung von 4 Bisthümern gebeten habe. - Im Chore des Domes zu Basel waren 4 Hauptkapläne, Assisi (Beisitzer) genannt. 3) In der Schlacht bei Granson im J. 1476 hatten die vereinigten Bundestruppen 4 Hauptbanner (principalia baneria), nämlich das des Herzogs Sigmund von Oesterreich, der Berner, Basler und Schwyzer und nach dem Siege wurde an dem Basler Banner der an die bischöfliche Oberherrschaft noch erinnernde rothe Schwenkel abgeschnitten und so das Zeichen der freien Reichsstadt "geviert" gemacht. 4) - Die Seraphim werden in der byzantinischen Kirche auch dargestellt durch 2 verschlungene Ringe mit je 4




    1) Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, V. S. 155, 169, 174, 194 und 197.
    2) Warnkoenig, S. 52.
    3) Knebel, Chronik, I. S. 215, Anm. 67.
    4) Knebel, Chronik, II. S. 66.



Flügeln nach den 4 Weltgegenden. 1) - Das alte Sachsen zerfiel in 4 grössere Gebiete: Westphalen, Ostphalen, Engern und das Land am rechten Ufer der Elbe, das eigentliche Altsachsen, dessen Bewohner Nordalbingier genannt werden. 2) Der sächsische Gau (Bezirk) scheint ebenso geviertheilt und aus jedem Viertheil je ein Mann aus den 3 Ständen der Edelinge, Frilinge und Lassen (!) gewählt worden zu sein, um zu Marklo an der Weser über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten Rath zu pflegen. 3) Auch Wilhelm der Eroberer liess in England im 4ten Jahre einer Herrschaft aus jedem angelsächsisehen Gaue 12 Männer wählen, um zu London das angelsächsische Recht und die angelsächsischen Gesetze auf ihren Eid zu weisen. 4) Strassburg hatte schon in der Verfassung des 11ten Jahrh. quatuor officiati und im 14ten Jahrh. 4 Stettemeister. Zu Bourges, Tours und Angers wurde die städtische Verwaltung bis in das 15te Jahrh. von 4 jährlich gewählten prud'hommes geführt. 5) Eberbach hatte 4 Burgermeister, welche aber durch Urkunde vom 31. März 1361 auf 2 beschränkt wurden. 6) Nach den Anordnungen Karls des Grossen besorgten den regelmässigen llausdienst am königlichen Hofe die 4 uralten Ministerialen, der Cubicularius oder Camerarius, der Marescaleus oder Comes Stabuli (Constabularius, Conne'table), der Senescallus oder Dapifer (Truchsess) und der Buticularius oder Pincerna, Bouteiller (Mundschenk). 7) Nicht blos die fränkischen Könige hatten einen so geordneten Hofstaat, sondern so lange sie bestanden, auch die übrigen germanischen Völker, endlich alle Grossen und Mächtigen des Reiches. Bei dem Bischofe zu Strassburg kam aber




    1) Semper, der Stil, I. S. 69 und Taf. VIII.
    2) Schmid, Gesetze der Angelsachsen, I. (Leipzig 1832) S, LXVI.
    3) Schmid, I. S. LXVII.
    4) Unger, die altdeutsche Gerichtsverfassung, Göttingen 1842, S. 36.
    5) Thierry, récits, I. S. 348.
    6) Mone, Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, IV, S. 164.
    7) Warnkoenig, S. 125, 209 und 210.



noch z. B. als der 5te Oberhofbeamte der Vicedominus hinzu. 1) Homines quatuor nummorum hiessen in Frankreich die Leibeigenen, welche einen jährlichen Kopfzins von 4 Denaren (Capaticum, capitagium) bezahlten. 2) Das osmanische Reich hat 4 oberste Reichswürden, die 4 Stützen des Diwan. Das grosse mongolische Reich zerfiel im 13ten Jahrh. in 4 Khânaten oder Reiche. 3) - Der grosse Baldachin des Hochaltars in der Peterskirche zu Rom wird von 4 broncenen, 122' hohen Säulen getragen und ebenso die Kanzel von den 4 Evangelisten. Der schwäbische Breithut und der Spatzentann-Jäger kommen in einem mit 4 Schimmeln bespannten Wagen daher; 4) auch bei Echzell in Hessen erscheint ein weisses Viergespann des Nachts 5) und ebenso erscheinen in einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 277, zwei feurige Kutschen mit je 4 feurigen Rossen bespannt. In Grötzingen fährt ein König in einer mit 8 Schimmeln bespannten Kutsche um. 6) In einer isländischen Sage führt ein Mann den Namen "Viermännerstärke." 7) - Nach Tit. LX der Lex Salica soll Derjenige, welcher sich feierlich von seiner Familie lossagen wollte, in die Gerichtsversammlung vor den Thunginus (nach Waitz der Centenarius) gehen und hier 3 Erlenzweige über seinem Haupte zerbrechen; diese soll er nach allen 4 Seiten werfen und dabei sagen, dass er sich von Eid und Erbe und allem Verhältniss seiner Angehörigen losmache. 8) - Wenn man von den ersten Früchten der Ernte in die 4 Winkel der Scheune etliche Garben über das Kreuz legt, vermag der Böse nicht zu schaden. Beim Werfen der chrenecruda nach Tit. LVIII (bei Waitz) der Lex Salica musste von dem Todtschläger die von ihm mit der linken Hand über die Schulter, auf der Schwelle des Hauses und in das Haus hineinblickend, auf




    1) Gaupp, deutsche Stadtrechte, I S. 38 und 49, Art. VII.
    2) Warnkoenig, S. 255.
    3) Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 721.
    4) Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie, Il. S. 133.
    5) Wolf, hessische Sagen, Nr. 25.
    6) Baader, badische Sagen, Nr. 208.
    7) Maurer, isländische Volkssagen, S. 273.
    8) Vergl. auch Grimm, Rechtsalterthümer, S. 134.



seinen nächsten Anverwandten zu werfende Erde (chrenecruda, nach Leo cruinneach, gesammelt, und criadh, Erde) aus den 4 Winkeln des Hauses (de quatuor angulos) zusammmengesammelt werden. 1) Konnte weder der Todtschläger noch seine Verwandtschaft für ihn die verfallene Busse bezahlen, musste er in 4 Gerichtsversammlungen vorgeführt werden, um zu erfahren, ob Jemand für ihn bezahlen wolle; geschah dieses nicht, hatte er das Leben verwirkt. - Quadra, griech. , hiess ein in das Kreuz gesschnittenes Brod, jedoch wurde das Brod auch in 8 Theile getheilt oder zuerst in das Kreuz getheilt und dann diese 4 Theile von Neuem durchschnitten. Zwei vollkommen erhaltene und gleiche Brode der letztern Art sind zu Herculanum aufgefunden worden. Eben so achtfach getheilt waren die Brode der ältesten Griechen, die daher von Hesiod , Brode mit 8 Einschnitten genannt werden. 2) Diese Viertheilung des Brodes ist durchaus von der Dorf-, Stadt- und Landtheilung in 4 Theile oder Quartiere nicht verschieden; z. B. war auch Prag bis in das 16te Jahrh. in 4 Viertel getheilt, Unser Frauenviertel nämlich, Leonardiviertel, Niklasviertel und Galliviertel. In dem Mittelpunkte der indischen Dörfer kreuzten sich die Landstrassen und dort befand sich der Dorfbaum (Gramadruma), die heilig gehaltene Banane, daneben gewöhnlich eine Chaultry oder eine Pilgerherberge. Auch die zur Hansa verbundenen Städte theilten sich später in 4 Quartiere, das wendische unter Lübeck, das preussisch-liefländische unter Danzig, das cölnische und das sächsische unter Braunschweig. Als das Haupt der ganzen Hansa galt wenigstens seit dem Ende des 14ten Jahrh. Lübeck. 4) Die äussere Verfassung der Hansa gleicht durchaus derjenigen der deutschen Bauhütten. - Die Handfeste des Abtes Wilhelm von St. Gallen vom 31. Juli 1291 nennt "allez daz laut, daz inrent




    1) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 100 ff.; Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 176 und 281.
    2) Winckelmann, Sendschreiben über die herculanischen Entdeckungen, Dresden S. 45.
    3) Romberg und Steger. I. S. 73.
    4) Eichhorn, III. §. 433, Anm. b.



den vier kriuzen lit." Nach einem alten Herkommen gehörten zu jedem altdänischen Dorfe 4 Feldwege, welche, nach den 4 Himmelsgegenden gelegen, in der Form eines Kreuzwegs den inneren Dorfraum (die Forthe) durchschnitten; 1) jedes Dorf bildete ein längliches Viereck mit 4 Thoren nach den 4 Himmelsgegenden; gleichmässig waren die alten deutschen Städte angelegt. 2) Auf einem alten Plane von Jerusalem aus dem 12ten Jahrh., mitgetheilt von Titus Tobler, Planigraphie von Jerusalem, Gotha 1857, ist auch dieses in 4 gleiche Viertheile eingetheilt, indem von dem kreisrunden Mauerringe 4 Gassen ausgehen, die im Mittelpunkte der Stadt rechtwinkelig zusammenlaufen, so dass von ihnen ein südwestliches, nordwestliches, nordöstliches und südöstliches gleich grosses Feld gebildet wird. Auf einem zweiten, ungefähr gleichzeitigen Plane zerfällt Jerusalem gleichfalls in 4 solche Theile (Tobler, S. 6). Auch Paris hatte im 4ten Jahrh. 4 Thore. 3) Ebenso gaben die Römer, wo die Bodenbeschaffenheit es gestattete, der Grundfläche einer neu anzulegenden Stadt gern die Form eines Viereckes, wie auf diese Weise die Anlegung der alten "Roma quadrata" auf dem capitolinischen Hügel gewiss ebenfalls zu denken ist; das römische templum und die römische Stadt trugen sonach dieselbe symbolische Gestalt, 4) wie überhaupt in der alten Symbolik alle himmlischen und alle irdischen Wohnungen, der Himmel und die Erde, Welten und Welttheile, Länder und Ländertheile, - Länder, Städte, Dörfer und Häuser entweder durch ein Viereck oder durch einen Kreis als die bei ihnen einzig natürliche und regelmässige Gestalt angedeutet werden, in der Wirklichkeit selbst aber in der einen oder der andern Weise gestaltet sind. Eine quadratische Umwallung hatten auch die alten Städte Mesopotämiens und Aegyptens. 5) Die römischen Kriegs-




    1) Maurer, Einleitung, S. 36.
    2) Maurer, S. 38 ff.
    3) Maurer, S. 39.
    4) Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer, II. S. 43.
    5) Braun, Gesch. der Kunst, I. S. 183.



lager und Kastelle bildeten, gleichfalls ein regelmässiges Viereck mit 4 Thoren nach den 4 Seiten, was aus dem Grundrisse der sog. Saalburg bei dem heutigen Homburg, den Guhl und Koner, II. S. 47, gegeben haben, entnommen werden kann. - In den Reliefs der Bogenfelder der Thüren am Münster zu Ulm ist die Bildung der 4 Elemente des Feueres, der Erde, der Luft und des Wassers je durch eine stehende Gottvater-Figur, welche übrigens mehr die Gestalt und Kleidung von Christus angenommen hat, versinnlicht, indem die erste Figur einen neben ihr stehenden Baum hält, welcher aus der Triebkraft des zwischen den Felsen hervorbrechenden unterirdischen Feuers entsprossen ist u. s. w. 1) Von A. Gladisch ist in der Zeitschr. d. d. m. Ges., XV. S. 406 ff., auszuführen kurz versucht worden, es sei uns von dem Neuplatoniker Porphyrios, dem gelehrten Schüler und Nachfolger Plotins, die Ueberlieferung zugekommen, dass die Figur eines von einem Kreise eingeschlossenen griechischen X, also eines 4speichischen Rades bei den alten Aegyptern und darnach auch bei den Hellenen eine tiefe kosmische Bedeutung gehabt habe, - es war wie es heisst, das . Die 4 Speichen des Rades sollten die 4 schöpferischen Elemente des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde, welche die Aegypter, und nach ihnen vor züglich auch Empedokles,als die 4 Grundstoffe der Welt und der Schöpfung betrachteten, - und ihren ewigen Umschwung zwischen Geburt und Tod, Vereinigung und Trennung darstellen. Die Grundstoffe Osiris, Sphairos, werden durch die Feindschaft (Typhon) getrennt und gleichsam zerschnitten, doch werden die getrennten und zerschnittenen Theile stets wieder durch die Liebe (Isis, Aphrodite) vereinigt. Auch der Jynx, ausgespannt über ein 4speichisches Rad und daher von Pindar genannt, wurde bei den Griechen als Symbol der 4 Elemente gebraucht und zwar bezeichneten die beiden nach aufwärts gerichteten Flügel die beiden aufsteigenden Elemente des Feuers und der Luft, - und die beiden Beine die sich senkenden, die schweren und untern Elemente




    1) D. Nunstblatt für 1857. S. 307 a.



der Erde und des Wassers. - Nach dieser Symbolik hatte bei den Aegyptern auch das Sistrum, die Klapper der Isis zur Andeutung der 4 Elemente 4 Querstäbchen. 1) - Ist es keine allzu kühne Deutung, möchte die oben S. 35 berührte, von 2 geflügelten Schlangen mit Falkenköpfen getragene Sonnenscheibe über den ägyptischen Tempelthüren, welche nach Creuzer, I. S. 527, Anm. 320, höchst wahrscheinlich das Symbol des Kneph-Agathodaemon als des ewigen unsterblichen Feuer- und Lichtgottes ist, dem auf einem Viergespanne bei den Griechen und Römern an dem Himmel auffahrenden Licht- und Sonnengotte gleichzustellen sein. Wie dort die 4 an dem Licht- und Sonnenwagen nach den Seiten gewandten Rosse andeuten sollen, dass das Licht durch die ganze Welt und über die ganze Erde nach den 4 Seiten ausströme, wollen hier die 4 Augen der beiden Falkenschlangen, auf deren Rücken gleich einem Wagen die Sonne ruht, denselben Gedanken ausdrücken. In Uebereinstimmung hiermit soll Philo gesagt haben, dass, wenn die Schlange aufblickte, sie in ihrem himmlischen Urlande Alles mit Licht erfüllte, und wenn sie die Augen schloss, allgemeine Finsterniss herbeiführte. Ueber den ägyptischen Tempelpforten ertheilte die schlangenbeflügelte Sonnenscheibe, der Licht- und Sonnengott den Nahenden die beseligende Zusicherung, dass Alle, welche ihn mit aufrichtigem Herzen suchen, auch finden werden; die Sonnenscheibe über dem Mysterientempel rief dem mit drei Schlägen an des Tempels Pforte Einlass fordernden Weisheits- und Zauberlehrling zu: "Klopfe an, so wird dir aufgethan! wie du nahst, wirst du empfangen werden; was du verlangest und verdienest, wirst du sicher finden, denn hier gilt nur die Reinheit, das Recht und die Wahrheit!" Ebenso dürfte gesagt werden, das sich stets wiederholende Lichtsymbol der ägyptischen Tempel, worauf die Blicke der Eintretenden fallen mussten und das gleichsam in der Sehlinie lag, habe die warnende Aufforderung verkündet, dass Keiner weiter schreiten und dem Götterbilde näher treten möge, der sich nicht rein von Schuld und Fehle fühle, - dass




    1) Creuzer, Symbolik, I. S. 516 (der 2ten Ausgabe).



das Menschliche und Sündliche zurücklassen und ablegen müsse, wer das Göttliche umfassen wolle. - Unwillkürlich wird man gedrängt, in diesen symbolischen, ja scheinbar mystischen Kreis auch den mit vier Nägeln durch die beiden Hände und Füsse an das Kreuz genagelten sterbenden Christus zu ziehen, indem er den Tod des aus den 4 Elementen geschaffenen Menschen mit der Hoffnung seiner Wiederauferstehung ausdrückt. Eine andere, nahe liegende symboliche Bedeutung hat es, wenn Christus mit 3 Nägeln an das Kreuz genagelt und seine Dornenkrone aus 3 Dornen geflochten ist. 1) - Wenn Christus nur mit 3 Nägeln angenagelt ist, wie z. B. auf dem aus dem Beginne des 15ten Jahrh. stammenden Reliquienkästchen des h. Fridolin zu Glarus, 2) zwischen der Jungfrau und Johannes d. E., sind natürlich die beiden Füsse über einander gelegt und von einem gemeinsamen Nagel durchbohrt. Es ist dabei noch zugleich hervorzuheben, dass der zur linken Seite des Kreuzes stehende Johannes ganz im maurerischen Lehrlingszeichen gleichsam steht oder die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hat, während Maria die Hände betend zusammenfaltet. Eine ganz ähnliche Darstellung der Kreuzigung wie auf dem Reliquienkästehen zu Glarus befand sich früher auch an einem Thore zu Ulm, welche Mauch im deutschen Kunstblatte, 1856, S. 168, beschrieben hat. - In dem äussersten südlichen gemalten und noch erhaltenen Fenster der vormaligen Cistereienser-Abtei Cappel im Kanton Zürich erblickt man gleichfalls in dem mittlern Felde den Heiland am Kreuze, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das Schiff der in schönem gothischen Style erbauten Abteikirche wurde von 12 Säulen getragen und hatte auf jeder Seite 6 grössere obere und 6 kleinere zierliche Abseiten-Fenster. Im Anfange des 13ten Jahrh. veranlasste Abt Wido von Cappel die Uebertragung der von ihm oder schon vor ihm aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzten berühmten Legende Barlaam und Josaphat in




    1) Schnaase, IV. S. 389 und 392.
    2) Anzeiger für schweizer. Gesch. und Alterthumskunde für 1862, S. 22.



die altdeutsche Sprache 1) durch Rudolf von Ems zwischen 1220 - 1223. Diese Legende ist nicht ohne maurerische Bedeutung und verherrlicht den Sieg des Christenthums. Um den Bau des Klosters zu befördern, hatte der Weihbischof von Constanz durch Urkunde vom 26. Sept. 1281 einen Ablass von 80 Tagen für alle Die gegeben, welche Sand und Steine zum Klosterbau zutragen oder herbeiführen. 2) In einer Cappeler Urkunde von 1285 (Nr. 128) wird ein Jakob Cementarius (Steinmetz) genannt. In dem dritten Bande der Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich ist gleichfalls eine kurze Geschichte des Klosters Cappel, zumeist nach Bullinger, von S. Voegelin mit einigen Abbildungen enthalten, welcher in Bd. II. von H. Escher voranging: Stiftung von Cappel und Herrn von Eschenbach. - In der Sacristei von St. Severin zu Köln befindet sich ebenfalls Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes, so dass Allem nach Christus, Maria und Johannes der Evangelist als eine der beliebtesten mittelalterlichen Kunstdarstellungen erscheinen. 3) Ein Tafelgemälde mit Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes nebst 7 andern Aposteln befindet sich im Museum zu Köln; 4) ein ähnliches Bild ist im Besitze der Pinakothek zu München und des Dr. Förster, 5) der Gallerie zu Darmstadt u. s. w. und auch mehrfach zu Nürnberg zu treffen, 6) zu Constanz, 7) an den bekannten Extersteinen, d. i. Elstersteinen am Fusse des Teutoburger Waldgebirges. 8) - Bei dem 4geflügelten gnostischen Zeitgotte Aeon, welcher neben dem Schlüssel besonders einen Messstab (baculus) trägt, 9) sind die 4 Flügel gleich-




    1) Mohr, Regesten (der Cistereienser-Abtei Cappel) I. S. 2, Nr. 7 Anm.; Kurz, Leitfaden der Gesch. der deutschen Literatur, S. 48.
    2) Mohr, Regesten, I. S. 10, Nr. 116 und 117, vergl. mit Nr. 68 und 122, 353.
    3) Schnaase, VI. S. 431.
    4) Schnaase, VI. S. 433, vergl. mit S. 462 oben.
    5) Schnaase, Vl. S. 463.
    6) Schnaase, Vl. S. 590 ff., 502.
    7) Schnaase, Vl. S. 506.
    8) Otte, a. a. O., S. 156.
    9) Böttiger, Ideen zur Kunstmythol., I. S.253 und 158, vergl. mit Taf. II, Fig. 5, Taf. III, Fig. 8.



falls wohl auf die 4 Elemente oder dann auf die 4 Zeiten des Jahres und die 4 Weltzeitalter zu deuten. Mit einem Zeitmesser, einem Massstabe, hatten auch schon die Aegypter den Thot-Hermes dargestellt. 1) Zu Karnak fand Brugsch, Reiseberichte, S. 129, durch 4 Götter die 4 ägyptischen Sinne des Geschmacks, Gefühls, Gesichts und Gehörs dargestellt. Einen überraschenden Anklang an den 24zölligen Massstab, an die 24 Stunden des Tages mit ihren 4 Untertheilen findet man noch jetzt in den Saterländern. Ein Itemal, ostfriesisch Aetemal, sind 24 Stunden, ein halb Itemal 12 Stunden und ein Viertel-Itemal 6 Stunden. Fragt man, wie weit ein Ort sei, wird geantwortet: ein Viertel-Itemal. 2) Nach dem Freimaurerthum in seinen 7 Graden, Leipzig 1857, S. 20, dessen Darstellungen jedoch als wahr und getreu sehr zu bezweifeln sind (obwohl mir von einem Besucher und Kenner vieler Logen Englands allerdings dessen volle Glaubwürdigkeit versichert worden ist), würden die jetzigen englischen Logen die 24 Stunden des Tages in 3 Theile eintheilen, wovon 8 Stunden kommen auf den Dienst Gottes und eines leidenden Bruders, 8 Stunden auf unsere Privatgeschäfte und 8 auf Erfrischung und Schlaf. 3) Der germanischen Weltkuh Audhumbla steht bei den Indern die weise-, blau- und braunfarbige Wunderkuh Kâmadhenus mit Flügeln und dreifachem Schwanze gleich, die Urmutter aller lebenden Wesen, deren Mund der Ganges und deren Brust 4 Milchströme entsprangen. 4) Renand, S. 228 Anm., glaubt, dass von dieser Kuh und ihren 4 Eutern, einem Symbole der Erde, die 4 Ströme des Paradieses ihren Ursprung genommen haben. An den 4 Füssen des Thrones des Zeus von Phidias waren 4 Siegesgöttinnen angebracht und stellten dadurch den Gott als den Allesbesiegenden dar. 5) Tigranes, König von Armenien, liess




    1) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, Il. S. 170 unten.
    2) Klemm, germanische Alterthumskunde, Dresden 1836, S. 80, Anm. 6.
    3) Vergl. Symbolik I. S. 126 ff.
    4) Renand, nouvelle symbolique, Bruxelles 1861, S. 53; Wollheim, Mythologie des alten Indien, S. 163.
    5) Böttiger, Andeutungen, S. 102.



sich von 4 Königen aufwarten, die seine Vasallen waren. 1) Jedenfalls werden auch alle altchristliche Symbole um so leichter und besser verstanden, je mehr sie an die alte heidnische Symbolik angeknüpft werden, wie z. B. die 3 Nägel und 3 Dornen Christi an die 3gestaltige, 3köpfige, 3leibige Hekate 2) (in coelo Luna, in terra Diana, apud inferos Hecate) angeknüpft werden dürfte. Horatius, carm. III. 22, ruft zur Diana:

Montium custos nemorumque, Virgo,
Quae Iaborantes utero puellas
Ter vocata audis adimisque leto,
Diva triformis.

Ramler übersetzt:

Göttin, die du Wäldern und Bergen vorstehst,
Und von Leibesbürde gedrückte Jungfrauen,
Dreymal - o Dreyfaltige! - angerufen.
Hörest und rettest.

Bei Virgil Aen. 4, 511 heisst es: Tergeminamque Hecaten, tria virginis ora Dianae. Daran schliesst sich bei Horatius epist. I. 1, 36:

sunt certa piacula, quae te
Ter pure lecto poterunt recreare libello.

Theocrit Idyll. 2, 43 spricht: " " - Tibull 1, 2, 56 ruft: Ter cane, ter dictis despue carminibus. - Die 3 christlichen Nägel (welche sich auch am Altarbilde zu Wechselburg in Sachsen finden) 3) und Dornen möchten demnach keineswegs auf die 3 göttlichen Personen, als vielmehr etwa auf das Leben, Sterben und die Wiederauferstehung Christi, - auf die Erde, die Unterwelt und den Himmel, - auf den dreimal Heiligen und Anbetungswürdigen, - auf Den, der da ist, da war und da sein wird, zu deuten sein. Uebrigens ist auf einem Mosaikboden im Dome zu Hildes-




    1) Winckelmann's Werke, IV. S. 139.
    2) Vergl. deren Darstellungen bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II.
    3) Schnaase, V. S. 753.



heim ein dreifaches Gesicht das Symbol der Dreieinigkeit, 1) eine Darstellung, welche Papst Urban VIII. im J. 1628 als ketzerisch verbot. 2) Im tiroler Pusterthale auf der Höhe Aufkirchen steht seit dem J. 1340 eine Wallfahrtskirche mit einem hochverehrten 7köpfigen Muttergottesbilde, nach Alpenburg, deutsche Alpensagen, S. 307, zum Symbole der 7 Schmerzen Marias, wie deshalb im Pusterthale die schmerzhafte Mutter Gottes auch mit 7 Schwertern nach Lukas 2, 35 dargestellt werde. Auf einem Mosaikboden des Chores von St. Remy in Rheims befand sich die Erde, eine männliche, auf dem Okeanos sitzende Gestalt, umgeben von den 4 Paradiesesströmen, 4 Jahreszeiten und 4 Cardinaltugenden, so wie weiterhin von 12 Monaten und Sternbildern. 3) Wie sehr die heidnische, man möchte sagen die maurerische Symbolik in die christliche hinübergreife, zeigt in England besonders der aus dem Ende des 13ten Jahrh. stammende Engelchor zu Lincoln, worüber Schnaase, V. S. 777 ff., geistvoll berichtet. Gott Vater, der bärtige Alte der Tage mit der Leier (des Orpheus) in der Linken, ist damit dargestellt als das ewige Weltgesetz und die ewige Weltharmonie, nach dessen Spiel die Sterne unwandelbar ihre Bahnen ziehen, den Welttanz tanzen und dem Ewigen ihre Lobgesänge singen. Ein Engel hält Sonne und Mond empor zum Zeichen, dass sie in dem himmlischen Jerusalem nicht mehr untergehen, sondern ewig leuchten und als die beiden Säulen Jakin und Boaz unerschütterlich stehen werden. Die Dornenkrone, die Lanze und der Schwamm werden von Engeln als die Dreizahl der Leidenswerkzeuge emporgehoben. Neben Christus als dem Weltrichter steht ein Engel mit der (goldenen) Wagschale (des Zeus). Zeus hat auch die Wagschale, womit er den Sterblichen ihr Schicksal bestimmt und zutheilt. 4) Homer, II. VIII, 69 ff. heisst es:




    1) Schnaase, V. S. 718.
    2) Schnaase, IV. 1. S. 394.
    3) Schnaase, V. S. 719.
    4) Homer, II. XVI, 658 und XIX, 223.



Siehe, hervor nun streckte die goldene Wage der Vater,
Legte hinein zwei Loose des lang hinbettenden Todes,
Troja's riesigem Volk und den erzumschirmten Achaiern,
Fasste die Mitt', und wog: da sank der Achaier Verhängniss,
Dass der Achaier Gewicht zur nahrungssprossenden Erde
Niedersank, und der Troer zum weiten Himmel einporstieg.

Aehnlich erzählt Homer, II. xxiii 209 ff.:

Siehe, hervor nun streckte die goldene Wage der Vater,
Legte hinein zwei Loose des lang hinbettenden Todes,
Dieses dem PeIeionen, und das dem riesigen Hektor,
Fasste die Mitt', und wog: da lastete Hektors Schicksal
Schwer zum Aïdes hin; es verliess ihn Föbos Apollon.

Die letztere Stelle ist der Stoff zu einem in dem Alterthum berühmten Trauerspiele des Aeschylus, die Seelenabwägung () geworden, worin Zeus durch Hermes die Todesloose des Achilles und Hektor abwägen liess, und ebenso zu einigen noch vorhandenen Bildwerken der Malerei in Thon. 1) - Von der Seelenwage (balance des oeuvres) wird zufolge Volney, ruines, Paris 1792, S. 191 und 138, auch bei den Muhamedanern gesprochen und darauf werden die Seelen nach ihrem Tode gewogen. In dem Portale der Kathedrale zu Autun werden die Seelen der durch die Auferstehungsposaune aus ihren Gräbern Erweckten zwischen Teufeln und Engeln abgewogen und gehen je nach dem Ergebniss in das Höllenfeuer oder in den Himmel ein. 2) In dem lateinischen Psalterbuche des 10ten Jahrh. in der Bibliothek zu Stuttgart hält Gott Vater aus einer Wolke ebenfalls die Wage herab. 3) Diese Seelenwage möchte im Abendlande durchaus ägyptischen Ursprunges sein und deshalb kann der von A. Weber im literarischen Centralblatte für 1861, S. 718, gegen Spiegel, die traditionelle Literatur der Parsen, S. 189, aufgestellten Behauptung nicht zugestimmt werden, dass die Todtenwage, welche wenigstens im Çatapatha Brâhmana gleichmässig wiederkehre, arisches Gut




    1) Böttiger, Ideen zur Kunstmyth., II. S. 102.
    2) Vergl. die Abbildung bei Schnaase, IV. 2. S. 525.
    3) Deutsches Kunstblatt, 1855, S. 32.



sei. Da die Aegypter ihre Todtenwage, welche z. B. auch in dem Ptolemäertempel von Der el medineh bei Theben mit den 42 Todtenrichtern erscheint, 1) indem das Herz gegen die Wahrheit abgewogen wird und der zweimal grosse Thot, der Gerichtsschreiber der grossen Götter im Gerichtssaale. das Ergebniss der Wägung aufschreibt, um es dem Osiris vorzulegen, kaum von den Indern entlehnt haben, müsste sie jedenfalls eine gemeinsame Vorstellung der Urmenschheit sein. - Die Rose, welche in der christlichen Symbolik eine so bedeutende Stelle einnimmt, namentlich auch in der gothischen Architektur besonders in den Façaden, oder über den Portalen als die grosse Fensterrose mit dem schönsten Masswerke erscheint, 2) ist der griechischen und germanischen Symbolik gleichmässig entlehnt. Als Fensterrose möchte es die Mysterienrose, das Symbol des in der Kirche zu beobachtenden heiligen Stillschweigens sein, und von dem germanischen Rosenlande und Rosengarten möchte es abzuleiten sein, dass man die Rose im Mittelalter als das Symbol des himmlischen Jerusalems betrachtete, wie auch Dante in seinem Paradiese die Versammlung der Heiligen in Gestalt einer Rose schauete. 3) Der Kronleuchter von Rheims, das Symbol des leuchtenden Himmelslichtes, bildete eine zwölfblättrige Rose mit 12 Thürmchen zum Zeichen der 12 Thore, 12 kleinen Propheten und 12 Apostel, - der Leuchter zu Aachen eine achtblättrige Rose mit 16 Thürmchen, die letztere hinweisend auf die 4 Eckthürme vielleicht mit den 4 grossen Propheten oder 4 Evangelisten und die 12 Thore mit den 12 Aposteln; durch die Zusammenstellung von je acht Thürmchen sollten die acht Verheissungen der Seligkeit bezeichnet werden. Myrthen und Rosen, die Blumen der Liebe, deuteten in den Mysterien auf Tod und vereinigten in einem sinnvollen Symbole die Liebe, das süsseste Streben des Herzens, mit dem die Liebe und die Liebenden so schnell dahin raffenden Tode und




    1) Brugsch, Reiseberichte, S. 313.
    2) Vergl. die Abbildungen bei Lübke, S. 397 ff.
    3) Schnaase, V. S. 789 ff.



Untergang. 1) Zufolge Winckelmann, Allegorie, S. 80, soll die Rose auf Grabsteinen besonders den frühzeitigen Tod bezeichnen. Winckelmann erinnert dabei an das schöne Bild von der Aurora, die ein Kind in ihren Armen davonträgt, und an den von der Aurora entführten Cephalus; das Bild soll, aus der Gewohnheit, junge Leute vor Tag zu begraben, entlehnt sein, - ihr Grab und ihre Ruhestätte ist die Morgenröthe. Von der Rose, welche Rückert, brahmanische Erzählungen, S. 333, als Frühlingsrose mit den Worten begrüsst:

O Gärtner, Frühling, komm, und rüste deinen Flor!
Die Braut, die Rose, naht; thu auf das Gartenthor!

gilt der Spruch eines deutschen Mystikers:

Aller der welte fröide nimmt ende mit swêrem herzenleide. 2)

Schon die Sappho (um 600 vor Chr.) nennt die schönen Mädchen Rosen (Fr. 146, 65). Mimnermos (Fr. 2) sprach, dass unsere Jugendblüthe kurz sei, wie das Wachsthum der Blätter im Frühling. Apollo bei Homer, II. XXI, 464 spricht von elenden Sterblichen, die dem Laube gleich, jetzt von der Erde genährt voll Leben wachsen, bald aber dem Geschick erliegend hinschwinden. Vielleicht war auch schon in vorchristlicher Zeit das so sehr an die Vergänglichkeit mahnende Fest der Sonnenwende eine Todtenfeier, ein Allerseelenfest, an dem die Gräber der geliebten Dahingegangenen mit Blumen und grünen Kränzen geschmückt wurden. So wird noch jetzt das Johannisfest zu Leipzig gefeiert 3 und gleicht darin in aller und jeder Hinsicht der Feier des Allerseelenfestes vom 2. November in den katholischen Ländern und Städten, z. B. zu München. Berühmt ist der sog. tausendjährige Rosenbaum an der Gruftkapelle des Doms zu Hildesheim, dessen Wurzelstock nach genauen urkundlichen Nachrich-




    1) Schubert, Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft, Stuttgart 1833, S. 54.
    2) Pfeiffer, Germania, III. S. 226 a unten.
    3) Gartenlaube für 1861, S. 460.