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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel V., Teil 3, Seiten 351 - 400

Die deutschen Bauhütten.

ten ein achthundertjähriges Alter hat. 1) In einer Sage bei Stöber, Sagen des Elsasses Nr. 105, erhält ein Mädchen von dem sie unerhört liebenden Berggeiste eine silberne Rose zum letzten Geschenke, welche sich jedes Mal öffnet, wenn der Familie ein Glück zu Theil werden soll, und schliesst, wenn ihr ein Unglück naht. Wie weisse Rosen oder Lilien den bevorstehenden Tod anzeigen, z. B. den Domherrn zu Lübeek und den Klosterbrüdern zu Corvei, 2) verkündet die als weisse Frau erscheinende Perchta von Rosenbeirg in manchem Schlosse einen kommenden Todesfall. 3) Am Feste der Geburt Mariä zu Rom erscheinen diejenigen Mädchen, welche den Schleier wählen wollen, in weissen Kleidern mit einem grossen Kreuze auf der Brust und mit einem Rosenkranze auf dem Haupte. Die deutsche Maria zum Rosenhage ist in Italien die Madonna del Rosario, wie z. B. die berühmte Künstlerin Elisabetha Sirani aus Bologna, eine Schülerin des Guido Reni, in deren Kapelle nach ihrer Vergiftung beigesetzt wurde. 4) Die Mythe von dem Raube der blumensuchenden und auf der schönen Wiese spielenden Persephone durch Hades hatte auch blos den tiefern Sinn, dass die Menschen mitten unter Blumen und Spielen der Tod erhasche und in die Ewigkeit hinüberführe, - dass selbst die Göttinnen dem Todessehicksale erliegen. 5) Der Raub der Persephone war deshalb auch eine sehr beliebte Darstellung auf den römischen Sarcophagen. 6) Nach der Sage werden in Hessen zu Eberstadt aus dem Kinderbrunnen die Mädchen in Rosenblättchen, die Buben in wilden Dornrosen geholt. 7) Zufolge der davon durch Dautzenberg bei Wolf, Zeitschrift, I. S. 177, gegebenen Beschreibung wird auch das Mariahimmelfahrtsfest in Limburg als ein wahrhaft rührendes Blumenfest gefeiert, wobei unter den zu




    1) A. v. Humboldt, Ansichten der Natur, II. S. 116 und 117; Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 457.
    2) Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 164, 163.
    3) Grimm, I. Nr. 267.
    4) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 91.
    5) Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 159.
    6) Schnaase, II. S. 507.
    7) Wolf, hessische Sagen, Nr. 211.



einem grossen Strausse gewundenen Blumen bedeutungsvoll besonders das Donnerkraut hervortritt. Vor dem Beginne des Hochamtes werden die zur Kirche mitgebrachten Sträusse von Blumen und Kräutern feierlich geweiht und dann als Schutzmittel gegen Gewitter aufbewahrt und allmählich verbrannt. In Tyrol werden ebenso entweder am Feste der Geburt (3. September) oder der Himmelfahrt (am 15. August) Maria's die Blumen und Kräuter gesegnet. 1) In ganz Spanien wurde einstens die Johannisnacht als eine heilige gefeiert und man pflückte Kleeblätter und Eisenkraut, welche man als Talismane in den Häusern bewahrte, damit sie zu Weihnachten aufs neue grünen möchten. 2) In Rio de Janeiro wird das Johannisfest besonders mit Feuerwerk gefeiert, wie Bibra, Reise in Südamerika, I. (Mannheim 1854) S. 125 und 126, berichtet; ähnlich geschieht es in Florenz. 3)

Die gleichmässige Aufnahme der heidnischen Symbolik durch die Christen 4) und durch die Maurer beweiset das Hervorgehen der letztern aus dem Heidenthum und ihren lebendigen oder ununterbrochenen Zusammenhang mit demselben. Wie übermächtig die heidnische Symbolik das ganze Mittelalter ergriffen hatte, beweiset vor Allem auch der Umstand, dass man dieselbe selbst untergeordneten Hausgeräthen aufdrückte, wie in der Sammlung des Hotel Cluny z. B. ein Waffeleisen aufbewahrt wird, an welchem, in ganz erträglichem Style, anscheinend aus der Mitte des 13ten Jahrh., die Trinität und Scenen aus dem Leben des Heilandes dargestellt sind. 5) Selbst den dreifachen Hammer- und Donnerschlag finden wir bei Homer, II. VIII, 167 ff.




    1) Wolf, Zeitschr, S. 282 und 333.
    2) Ausland für 1833, S. 155 b.
    3) Ausland für 1833, S. 384.
    4) Vergl. darüber auch Heider, die romanische Kirche zu Schöngraben in Nieder-Oesterreich, ein Beitrag zur christlichen Kunstarchäologie, Wien 1855; deutsches Kunstblatt, 1855, S. 96 ff. und S. 109 ff. (A. von Eye, Grundzüge der deutschen Ornamentik); Piper, Mythol. und Symbolik der christlichen Kunst, Berlin 1856, 2 Bde.; deutsches Kunstblatt, 1856, S. 95 ff.; Otte, Handbuch der christlichen Kunstarchäologie, Leipzig 1854.
    5) Schnaase, V. S. 806.



Dreimal sann er (Diomedes) umher in des Herzens Geist und Empfindung;
Dreimal scholl vom Ida das Donnergetön des Kronion,
Troja's Volk ankündend der Schlacht umwechselnden Siegsruhm.

Professor Piper in Berlin, welcher zur Erforschung der christlichen Kunstdenkmale mit königlicher Unterstützung weite Reisen gemacht, hat vorzüglich in dem ersten Bande seiner Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst den Beweis geleistet, wie eine Menge religiöser Vorstellungen und künstlerischer Anschauungen aus der griechischen und römischen Mythologie in das Christenthum übergegangen sind und zwar in einer doppelten Weise, dass mythologische Personen und Gegenstände einerseits als Typen für christliche Vorstellungen dienten, andererseits in ihrer eigentlichen mythologischen Bedeutung unter christliche Darstellungen aufgenommen wurden. So wurde z. B. das Zeusideal zur Darstellung für Gott-Vater und der Typus des Apollo, Herakles und Orpheus für Christus benutzt; 1) ferner der Hesperiden-Baum mit dem Drachen für den Paradiesesbaum, Heliosaufgang für Elias Himmelfahrt, Hermes Kriophoros für Christus als den guten Hirten. - Ferner finden sich die 3 grossen oder kleinen Lichter als Gott Vater zwischen Sonne und Mond zu Tribsees, einer kleinen Stadt in Neuvorpommern, 2) wobei Sonne und Mond sofort auch wieder in Adam und Eva, in die männliche und weibliche Menschheit übergehen. Der Löwe, der Löwenkopf und Löwenrachen bei Brunnen oder bei Wasserabflüssen und Wasserableitungen, namentlich auf den Dächern der Dome und der Kirchen, entstammen der ägyptischen Symbolik und bezeichneten hier, dass die Ueberschwemmungen des Niles beginnen, wenn die Sonne im Zeichen des Löwen stehe. 3) Solche Löwenköpfe mit offenem Maule zur Ableitung des Regenwassers




    1) Piper, a. a. O., I. S. 37 - 158; Winckelmanns Werke, IV. S. 108 ff. und 162 ff.
    2) Schnaase, VI. S. 510.
    3) Rich, Wörterbuch, unter Antefixa.



auf den Tempeln anzubringen, lehrte Vitruv, und es sind auch solche im Herculano gefunden worden; 1) auch an dem Gebälke auf 3 Säulen im Campo Vaccino hat sich die Cornische mit den Köpfen erhalten. Die Herme, welche sich in Löwenpfoten endigt, auf einem Gemälde zu Hereulanum 2), soll vielleicht auf Hermes, den Bringer des Regens deuten. Auch gehört hierher die schöne Abhandlung: Der Teufel und seine Gesellen in der bildenden Kunst, Studien von P. M., im deutschen Kunstbl., 1856, S. 301 ff., fortgesetzt im K.-Bl. für 1857. Im Mittelalter wurde der Fürst der Finsterniss, Imperator daemonum, mit 3 Häuptern oder vielmehr Angesichtern gebildet, oft mit jedem Mund einen armen Sünder zermalmend; auch stellte man der himmlischen Trinität eine diabolische in 3 furchtbaren, menächmisch sich gleichenden Gestalten entgegen. Dies erinnert an einen Spruch im Hitopadesa, nach der Uebersetzung von Max Müller:

Von sehr guten und sehr schlechten Thaten erhält man den Lohn in 3 Jahren, 3 Monaten, 3 Halbmonden oder 3 Tagen.

Nach einer Sage bei Alpenburg, deutsche Alpensagen, Wien 1861, Nr. 114, fallen einer Mutter bei der Arbeit im Augenblicke, da im Walde ihr Kind von Juden ermordet und sein Leichnam an einer Birke aufgehängt wird, drei warme Blutstropfen 3) aus den Wolken auf die Hand, worauf sie forteilt und den Leichnam findet; als das Kind begraben war, entsprossten dem Grabe in jedem Winter drei frische Lilien und die Birke blieb durch 7 Winter grün. - Zu Breittenwang bei Reutte, wo Kaiser Lothar II. bei seiner Rückkehr von dem Römerzuge aus Italien starb, spukt auf dem Friedhofe eine weisse Frau; sie wirft Denen, welche zur Nachtzeit am Friedhofe hinwandeln, einen schneeweissen und eiskalten Leilaken oder ein Todtenhemd über, das fest haftet und nicht mehr abge-




    1) Winckelmann's Werke, I. S. 287 und S. 419 unten.
    2) Winckelmann's Werke, III. S. 271, Anm. 31.
    3) Drei Blutstropfen erscheinen auch in der Sage Nr. 223 bei Alpenburg, so wie im Parcival des Wolfram.



schüttelt werden kann, dass sie nach 3 Tagen eine Leiche sind. 1) - In dem Schloss Runkelstein in Tyrol sind noch viele Wandmalereien aus dem bretonischen Sagenkreise, immer zu dreien, erhalten; z. B. die 3 besten Ritter, Parcival, Gawan und Iwein, - die 3 stärksten Riesen und 3 ungeheuren Weiber, - die 3 besten Liebespaare und die 3 besten Schwerter u. s. w. 2) Das Petermännehen zu Schwerin wird erlöset, wenn man 3 Mal mit ihm ringt oder wenn sein Bart 3 Mal um einen grossen Block gewachsen sein wird. 3) Im Silberberge bei Schwerin liegt ein grosser Schatz, welchen Derjenige heben wird, der Nachts um 12 Uhr stillschweigend einen schwarzen Bock, eine schwarze Katze und ein schwarzes Huhn opfert. 4) Eine im 15ten Jahrh. beliebte Gruppe war auch in Deutschland diejenige der 9 guten Helden, nämlich der 3 jüdischen, Josua, David und Judas Makkabäus, der 3 heidnischen, Hector, Alexander und Julius Cäsar, und der 3 christlichen, Chlodowig, Karl der Grosse und Gottfried von Bouillon. 5) Die 3 Mal 3, oder die Neunzahl sind hier sehr bezeichnend und erinnern einigermassen an die 9 Meister, welche die Leiche des Hiram aufsuchen und die in den höhern Graden des altschottischen Systems zu den 9 Stiftern des Templerordens (militia Christi, wie er sich wohl unzweifelhaft nach den milites Mithrae nennt) 6) geworden sind, die übrigens vielleicht wirklich geschichtlich sind und also angegeben werden: Hugo von Payens (auch Pahens oder de Paganis), Gottfried von St. Omer, Rossal (Roral), Bisol, Payen de Montidier, Archimbald de St. Agnan, Montbard, Gondemare und Hugo I., Graf von Champagne, welcher letztere indess erst später den acht erstgenannten Rittern beigetreten sein soll. 7) Die historische




    1) Alpenburg, Nr. 148.
    2) Schnaase, VI. S. 395.
    3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Leipzig 1848, S. 2.
    4) Kuhn und Schwartz, S. 11.
    5) Schnaase, VI. S. 493.
    6) Chowanetz, die gewaltsame Aufhebung und Ausrottung des Ordens der Tempelherren, Münster 1856, S. 5.
    7) Chowanetz, S. 1.



Sage hat gewiss eine symbolische Unterlage oder ist eine zu bestimmten Zwecken gemachte und ersonnene. Wir würden die geschichtlichen oder in jedem Geschichtswerke über den Templerorden, die fratres templi, aufgezählten Namen kaum genannt haben, wenn nicht auch diese eines der sog. (öffentlichen) Geheimnisse der Freimaurerei ausmachen würden und sollten. - Der Bärlapp, eine Moosart, heisst Neunheil, Johannisgürtel, Drudenfuss. - Libyen wird bei den Aegyptern genannt das Land der 9 Bogen. 1) Die drei Freudensprünge, welche die Frühlings-, die Ostersonne zu verschiedenen Zeiten machen soll, 2) sind nur die drei Sprünge, womit der über ihren aufgehenden Anblick erfreute Mensch selbst sie begrüsst. - Auf byzantinischen und mittelalterlichen Handzeichnungen und Miniaturen erscheint der die Welt richtende Christus thronend auf einem dreifarbigen, - roth-gelb-grünen Regenbogen.

Wann der jüngste Tag will werden,
Da fallen die Sternlein auf die Erden,
Da kommt der liebe Gott gezogen
Auf seinem schönen Regenbogen. 3)

Im Gylfaginning werden dem Regenbogen, der Bifröstbrücke, gleichfalls nur 3 Farben zugeschrieben. Die drei Gürtelsterne im Sternbilde des Orion heissen beim Volke der Jakobsstab, offenbar ein anderes Bild der dreisprossigen Jakobsleiter, - des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, mit denen der Mensch über die Erde und in den Himmel wandern soll. Die drei Sterne werden auch der Petersstab genannt; 4) denn sie öffnen des Himmels Pforten, sie sind der Schlüssel in des Himmelspförtners Petrus Hand. - Im Pflanzenreiche erscheint die Dreifaltigkeitsblume. 5) - Die Friesen sollen unter ihren drei Stammführern Switer, Swei und Hasius nach dem jetzigen Kanton Schwyz, Schweiz und nach dem Haslithale gezogen




    1) Brugsch, Reiseberichte, S. 231, 305 und 308.
    2) Symbolik, I. S. 481; L. Bechstein, Mythe, Sage, Märe und Fabel, I. (Leipzig 1854) S. 67.
    3) Bechstein, I. S. 88 und 224.
    4) Bechstein, I. S. 90.
    5) Bechstein, I. S. 143.



sein und dem Lande und dem Thale den Namen gegeben, auch die Tellensage aus Dänemark dahin gebracht haben. 1) - Sehr betrachtenswerth ist eine byzantinische Malerei an einer Kuppel zu Athen, wovon Semper, I. Taf. VIII, eine farbige und sehr schöne Abbildung gegeben hat. In einem dreifachen Kreise, in blauem Himmelsgrunde, dessen Mittelpunkt ein auf die Spitze gestelltes grünes Quadrat bildet, thront Christus auf dem goldenen Regenbogen, mit der Rechten in griechischer Weise oder mit dem vereinigten Daumen und Zeigefinger segnend und in der Linken den von seinem Blute überströmenden Kelch haltend; Christus hat rothes Haupt- und Barthaar und sitzt auf einem rothen goldbekränzten oder begrenzten, mit den Symbolen der 4 Evangelisten geschmückten Stuhle; unten der Löwe und der Stier, oben der Adler (Johannes) mit dem Buche links und rechts ein in dem Buche schreibender Mensch. 2) Im zweiten Kreise ist Christus von 9 Kreisbildern umgeben, mit 6 Bildern, in welchen die Dreizahl herrscht. - Auch die gebrochene Säule und das gebrochene oder zerstörte Tempelhaus der Maurer gehörte gewiss der vorchristlichen Symbolik schon an und wurde bei den Christen zu dem nahe liegenden Symbole des durch das siegreiche Kreuz oder Christenthum gebrochenen und überwundenen Alterthums und Judenthums. So hatte die Sabina am Münster zu Strassburg das Judenthum neben der christlichen Kirche, das Haupt gekrönt, in der Rechten das Kreuz, in der Linken Kelch und Hostie haltend, dargestellt: mit verbundenen Augen und gesenkten Hauptes, in der Rechten einen gebrochenen Pfeil haltend, ihr zur Linken die zerbrochenen Steintafeln des mosaischen Gesetzes. 3) - Dass die Dreizahl, die erste Verhältnisszahl, dem ganzen Baue des menschlichen Körpers und seiner Glieder zu Grunde liege, daher auch für die Kunst von der höchsten Bedeutung sei, hat Winckelmann, Gesch. der Kunst, II. Buch V, Cap. 4. §. 3 ff.,




    1) Bechstein, I. S. 197.
    2) Vergl. Symbolik, I. S. 600; Renand, nouvelle symbolique, S. 228 Anm.
    3) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 47.



sinnig bemerkt. In der Baukunst, wohin hier auch die keramische Baukunst begriffen werden darf, begegnet die Dreizahl sehr häufig: 3 Füsse, 3 tragende Thiere oder Menschen, 3 Hängeketten, 3 Stufen, 3 Eingänge oder Nischen, 3 Flügel der Gebäude, 3 Kirchenschiffe, 3 Stockwerke, 3 Thürme, 3 Fenster und Fensterrosen, der Dreipass, das Triforium, die Triglyphe, der Dreischlitz, der Dreispitz, 3 Ecke, 3 Arme, 3 Kreise und 3 Kugeln, 3 Strahlen, 3 Sterne, 3 Blumen. Otte, S. 13, zufolge dürfte es als typisch im Allgemeinen anzusehen sein, dass, wie bei dem Dome zu Merseburg, bei dem Basilikenbau das Schiff die dreifache Länge des Chorquadrates haben solle. Triptycha heissen die Altäre mit 3 Flügeln. 1) Dreisitze für den Priester und 2 Ministranten waren wohl ursprünglich in allen grösseren Kirchen vorhanden. 2) Nach Vitruvius soll in der Baukunst das Verhältniss der Säulen von dem Verhältnisse des menschlichen Körpers genommen werden und es würde auch dadurch die grosse Heiligkeit der Dreizahl bei den Bauleuten erklärt werden. Winckelmann widerspricht jedoch der Behauptung des Vitruvius als unbegründet. Die Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers war wohl bei den alten Griechen den Aegyptern entlehnt; der genau bestimmte Kanon trug bei den Aegyptern und den Griechen wesentlich mit zur grossen Gleichförmigkeit der alten Kunstwerke bei, so dass sie wie von einer Schule gearbeitet zu sein scheinen. Wie Sophokles für die Schauspiele das Gesetz aufgestellt haben soll, dass darin niemals mehr als 3 Personen zugleich auftreten sollen, hat man auch in der alten Kunst das Gesetz angenommen, dass eine Figurengruppe niemals durch mehr als 3 Personen gebildet werden solle, 3) was jedoch nur ganz allgemein und mit grossen Einschränkungen und Ausnahmen zu verstehen ist. Dennoch erscheinen die 3 Gratien und Horen, die 3 Parcen, 3 Musen etc. in allen Kunststoffen und Formen, neben eben so zahlreichen Götterdreiheiten; 3 Figuren, der Vater mit 2 Söhnen,




    1) Otte, S. 26.
    2) Otte, S. 30.
    3) Winckelmann's Werke, IV. S. 178.



bilden die Gruppe des Laocoon, welche auch 3 Künstler aus Rhodos, nach Winckelmann's (VI. S. 101) Vermuthung der Vater Agesander mit seinen beiden Söhnen Polydorus und Athenodorus verfertigt haben sollen. 1)

Dass auch die alten Tempelgeräthe und Tempelgefässe, namentlich die Opferschaale (patera) mit der Opferkanne (prochus), in die christlichen Kirchen Galliens und Englands übergingen, 2) kann nicht weiter auffallen, ist aber dennoch bezeichnend für den innigen Zusammenhang der christlichen Kunst, vorzüglich mit der gallo-römischen. Besondere Beachtung verdienen in dieser Rücksicht auch die Taufkessel und Taufbecken. Die Thränen- oder Balsamflaschen in den Gräbern nahmen die ersten Christen gleichfalls aus dem Alterthume auf; 3) ferner das Räuchergefäss (turibulum) 4) mit den drei Schwingketten, - den (ägyptischen) Weihrauchlöffel 5) u. s. w. Das Räuchergefäss erhielt im spätern gothischen Mittelalter die allesbeherrsehende architectonische Form. Ganz gleich verhält es sich mit der vermuthlich dem Isiskultus entstammenden Kirchenampel, hängend in 3 Ketten. 6) - Unter den kirchlichen Gebräuchen, welche den heidnischen oder römischen besonders nachgebildet sein möchten, mag hier nur die Fusswaschung der katholischen Kirche während der heiligen Leidenswoehe zur Erinnerung der Fürsten und Grossen an Demuth berührt werden. So machte Augustus schon alle Jahr einen Tag den Bettler, indem er eine hohle Hand (cavam manum) hinreichte, um ein Almosen zu empfangen. An den Triumphwagen wurden die Geissel und die Schellen, mit welchen die Nemesis vorgestellt wird, angehängt, um die Sieger zu erinnern, dass ihre Herrlichkeit vergänglich sei, und dass die Rache der Götter, in Ueberhebung in ihrem Glücke über sie kommen könne. 7)




    1) Vergl. auch Brunn, I. S. 469 ff.
    2) Semper, II. S. 25 ff.; Rich, unter Patera.
    3) Semper, II. S. 33.
    4) Semper, Il. S. 37 ff.; Rich, unter Turibulum.
    5) Semper, II. S. 42.
    6) Semper, Il. S. 57.
    7) Winckelmann's Werke, VI. S. 352.



Der heidnischen Symbolik, dem heidnischen Lichtglauben entlehnt ist auch die Orientirung oder die Richtung der christlichen Kirchen von Westen nach Osten, wornach der Kirchenbau mit der Grundsteinlegung im Osten begann. 1)

In L. Bechsteins Märchenbucb, Leipzig 1853, S. 27 ff., muss der Erlösende der verzauberten Prinzessin 3 Aufgaben lösen und ebenso der Meister-Dieb (S. 20 ff.). - In dem Wappen des Baumeisters und Steinmetzen Stephan Kchrumenawr, verstorben im J. 1461, welcher als Meister des Stifts Salzburg auch dem allgemeinen Steinmetztage zu Regensburg im J. 1459 beigewohnt hatte, erscheinen drei fünfblättrige Rosen. 2) Die heilige oder geweihte goldene Rose, welche der Papst an besonders christliche Fürsten zu verschenken pflegt und die im J. 1519 Leo X. an Friedrich den Weisen, Churfürsten von Sachsen, übersandte, ist nicht eine einzelne Rose, sondern ein dornenloser Rosenstrauch (rosa sine spina) mit 4, beziehungsweise 6 Rosen, welche ein Kreuz gewissermassen als die siebente Rose krönet, wie die von Julius Hübner nach L. Cranach im deutschen Kunstblatte, 1855, S. 120, vergl. mit S. 166, gegebene Abbildung zeigt. Sie erscheint hier Hübner zufolge offenbar als das Bild der Kirche, die ihren Schützern und Pflegern sich selbst im Bilde als Dankeszeichen und Aufforderung zu fernerem Schutze, übergibt. Mit Hinsicht aber auf Jesaja 11, 1 ff.:

Und ein Reis geht auf von dem Stamme Jsais:
Und ein Schössling sprosset auf aus seiner Wurzel.
Auf ihm wird ruhen der Geist des Ewigen:
Ein Geist der Weisheit und der Einsicht,
Ein Geist des Raths und der Stärke,
Ein Geist der Erkenntniss und der Furcht des Ewigen.

ist der Rosenstrauch mit dem krönenden Kreuze wohl zunächst zu deuten auf den Stamm Davids mit dem daraus hervorgegangenen Messias, dann auf die Christenheit,




    1) Otte, Gesch. der kirchlichen Kunst des deutschen Mittelalters, S. 1 ff.
    2) Deutsches Kunstblatt, Berlin 1854, S. 272.



Christus verherrlichend und zu den Ewigen sich emporhebend. 1) Die christliche Rose, der Baum der Christenheit sollte reiche Blüthen und Früchte tragen. Am Fusse des Cranach'schen Rosenbildes betet Christus, umgeben von den 3 schlafenden Jüngern, zum Himmel empor, worin Hübner eine Andeutung der damaligen Bedrängniss der Kirche und des Statthalters Christi erblickt. - Eine Jungfrau oder Maria im Rosenhag aus der ersten Hälfte des 15ten Jahrh. befindet sich im Museum zu Cöln, von welchem Bilde Schnaase, VI. S. 458, eine Abbildung gegeben hat. - Den deutschen Mystikern des 14ten Jahrh. sind Rosen das Symbol zeitlichen Leidens. 2) Die Stadt Raperswil am obern Züricher See liess sich von Papst Julius II. durch eine Urkunde vom 24. Juli 1512, den sog. Pannerbrief, die Gnade ertheilen, in ihren Fahnen und Pannern die rothe Farbe der Rosen in die goldene verändern und die Bildnisse des Erlösers und des heiligen Johannes des Täufers, die Taufe des Heilandes vorstellend, tragen zu dürfen. 3) - Die sog. englischen Rosennobeln sind grosse aber ziemlich dünne Goldmünzen; auf der einen Seite derselben findet sich ein König, stehend auf einem Schiffe, abgebildet, und mitten auf dem Schiffe eine gefüllte Rose. 4) Ueber Königs Laurins Rosengarten vergl. Alpenburg, deutsche Alpensagen, Nr. 255 und 358; der Rosengarten ist das Land der Glücklichen und Seligen. Die Peruaner nannten den Rosenstrauch den Baum des Himmels und die Incas von Peru erschienen bei gewissen Jahresfesten mit einer Krone von Rosen auf dem Haupte. Bei der Ankunft der Spanier verehrten die Mexikaner eine Göttin, welche sie die Rosenerheberin nannten und worin sie die gebenedeite Jungfrau in anderer Gestalt zu erkennen glaubten, da die letztere in der Litanei auch rosa mystica genannt wird. Schon im höchsten Alterthume wurde die Rose im Lande Seres (China und Cochin-




    1) Vergl. auch Bunsen, Bibelwerk, zur angeführten Stelle des Jesaja.
    2) Schnaase, VI. S. 49 und 51.
    3) Mohr, Regesten (der Stadt Raperswil), I. S. 44, Nr. 104.
    4) Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 84.



china) gepflegt und Confucius soll in Gedichten die Schönheit und den Duft der Blumenkönigin gefeiert haben. 1) - Aus dem Leben der h. Elisabeth von Thüringen ist das Rosenwunder bekannt, wo die Heilige den Armen wider den Befehl des Gemahls Brod zu bringen im Begriff ist und ein Wunder ihre fromme Lüge unterstützt, als sie dem vom Spazierritt keimkehrenden und in das Gewand blickenden Herrn Rosen vorschützt. 2) - Ohne besondern Werth und besonders ohne mythische Bezüge ist in den Märchen von Clemens Brentano, II. S. 235 ff., das Märchen vom Rosenblättchen. - Das Gewölbe der Peterskirche zu Rom ist mit Rosen von Gyps geschmückt, die drei Palmen oder über 24'' dick sind. 3) Ptolemaeus Philopator liess in dem prächtigen Aufzuge, welchen Atheneus beschreibt, einen Esssaal aufführen, auf dessen Säulen die Capitäler aus Rosen, aus Lotus und aus anderen Blumen zusammengesetzt waren. 4) Unter dem Fusse einer zu Herculanum aufgefundenen Broncefigur des Mercur findet sich eine Rose, was nach Winckelmann, II. S. 273, anzeigen soll, dass Mercur nicht nöthig habe, zu Fusse zu gehen.

Wie die christliche römische Kirche mit der lateinischen Sprache, dem römischen Rechte und der römischen Bildung wesentlich die Vermittlerin zwischen dem Römerthume, dem Alterthume und zwischen dem Germanenthume, der Neuzeit ist, tragen vermittelnd auch die christlichen Geistlichen und besonders die Klöster die römische Baukunst und Bauhütten zu den Romanen und Germanen hinüber. Die römische Baukunst und die römischen Baukünstler traten gewiss schon im ersten Anfange mit den christlichen Geistlichen und mit den später aufkommenden Klöstern in innige Verbindung und wurden auch selbst Christen, weil sie hier allein noch Beschäftigung und Ar-




    1) Ausland für 1859, S. 641 und 1455 a.
    2) Vergl. Th. Langer, Bilder aus dem Leben der h. Elisabeth, Wandgemälde auf der Wartburg, erfunden und ausgeführt von Moritz von Sehwind, Leipzig 1857, Bl. II.
    3) Winckelmann's Werke, I. S. 421.
    4) Winckelmann, I. S. 413.



beit finden konnten, um die nöthigen neuen Kirchen, Klöster und Dome zu erbauen. Die sich ausbreitende und bekehrende, die sich neu gründende Kirche sowohl in den frühern römischen Provinzen als noch mehr in jenen Gegenden, welche früher nicht zu dem römischen Reiche gehört hatten, war nothwendig zugleich eine bauende, indem die christlichen Glaubensboten, die Klostermönche ihre christliche Wirksamkeit fast allerwärts damit beginnen mussten, sich eine Wohnung und eine Kirche, ein Kloster zu erbauen. So wurde und war die Baukunst, die heilige Baukunst, die Kirchenbaukunst Jahrhunderte hindurch nothwendig der weltgeschichtliche Beruf der Mönche, der Benedictiner, wie in weit späteren Zeiten noch der Cistercienser. Die Bischöfe und die Klöster errichteten daher in ihrem eigenen unmittelbaren Interesse besondere Bauhütten, an deren Spitze als der Leitende oft selbst der Bischof, der Abt oder ein anderer höherer Geistlicher oder Mönch stand und baute. Die alten römischen Baukünstler und Baucollegien gingen aber keineswegs in den bischöflichen Kirchen und in den Klöstern unter, sondern bestanden in einer doppelten Weise fort. Wo in Italien , in Gallien und Britannien, oder auch in Spanien sich alte römische Städte forterhielten, erhielten sich auch, wenn schon schwer und kümmerlich, die städtischen Gewerbe und einzelne Baukünstler, welche entweder in den städtischen Collegien zerstreuet lebten oder vielleicht auch besondere Collegien bildeten. Zugleich mussten die Kirchen und Klöster die ihnen unentbehrlichen Bauleute und Baugehülfen, welche nur immer noch vorhanden und erhältlich waren, in passender Form sich verbinden und dienstbar machen, was geschah, indem die Klostermönche sich mit den bauverständigen oder auch nur zu Diensten bei dem frommen Baue bereiten Laien zu einer Art Bauhütte, zu einer Bruderschaft, zu einer Baugesellschaft verbanden. Die Laienbrüderschaften sind daher mit den bauenden Klöstern gewiss gleich alt, weil die Kräfte der eigentlichen Klosterbauhütten, der bauenden Mönche nicht ausreichten. 1) Diese Laienbrüder-




    1) Schnaase, IV. I. S. 298 und IV. 2. S. 35.



seliaften umfassten die mit den Klostermönchen gemeinsam bauenden, bei dem Baue durch Gaben und durch persönliche Dienste behülflichen Laien niedern und hohen Standes und mussten deshalb auch die Uebungen und Traditionen der weltlichen Bauleute, der Laien zulassen und achten. Abt Wilhelm zu Hirschau hatte neben den Laienbrüdern sogar eine grosse Anzahl von Oblaten, d. i. Handlangern beiderlei Geschlechts, welche ihre weltliche Kleidung tragen durften und die allergewöhnlichsten Handlangerdienste von früher Jugend an verrichteten. 1) Die bauenden Laienbrüderschaften und auch jene Oblaten hörten auf, sobald die Klöster ihrer nicht mehr bedurften oder nicht mehr bauten und jene selbstständig zu bauen begannen oder die Herrschaft der Mönche unerträglich fanden. Wo aber auch keine Laienbrüderschaften bestanden und die Klosterbauhütte blos aus Klostermönchen zusammengesetzt war, war diese doch genöthigt, die alten Uebungen und Gebräuche der römischen Bauleute zu erlernen und beizubehalten, damit sie mit den weltlichen Bauleuten theils an dem eigenen Wohnsitze, theils in den übrigen christlichen Ländern in Verbindung und Verkehr treten konnten. Die Bischöfe und Erzbischöfe, welche überall in den Städten und sehr häufig in den frühern römischen Städten ihren Sitz hatten, liessen nicht allein städtische Verbindungen, Zünfte bestehen und entstehen, sondern gründeten eigene weltliche Bauhütten, um die von ihnen beabsichtigten grossen Kirchen- und Dombauten ausführen zu können, so namentlich zu Cöln und Strassburg, welche letztern Bauhütten nicht allein dem Lande und der Sprache, sondern auch dem geübten Baustyle nach rein deutsche waren. Die bauenden Klostermönche, die klösterlichen und abteilichen Bauhütten, unter denen sich besonders St. Gallen, Hirschau, Fulda und Corvey auszeichneten 2) und welche zum Theil, wie St. Gallen, förmliche Kunstschulen und Kunstwerkstätten waren, 3) redeten das Lateinische, die allgemeine Kirchensprache,




    1) Heideloff, die Bauhütte, S. 7 und 19.
    2) Schnaase, III. S. 493 ff.
    3) Schnaase, III. S. 507 ff. und IV. 2. S. 35 ff.



und bauten im alten römischen, romanischen Style, bis sie durch die deutsch redenden und deutsch bauenden oder auch französisch redenden und französisch bauenden Bauhütten der Weltlichen und Bürgerlichen, der Städter verdrängt wurden. Abt Wilhelm zu Hirschau soll dort die erste rein deutsche Bauhütte des h. Aurelius gestiftet haben. 1) Heideloff meint, vielleicht habe die Ausbildung des deutschen Baustyls die Veranlassung gegeben, auch ausschliesslich deutsche Bauhütten zu gründen. Albertus Magnus, ein Benedictinermönch und der Lehrer Erwin's, ist nach Heideloff, S. 14, der Erfinder des neuen deutschen Baustyls und namentlich des Achtorts.

Die deutschen weltlichen, städtischen oder bürgerlichen Bauhütten sind ihrem Begriffe nach Künstlervereine, Künstlerwerkstätten, aus ägyptisch-griechischem und römischem Boden zu den romanischen und germanischen Völkern verpflanzt und noch vereint und ungeschieden die Baukunst und die ihr dienenden Künste und Handwerke, vorzüglich die Steinmetzkunst begreifend. Die Baukunst, welche diese Bauhütten in sich umfassten und zur weitern Fortbildung und Pflege übernahmen, hatten ihre Mitglieder hauptsächlich von den Mönchen, von den Benedictinern oder in den Klosterbauschulen als Laienbrüder erlernt, wie namentlich der grosse Erwin der Lehrling eines Benedictinermönches zu Strassburg gewesen war. Der oder die geschicktesten Baumeister waren die Leiter und Vorsteher der Bauhütten und der von denselben auszuführenden Bauten, und bewahrten und lehrten zugleich lebendig die aus dem Alterthume überlieferte, niemals ganz untergegangene und jetzt zu frischem Leben und reichster Thätigkeit erwachte Kunst mit den damit zusammenhängenden Gebräuchen, Uebungen, Traditionen und schriftlichen Urkunden. Es wird Niemand im Ernste bestreiten und bezweifeln wollen, dass die Baukunst, als Theorie und Praxis, in ununterbrochenem Zusammenhange mit ihren Hülfskünsten und Hülfshandwerken aus dem grauesten Alterthume durch die Griechen und Römer den germanischen Völkern, dem Mittelalter und von dem Mittel-




    1) Heideloff, Bauhütte, S. 12 ff.



alter wieder der Neuzeit überliefert worden sei; was aber von der Baukunst, den Künsten und Handwerken an und für sich nicht geleugnet werden kann oder will, muss auch von den Symbolen, Gebräuchen, Ceremonien und Urkunden der Bauleute zugegeben werden. Die Klostermönche und Klosterbauschulen sind in der Ueberlieferungskette blos einzelne verbindende Glieder oder Ringe; sie haben nicht etwa die Baukunst mit allem dazu Gehörigen neu erfunden, sondern nur die erhaltene und vorgefundene übernommen und weiter getragen, so dass sie auch ein vor ihnen Gewesenes und Geübtes, ein Aelteres den Jüngern überliefern mussten und wirklich überliefert haben, wie noch heute aus den Symbolen und Ritualen der Freimaurer erkennbar und nachweisbar ist, wofür auf die Symbolik in ihrem ganzen Umfange verwiesen werden darf. Die Bauverbindungen tragen nicht blos ein architektonisches, sondern zugleich astronomisches und näher solarisches Gewand, indem ihr Glauben, ihre Lehren und Gebräuche, an den Sternenlauf und namentlich an den Tages- und Jahreslauf der Sonne angeknüpft und angelehnt werden. Wenn die Sonne ihren höchsten Standpunkt am Himmel einnimmt, wenn sie über dem Eingange des Tempels steht und leuchtet, dann ist es die rechte und hohe Zeit zum Beginne der Arbeiten, dann ist es Hochmittag, Hochzeit; 1) wenn aber die Sonne am tiefsten steht, wenn sie hoch niedergegangen ist, wird es Hochmitternacht und die Arbeit endigt. In der Manessischen Sammlung, II. S. 97, wird Christi Hinabsteigen zu der Hölle ein hoher Niedergang genannt und in gleichem astronomischen Sinne scheint der maurerische Ausdruck der Hochmitternacht verstanden werden zu müssen. Wollte man dieser Auslegung nicht beistimmen, müsste als Hochmitternacht erklärt werden, wenn der Mond hoch am Himmel zieht; jedoch ist die erstere Auslegung unbedingt vorzuziehen und schliesst sich zugleich genau an die Stellung an, welche die drei ersten Vorsteher der Loge am Morgen und am Abend, beziehungsweise auf der Mittags- und auf




    1) Vergl. über die Hochzeit Mone, zur teutschen Heldensage, S. 185 ff.; Symbolik, II. S. 665.



der Mitternachtsseite angewiesen haben. Es darf vielleicht hierher bezogen werden, dass nach dem Volksglauben der Lorraine um Weihnachten oder beim alten keltischen Neujahre die Pferde, Kühe, Stiere und Esel 12 Stunden lang vom Mittag bis Mitternacht reden und die ihnen widerfahrene Behandlung beklagen oder loben. 1) Eine auffallend maurerische Färbung hat aber die Sage von den drei im Axenberge schlafenden Tellen, wie Grimm, deutsche Sagen, I. S. 386, dieselbe mittheilt. Als einmal ein Hirte sich in die Schlaf- und Grabeshöhle der 3 Telle verirrt hatte, erhob sich der eigentliche Tell und fragte den Hirten: "Welche Zeit ist's auf der Welt?" worauf er die Antwort empfing: "Es ist hoch am Mittag." Tell jedoch bemerkte, es sei nicht an der Zeit, dass sie kommen, und schlief wieder ein. Es scheint sonach die Hochmitternacht die rechte Zeit, die Zeit der letzten Dinge zu sein. Nach Theokrit wird Herakles, der in seiner Wiege die von der Hera gegen ihn ausgesandten Schlangen erwürgt hatte, von dieser Schuld sodann in der Mitternachtsstunde gereinigt und zwar durch ein von gewissen dazu geeigneten Holzarten angezündetes Feuer, worin die erwürgten Schlangen verbrannt werden, deren Asche am Morgen von einer Dienerin über den Fluss getragen und in alle Winde ausgestreut wird. 2) Diese Reinigung des neugeborenen Herakles in der Mitternachtsstunde ist wohl nur die Geburt des Sonnenhelden und Sonnengottes in dem mitternächtlichen Gewitter- und Blitzesfeuer. - Bei den Arabern rufen die Bäckermeister ihren Gesellen zu:

"Munter ihr Knaben, der Morgen ist kurz, der Arbeit viel!" 3)

Der Milchverkäufer in Kairo ruft:

"Unser Morgen sei weiss!"

Aus mehrfachen Gründen darf auch hierher bezogen werden, dass einstens zu Zürich von dessen beiden Bürgermeistern der eine mit dem Zwölfuhrschlage der Sommer-




    1) Eckermann, III. 1. S. 26; oben S. 163.
    2) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327.
    3) Ausland für 1859, S. 1087 b.



johannisnacht, der andere mit dem Zwölfuhrschlage der Winterjohannisnacht sein Amt antrat und die Jahreswenden zu Zürich überhaupt auch Regimentswenden waren. 1) Alle diese Anknüpfungen der staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse an den Sonnenlauf, an die Sonnenwenden entstammen unzweifelhaft der vorchristlichen Zeit und hier insbesondere wohl der keltischen. Auch zu Lucern wurde der "Insiegler," der Führer des Stadtsiegels, mit den übrigen Amtsleuten je am St. Johannstag im Sommer gewählt. 2) - Die astrale und solare Natur des Dienstes der Architekten kann Dem nicht entgehen, der über ihnen das blaue Himmelszelt und vor ihnen die aufsteigende Sonne und den niedersteigenden Mond, sie selbst aber im Norden und Süden und ihre Vorsteher am Morgen und Abend erblickt, - der den Hochmittag zur Arbeit rufen und die Hochmitternacht die Arbeiter entlassen hört, - im Alter von 7 Jahren in 7 Schritten dem Altare naht und 7 Sterne auf dem Teppich sieht, oder auch 9 Sterne und 3 Lichter. Dass der Hochmittag und die Hochmitternacht, die hohen (himmlischen) Zeiten keine späte englische Erfindung, sondern eine uralte ägyptische Tradition seien, bedarf für den wahren Geschichtsforscher keines weitern Nachweises mehr und bleibt für die sog. kritischen Geister ewig unerweislich. Wer kann und wird in den Sternen lesen? Der Astronom, welcher Gott und sein ewiges Gesetz, die Ordnung und Harmonie, den Kosmos in den Sternen sucht, nicht aber wer im Staube der Erde Alles schon gefunden hat. Dem forschenden Auge wird, je weiter es dringt, um so unsicherer und unklarer der Himmel; die Erdenkinder deckt stets reicherer Staub, je kritischer sie darin wühlen.

Dass der Glaube und Dienst der alten Bauleute ein orientalischer Lichtglaube und Lichtdienst, eine Art Parsismus oder Sabäismus, vielleicht auch Manichäismus 3) gewesen sei, zeigen fast alle maurerischen Symbole, welches




    1) Leu, allgemeines helvetisches Lexicon, Thl. XX. S. 305 ff.
    2) Anzeiger für schweiz. Gesch. und Alterthumsk. für 1862, S. 36.
    3) G. Flügel, Mani, seine Lehre und seine Schriften, Leipzig 1862; literar. Centralblatt für 1862, Nr. 28.



Lichtsymbole sind, und besonders das flammende Drei-, Fünf- oder Sechseck, - der flammende Stern (étoile flamboyante), Unter den manichäischen Geboten steht der Glaube an die vier Grossherrlichkeiten, Gott, sein Licht, seine Kraft und seine Weisheit, obenan 1) und die Unterlage der ganzen Lehre des Mânî ist nach Zarathustra das Licht und die Finsterniss, wozu auch christliche Lehren kommen, so dass also der Manichäismus aus dem Magismus und dem Christenthume zugleich abgeleitet erscheint. Keine Secte der ersten Jahrhunderte des Christenthums war berühmter und berüchtigter und für das Christenthum gefahrdrohender; trotz der blutigsten Verfolgungen erhielten sieh die Manichäer bis in das 12te Jahrh. und noch weiter herab. Bekanntlich war auch der h. Augustin 9 Jahre lang ein Anhänger der manichäischen Lehre zweiter Art, ein manichäischer Zuhörer gewesen. Nach Mânî war die menschliche Seele ein Theil des Lichtes, der Körper ein Theil der Finsterniss und das Werk, , der Materie. Der aus den fünf Elementen (), wohl mit Rücksicht auf die fünf Sinne (welche sich nach orientalischer Auffassung bei Mânî je nach ihrer Beschaffenheit und Wirkung zu 5 guten oder bösen Göttern und Weltengeschlechtern gestaltet, personificirt und realisirt zu haben scheinen) geschaffene Mensch, der ideale Urmensch und die spätere Menschheit hat die Aufgabe, gegen die Finsterniss zu kämpfen, d. h. der aus Geist und Materie oder Körper zusammengesetzte Mensch soll überall seinem besseren Sinne, seinem guten Genius, der Vernunft folgen. 2) Da der Ewige, der Beherrscher des Lichtreiches, den Menschen in dem Kampfe gegen die Finsterniss bedroht sah, sandte er ihm den lebendigen Geist Spiritus vivens, Spiritus potens nach Augustin, zu Hülfe, welcher im Fihrist auch der Freund der Lichter heisst und der den Menschen vor der Ueberwindung durch die Finsterniss errettete. Des Bildlichen entkleidet, heisst dieses, dass die Sinnlichkeit, die Materie,




    1) Flügel, S. 41 und 95.
    1) Flügel, S. 202.



die Finsterniss niemals ganz das Uebergewicht und die Herrschaft über die Menschheit gewinnen könne, weil derselben zugleich der Geist verliehen sei und sie in diesem die Bürgschaft des endlichen Sieges über das Böse besitze. Dass die Manichäer, welche sich begegnen, sich die Rechte reichen, was auch Flügel, S. 210, als gewiss betrachtet, hat kaum nach der gewöhnlichen Auffassung dier symbolische Bedeutung, dass dadurch die Manichäer sich als schon im Lichte Befindliche und alle Andersgläubigen als noch in der Finsterniss wandelnd darzustellen beabsichtigten: 1) vielmehr wollten die Manichäer nur ausdrücken, dass sie heilig gelobt haben und aus besten Kräften streben, die von dem helfenden und rettenden Geiste dargereichte Rechte zu ergreifen und warm zu umfassen. Jedenfalls sollte bei den Maurern in diesem Sinne des Lichtglaubens ihre Begrüssung durch Darreichung der Rechten nunmehr gedeutet werden.

Die Manichäer hatten ihren ursprünglichen Sitz in der Landschaft und Stadt Kaskar in dem südlichen Theil des alten Chaldäa oder des heutigen Irak Arabi an der Westseite des Tigris, welche Landschaft sich von Wâsit 2) nach Kazwînî bis Basra erstreckt und auch zwischen Kûfa und Basra verlegt wird. 3) Die Manichäer, welche nicht mit den Mandäern, den Sabiern des Koran zu verwechseln sind, waren nach Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, II. S. 481, im J. 277 schon eine blühende Secte und wahrscheinlich starb in demselben Jahre ihr Stifter den Tod der Verfolgung am Kreuze. 4) Mânî war ein geborner Perser, ein Parse oder vermuthlich in dem alten zoroastrischen Feuer- und Lichtdienste geboren; ein Mann von grossen Talenten und von der vielseitigsten theologischen, philosophischen, naturwissenschaftlichen und selbst




    1) Vergl. Flügel, S. 7 ff., nach den Acta disputationis Archelae episcopi Mesopotamie et Manetis haeresiarchae, - und S. 34 ff. nach dem Fihrist.
    2) Wâsit, eine grosse Stadt, wurde nach Braun, I. S. 156, in Kalifenzeiten erbaut.
    3) Flügel, S. 25.
    4) Vergl. auch Flügel, S. 99. S. 329 setzt Flügel die Hinrichtung Mânî's in die Zeit zwischen 272 - 276.



künstlerischen Bildung. so dass man ihn in dieser Hinsicht mit Pythagoras einigermassen vergleichen möchte, dessen Lehren er auch gekannt haben muss und theilweise benützte. 1) Mânî selbst oder seine Anhänger geben mit allen ähnlichen neuen Religionsstiftern vor, dass er auf seine Bahn durch höhere Eingebungen und Verkündigungen geführt worden sei und schon, als er zwölf Jahre alt geworden, die Aufforderung erhalten habe, die Glaubensgemeinde, welcher er gegenwärtig angehöre, zu verlassen, indem der Engel at-Taum im Namen des Königs der Paradiese des Lichts (nach dem Fihrist) ihm verkündete, dass seine Lebensbestimmung die Sittenreinheit und die Unterdrückung der Lüste sei; als Mânî das 24. Altersjahr zurückgelegt hatte, soll jener Engel wieder mit dem Befehle erschienen sein, nunmehr seine Lehre und frohe Verheissung der Wahrheit vor den Menschen zu eröffnen. 2) Das 12te Altersjahr hatte nicht allein bei den Juden, sondern auch bei den Parsen unter Hinweisung auf den 12ten Jahresmonat eine symbolische Bedeutung gleich der Fünf- und der Siebenzahl, in welche sich die Zwölfzahl als die zwei ungleichen Jahreshälften theilt. Nach einer Sage der Mandäer schlägt Rustem, als er im Alter von 7 Jahren aus der Schule heimkehrte, mit seiner blechernen Schreibtafel einen wild gewordenen Elephanten seines Vaters zu Boden und in dem Alter von 12 Jahren erlegt er auf einem unmittelbar aus dem Meere hervorgegangenen Füllen, welches noch von Keinem bestiegen worden war, einen feuerspeienden Drachen in China. 3) Vielleicht wird die Lehre des Mânî zunächst am richtigsten als ein durch Aufnahme christlicher Lehren verbesserter oder gereinigter Parsismus, Magismus oder heidnischer Lichtglaube bezeichnet, welche bei Mânî dem Gedanken das Entstehen verdankte, dass der reine Parsismus oder das reine Christenthum gleich ungenügend seien und einer Verbindung ihrer gegenseitigen Vorzüge bedürfen. Die Lehre des Mânî war, auch zufolge Ewald in den gött. gel. Anz. für 1862, S. 661, eine Art Gnosis mit überwiegendem parsischen




    1) Flügel, S. 220.
    2) Flügel, S. 46 und 84.
    3) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 107 ff.



oder zarathustrischen Charakter, - mit dem Dualismus des Lichtes () und der Finsterniss () als obersten Grundsatz. Die christlichen Bestandtheile und Formen könnte Mânî. selbst mit der geheimen Absicht gewählt haben, dadurch leichter seiner Lehre bei den Christen Eingang zu verschaffen und mit dem Christenthume den vorausgesehenen Kampf bestehen zu können, weshalb er sich den Christen als Denjenigen darstellte, welcher die mit dem Erscheinen des Paraklet verheissene reinere Wahrheit, das vollkommnere Licht bringe. 1) Nach den Verheissungen von Christus, welcher aus dem Lichtreiche seines Vaters zu den Menschen in einem Scheinkörper 2) herabstieg und den leidenvollen Scheintod am Kreuze sterben musste, soll die Finsterniss und das Böse dieser Welt vollständig durch das reine Wort und durch die frommen Werke überwunden und entfernt werden, - der Geist, welchen die Materie, der Satan, gleichsam zum Theil verschlungen hat und in ihren Banden gefangen hält, muss wieder befreit und reiner Geist sein. Den Kampf zwischen dem Lichte und der Finsterniss denkt sich Mânî unter dem schönen Bilde des aus dem finstern Höllenschlunde in die heitern, sanft bewegten Lüfte stürmisch aufsteigenden schwarzen Qualmes und Rauches. Die Kampfstätte ist die Erde, welche der reine Himmelsäther umfasst, wo Tag und Nacht wechseln, wo die Seelen in Körper einziehen und darin wandeln, wo die irdischen Rauchwolken uns der Sonne beseeligendes Licht zu verdunkeln und zu entziehen vermögen. Die Finsterniss wird, wie Mani auch bildlich sagt, am Himmelsfirmamente aufgehängt und getödtet, gekreuziget, indem am Morgen die Sonne aus der dunkelen Nacht leuchtend emporsteigt und hoch oben durch die ersten Lichtstrahlen die Finsterniss verdrängt, aufhängt. Was im nächtlichen Himmelsraume die Sterne nicht erleuchten, ist der darin ausgespannte finstere Leib. Sonne, Mond, Sterne sind die drei Lichtgrade, die leuchtende Dreizahl und in der Sternennacht vergeht und entsteht der Sonne strahlende Pracht. Doch




    1) Flügel, S. 165: Stäudlin, II. S. 488 ff.
    2) Flügel, S. 223.



die geistige Nacht, das Räthsel der Räthsel löst auch Mânî nicht, indem er nicht erklärt, warum Körper und Geist vereinigt wurden, wenn die Vereinigung doch nur Sünde und Tod und alles Leben die Trennung, die Besiegung ist; könnte nicht das individuelle, das begrenzte, das menschliche Leben durch die Mischung des Geistes mit der Erde bedingt sein? Wir sind endlich, um von dem Unendlichen verschieden zu sein. Die Anhänger des Mânî zerfielen in zwei Klassen: in die Eingeweihten, Auserwählten, Wahrhaftigen, Siddîkûn, welche aller Sinnenlust entsagen und nur das Licht und Gott suchen wollen, - und die blossen Zuhörer, Sammâ ûn, welche im Umgange mit den Eingeweihten sich möglichst dem Lichte und der Gottheit zu nähern suchen. Wir möchten in dieser Gliederung der manichäischen Secte 1) eine Nachahmung des pythagoreischen Bundes erblicken, wobei, wie überall, die eigentliche Lehre und das priesterliche oder strenge Mysterienleben nur den Priestern, den Höchsteingeweihten, den sich selbst durch ihre Werke und Entsagungen Auserwählenden vorbehalten blieb. Die Manichäer theilten sich in Exoteriker und Esoteriker, welche letztern wieder ohne allen Zweifel verschiedene Grade und Weihen hatten. Dass die orientalischen, die arabischen Quellen nichts von einem Hinübergreifen des Manichäismus in indische Religionslehren berichten, kann nicht berechtigen, dieses mit Bauer und Ewald ganz auszuschliessen, weil es den orientalischen Geschichtsschreiber wohl als sich von selbst verstehend erschien, dass dem Orte wie der Zeit nach die Manichäer unter dem nothwendigen Einflusse des im Anfange des dritten Jahrhunderts in Asien so weit verbreiteten und in Indien noch blühenden Buddhismus und überhaupt der indischen Religion, des indischen Büsserlebens, der Yoga-Lehre standen. In dem parsischen Ursprungssitze der Manichäer an den westlichen Ufern des Tigris trafen die indischen Einflüsse von Süden und Osten her und die griechisch-ägyptischen von Westen her zusammen; griechische Bildung war gewiss auch noch aus den Zeiten der Seleucidenherrschaft vorhanden und die eigentliche Ge-




    1) Vergl. darüber Flügel, S. 40; Stäudlin, II. S. 492.



lehrtenbildung des Mânî war vermuthlich eine griechische, während der Glaube seiner Geburt der parsische war, wenn er nicht, was noch wahrscheinlicher ist, auch schon in einer parsischen, vielleicht verfolgten und dadurch zum Nachdenken anregenden Secte geboren war. Den Buddha anerkannte, neben Adam, Seth, Noah, Abraham, Zoroaster, dem Messias als dem Worte Gottes und Paulus, ausdrücklich Mânî als mit göttlicher Wissenschaft ausgerüstet, als Gottgesandten, während er den Moses und die übrigen jüdischen Propheten verwarf, da aus ihnen der Teufel geredet habe. 1) Auch die Manichäer oder Katharer des 11ten und 12ten Jahrh. hielten an der Verwerfung des alten Testamentes fest. Dem Fihrist zufolge (Flügel, S. 100) hätte Mânî den Irei den Muhammedanern wie bei den Christen in hohem Ansehen stehenden Christus selbst als einen Teufel (?) bezeichnet, womit nach Flügel, S. 338, Mânî habe sagen wollen, dass der Jesus, wie ihn die Juden darstellen, nicht der göttliche Jesus sein könne. Ueber die Manichäer fehlen alle eigenen und genauern Berichte und nur ihre sie bekämpfenden Feinde, die christlichen Priester, oder doch Fremde, die muhammedanischen Araber aus einer spätern Zeit, berichten gelegentlich über sie. Die christlichen Berichterstatter scheinen aber dennoch insofern vor den nichtchristlichen einigen Vorzug zu verdienen, als sie unter allen Umständen absichtlicher und darum auch umständlicher berichten und die Gefahren, welche unbestreitbar die Manichäer dem Christenthume bereiteten, sie zwangen, den Feind schärfer zu betrachten.

Nach Mânî sind drei Wege, in Bezug auf welche die Seelen der Menschen eingetheilt werden. Der eine von ihnen fährt in die Paradiese des ewigen Lichts, das ist der Weg der Wahrhaftigen, - der andere in die Welt und ihre Schrecknisse, das ist der Weg für die Hüter der Religion und für die Helfer der göttlichen Wahrheit, - und der dritte zur Hölle, das ist der Weg für den sündigen Menschen. 2) Der siegreiche Kampf gegen die Finsterniss und das Böse ist die freie Aufgabe und daher




    1) Flügel, S. 336, Anm. 283.
    2) Flügel, S. 101.



auch das Verdienst des Menschen. Die Auserwählten sind den indischen Yogi's züi vergleichen, die allem Sinnlichen und Menschlichen entsagen mussten und nur noch die Sehnsucht nach dem Lichte empfinden, den Gedanken Gottes denken durften. Der oberste Vorsteher (Imâm) der Manichäer, welcher seinen Sitz zu Babylon haben sollte, 1) hatte 12 Meister nach dem Vorbilde der 12 Apostel Jesu und 12 ersten, die Lehre in den verschiedenen Ländern bis nach Indien und nach China bin verkündenden Jünger des Mânî zur Seite; ihnen folgten 72 Bischöfe als Bilder der 72 Jünger Jesu, 2) wenn das ganze hierarchische System nicht nach blossen astronomischen Beziehungen gebildet war. Die gleiche Gliederung findet sich auch bei den Katharern, einer manichäischen Secte des 12ten Jahrh., welche als die Reinigenden und Läuternden vorzugsweise bezeichnet wurden. 3) König Alfred der Grosse brannte täglich 6 Wachskerzen von je 12'' Länge, welche genau 24 Stunden brannten. 4 ) Das von ihm übersetzte Buch des Boethius über den Trost der Philosophie hatte Alfred auch in 72 Capitel abgetheilt. Damit stimmt es auch zusammen, dass Knebel, Chronik, I. S. 19, erzählt, dass bei der feierlichen Zusammenkunft des Kaisers Friedrich und des Herzogs Karl von Burgund im J. 1473 im Kloster des h. Maximin bei Trier von dem Bischofe die Messe unter dem Gepränge von 72 Kunstzierrathen von theurem Werthe gefeiert worden sei. - Der oberste Vorsteher, Imâm der Manichäer hatte seinen Sitz wirklich regelmässig zu Babel. 5) Chwolson in seinem Werke über die Ssabier (I. S. 123 ff.), wie auch Ewald (S. 671), lässt den Mânî, welcher von den Persern wegen seiner Glaubenslehren gekreuzigt wurde, 6) bis zu seinem 24. Jahre Mendait sein, wogegen sich jedoch Flügel, S. 45, ausspricht. Ueber die Ableitung und Bedeutung des Namens Mânî und der Manichäer theilt




    1) Flügel, S. 97, 105 und 108.
    2) Stäudlin, II. S. 495; Flügel, S. 174 und 289.
    3) Flügel, S.284 und 299; Schreiber, Taschenb. V. S. 157.
    4) Weiss, Alfred der Grosse, S. 346.
    5) Flügel, S. 42.
    6) Flügel, S. 43.



Flügel, S. 113, die verschiedenen Ansichten mit, ohne selbst eine entscheidende abzugeben. Nach Pott, in der deutschen morgenl. Zeitschrift, XIII. S. 385 ff., hat man sich entweder für die Ableitung von man (denken) oder von máni (Edelstein) im Sanskrit zu entscheiden; für die erstere Ableitung haben wir uns schon früher erklärt. 1) Als die Mutter des Mânî wird Meis bezeichnet, was eine Art grosser Bäume, der Lotus der Griechen ist und wodurch also Mânî, der Mensch, als aus dem Baume entsprossen dargestellt wird. 2) In der nordischen Mythologie 3) schafft eine Götterdreiheit aus zwei Bäumen, Ask und Embla, Esche und Ulme oder Erle, den Mann und das Weib; es vermählen sich im Anfange der Dinge also zwei Bäume zur Menschheit, zur Ehe, wie dieses noch später in so vielen indischen und deutschen Sagen so sinnvoll nachklingt. Der Baum ist aber der Wolkenbaum, die Weltesche Yggdrasil, der Baum und Brunnen der Frau Holla, in deren Schooss die Kinderseelen ruhen, so dass jene Meis sich der deutschen Holla gleichstellt. Im Tarforster Weisthum von 1592 und einem gerichtlichen Protokolle von 1749 aus Wertheim wird der Kinderbaum als "frauw Hollen baum" und "frauen Hullen baum" erwähnt. Bei Nierstein in Hessendarmstadt werden die Kinder aus einer grossen Linde geholt, unter welcher man einen Brunnen in der Erde rauschen hört. 4) Die neugebornen Kinder werden eben so häufig aus (hohlen) Bäumen oder von Bäumen wie aus Brunnen gebracht; 5) im Aargau heisst ein solcher Baum der Kindlibirnbaum. Auch erscheinen nicht selten der Kinderbaum und der Kinderbrunnen zu einem Ganzen verbunden. Ein uralter Lärchbaum in Tirol bei Nauders (Oenotrium von Oenus, Inn, genannt), welcher bis vor wenigen Jahren stand und dessen Strunk noch steht, heisst der heilige Baum und von ihm werden die




    1) Symbolik, II. S. 278.
    2) Flügel, S. 117; Symbolik, I. S. 155 und 509, Anm. 3
    3) Simrock, Mythologie, S. 32.
    4) Wolf, hessische Sagen (Leipzig 1853), Nr. 15.
    5) Mannhardt, germanische Mythen, S. 668 ff.; Wolf, Beiträge, I. S. 170 ff.



Kinder, besonders die Knaben geholt. 1) In unmittelbarer Nähe soll das heilige Baumschloss mit unermesslichen Schätzen und mit 3 der Erlösung harrenden Jungfrauen, von denen die eine halb weiss und halb schwarz ist, zur Strafe auf die Verwünschung des h. Valentin versunken sein. Ein uralter Fichtenbaum, auch der heilige Baum genannt, mit einem wunderthätigen Muttergottesbilde stand bis zum J. 1822 bei Landeck in Tirol, 2) wobei kaum zu zweifeln sein möchte, dass das Muttergottesbild auf die schon den Heiden heilige Fichte gestellt worden sei, wie dieses ähnlich auch zu Nauders und anderwärts geschah.

Zufolge Flügel, S. 122, wurde Mânî in den ersten Jahrzehnten des 3ten Jahrh. in dem Gebiet geboren, das von dem Tigris und dem Flusse oder Kanal Nahrawân umspült wird und in der Richtung von Ctesiphon nach dem spätern Wâsit an der Grenze von Bâdarâhâ liegt. Gestützt auf die Berichte im Fihrist, lässt Flügel den Mânî im J. 238 nach Chr. und zwar am ersten April, einem Sonntag, 3) im Alter von 24 Jahren, zu Ctesiphon öffentlich als Lehrer auftreten, so dass demnach Mânî im J. 214 geboren gewesen wäre (S. 152). An dem gleichen Tage, an welchem Mânî als öffentlicher Lehrer zu Ctesiphon auftrat, bestieg der Sassanide Sâbûr oder Sapores I. den Thron. Der Versuch misslang und Mânî musste sich aus Persien, woselbst eben der Magismus sich zu neuem Ansehen erhob, flüchten und war durch Kaschmir nach Indien und von da nach Turkestan und Tibet gegangen, wo es ihm gelang, Gemeinden mit Vorstehern zu gründen.4)

In der Lehre von der Schöpfung der gegenwärtigen Welt findet sich, abgesehen von dem Lichtglauben an und für sich, bei Mânî insofern einiger Anklang an maurerische Anschauungen, als nach dem Fihrist (bei Flügel, S. 89) ein Engel die gegenwärtige Welt, d. h. zehn Himmel, einen jeden mit 12 grossen und weiten Thoren, und acht Erden baute. In dieser Zehnzahl der Welten des Mânî




    1) Vergl. auch Alpenburg, deutsche Alpensagen, Nr. 230 - 235.
    2) Alpenburg, Nr. 186.
    3) Flügel, S. 146 ff.
    4) Flügel, S. 172, vergl. mit S. 85.



findet Flügel, S. 220, eine Annäherung an die pythagoreischen Lebren, wie allerdings Mânî griechisches Wissen gekannt haben muss, da er auch von einem Engel erwähnt, welcher den Himmel zu tragen, und von einem andern, welcher die Erde in der Höhe zu halten hat. Bei Augustin heissen der Träger und Halter Omophorus oder Atlas laturarius und Splenditenens ponderator. 1) - Mehr tritt Mânî den maurerischen Vorstellungen dadurch näher, dass nach ihm das Licht der erste Grossherrliche, durch keine Zahl beschränkt, Gott selbst, der König der Paradiese des Lichts ist. 2) Dieser erste oder uranfängliehe Grosse (in virtute magnificus bei Augustin) ist unverkennbar mit dem Grossmaurer verwandt, welcher nach Antw. 70 des englischen Lehrlingsfragestücks 3) die Welt und den Menschen erbauet hat, - ist der allmächtige Baumeister der Welt, - der Grosse schlechthin oder in jeder Hinsicht, wie er auch der Ewige heisst, und wie Augustin vom Atlas maximus redet. 4) Der Grosse in diesem Sinne ist zugleich der einzige und eigentliche Grossmeister, mit der Welt als der von ihm geschaffenen und regierten Grossloge und der gesammten Menschheit als den göttlichen Arbeitern, Kindern und Brüdern, - er ist der Gott der Götter, die göttliche Allheit, die Grossherrlichkeit im Fihrist des Muhammad ben Ishak. 5) Wie tief die mythischen Baugottheiten, die Vorstellung der Welt von einem grossen Baue bei den Völkern eingedrungen waren, lassen auch die in Tirol, Baiern und Oesterreich heimischen Alpensagen von den Wilden, von den wilden Männern und Frauen erkennen, indem dieselben die höchste Aehnlichkeit mit den griechischen Kyklopen haben, Felsen (Wildkirchen) aufthürmen und durchbrechen und sonstige kyklopische Thaten vollbringen. 6)




    1) Flügel, S. 221 ff
    2) Flügel, S. 86.
    3) Krause, I. 1. S. 196.
    4) Flügel, S. 222.
    5) Flügel, S. 93.
    6) Alpenburg, deutsche Alpensagen, Nr. 85 und 216, vergl. mit Nr. 277, woselbst sogar der wilde Mann mit nur einem grossen Auge erscheint.



Die Muttergotteskirchen und Kapellen werden so der Sage nach häufig mit Wunderzeichen, auf ein höheres Gebot ("Bauet dem Herrn ein Haus!") oder auf wunderbare Art erbauet, um darin ein heiliges Muttergottesbild aufstellen zu können. 1) - Die Sagen vom Teufel als Baumeister sind schon oben S. 59 ff. berührt worden, womit noch verglichen werden mag Alpenburg, Nr. 396 und 199, wo der Teufel gleichfalls durch den frühzeitig geweckten, krähenden Hahn um den Lohn seines Bauens betrogen wird; die Sage 396 betrifft den palazzo Tabarelli oder Saluzzo zu Trient. Die Sage geht auch, dass die schöne Orgel in der Kirche Santa Maria Maggiore, in welcher das berühmte Trientiner Concilium abgehalten wurde, nur mit Hülfe des Teufels von ihrem Erbauer habe vollendet werden können, zugleich aber auch, dass die Trientiner den eigentlichen Werkmeister geblendet haben, wie die Strassburger mit dem Schöpfer ihres künstlichen Uhrwerkes, Hobrecht, gethan, damit derselbe kein zweites und der Trientiner auch nicht wieder eine so herrliche Orgel erbaue. Doch zu Strassburg stand das Uhrwerk plötzlich still und zu Trient schlug der Blitz zerstörend in die Orgel. 2) In der Mitte des 16ten Jahrh. hat zu Moskau Jwan Wassiljewitsch der Schreckliche dem Baumeister der der schützenden Muttergottes geweihten Kirche Wassilij Blagennoi die Augen ausstechen lassen, damit er kein zweites Weltwunder erbauen könne; 3) nach der Sage soll der fremde Baumeister sogar getödtet worden sein. 4)

Der Beherrscher der Finsterniss, der Urteufel oder oberste der Teufel heisst bei den Manichäern, wie bei den Arabern Iblîs, d. i. . 5) Der Teufel ist aber unverkennbar nur eine Personification der Materie und ihrer den Eigenschaften des körperlosen Lichtes oder leuchtenden Geistes entgegengesetzten Eigenschaften der Dunkelheit, Schwere, Vielgestaltigkeit, Vergänglichkeit u. s. w.,




    1) Alpenburg, Nr. 221.
    2) Alpenburg, Nr. 397.
    3) Lübke, Gesch. der Archit. S. 242.
    4) Schnaase, III. S. 301.
    5) Flügel, S. 195; Braun, I. S. 358.



wodurch die Materie zum Gegensatze und ewigen Widersacher des Lichtes und des Geistes, Gottes wird. Jn, so weit in der gegenwärtigen Weltschöpfung das Licht und der Geist mit der Materie körperlich verbunden ist, erscheint das Licht und der Geist gleichsam von dem Satan und seinen Gesellen verschlungen und in ihren Händen verstrickt, so dass sich von selbst als Weltaufgabe die Wiederbefreiung der Lichtwesen, der Geister ergibt. Die Schöpfung des materiellen oder körperlichen Menschen fasst Mânî als das Werk der thätigen und dem Lichte feindlichen Materie, des Satans; 1) alle körperlichen Functionen des Menschen, besonders die Begattung und Fortpflanzung, ja gewissermassen selbst das (Fleisch-) Essen und (Wein-) Trinken, - kurz alles Sinnliche, die Sinnenlust sind die Sünde und sie soll und muss nach der Lehre des Mânî durch die Bezähmung und Entsagung aller Sinnenlüste und sinnlichen Genüsse bekämpft und vertilgt werden; je nach dem Ernste und der Schwere des von ihnen gekämpften Kampfes und darin errungenen Sieges theilen sich die Anhänger des Mânî in verschiedene, durchaus nicht näher bekannten und von Flügel, Anm. 225, höchst unklar vorgetragenen Klassen, und die höchste Klasse und Stufe nehmen Diejenigen ein, welche allen Sinnenreiz bezwungen und abgelegt haben, unthätig und vermögens- und familienlos, selbst obdachlos nur der göttlichen Betrachtung, dem göttlichen Dienste und der Ausbreitung des reinen Gottesglaubens leben, 2) - sie sind die Auserwählten, die Wahrhaftigen, Vollkommenen und Gerechten, die Gemeinde Gottes und des Lichts, Primates Manichaeorum, genus sacerdotum, genus sacerdotale. 3) Da aber die Auserwählten, welchen im Mittelalter auch die Benennung majores beigelegt wird, dennoch Menschen blieben und gelebt haben mussten, fiel der Glaubensgemeinde (den des Pythagoras, den Weltlichen) im weitern Sinne, den blossen Zuhörern, Zuschauern und Gläubigen die Pflicht zu, die Wahrhaftigen zu ernähren und für sie zu ar-




    1) Flügel, S. 90 ff.
    2) Flügel, S. 278 ff.
    3) Flügel, S. 283, Anm. 212.



beiten und zu kämpfen. 1) Absehend von allen etwa noch zu erhebenden Einwendungen, möchte wesentlich gegen den Manichäismus einzuwenden sein, dass er mit der menschlichen Natur und menschlichen Bestimmung im Widerspruche stehe, und im Grunde nur mit der Vernichtung des menschlichen Geschlechtes und dieser Welt durchgeführt werden könnte. Die strenge Lehre Mânî's verbietet die Tödtung und Beschädigung eines jeden lebenden Wesens wegen der darin enthaltenen Lichttheile und ebenso die Erzeugung und Vermehrung der Lichtwesen, damit das in der Welt vorhandene Licht nicht noch mehr getheilt und der Materie, dem Satan eine grössere Herrschaft werde; aber dieses Gebot vermag der Mensch allein durch die Vernichtung seiner selbst und seines Geschlechtes zu erfüllen. Dass nach einer Stelle in den Acta disputationis (bei Flügel, S. 288) nur 7 Auserwählte, septem electi, welche zugleich an die 7 Erzengel der Iezidis erinnern, 2) gewesen sein sollen, ist gewiss dahin zu verstehen, dass unter den Eingeweihten von einem obersten Siebenercollegium, von 7 Priesterfürsten oder Auserwählten, von 7 Höchstgeweihten, 3) die Herrschaft und Leitung geführt worden sei, wie überhaupt die Drei-, Fünf- und Siebenzahl, so wie die Vier- und Zwölfzahl in den verschiedensten Anwendungen bei den Manichäern vorkommen. Auch Athen hatte ein Collegium von 7 Nomophylakes oder Gesetzeswächtern. 4) In einer Höhle an der äussersten deutschen Meeresküste schlafen 7 Männer mit unversehrten Kleidern und nicht verwesendem Leibe, welche der Tracht nach Römer zu sein scheinen; dereinst sollen sie vielleicht auferstehen und den heidnischen Völkern die heilige Lehre verkünden. 5) Auch ist die aus Indien stammende Geschichte von den 7 weisen Meistern hier zu berühren, welche in fast alle orientalischen Sprachen übersetzt ist. Eine griechische Bearbeitung gehört dem 11ten Jahrh. an, eine




    1) Flügel, S, 285, Anm. 215 und 216.
    2) Meissner, Layard's populärer Bericht, S. 129.
    3) Vergl. Symbolik, II. S. 397 ff.
    4) Schoemann, I. S. 143.
    5) Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 392.



lateinische ist vielleicht noch älter; in beinahe allen europäischen Sprachen, in Frankreich zuerst und in Deutschland seit dem 15ten Jahrh. sind Bearbeitungen dieses im Mittelalter ausserordentlich beliebten und verbreiteten Buches vorhanden. 1) - Zu dem Bade, welches bei den Indern auf Malabar die Braut vor der wirklichen Verehlichung nehmen muss, wird das Wasser durch 7 verheirathete Frauen aus dem heiligen Flusse oder Teiche geholt; auch werden bei diesen Feierlichkeiten 7 Gefässe von gebrannter Erde mit keimendem Reis aufgestellt und eine Lampe mit 7 Dochten der Braut vorgetragen, so wie 7 Stücke Reiskuchen gebraucht. 2) Wenn sich auf Malabar eine Frau im 7ten Monat ihrer Schwangerschaft befindet, wird noch heute unter einem Zelte von Zweigen, Blättern und Blumen ein religiöses Familienfest gefeiert, wobei auch ein Blumenkranz der Schwangern um den Hals gelegt und dieselbe seit den ältesten Zeiten besungen wird. 3) Das Himalaya-Gebirge hat 7 Namen, welche bei Renand, nouvelle symbolique, S. 251, aufgezählt werden. Wenn auf der Küste von Malabar ein Gebäude 7 Stockwerke hat, wird es ein Thurm oder Elammaliga und ein vollkommenes Haus genannt, gut für Fürsten und Könige. 4) Nach dem Gesetze des Manu VIII, 148 und IX, 94 traten die Mädchen mit dem achten Jahre aus der Reihe der Jungfrauen (kumâri) und wurden heiratlisfähig (ritumati). 5) Athene als Septima ist reine Lichtgöttin, als Quinta, wie sie auch in dem Geburtsfest der Quinquatria gefeiert wird, Erd- oder Naturgöttin. Der Sarg in dem Orestes lag, hatte eine Länge von 7 Ellen und eben so viele der darin enthaltene, sorgfältig gemessene Körper. 6) Ein longobardisches Weib gebar zu den Zeiten des Königs Agelmunds




    1) Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, §. 122 und 128.
    2) Paulin, voyage, II. S. 58 ff.
    3) Paulin, II. S. 2 ff.; Weber, indische Skizzen, S. 35.
    4) Paulin, I. S. 296.
    5) Vergl. Arrian's indische Nachrichten, cap. 9; Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 442.
    6) Bachofen, Mutterrecht, S. 58, woselbst zugleich weiter über die Fünf- und Siebenzahl gehandelt wird.



mit einem Mal 7 Knaben, welche sie ins Wasser warf und von denen einer durch den vorbeireitenden König gerettet wurde, der den Namen Lamissio erhielt und nach Agelmunds Tod König der Longobarden wurde. 1) Eine andere Sage lässt ähnlich unter 5 Knaben den König Aistulf von der Königin geboren werden. 2) Nach einer Sage belagerte Karl der Grosse auf seinem Römerzuge 7 Tage und 7 Nächte mit seinem Heere Rom und den Lateran und am achten Tage schlossen die Römer die Thore auf. 3) Beatrix von Flandern gebar mit einem Male 6 Knaben und 1 Tochter mit goldenen Schwanenringen am Halse. 4) Nach dem französischen Logenrechte scheint eine Loge auf das Verlangen von 7 Meistern einberufen zu werden. 5) In dem Schlossberge bei Gottschee in Unterkrain sah ein Jäger 7 Greise, mit kahlen Häuptern, in tiefem Schweigen sitzen und in einem andern Raume 28 Särge beisammen stehn. 6) Die heilige Treppe, Scala Santa zu Rom, welche fromme Büsser oft auf ihren Knieen hinaufrutschen und die von dem Palast des Pilatus zu Jerusalem herrühren soll, zählt 28 Marmorstufen. Rom ist jetzt in 14 Regionen oder Gegenden eingetheilt, wie dieses schon unter August der Fall gewesen sein soll. 7) Ueber dem Hof zu Ellida in Island hängt eine steile Klippe, welche einst herabfallen wird; dieses wird aber erst dann geschehen, wenn einmal ein Besitzer des Hofes 7 Söhne haben wird und diese alle an einem Tage 7 Schwestern heirathen werden. 8) - Ein Wechselbalg wird gewöhnlich nicht älter als 7 Jahre. 9) Auf die Grafen von Eulenburg ward die Verwünschung gelegt, dass ihres Geschlechts niemals mehr als 7 Grafen sein sollen. 10) Ein




    1) Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 392.
    2) Grimm, Il. Nr. 406 b.
    3) Grimm, II. S. 137.
    4) Grimm, II. Nr. 534.
    5) Berchtold-Beaupré, Isis, S. 14.
    6) Grimm, I. S. 219.
    7) Ausland für 1834, S. 1190 a.
    8) Maurer, isländische Volkssagen, S. 187.
    9) Grimm, I. S. 133, Anm. *
    10) Grimm, I. S. 40.



Mägdlein bei Soest erhält von einer geisterhaften Jungfrau 7 Kirschen geschenkt, welche sogleich zu Gold werden. 1) Das sog. Nothhemd muss von zwei unschuldigen Kindern, welche noch nicht 7 Jahr alt sind, in der Christnacht gesponnen, gewoben und genäht werden. 2) In einer isländischen Sage wird ein Pfarrer 7 Jahre lang im GeisterTeiche herumgeführt. 3) Auf Island gilt der Tag der Siebenschläfer oder der 27. Juni als bestimmend für das Wetter der folgenden 7 Wochen. 4) - Auf einem Bilde zu Köln ist die Kindheitsgeschichte des Heilandes in 7 Bildern dargestellt. 5) - In einer Handschrift des Psalters im britischen Museum aus dem 14ten Jahrh. wird die christliche Weisheit und Tugend unter dem Bilde eines gothischen Tempels dargestellt, ruhend auf dem Fundamente der Humilitas; aufwärts zu ihm führen die 7 Stufen des Gebetes, der Reue, Beichte, Busse, Genugthuung, Almosen und Fasten, und Gehorsam und Geduld sind die Thüren; die 4 Cardinaltugenden stützen das Dach, über welchen sich die Beharrlichkeit im Guten als Thurm erhebt. 6) Ein anderes Bild zeigt einen Cherub mit 6 Flügeln, welche zufolge der Inschrift die 6 Actus darstellen, durch welche die Seele sich zu Gott erheben könne, die Liebe Gottes und der Menschen, Bekenntniss und Genugthuung, Reinheit der Seele und des Leibes; der Engel steht überdies auf einem Rade, dessen 7 Speichen die 7 Werke der Barmherzigkeit bedeuten. - Auf dem Sonnenberge beim Orte Gross-Vargula in Thüringen stehen 7 Linden, zu welchen beim Frühlingsfeste gezogen wird, 7) indem man den grünen Frühling, den Frühlingskönig, den Lattichkönig, den Adonis dahin bringt. - Das sog. Siebenhämmerchen (Allium vietorialis), zum Lauchgeschlechte gehörig und seinen Namen von der siebenfach gefaserten Wurzel tragend, sollte fest machen, so dass




    1) Grimm, I. S. 236.
    2) Grimm, I. Nr. 254.
    3) Maurer, S. 201.
    4) Maurer, S. 89.
    5) Schnaase, VI. S. 434.
    6) Schnaase, Vl. S. 599 ff.
    7) Bechstein, Mythe, I. S. 70.



nicht 7 Hämmer den also Geharnischten schädigen könnten. Der Steinklee, das sog. Schabziegerkraut (Trifolium melilotus), wird Siebengeruch, Siebenstundenkraut und besonders Siebengezeit genannt, weil er 7 Mal des Tages seinen Geruch verlieren und erneuern soll, ausgerissen aber ihn stets behält. 1) - Nach dem dritten Gudrunliede besteht die verdächtigte Gudrun siegreich die Probe des siedenden Wassers vor 700 Helden. - Das treffliche alte Volksbuch: "Geschichte von den sieben Schwaben" hat Auerbach im J. 1832 zu Stuttgart neu herausgegeben. 2) - Die Blumen des assyrisehen Lebensbaumes werden durch 7 Blätter gebildet und stimmen vollkommen mit dem in der ionischen Baukunst gebräuchlichen Geisblatte zusammen, sind dessen Vorbild, 3) wie überhaupt nach Fergusson Alles, was an den Künsten der Griechen ionisch ist, aus den Thälern des Euphrat und des Tigris entlehnt sein soll. Aus der assyrischen Sculptur möchten die thierköpfigen Menschen oder Götter 4) besonders hervorzuheben sein, indem hierin die assyrische, die indische und die ägyptische Sculptur und Mythologie mit einander auffallend zusammenstimmen und wohl die assyrische, beziehungsweise babylonische als die vorbildliche derselben angesehen werden muss. Die menschenköpfigen 5) Thiere, besonders Stiere und Löwen, könnten, wenn sie nicht aus Aegypten nach dem Occident wie selbst nach dem Orient gekommen sind, gleichfalls von Babylon und Assyrien ausgegangen sein, indem sie zu Nimrud oder Ninive den grossen Eingang in den Palast gebildet zu haben scheinen. 6) Auf einem daselbst aufgefundenen Basrelief tragen die zwei beim Lebensbaume befindlichen geflügelten weiblichen Figuren Halsbänder mit 7 Sternen. 7) - Unter den Ptolemäern lässt man zu Alexandrien eine sog. Pleias, ein




    1) Bechstein, I. S. 102 und 103.
    2) Vergl. auch Bechstein, II. S. 139 ff.
    3) Meissner, a. a. O., S. 35 ff. und S. 67; Symbolik, I. S. 29.
    4) Vergl. z. B. die adlerköpfige Figur (Nr. 1) bei Meissner.
    5) Meissner, Fig. III und VI.
    6) Meissner, S. 66, 162, 169 und 217.
    7) Meissner, S. 150,



Siebengestirn von Dichtern blühen, zu denen Callimachus und Nicander, Lycophron, Appollonius Rhodus u. s. f. gehörten. 1) - Das uralte Gebot des Zarathustra der in Gedanken, Worten und Werken zu erstrebenden Reinheit (des Lichtes) war bei den Manichäern für die eigentlichen Eingeweihten in das Gebot umgestaltet, das Herz, den Mund und die Hände zu besiegeln und zu bewahren (signaculum oris, manuum oder manus und sinus), indem nichts Verbotenes in den Mund eingehen und aus demselben herausgehen soll, die Hände sich niemals zu etwas Unerlaubtem oder Schlechtem hergeben sollen und der Busen oder die Brust schlechten Gredanken, Wünschen oder sinnlichen Eindrücken verschlossen bleiben soll. 2) Die Glaubenslehre des Mânî war in Nachahmung der mosaischen zehn Gebote gleichfalls in zehn Gebote gefasst. 3) Die Manichäer hatten täglich 4 oder 7 Gebete zu verrichten und zwar vermuthlich die Eingeweihten 7 und die Nichteingeweihten oder Zuhörer nur 4. 4) Jedem Gebete hatte eine Reinigung mit laufendem Wasser oder mit etwas Anderem (z. B. Erde) vorauszugehen und der Betende musste dabei stehend nach dem grossen Lichte, nach der Sonne als der Wohnung und dem Symbole Gottes sich wenden, auch während jeden Gebetes sich 12 Mal zur Erde niederwerfen. Lieber die Zeit der gewöhnlichen 4 Gebete sagt der Fihrist: "Das erste Gebet aber wird, wenn die Sonne den mittägigen Punct verlässt, verrichtet, das zweite zwischen dieser Zeit und dem Untergange der Sonne. Dann folgt das Gebet zur Zeit des Abends nach dem Untergange der Sonne und hierauf das Gebet in dem ersten Drittel der Nacht drei Stunden nach Sonnenuntergang. Bei jedem Gebete und Niederwerfung verfährt der Betende gerade so wie beim ersten Gebet, und das ist das Gebet des Heilverkünders (des Mânî, des Führers oder Paraklet)." - Diese kurze Erzählung des Muhammad ben Ishak ist für die maurerische Symbolik ausserordent-




    1) Winckelmann, Vl. S. 144.
    2) Flügel, S. 289, Anm. 217.
    3) Flügel, S. 95.
    4) Vergl. Flügel, S. 96 und die Anmerkungen dazu.



lich wichtig und belehrend. Zuvörderst ergibt sich, dass auch die Manichäer den Tag begonnen und daher das erste Gebet verrichtet haben, nachdem es Hochmittag 1) geworden, nachdem die Sonne in ihrem mittägigen Punkt angekommen war. Da der Betende sich gegen die Sonne zu richten und ihr Licht und Leuchten als das göttliche Symbol zu betrachten hatte, sollte er ihren vollen Aufgang und ihren Eintritt in die Mittagslinie abwarten. In der lichten Zeit von Hochmittag bis Hochmitternacht mussten 4 oder 7 Gebete gebetet werden, diese Zeit zerfiel in 4 oder 7 Gebetszeiten. 7 Zeiten hatten z. B. auch die Cistercienser. In der Reformation des Cistereienserklosters Fraubrunnen im Kanton Bern vom J. 1513 heisst es: "Es sollen ouch die Personen des Gotshusz sich mit andacht zu den siben Zitten fügenn, vnd die, mit singen vnd läsenn, vnd nach gutter Ordnung vnnsers h. Vatters S. Bernnharts, vollbringen." 2) Diese Siebenzahl ist die planetarische und begreift sich bei den manichäischen Eingeweihten, die auch 7 Höchsteingeweihte gehabt haben sollen. Die 12 Niederwerfungen bei jedem Gebete im Sonnenlichte können nur auf die Bahn der Sonne durch den Thierkreis und seine 12 Theile sich beziehen, wie das viermalige Gebet auf die 4 Quadranten des Thierkreises, womit wir auch bei den Maurern die Viertheilung der 24 Stunden des Tages in Zusammenhang gebracht haben. 3) Die manichäische und die christliche Zweiundsiebzahl wäre auf diesem Standpunkte nur die Zahl der 72 Halbdecane der Sonnenbahn.

Bei der dritten Niederwerfung des ersten Gebetes soll nach dem Fihrist der Manichäer z. B. beten: "Ich falle nieder und preise mit reinem Herzen und aufrichtiger Zunge den grossen Gott, den Vater der Lichter und ihr Element, Hochgepriesener, Gebenedeiter, du und deine ganze Grossherrlichkeit und deine Welten die gesegneten, welche du berufen hast. Dich preist, der da preist deine Heerschaaren, deine Gerechten, dein Wort, deine Gross-




    1) Vergl. oben S. 366 ff.
    2) Mohr, Regesten (des Klosters Fraubrunnen), II. S. 126.
    3) Symbolik, I. S. 130.



herrlichkeit und dein Wohlgefallen, weil du der Gott bist, der ganz Wahrheit, Leben und Gerechtigkeit ist;" und bei der vierten Niederwerfung: "Ich preise und falle nieder vor den Göttern allen, den leuchtenden Engeln allen, vor allen Lichtern und allen Heerschaaren, welche von dem grossen Gott sind;" bei der fünften: "Ich falle nieder und preise die grossen Heerschaaren und die leuchtenden Götter, die mit ihrer Weisheit auf die Finsterniss eindringen, sie austreiben und bewältigen." - Bei der zweiten Niederwerfung soll Mânî, die Wurzel der Erleuchtung, der grosse Baum angerufen werden, der ganz Heilmittel sei; also auch der Baumcultus, der Baum als Symbol ihres Stifters Mäni war den Manichäern nicht fremd. Im Gebet und Fasten bestand wesentlich die Gottesverehrung, der Gottesdienst der Manichäer, weshalb sie keine Tempel, keine Altäre oder Bilder hatten und auch keine Opfer und Räucherungen darbrachten. Bei Augustin wird als Grund hiefür die Ansicht der Manichäer angeführt, dass der zu Gott betende würdige Mensch selbst ein geistiger oder mit Vernunft begabter Tempel Gottes (rationabile dei templum) sei, gleich Christus, dem lebendigen Bilde der lebendigen Majestät (vivum vivae majestatis similacrum) seines göttlichen Vaters. 1) Im Evangelium Johannis 2, 19 - 22 fordert Jesus die Juden auf, den Tempel (seines Leibes) zu zerbrechen, er werde ihn in 3 Tagen wieder aufbauen. Es möchte daher Mânî jenes Bild, jene Ansicht aus dem Christenthum, aus der alexandrinisch-christlichen Lehre 2) entlehnt haben zur Rechtfertigung des alten parsischen Gebrauchs, keine Tempel und keine Götterbilder zu haben. Bei Wolf, Zeitschrift zur deutschen Mythologie, I. S. 150 ff., hat Rochholz auch mehrere deutsche Sprüche, besonders Räthsel mitgetheilt, in welchen der menschliche Körper als das Haus der Seele aufgefasst wird. - Noch im 11ten und 12ten Jahrh. hatten die damaligen Manichäer, die Katharer, keine eigentlichen gottesdienstlichen Gebäude, keine Tempel oder Kirchen,




    1) Flügel, S. 324, Anm. 265; Symbolik, I. S. 144 und II. S. 178.
    2) Vergl. darüber auch Pfeiffer, Germania, IV. S. 170 ff.



sondern versammelten sich in unterirdischen Gewölben oder in Wohnhäusern und Werkstätten der Mitglieder der Secte. Dass im Fihrist (Flügel, S. 98) abweichend von der Erbauung von Tempeln geredet wird, ist entweder auf ganz einfache und schmucklose Versammlungs- und Gebetsstätten zu beschränken, oder war jedenfalls nach dem Berichte selbst das Abweichen einer manichäischen Secte.

Der Angabe des Fibrist zufolge verfasste Mânî sieben Bücher, eines in persischer und sechs in syrischer Sprache (Flügel, S. 102) und zwar, was wohl zu bemerken ist, in der von Mânî angenommenen eigenthümlichen Schrift (Geheimschrift), um nur den Eingeweihten verständlich zu sein. 1) Die manichäische Schrift war aus der persischen und syrischen abgeleitet und hatte mehr Buchstaben als die arabische Sprache. Die Buchstaben der manichäischen Schrift sind bei Flügel, S. 168, mitgetheilt und soll der der Marcioniten ähnlich sein. Dass, Mânî zur Bildung seiner Geheimschrift neben seiner Mutterschrift noch die syrische benutzte, hat darin seinen geschichtlichen Grund, das zur Zeit Mânî's oder im 3ten Jahrh. die syrische Sprache in Westasien und bis an die Ufer und auf die Inseln Indiens und in der Tartarei bis an die Grenzen China's ausserordentlich verbreitet, gleichsam die Weltsprache war. Aus dem gleichen Grunde verfasste Mânî seine Schriften auch vorzugsweise in der syrischen Sprache, da dieses die Ausbreitung des Manichäismus ausserordentlich erleichterte und seine Schriften also überall in Asien von den Eingeweihten gelesen werden konnten, wo man das Syrische verstand und schrieb. Die Ueberreste von Palmyra haben syrische Inschriften. Nach dem Lexicon geographicum war die syrische Schrift unter den 5 Sprachen, die in Persien, oder nach Ibn al-Mukaffa unter den 7 Sprachen, die am Hofe der Sasaniden gesprochen wurden. Da durch die Hirammythe die Maurerei unleugbar mit Syrien in eine gewisse Beziehung tritt und darin auch einzelne manichäische Spuren sich finden, könnte die alte maurerische Geheimschrift, wenn eine




    1) Flügel, S. 166, Anm. 58.



solche vorhanden war, möglicher Weise die manichäische gewesen sein. Die römischen Bauleute, welche so viel mit Syrien und dem Oriente verkehrten und namentlich zu Palmyra 1) bauten, konnten leicht heimlich manichäische Lehren annehmen und als ihr heiliges Geheimniss weiter verbreiten, um so eher als die damals im römischen Reiche so verbreiteten Mithramysterien und die Mysterien des Mânî den Parsismus, den parsischen Ursprung mit einander theilten. - Appollodoros, welcher unter Kaiser Trajan dessen Bauten leitete und den Hadrian wegen seines baulichen Tadelns hinrichten liess, war aus Damaskus. 2) Unter den Seleuciden blühte zu Seleucia gewiss auch eine griechische Bauhütte und vermittelte die Verbindung zwischen dem Orient und Griechenland. 3) N. Müller, Mithras, Wiesbaden 1833, S. 74 ff., welcher freilich ausserordentlieh an der damals herrschenden krankhaften Ansicht über die Abstammung aller Bildung und aller Mysterien aus Indien leidet, will die Freimaurerei von den Mithrasmysterien herleiten. Es darf wenigstens die wohlbegründete Vermuthung ausgesprochen werden, dass die maurerische dunkle Vorbereitungs- und Prüfungskammer eine Nachahmung oder ein Ueberrest des Mithrakultus sei, indem solche unterirdische Prüfungskammern aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Mithraeum oder Speläum zu Heddernheim im Herzogthum Nassau verbunden und vor demselben gelegen waren. 4)

Unter dcn syrischen Schriften Mânî's steht oben an das aus 18 Kapiteln, deren Ueberschriften im Fihrist aufgezählt werden, bestehende Buch von den Geheimnissen (). Der Inhalt oder die Ueberschrift des 4ten Kapitels wird also angegeben: "Von dem Sohne der armen Wittwe, was nach dem Sinne Mânî's der gekreuzigte Messias ist, den die Juden kreuzigten." Nach dieser Stelle ging die Anklage Mânî's gegen die lügneri-




    1) Robertson, über die Kenntnisse der Alten von Indien, übersetzt von G. Forster, Berlin 1792, S. 48 ff.
    2) Brunn, II. S. 340.
    3) Winckelmann, Vl. S. 145 ff.
    4) N. Müller, a. a. O., Vorrede, S. XIV.



schen Juden dahin, dass, während sie Jesus den Sohn Gottes, den Welterlöser, der gar nicht von einem Menschen geboren war, gekreuzigt zu haben vorgaben, sie einen Menschen mit Namen Masêh, d. i. Gesalbter oder Christus, der der Sohn einer Wittwe war, kreuzigten. Nach Flügel, S. 359, wollte Mânî durch den Beisatz: Sohn der Wittwe, einen jeden Zweifel über die reine menschliche Natur des Gekreuzigten ausschliessen. Dem Mânî also gehört der Sohn der Wittwe als ein Streitsatz gegen die gewöhnliche jüdisch-christliche Lehre an und so kam er auch unter dem Namen des Hiram wohl in die Maurerei. Von welcher Bedeutung für die allgemeine Kirchengeschichte und für die frühern kirchlichen Reformationsversuche das System des Manichäismus gewesen sei, weiss man erst seit dem berühmten Werke des Isaac de Beausobre (geb. 1659 und gest. 6. Juni 1738), aus Niort, histoire critique de Manichée et du Manichéisme, Amsterdam 1731 - 1739, 2 Bde. 4. Den zweiten Band gab Formey heraus und die Ausarbeitung des versprochenen dritten Bandes verhinderte der zu früh erfolgte Tod von Beausobre. Diese kritische Untersuchung über den Manichäismus und viele damit verwandte Gegenstände, besonders über den Gnosticismus und die diesem angehörigen Philosophumena des mystischen Rationalismus, welche den Ruhm ihres Verfassers für immer begründete und doch leider nicht einmal beendigt ist, war im Grunde keine selbstständige Arbeit, sondern blos eine Vorstudie zur beabsichtigten Bearbeitung der deutschen Reformationsgeschichte. 1) An die Untersuchungen über den Manichäismus, Gnosticismus, Bardismus u. s. w. muss schlechterdings angeknüpft werden, wenn anders die noch so dunkle Entstehungsgeschichte, die innere und innerste Geschichte der Freimaurerei jemals Licht gewinnen soll. Die Geschichte der Einführung der Freimaurerei und der Freimaurerlogen in den verschiedenen Welttheilen und Ländern, worauf sich die gewöhnlichen Geschichten der Freimaurerei beschränken oder doch vorzüglich werfen,




    1) Vergl. Wachler, Gesch. der historischen Forschung und Kunst, II. 1. S. 96 ff.



sind von höchst untergeordnetem Werthe für die wahre Geschichte, indem die Maurerlogen und Maurersysteme seit dem J. 1717 wenige oder keine neuen Ideen, dagegen vielen Unsinn und mancherlei Missverstand der alten Wahrheiten geboren haben. Auch der Flügel'sche, obwohl sehr verdienstliche und auf eigenen Forschungen beruhende Commentar der über den Manichäismus neu aufgefundenen arabischen Geschichtsquelle, stützt sich dennoch, wenn nicht wesentlich, doch vielfach auf die Untersuchungen von Beausobre, der bei denselben die besseren morgenländischen Quellen den vielfach verunstalteten abendländischen vorgezogen und selbst die Glaubhaftigkeit des Augustinus in gerechten Zweifel gezogen hatte, wozu sich auch Flügel neigt. Ebenso müssen die Beziehungen und Verbindungen zwischen England und Indien und die daherige mögliche und wirkliche Einführung buddhistischer Lehren und Schriften noch näher erforscht und ergründet werden. Berührt mag hier nur werden, dass Alfred der Grosse, der gelehrte und berühmte König der Angelsachsen, im J. 883 den Bischof von Sherborne, Sighelm, an der Spitze einer Gesandtschaft in Folge eines Gelübdes zum Grabe des b. Thomas und Bartholomäus zu Meliapur auf der Küste von Malabar abordnete, 1) welche Gesandtschaft glücklich mit Geschenken, besonders an schönen Edelsteinen, der Thomaschristen für König Alfred wieder zurückkehrte. König Athelstan, unter welchem die allgemeine Maurerversammlung im J. 926 zu York, dem alten Eboracum, stattgehabt haben und die daherige Urkunde erlassen worden sein soll, war der würdige und fast gleich ausgezeichnete Lieblingsenkel des Königs Alfred und hatte gleichsam eine maurerische Erziehung genossen, indem Alfred seine Kinder und Enkel stets mit einer gleich grossen Zahl reicher und armer Kinder hatte auferziehen lassen, 2) wohl um sie alle Menschen lieben und achten




    1) Weiss, Gesch. Alfreds des Grossen, S. 341 ff.; Lorentz, Gesch. Alfreds des Grossen, übertragen aus Turner's Gesch. der Angelsachsen, Hamburg 1828, S. 221 ff. Turner handelt zugleich ausführlicher von den Christen in Indien.
    2) Weiss, S. 344 ff.



zu lernen. Alfred und Athelstan waren gleich gelehrt, gleiche Beschützer der Wissenschaft und der Gelehrten aller Länder, und namentlich auch gleich aufgeklärte und eifrige Beförderer der angelsächsischen allgemeinen Volksbildung. 1) Die Baukunst aber hatte unter König Alfred in allen Theilen einen ganz ungewöhnlichen Aufschwung genommen und selbst seine Tochter Ethelfleda, die Lady von Mercien, eingehend auf die Absichten ihres grossen Vaters, soll viele Städte erbauet haben. Zur Ausführung seiner Bauten soll Alfred eine grosse Anzahl baukundiger Leute aus andern Ländern nach dem Berichte seines Biograplien Asser habe kommen lassen und jährlich den 6ten Theil seiner Einkünfte für Bauausgaben verwandt haben. 2) Von Alfred bis und mit Athelstan fand die allseitigste und grossartigste Erhebung und Entfaltung des angelsächsischen Volkslebens zu seiner höchsten Höhe und Blüthe statt, was man wissen und im Auge behalten muss, um die Yorker Urkunde und den in ihr wehenden höhern Geist zu begreifen.

Einige weitere Kapitelüberschriften in dem Buche der Geheimnisse von Mânî sind: 7. Von den sieben Geistern; 8. Ueber die Lehre von den 4 vergänglichen Geistern; 9. Von dem Lachen; 10. Von der Zeugnissschaft Adam's über Jsâ (Jesus); 11. Von dem Abfall von der Religion;, 14. Von den 3 Gräben; 16. Von den 3 Tagen; 18. Von der Auferstehung. - Die Wahrhaftigen, die Eingeweihten heissen bei den Manichäern auch die Söhne des Geheimnisses im Gegensatz zu den Söhnen der Einsicht, wie die blossen Zuhörer genannt werden. 3) - Auch verdient erwähnt zu werden, dass Mäni ein körperliches Gebrechen, ein oder zwei einwärts gebogene Beine gehabt haben soll, 4) was an den hinkenden oder krummbeinigen Hephästos erinnert. 5)

Unter den spätern Lehrern des trotz aller grausamen Verfolgungen im Oriente und im Occidente fortdauernden




    1) Krause, II. 1. S. 90, Anm. e.
    2) Lorentz, Gesch. Alfreds des Grossen, S. 200 und 204.
    3) Flügel, S. 95.
    4) Flügel, S. 83 und 100.
    5) Symbolik, II. S. 646, Anm. 6.



und in stets neuen Formen wiedererstehenden Manichäismus sind besonders Adimantus, noch ein Schüler des Manes, nach welchem er das grösste Ansehen behauptet zu haben scheint, - und Faustus, ein manichäischer Bischof gegen das Ende des 4ten Jahrh. und einer der berühmtesten Lehrer und Schriftsteller, zu nennen. 1) Durch die zwischen dem alten und neuen Testamente bestehenden zahlreichen und wesentlichen Widersprüche suchte Adimantus die Ungöttlichkeit, das Unchristliche des alten Testamentes darzuthun. Noch weiter ging Faustus, indem er selbst das neue Testament angriff und behauptete, dass jedenfalls die Evangelien weit später und von ganz andern Männern geschrieben seien, als vorgegeben werde; auch viele Irrthümer, Widersprüche und Unwahrheiten enthalten. Er ehrte das Evangelium nur wegen der darin enthaltenen rein menschlichen und moralischen Lehren und glaubte nicht, dass Gott in Christus als Mensch geboren sei, was Christus aber auch selbst nicht lehre. - Auch der grosse Kirchenlehrer Augustinus, 2) geb. im J. 354 in der numidischen Stadt Tagaste, war mit seinem 20. Jahre unter die Manichäer getreten, weil sie verhiessen, ihre Schüler ohne den Autoritätsglauben oder ohne den Glauben an die vorgeblichen göttlichen Offenbarungen des alten und des neuen Testamentes durch die blosse Vernunft zu Gott leiten zu wollen. Als Manichäer war Augustinus Lehrer der Beredtsamkeit zu Carthago, zu Rom und zu Mailand gewesen, trat jedoch unbefriedigt wieder zurück und erfasste zuletzt mit seltenem Eifer und Geiste den Katholicismus, nunmehr den Manichäismus bekämpfend.

Layard (bei Meissner, S. 131 und 133) hält es für möglich, dass mit Mânî auch die Jezidi oder Teufelsanbeter bei Mosul in Zusammenhang stehen, indem die bei ihnen gebräuchliche eigene Zeitrechnung in der Zeit des Mânî anzuheben scheint.

Den überwiegenden parsischen oder sabäischen, den mithrischen Charakter haben die Gebräuche, die Mysterien der Bauleute ohne allen Zweifel im römischen Reiche er-




    1) Stäudlin, III. S. 495 ff.
    2) Vergl. darüber Stäudlin, III. S. 110 ff.



halten, in welchem während der Zeiten, des Kaiserreiches über alle Provinzen die Mithramysterien sich ausgebreitet und gewiss auch bei den Baucollegien der Städte und der Legionen Aufnahme gefunden hatten. In Syrien standen die Römer und ihre Baucollegien in unmittelbarer und langer Verbindung mit dem Sabäismus und den Mithramysterien, obwohl dieses Verhältniss noch höchst wenig erforscht und aufgeklärt ist; ein Zusammenhang der Baucollegien der Römer mit den syrischen Sabiern oder Johannischristen, mit den Mandäern am Euphrat steht jedoch mit Zuverlässigkeit zu vermuthen. Das syrische Religionsbuch der Sabier oder Johannisbrüder: Codex Nasareus, liber Adami appellatus, gab Mathias Norberg zu Lund (Londini Gothorum) 1815 in 3 Bdn.heraus, soll indessen wenig brauchbar sein. Besonders ist aber hervorzuheben Chwolson, die Ssabier und der Ssabismus, 2 Bde. Bei H. Petermann, Reisen im Orient, II. S. 96 ff. und 447 ff., wird über die Religion der Mandäer (denn Mandäer, nicht Mendäer oder Mendaiten nach Flügel, Mendai nach Layard, 1) ist der Name der Johannischristen) ziemlich ausführlich berichtet. Petermann, II. S. 99 und 454, will die Mandäer, welche nach Layard 2) wahrscheinlich die Nachkommenschaft der alten semitischen Bewohner von Babylonien und Chaldäa sind, obwohl aus dem Christenthume hervorgegangen, unbedenklich zu den Heiden zählen, wofür allerdings die bei ihnen zugelassene Vielweiberei spricht, da die Priester der Mandäer 7, die übrigen 4 Frauen haben dürfen. Der Name der Mandäer bezeichnet nach ihrer Ansicht die in Gott Lebenden, nach Petermann aber, II. S. 99, die Söhne des geoffenbarten Gottes, gleichsam die Christen. Die Mandäer dürfen wohl für eine jüdische und vorchristliche Gestaltung des Parsismus erklärt werden; sie selbst nennen sich auch Nasoräer , wie Johannes nur ein solcher oder ein Büsser und kein Essäer gewesen sein soll. 3) Die weisse Kleidung haben die Mandäer auch nach dem Urtheile von Petermann den Parsen entlehnt. Parsisch oder




    1) Meissner. S. 133.
    2) Bei Meissner, S. 98, Anm. *.
    3) Petermann, II. S. 99.



mithrisch und zugleich christlich ist auch der Gebrauch der Mandäer, dass bei der Trauung und zur Vollziehung derselben der Priester zuerst dem Bräutigam und dann der Braut Brod und Wein verabreicht. 1) Naht der Tod eines Mandäers heran, wird er gewaschen oder gereinigt und sodann weiss gekleidet; unmittelbar nach dem Tode wird ein geweihter Myrthenkranz um das Haupt befestigt. Bei der wenige Stunden nach dem Tode erfolgenden Beerdigung darf nicht geweint werden, da der Tag eher ein Tag der Freude als der Trauer ist; ähnlich wird es bei den Muhammedanern gehalten und am schönsten wird dieses durch die deutsche Sage bezeichnet, dass, wenn man Schöllwurz mit einem Maulwurfherzen auf das Haupt eines Kranken lege, man erkennen könne, ob er leben bleibe oder sterbe; sterbe er, so singe er mit heller freudiger Stimme, weine dagegen, wenn er noch fortleben müsse. 2) Der Kopf des Todten wird bei den Mandäern nach dem Polarstern gewandt, weil er an der Pforte der Lichtwelt steht, wohin der Verstorbene geht. Die Leiche wird, in Rohrstangen und vier Palmenzweige eingehüllt, von vier weissgekleideten Kirchendienern zu Grabe getragen. Die Beerdigung beginnt bei Mosul damit, dass der älteste Kirchendiener, nachdem er 3 Mal ein kurzes Gebet gebetet hat, mit 3 Spatenstrichen die Stelle, Breite und Länge des zu grabenden Grabes bezeichnet. Nach der Versenkung des Leichnams in das Grab und seiner Zudeckung mit Erde zieht derselbe Kirchendiener mit einem Spaten 3 Kreise um das Grab und drückt mit 3 Gebotsformeln 3 Mal sein Petschaft oder Siegel auf dem, Grabe ab. 3) - In Congo werden auf das Grab eines Fetischpriesters von seinen Genossen, nachdem sie Jeder eine Hand voll Sand hineingeworfen haben, drei Stäbe gesteckt, dem Kopfe, dem Feigenblatte und den Füssen entsprechend; auf die Gräber der Uebrigen wirft man alle Arten zerbrochenen Töpfergeschirres und fügt bei einem




    1) Petermann, II. S. 118; Symbolik unter Wein.
    2) Bechstein, Mythe, I. S. 111.
    3) Petermann, II. S. 119.



Jäger Pfeil und Bogen bei. 1) Nach Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 229, war das irdene Geschirr dem Dionysos geweiht und die Mannichfaltigkeit der Vasen sollte die Mannichfaltigkeit der Lebensformen ausdrücken, wie denn auch Dionysos selbst der buntgestaltete () geheissen; die mehreren Vasen von den verschiedenartigsten, oft seltsamsten Formen in den Grüften der Alten sollen die tröstliche Wahrheit aussprechen, dass die Lebensgestalten der Natur unerschöpflich sind; ihre Gestalten sind wohl gebrechlich, aber ist eines gebrochen, so tritt das Leben des andern hervor; du stirbst, aber es ist nur ein Wechsel des Gefässes. Sehr sinnreich deutet die Osirismythe denselben Satz dadurch an, dass der bei der Stadt Byblus von dem Meere an das Land getriebene Sarg des Osiris sogleich von einer Erikastaude umschlossen worden sei, woraus der phönicische König Malkander eine Säule für seinen Palast verfertigen liess, d. h. auch der im Sarge schlafende Gott ist noch eine feste unsterbliche Säule. Noch sinnvoller ist nach Clemens von Alexandrien Protreptico, p. 12, derselbe Gedanke in der Mythe der kretischen Kyklopen ausgedrückt. Der erschlagene dritte Bruder wurde von seinen Brüdern und Mördern am Fusse des Berges Olympos begraben und sein Kopf mit einer Purpurdecke bedeckt: aber aus dem Blute des Ermordeten sprosste plötzlich der Eppich (die Akazie auf dem Grabe des Hiram) hervor. 2) - Das viele zerbrochene Geschirr in alten heidnischen keltischen oder germanischen Gräbern und Todtenhügeln hat vielleicht auch darin seinen Grund, dass die bei dem Todtenfeste und Leichenmahle gebrauchten Gefässe zu keinem andern Gebrauche mehr dienen sollten und zum Andenken des Gebrochenen zerbrochen wurden, ähnlich wie auch zuweilen als Zeichen des Schmerzes die Kleider zerrissen wurden und wie beim Tode Christi der Vorhang im Tempel zerriss. - Höchst merkwürdig und mit den alten maurerischen Gebräuchen in England 3) übereinstimmend ist es, dass nach dem Berichte von Peter-




    1) Bastian, ein Besuch in San Salvador, S. 89 ff.
    2) Böttiger, Sabina, Leipzig 1806, S. 216.
    3) Krause, I. 1. S. 236 ff.



mann (II. S. 116) in dem Tempel der Mandäer der Fussboden desselben jedes Mal vor dem Beginne des Gottesdienstes durch einen Tempeldiener glatt gefegt, nachher aber wieder absichtlich uneben gemacht wird, um vor den Uneingeweihten gesichert zu sein. Ohne Zweifel wird aber der Boden nicht blos geebnet, sondern auch mit gewissen Symbolen bezeichnet, welche nach beendigtem Gottesdienste wieder vertilgt werden. So hatte man auch früher in England in den Logen die Symbole nicht auf einer festen Tafel (Tapis) abgebildet, sondern für die einzelne Logenversammlung wurde die Tapis, das Logenviereck mit grösseren oder geringeren Zugaben jedes Mal mit Kreide auf den Boden gezeichnet und sodann wieder gelöscht. - Nach den Legenden der Mandäer, welche Petermann, II. S. 100 ff., mittheilt, scheint in alten Zeiten eine Auswanderung der Mandäer nach Africa stattgefunden zu haben.

Johannes der Täufer könnte nun allerdings von den römischen Bauleuten den syrischen Johannischristen 1) und namentlich den Mandäern am Euphrat entlehnt und wegen seines Lichtglaubens oder als die jüdische Form des Parsismus, des Magismus aufgenommen worden sein. Stieglitz 2) bringt Johannes den Täufer mit den Gnostikern in Verbindung und glaubt, dass er mit den gnostischen Lehren in die mittelalterlichen Bauvereine Eingang gefunden habe, wie es ausser Zweifel liege (?), dass der Buchstabe G in dem flammenden Stern auf Gnosis gehe. 3) Durch eine Legion, welche früher in Syrien gestanden, oder durch Bauleute, die dort gewesen, selbst durch syrische Priester und Christen müsste der Glaube der Johannisjünger nach England namentlich, zu den Britten verpflanzt worden sein. Heideloff, die Bauhütte, S. 10, ist der Ansicht, dass, auch nachdem die römischen Legionen im J. 408 Britannien verlassen und die Britten die Angelsachsen unter Hengist und Horsa später zu Hülfe gerufen hatten, sich dennoch die römischen Baucorporationen in




    1) Vergl. auch Symbolik, II. S. 264 ff.
    2) Vergl. Lenning, Encykl., III. S. 417 Anm.
    3) Symbolik unter Buchstabe G.



Britannien erhalten und dort fortgedauert haben; man dürfe daher behaupten, dass durch diese britischen Baumeister die Deutschen erst mit dem Kirchenbaustyl, mit dem Geist und Sinn desselben vertraut geworden, da die meisten Apostel Briten, Irländer oder Schotten und in der Regel Bauverständige gewesen; sie haben in Deutschland Bauhütten nach den Mustern ihres Vaterlandes errichtet, welche durch die Deutschen weiter fortgebildet worden seien.

Den geschichtlichen und unlösbaren unmittelbaren Zusammenhang der deutschen Baukunst und Bauhütten, der gesammten städtischen Bildung und städtischen Schulen Deutschlands mit den römischen, mit den gallisch-fränkischen Städten und Lehranstalten beweisen schon die drei rheinischen, römischen Hauptbauhütten zu Cöln, Strassburg und Zürich mit der gleichfalls ursprünglich römischen vierten Bauhütte zu Wien an der Donau. Es war ferner bis zu Anfang des 11ten Jahrh. Sitte, dass man für die Domschulen im mittleren Süddeutschland die Schulmeister vom Rheine oder aus Gallien, d. h. aus den alten Sitzen der römischen Bildung kommen liess, 1) indem hier in den bedeutendsten Städten die Lehranstalten auf den Grundlagen der altrömischen Einrichtung sich forterhalten hatten. 2) wie vorzüglich zu Rheims, auch vielleicht zu Avignon. Wer nicht juxta Renum seu in Gallia doctus erat, galt nichts (Mone. I. S. 265, Anm. 19). Viele junge Domherren, z. B. zu Basel, gingen dann noch auf eine Universität, um ihre Studien zu vollenden, wozu ihnen fünf Jahre bewilligt wurden (Mone, I. S. 268). Die Mitglieder der rheinischen Stifter studirten meist zu Paris (Mone, II. S. 134). So z. B. hatte der Abt Heinrich von Heisterbach (1208 - 1244) zu Paris studirt, wie überhaupt die seit dem 12ten Jahrh. auch in Deutschland so rasch sich ausbrei-




    1) Mone, Schulwesen vom 12ten bis 16ten Jahrh., in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, I. S. 257 ff.; derselbe, über das Schulwesen vom 13ten bis 18ten Jahrh. in Baden, Württemberg und Rheinbaiern, in der Zeitschrift II. S. 129 ff.
    2) Weiss, Gesch. Alfreds des Grossen, Anhang von Bock, S. 19 und 30 ff.



tenden Cistercienserklöster mit ihren französischen Mutterklöstern innigen Verkehr unterhielten und durch sie viele französische Bildung, besonders der neue französische Baustyl nach Deutschland kamen. 1) Auch Otto, Sohn des Markgrafen Leopold von Oesterreich und Oheim des nachherigen Kaisers Friedrich I., als Geschichtsschreiber unter dem Namen von Freisingen bekannt, weil er im J. 1138 auf den bischöflichen Stuhl zu Freisingen gekommen, war auf der Rückreise von der hohen Schule zu Paris mit seinem Bruder Conrad und mit mehreren Söhnen deutscher fürstlicher und gräflicher Häuser zu Morimond 2) in den Cistercienserorden eingetreten und lebte sodann als Abt von 1131 - 1138 zu Morimond. 2) - Der Katheder, der Lehrstuhl, cathedra, , kymrisch cadair, ist jedenfalls griechisch-römischer, wenn nicht rein keItischer Abstammung, insofern cadair, der Meister-, der Bardenstuhl, als das Stammwort anzusehen wäre. 3) Es wäre geschichtlich sehr wichtig, diese zunächst etymologische Frage bestimmt beantwortet zu sehen; doch glauben wir, der Katheder, der gelehrte Vortrag und Unterricht sei insofern eine druidische, eine keltische oder beziehungsweise römisch-gallische Einrichtung, als denselben die Deutschen aus Gallien mit den Universitäten empfingen. Cadair wäre der kymrische Lehrstuhl, welchen allein der Stuhlmeister, der neu erwählte Meister der Loge und die gewesenen Meister vom Stuhl einzunehmen berufen waren. Da übrigens zuletzt und zunächst dem Griechischen angehört, müsste er auch hier von den Druiden angenommen worden sein. In etwas späterer Zeit war der bekannte, zu Köln im J. 1329 verstorbene Mystiker, Meister Eckhard aus Sachsen, an der Universität zu Paris gebildet worden. 4) Ihm folgten als Mystiker und Schriftsteller der 1361 verstorbene Johann Tauler und Ruolmann Merswin zu Strassburg. Diese Gottesfreunde, zu welchen auch Nicolaus von Basel gehörte, verlangten neben der Liebe Gottes namentlich die




    1) Schnaase, V. S. 500.
    2) Schnaase, V. S. 419.
    3) Eckermann, III. 2. S. 245; Rich, Wörterb., u. d. W.
    4) Schnaase, VI. S. 29 ff.