internetloge.de - internetloge.org - Hamburg, Deutschland -
Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel V., Teil 4, Seiten 401 - 450

Die deutschen Bauhütten.

Liebe (Minne) aller Menschen, der Lebenden und der Todten. Auch Tauler wie überhaupt die meisten deutschen Mystiker des 14ten Jahrh., Gerhard, Grote u. s. w., hatten in Paris studirt und hatten die gewöhnliche scholastisch-theologische Bildung. 1) Im J. 1270 hatten die schwedischen Studenten in Paris Geld zusammengelegt, dass Meister Etienne mit 40 Gehülfen aus Paris nach Upsala zum Baue der dortigen Kathedrale abreise. 2) - Die ersten gelehrten Schulen in Deutschland waren die Kloster- und die Domschulen, also römische Lehranstalten, weil die lehrenden Mönche und Geistlichen nur eine römische Bildung besassen und in den meisten Fällen nicht einmal die deutsche Sprache verstanden. Stadtschulen, bürgerliche oder Volksschulen konnte es nicht geben, so lange es noch keine Städte und darin ein freies Volk, ein Bürgerthum gab; vor dem 12ten Jahrh. bestanden daher in Deutschland keine eigentlichen Volksschulen und das Volksschulwesen blühte erst mit den Städten auf, mit ihnen den gleichen Weg gehend und kommend. Es ist bezeichnend und verdient die grösste Beachtung, dass gleichzeitig im 12ten und 13ten Jahrh. im eigentlichen Germanien oder in Deutschland und in den von germanischen Stämmen überwiegend besetzten Theilen des nördlichen Frankreichs, des heutigen Belgiens und des nördlichen Italiens das Städteleben, die Städte, das Bürger- und Volksthum und mit ihnen, in ihnen und durch sie die Volksschulen und Universitäten, Handwerke und Handel, Kunst und Wissenschaft, - die Bauzünfte, Bauhütten und die Baukunst, - die deutsche Sprache, Dichtkunst, Baukunst und Wissenschaft sich erheben und als die allseitige und eigenthümliche Entfaltung des germanischen Geistes und Lebens sich darstellen. Der Grundgedanke, das Ideal dieses grossartigen und allgemeinen städtischen Regens und Strebens in freien, stets enger und enger sich schliessenden Genossenschaften war die Freiheit und Gleichheit Aller, ein freies christliches Gemeinreich unter einem ge-




    1) Schnaase, VI. S. 54.
    2) Schnaase, VI. S. 111 Anm.



meinsamen starken weltlichen und kirchlichen Oberhaupte, - das römisch-deutsche Reich mit dem deutschen Kaiser und dem römischen Papst. Wie die Grundbestandtheile dieses Volks- und Staatslebens römisch-deutsch sind, so bestehen auch die einzelnen Theile und Einrichtungen, die einzelnen Glieder des Ganzen aus den gleichen Bestandtheilen, - sind aus und auf demselben Boden und Stamme emporgewaehsen, d. h. auch die Städte, die Zünfte die Bauhütten, die Handwerke, die Künste und Wissenschaften sind römisch-germanische, römisch-deutsche. Das germanische Element ist aber das beherrschende und fortgestaltende, weitertragende, welches das dahingegangene römische in sich aufgenommen und organisch, volksmässig, national, germanisch umgeschmolzen hat. Die Zeit ist recht eigentlich das gründende und bauende Zeitalter der Germanen, der Deutschen; man gründete und bauete die Staaten und die Städte, die Zünfte, die Schulen und Universitäten, - die Kirchen und Dome, - die Rath- und Zunfthäuser, - den Handel und die Kaufhäuser, - die Armen- und Krankenhäuser, - die Paläste und Schlösser, - die Thore, Brücken und Canäle u. s. w. Man vergleiche z. B. nur das Verzeichniss der zu Bologna von 1195 - 1269 ausgeführten Bauten bei Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, V. S. 268, Anm. 4, um eine Einsicht von der Schöpfungs- und Thatenlust und Kraft jener freiern bürgerlichen Zeiten zu gewinnen. Die italienischen Städte, welche zuerst hervortreten, sind als durchaus germanische zu betrachten und kommen selbst äusserlich durch Vermittelung des Handels und der zunächst gelegenen schweizerischen Städte in unmittelbare Berührung mit den deutschen und oberrbeinischen Städten, einen grösseren oder geringeren Einfluss auf dieselben ausübend. 1)

Die neuen städtischen Volks- und Gelehrtenschulen waren entsprechend dem allgemeinen Charakter der Zeit zunächst christliche und priesterliche Schulen, indem daselbst eigentlich nur Christliches und von Geistlichen auch




    1) Mone, IV. S. 3 ff.: "Zur Handelsgeschichte der Städte am Bodensee vom 13ten bis 16ten Jahrh."; derselbe, V. S. 1 ff.: "Der süddeutsche Handel mit Venedig vom 13ten bis 15ten Jahrh."



für Weltliche und unter geistlichen Einrichtungen gelehrt werden sollte. 1) In der Regel hatte jede bischöfliche und jede Collegiatkirche einen scholasticus oder scholaster, magister scolarum, welcher Dom- oder Stifts-Scholaster hiess und in deutschen Urkunden zuweilen Schulmeister genannt wird, z. B. in einer Urkunde von 1397 des Stiftes Creuzlingen bei Constanz. 2) Der Schulmeister im heutigen Sinne hiess magister oder rector puerorum. In dem königl. Stiftungsbriefe von Bern vom J. 1218 wird ausdrücklich in Art. 7 neben den übrigen städtischen Beamten auch die freie Wahl des Sacerdos, Scholasticus und Sacrista zugesichert; 3) ebenso in Art. 2 der Handveste von Freiburg im Uechtlande vom J. 1249, 4) welches Recht sofort mit der ganzen Verfassung König Friedrich II. nach dem Absterben des letzten Zähringers am 18. Hornung 1218, auch der Stadt Bern hatte wieder bestätigen müssen. 5) Zu Basel wird in der Chronik von Knebel, I. S. 99, noch im J. 1474 unter den Domherrn Heinrich von Andlau als Scholasticus genannt; ebenso (II. S. 32) im J. 1476 Adelb. von Rotberg und im J. 1479 Jakob Pfau von Rietburg (II. S. 183). In den Urkunden des Klosters Einsiedeln wird zuerst im J. 1249 ein scholasticus unter den Zeugen erwähnt. 6) In einer Urkunde Rudolfs von Habsburg, Herrn zu Rapperswil, vom J. 1314, wird geredet von Meister Rudolf von Radegg, Schulmeister zu Einsiedeln, "der uns von Eigenschaft anhöret." 7) Eine Urkunde vom J. 1365 nennt Johann von Gengen den Schulherrn der Propstei zu Zürich. 8) Der Scholaster lehrte gewöhnlich nicht selbst, sondern unter ihm der magister puerorum mit seinen Unterlehrern (hypodidascali, baccalaurii). Er war Würdenträger des Stifts und nahm seinen Rang nach dem Dechanten ein. Unter schola ist eine latei-




    1) Raumer, VI. S. 438 ff.
    2) Mohr, Regesten, II. S. 28, Nr. 265.
    3) Gaupp, II. S. 46.
    4) Gaupp, II. S. 83.
    5) Kopp, Gesch. der eidgen. Bünde, II. 2. S. 189.
    6) Mohr, die Regesten der Archive der schweiz. Eidgenossenschaft, I. (Chur 1848) S. 10, Nr. 70, vergl. mit Nr. 79 und 81, 187.
    7) Mohr, I. S. 20, Nr. 189 und 806.
    8) Mohr, I. S. 35, Nr. 402.



nische Mittelschule und unter studium (generale) eine Universität, universitas, corporatio, zu verstehen; studium privilegiatum ist eine vom Papste anerkannte Universität, deren Zeugnisse allein allgemeine Gültigkeit hatten. Im 12ten und 13ten Jahrh. finden sich Dom- oder Stiftsschulen zu Constanz, Creuzlingen, Freiburg, Basel, Speier, Worms, Mainz, Aschaffenburg u. s. w., worüber das Nähere aus den bei Mone I. mitgetheilten Urkunden zu erheben ist. Der Schulunterricht bezog sich fast allgemein auf die sog. 7 freien Künste, von denen drei (trivium), nämlich Grammatik, Rhetorik und Dialektik die eine Hauptabtheilung, vier, nämlich Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (quadrivium), die zweite Hauptabtheilung bildeten. Die Scholastiker, die Geistlichen überwachten das gesammte Schulwesen und ohne ihre Zustimmung durfte keine Schule gegründet und eröffnet werden; zu Lübeck z. B. stand die Stadtschule unter der Aufsicht des Scholastikus der Stiftsschule. In Errichtung solcher Schulen sind begreiflich die italienischen und französischen Städte den deutsehen vorausgegangen, wie z. B. schon im 11ten Jahrh. zwei Schulen für Einheimische und Fremde mit besoldeten Lehrern bei der Kirche des h. Ambrosius zu Mailand bestanden. Der allgemeine Volks- und Gelehrtenunterricht scheint ziemlich gleichzeitig während des 13ten Jahrh. in Italien, Frankreich und Deutschland, wenigstens Süddeutschland eingeführt worden zu sein, 1) während der Schulunterricht in der neu gebildeten englischen Sprache in England erst gegen das Ende des 14ten Jahrh. durch Verdrängung der französischen Sprache aufkommen konnte. 2) Das Chorherrnstift Amsoldingen im Kanton Bern gründete die Stelle eines Pfarrers und scolasticus zu Amsoldingen im J. 1310 mit der eidlichen Verpflichtung des Bestellten: "se ad hoc adstringet et personaliter resideat in loco Ansoltingen et ibi honorabiliter ac utiliter ecclesie deserviat et scole presit per se scolares docendo inibi personaliter et actualiter et fideliter sine dolo." 3)




    1) Raumer, VI. S. 442 ff.
    2) Schnaase, VI. S. 163.
    3) Mohr, Regesten, I. S. 18, Nr. 5.



Hier war also der Ortsgeistliche zugleich der wirkliche Ortsschulmeister, er musste die Kirche und die Schule versehen. In den am gleichen Tage erlassenen Statuten des Stifts Amsoldingen war von dem Capitel noch bestimmt worden: "Ita prebenda cum scola est annexa non est conferenda nisi personae ad scolarium regimen habili, utpote illi qui novit grammaticalia et alia in quibus scolares in scolis sunt erundiendi et ille scolasticus scolis fideliter presit nec non officio majoris missae ac horis aliis intersit cum personali residencia et jurata." 1) In einer Urkunde vom J. 1378 wird Hesso von Scharnachthal der gewesene Domherr und Schulmeister zu Amsoldingen genannt; 2) eine Urkunde von 1396 (Nr. 40) redet dagegen von Heinrich von Spaichingen als dem Schullehrer (rector puerorum) zu Thun. - In zwei Urkunden des Frauenklosters Fraubrunnen im Kanton Bern vom J. 1302 wird der rector pueromm (Schulmeister) de Berno erwähnt. 3) Eine Urkunde vom J. 1396 im bischöflichen Archive zu Chur spricht von dem Domscholasticus zu Chur. 4) In einer notarialischen Urkunde, dat. Chur den 3. Februar 1401, wird unter den Zeugen nicht nur der scolasticus, canonicus ecclesie Curiens., genannt, sondern auch mehrere scolares dyoc. Cur. 5) Eine Urkunde von 1484 spricht von einem "Churer canonicus, paulo ante de Scolastrie officio investitus." 6) - Ein Martinus Vranius nennt sich in einem von ihm im J. 1493 ertheilten Rechtsgutachten utriusque juris doctor et in praeclaro Tibingensi gimnasio juris pontificii ordinarius. 7) In einer Schenkungsurkunde des vorgenannten Klosters Fraubrunnen vom J. 1302 beginnt die Schenkerin mit den Worten: "Ego Ita relicta quondam magistri Johannis Scolastici de Solodoro (Solothurn)." 8) Der Schulmeister zu Byelle (Biel) ist erwähnt in einer




    1) Mohr, I. S. 19.
    2) Mohr, I. S. 21, Nr. 30.
    3) Mohr, II. S. 17, Nr. 66 und 67.
    4) Mohr, Regesten (der Landschaft Schanfig), I. S. 52, Nr. 24.
    5) Mohr, Regesten (von Pfäfers), I. S. 50, Nr. 356.
    6) Mohr, I. S. 89, Nr. 730.
    7) Mohr, I. S. 94, Nr. 782.
    8) Mohr, II. S. 24, Nr. 103.



eben solchen Urkunde vom J. 1391. Im J. 1246 beschloss eine Kirchenversammlung in Biterre: sobald die Knaben 7 Jahr alt sind, sollen sie an Sonn- und Festtagen zur Kirche gesandt und im katholischen Glauben unterrichtet werden. Man lehre ihnen das Vaterunser, den Glauben und die Begrüssungen der Maria. Der Schwabenspiegel, Art. 158 (bei Wackernagel), enthält bezüglich des Lehrern und Lehrmeistern zustehenden Züchtigungsrechtes diese Bestimmung:

"Slehet ein man sîn lêrkint mit ruoten oder mit der hant âne blutrunsen, dâ tuot er wider nieman an. unde machet erz bluotrünsic dâ ze der nasen, ern büezet aber niht. machet erz aber bluotrünstic âne mit ruoten, sô muoz erz büezen. unde sleht erz ze tôde, man rihtet über ihn als hie vor gesprochen ist. Nieman sol sînem lêrkinde mêr slege tuon danne zwelve, unde âne gevaerde."

Nach dem alten Duodeeimalsysteme dürfen mit einem Male dem Lehrknaben nicht mehr als ein Duzend Schläge versetzt werden, was von den eigentlichen Schulknaben wie von den Handwerkslehrknaben gilt. Der Sachsenspiegel, II. 54, 1, hatte blos verordnet, dass, wenn ein Mann ein Kind schlage, raufe, oder mit der Ruthe schlage, er deshalb ohne Wandel bleibe, könne er auf den Heiligen es bewähren, dass er es um nichts Anderes als um sein Vergehen geschlagen habe. Die Bestimmung des Schwabenspiegels ist beinahe wörtlich in das Stadt- und Landrechtsbuch Ruprechts von Freising, Cap. 122, übergegangen. - Zu den berühmtesten Stifts- und Klosterschulen Deutschlands, um deren Anlegung und Einführung Karl der Grosse und der von ihm von der Schule zu York herbeigerufene Alcuin besondere Verdienste haben, 2) gehörten diejenigen von Fulda, Reichenau, Corvei, Bremen, Hildesheim, Lüttich, Augsburg, Freisingen u. s. w., deren Lage als für den Gang der deutschen Bildung bezeichnend beachtet werden muss. Soweit diese Klöster und Stifter der Baukunst oblagen, Bauhütten errichtet hatten, waren ihre




    1) Mohr, II. S. 70, Nr. 294.
    2) Weiss, Gesch. Alfreds des Grossen, Schaffh. 1832, S. 132 ff.



Schulen zugleich förmliche Bauschulen für die Laien und Laienbrüder, so dass auch der Ausdruck schola, scola ital., für Bauhütte, Bauzunft vorkommt. Die Wirksamkeit der Stifter und Klöster für den Volks- und Gelehrtenunterricht schliesst daher auch ihre Bemühungen für den architektonischen Unterricht in sich und den Geistlichen und Mönchen gebührt das hohe Verdienst der Gründung und Erhaltung der wissenschaftlichen und technischen Schulen. Die Klosterregel konnte auf die Bauhütten nicht unbedingt angewandt werden, wo zur Bauhütte nicht blos Klosterbrüder, sondern auch Laienbriider und vielleicht blosse Laien gehörten; die geistliche Klosterregel musste hier dem architektonischen Zwecke untergeordnet werden und weichen, ganz besonders in den neu entstehenden Städten, weshalb in den Städten und mit ihnen die Bauzünfte, die eigentlichen Bauhütten und die 4 deutschen Haupthütten sich entwickelten. In den italienischen, gallischen und rheinischen Städten gab es gewiss von den Zeiten der Römer her bis auf die Zeiten der mittelalterlichen Bauzünfte und Bauhütten mehr oder weniger nichtklösterliche oder nichtgeistliche Architekten und Bauhandwerker, welche die römischen Einrichtungen und Gebräuche lebendig oder in Urkunden, Ritualen und dergleichen bewahrt hatten, um sie zu geeigneter Zeit wieder hervorziehen und gebrauchen zu können. Von ihnen daher, d. h. aus vorchristlichen oder vorklösterlichen Quellen möchten wir die Symbole, Gebräuche und Rituale der Bauleute des Mittelalters und der heutigen Freimaurer ableiten, und nicht aus den Klosterregeln, 1) darunter vorzüglich derjenigen des Benedictus von Nursia (480 - 543). Die Steinmetzen, lapicidae, wie sie in spätern Urkunden Deutschlands genannt werden, z. B. bei Mone, III. S. 9, 40, 42 und 46, sind nicht aus den Klöstern, sondern aus und mit den Städten hervorgegangen, obwohl auch sie gleich allen Einrichtungen der Zeit geistlichen Einwirkungen unterworfen waren und dagegen zu ringen hatten und um so eher mit den Städten sich losrangen, je mehr gerade sie Römisches sich bewahrt und erhalten hatten. Ihr Wander- und Künstlerleben




    1) Vergl. darüber Raumer, VI. S. 397 ff.



erzeugte und nährte einen gewissen Freiheits- und Unabhängigkeitssinn, wenigstens einen Künstlerstolz in ihnen, der sie den Mönchen und Priestern doch nicht allzu fügsam und unterwürfig werden liess. Um das Hervorgehen der Freimaurerei aus der benedictinischen Klosterregel möglich und wahrscheinlich machen zu können, hat z. B. Bobrik, Gesch. der Freimaurerei, Zürich 1838, S. 109 ff., zu begründen versucht, dass Benedictus von Nursia seine Regel hauptsächlich nach dem Vorbilde des pythagoreischen Bundes entworfen habe. Immerhin ist das beschauliche und büssende Leben, das Klosterwesen ägyptischen und eigentlich heidnischen Ursprungs und hängt sicherlich mit den Therapeuten und Essäern und durch diese mit den Pythagoräern zusammen, wie das ganze Christenthum mit allen seinen Einrichtungen nicht ein völlig Neues ist und sein kann. Die Baukunst und die Verbindungen der Bauleute haben am wenigsten die Benedictiner oder gar die spätern Cistercienser neu erfunden und eingeführt, sondern sind darin nur die Schüler und Nachahmer der Römer und Griechen, so dass der Zusammenhang mit den letztern nicht geleugnet werden kann und noch Römisches und Griechisches sich muss auffinden lassen. Der reinen Mönchsverfassung und Mönchspolitik, welche von den maurerischen Grosslogen, sogar von der schweizerischen noch dermalen festgehalten wird, gehört aber der Beschluss der Cistercienser an, dass kein Abt, Mönch oder Neuling ohne Erlaubniss der allgemeinen Ordensversammlung Bücher schreiben und herausgeben dürfe. 1) Bei den Trappisten, bei welchen alle Klosterbeamtungen nur zeitlich oder gewöhnlich blos auf ein Jahr besetzt werden, erfolgt die Niederlegung und die neue Verleihung des Amtes durchaus in derselben Weise wie bei den Maurern, indem nämlich alle Amtszeichen auf einem Tische vor dem Abte niedergelegt und von diesem den neuen Beamten begrüssend überreicht werden. 2)

Noch mehr Vergleichungspunkte bieten die Bauhütten mit den gleichzeitigen und in vieler Hinsicht auch gleich-




    1) Raumer, Vl. S. 449.
    2) Ausland für 1834, S. 1417.



artigen Universitäten. 1) Dass die Universitäten als Rechtsinstitute, als universsitates, corporationes, collegia reinen römischen Rechtes seien, bedarf kaum der Erwähnung, geschweige denn irgend eines weitern Beweises. Die Universitäten sind sodann durch keinen Act kirchlicher oder staatlicher Gesetzgebung oder Verwaltung entstanden, sondern haben sich zunächst in den italienischen und gallischen Städten aus sich selbst gleichsam, aus dem wissenschaftlichen Bedürfniss und dem allgemeinen aufstrebenden Geiste der Zeit geboren. Eine Universität war anfänglich ein ganz freier städtischer Verein zur Lehre und Erlernung der Wissenschaften mit der Fähigkeit, über das Erlernte Zeugniss durch Verleihung einer akademischen Würde, der Doctorwürde zu ertheilen, zu welchem letztern Zwecke allein seit dem 13ten Jahrh. die päpstliche Bestätigung für die Universitäten nachgesucht zu werden pflegte. Studium generale hiess die Lehranstalt, weil sie ihrer Natur, nach Fremden wie Einheimischen geöffnet war, ja jene durch passende rücksichtsvolle Behandlung und mancherlei Begünstigungen herbeizulocken und bei sich zu behalten bemüht war. Ein solches studium generale, eine alle Menschen, die fremden wie die einheimischen, mit gleicher Liebe und Achtung aufnehmende, - eine stille Stätte der bauenden Menschheit und des menschlichen liebevollen Friedens sollte und musste eine jede Bauhütte, eine jede Loge sein. Z. B. noch zu dem Münsterbau zu Constanz am Ende des 15ten Jahrh. kamen Steinmetzen aus ganz Süddeutschland und noch weiter her zusammen. 2) Ausgezeichnete Baumeister mussten wie ausgezeichnete Professoren gesucht und durch besondere Begünstigungen gewonnen werden, so Johannes von Gemünd für den Chorbau zu Freiburg. 3) Mit den Universitäten erblühten überall die Wissenschaften, mit den Bauhütten entstanden Bauwerke; und von Kirche, Stadt und Staat wurden die Universitäten und Bauhütten ihrer segensvollen Wirksamkeit wegen beschützt und befreiet. Die vagi




    1) Vergl. darüber Raumer, VI. S 450 ff.
    2) Mone, Zeitschrift. III. S. 47 unten.
    3) Schnaase VI. S. 265.



scolares, die fahrenden Studenten, 1) freilich ein arger Missbrauch schon des 13ten Jahrh., beruhen dennoch mit den wandernden Klosterbrüdern, Bauleuten und Gesellen auf demselben Grunde einer allgemeinern Verbindung und eines allgemeinen thätigen Zusammenhaltens. Arme Studenten, welche die Noth zum Pilgern zwang, empfahlen mehrere Kirchenversammlungen der geistlichen Milde. Die fahrenden Studenten wurden im südlichen Deutschland Curhardini genannt, was nach Mone entweder vom franz. coard, couard, Poltron, oder von currere und der Endsylbe hart kommt, also einen Landläufer bezeichnet. In Tirol spricht man von fahlenden (fehlenden) Schülern. 2) - Die akademischen Abstufungen in Doctoren, Magister und Baccalauren, welche schon frühe auf den Universitäten vorkommen, erinnern an die ähnliche Eintheilung der Glieder einer Bauhütte in Meister, Gesellen und Lehrlinge, und beweisen die Ursprünglichkeit derselben als einer naturgemässen oder nothwendigen. Im Ritterstande entsprechen die Ritter, Knappen und Pagen. Auch in den oben weitläufiger berührten Zunftstatuten von Paris, welche der Prévot Etienne Boileau im J. 1260 gesammelt und Ludwig IX. genehmigt hat, werden die gegenseitigen Rechte der Meister, Gehülfen und Lehrjungen als etwas Hergebrachtes genau unterschieden und bestimmt. 3)

Wie das städtische deutsche Leben von Gallien und Italien aus gleichmässig durch das dort erhalten gebliebene römische Städteleben angeregt worden ist, wirkten in gleicher Weise auf die deutschen Universitäten die gallischen und italienischen, besonders Paris durch die Theologie Salerno durch die Medicin und Bologna durch das römische Recht und zwar das letztere zum grossen Nachtheile des einheimischen deutschen Rechts. Während des 12ten und 13ten Jahrh. vorzüglich war Paris eine europäische Hochschule, weil die Studirenden aus allen Ländern Europa's da zusammenströmten. Nach dem Muster von Paris, welches seit dem 12ten Jahrh. in Kunst und Gelehrsam-




    1) Raumer, VI. S. 460; Mone, II. S. 137 Anm.
    2) Alpenburg, deutsche Alpensagen, Nr. 206, 215 und 246.
    3) Vergl. auch Warnkoenig, franz. Staatsgesch., S. 330.



keit sich allmählich zur Weltstadt emporhob, 1) und in dessen Bauschule sich vorzüglich der gothische Styl ausbildete, 2) wurden die deutschen und englischen Hochschulen eingerichtet, d. h. die Herrschaft wurde hier wie dort blos dem Collegium der Professoren ohne Theilnahme der Schüler übertragen. Im Uebrigen theilten sich zu Paris seit alter Zeit die Lehrer und Studirenden in vier Nationen, die französische, die englische oder deutsche, die pikardische und normannische. Zur ersten Nation gehörten auch Spanien, Italien und der Orient, - zur zweiten Ungarn, Polen und die nordischen Reiche, zur dritten die Niederlande. - Die Universität Bologna ist nach Raumer höchst wahrscheinlich nach und nach aus den Kloster- und Stiftsschulen hervorgewachsen, weshalb sich kein bestimmter Zeitraum ihrer Gründung und Entstehung nachweisen lässt. Schon in den J. 1067 und 1109 werden Doctoren genannt und bald darauf durch den berühmten Rechtslehrer Jrnerius aus Bologna (+ 1140) die Universität auf eine hohe Stufe erhoben. Zu Bologna bildeten eigentlich die Studenten die Körperschaft, wählten ihre Vorgesetzten und übten mittelbar selbst über ihre Lehrer Gewalt aus; in der von dem Rector berufenen Versammlung der universitas, der Gesammtheit der Studirenden, entschied diese durch Abstimmung mit weissen und schwarzen Bohnen über die Universitätsangelegenheiten. Vergleicht man die Verfassung der deutschen und englischen Bauhütten mit der Verfassung der gleichzeitigen Universitäten, möchte man jenen eher eine demokratische als monarchische Verfassung zuschreiben, während die französischen Bauhütten nach dem Systeme der in Frankreich sich frühzeitig entwickelnden königlichen Centralgewalt einer entgegengesetzten Regierungsform unterworfen waren. Von allgemeinen gesetzgebenden Versammlungen der Bauleute und Steinmetzen des ganzen Reichs wie in England und Deutschland vernimmt man in Frankreich nichts. Die Sage über die Stiftung der Universität Cambridge, dass im J. 375




    1) Schnaase, V. I. S. 42 ff.
    2) Lübke, Gesch., S. 411.



vor Chr. Professoren aus Athen dahin gekommen seien, 1) hat in Verbindung mit den Nachrichten der Yorker Urkunde dennoch einen gewissen geschichtlichen Werth, insofern daraus auf in alten frühen Zeiten stattgefundene Berührungen zwischen England und Griechenland geschlossen werden dürfte, wovon sich eine unbestimmte und sagenhafte Erinnerung erhalten hatte. - Am Rheine wurde im J. 1346 die erste deutsche Universität zu Heidelberg gestiftet, worauf 1348 Prag, 1361 Wien, 1388 Cöln, 1389 Erfurt, 1403 Würzburg, 1409 Leipzig, 1410 Ingolstadt, 1419 Rostock u. s. w. folgten. 2) Im Allgemeinen verbreiten sich die Universitäten aus dem Süden vom Rheine und von der Donau nach Norden, und Cöln und Wien, welche deutsche Haupthütten in ihren Mauern umschliessen, gehören auch mit zu den ältesten deutschen Universitätsstädten; Rostock ist die älteste norddeutsche Universität und an diese schloss sich als zweite im J. 1456 Greifswalde, worauf im Süden in demselben Jahre Freiburg, 1460 Basel, 1477 Mainz und Tübingen kamen.

Die akademische Deposition, die Fuchstaufe, wodurch man seit alten Zeiten oder vielmehr seit den ältesten Zeiten nach gesetzlicher Vorschrift das akademische Bürgerrecht erwerben, zum Mitgliede der Universität förmlich aufgenommen worden musste und worüber Symbolik, I. S. 490 ff., gehandelt ist, ist wohl jedenfalls gallischen Ursprungs und den deutschen und nordischen Universitäten mit dem gesammten Universitätswesen aus Paris zunächst zugekommen. Die Gebräuche der akademischen Deposition, welche neuerlich auch Richard, Licht und Schatten, ein Beitrag zur Culturgeschichte von Sachsen und Thüringen im XVI. Jahrh., Leipzig 1861, S. 337 ff., mit Hinsicht auf die sächsischen und thüringischen Universitäten, und ebenso Hanser, Deutschland nach dem 30jähr. Kriege, Leipzig 1862, S. 390ff., besprochen hat, werden vielleicht, der Wahrheit am nächsten




    1) Raumer, VI. S. 476.
    2) Zum Theil andere Jahreszahlen der Stiftung als die obigen, welche den Geschichtstabellen von Bredow entnommen sind, werden bei Eichhorn, Staats- und Rechtsgesch., III. §. 441 nach Meiners angegeben. Walter, deutsche Rechtsgesch., §. 350, folgt wieder Eichhorn.



kommend, als eine Mischung oder Zusammensetzung alter druidischer Mysteriengebräuche und mittelalterlicher Handwerksgebräuche betrachtet. An den frühern Druidenschulen, welche einstens in Gallien so sehr geblüht hatten, waren für die Schüler förmliche Weihen eingeführt oder sie konnten des Wissens der Druiden nur durch die Aufnahme in die Mysterien der Druiden theilhaftig werden. Nach der Einführung des Christenthums mussten natürlich die Mysterienweihen äusserlich aufhören, wie sehr auch die Lehrer und Schüler im Stillen dem alten Glauben und den alten Gebräuchen anhängen mochten. Als während des 12ten und 13ten Jahrh. sich zu Paris um theologische Lehrer eine grössere Anzahl von Studenten zu versammeln begann und diese das Bedürfniss einer nähern Verbindung und besseren Berechtigung in dem städtischen Gemeinwesen von Paris empfanden, konnten sie nach den allgemeinen Zeitverhältnissen und nach den besondern Verhältnissen der Stadt Paris dieses Bedürfniss nur in der Weise befriedigen, dass sie gleichfalls als eine oder mehrere Handwerkszünfte mit den Professoren zusaminentraten und von der Stadtgemeinde von Paris, von der herrschenden Kaufmannschaft und von den königlichen Behörden ihre Anerkennung verlangten. Gegenüber der Stadt waren in der That die Professoren und Studenten in sehr günstiger Lage, sobald man ihnen die städtischen oder bürgerlichen Rechte der übrigen anerkannten Handwerker- und Künstlerzünfte zugestand. Es mögen ursprünglich 4 Zünfte der Studirenden, oder wenigstens 4 Unterabtheilungen, 4 Zweige der Einen Zunft nach 4 Nationalverschiedenheiten oder auch nach den 4 Stadttheilen gebildet worden sein. Da man in dem Rechte den übrigen Zünften von Paris, deren im 13ten Jahrh. über 100 waren, gleichgestellt sein wollte, musste man sieh einigermassen ihren Gebräuchen auch anpassen, musste man ebenfalls eine Aufnahme in die akademische Zunft einrichten und dieses war die akademische Deposition, in welcher Wissenschaft und Handwerk, Ernst und Scherz, Bildung und Rohheit sich so sonderbar gemischt berühren. Den gallischen oder romanischen Ursprung der Deposition (Beania) beweiset schon der Name und die Beani sind mit





so vielen andern gallischen Lehnwörtern über Europa verbreitet worden; Bjani heisst in der heutigen isländischen Volkssprache ein Idiot. 1) Warnkoenig, a. a. O., S. 331, lässt zur Zeit der Sammlung der Zunftstatute, Etablissements oder Livre des métiers, von Paris durch Boileau die Scholaren der Universität nur eine Zunft bilden. Der Grundgedanke der akademischen Deposition war nach der christlichen Seite eine Art Taufe, so auch auf den sächsischen Universitäten, indem der Depositor dem Deponenden ein grosses Gefäss mit Wasser über den Kopf goss und ihn dann mit einem groben Lumpen unzart abtrocknete. 2) Das Opfersalz, welches zum Salze der Weisheit gemacht wurde, 3) ist heidnisch. Auch bei den bacchischen Mysterien, auf welche Vieles in den Gebräuchen der akademischen Deposition hinweiset und die zugleich Metroa und Sabazia genannt wurden, waren nach Klemens in die Mysterienkiste einige Salzkörner eingeschlossen, wie Rinck, die Religion der Hellenen, I. S. 364, gewiss unrichtig glaubt, zum Symbole, dass Salz die Würze aller Nahrung sei. Salz pflegten die Griechen auch in das zu Reinigungen bestimmte Wasser zu werfen. 4) Die alten Deutschen hielten die Salzquellen für heilig und führten oft blutige Kriege darum; die Weltkuh Audhumbla leckte aus dem Salzfelsen den Mann Buri. Kinder werden durch Salz und Brod gegen Hexen nach dem umgestaltenden christlichen Aberglauben geschützt. 5) Salz zu verschütten, bedeutet Unglück . 6) - Die aus der akademischen Deposition gleichfalls hervorschimmernde Beerdigung des alten Menschen und die Auferweckung eines neuen wäre zunächst ein Ueberrest der druidischen Mysterien, welche gleichfalls den Tod und die Wiederauferstehung des Natur- und Sonnengottes (Hu, Aeddon, Adonis) 7) zum Gegenstande hatten. Jedoch ist es ein fast allen Weihen der alten wie




    1) Maurer, isländische Volkssagen, S. 290.
    2) Richard, a a. O., S. 339; Hanser, S. 391.
    3) Symbolik, I. S. 495 Anm.
    4) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327.
    5) Wolf, Beiträge, I. S. 206, Nr. 14 und 15.
    6) Wolf, I. S. 239.
    7) Eckermann, III. 2. S. 163.



der neuern Zeiten gemeinsamer Grundgedanke, den Aufzunehmenden umzuwandeln oder zu einem andern und bessern Menschen zu machen, weshalb sie denselben eben symbolisch sterben und wiedergeboren werden lassen, abgesehen von dem Glauben an die Unsterblichkeit und Wiederauferstehung. In diesem Sinne war z. B. in den alten Zeiten sogar die Einweihung zu einer Klosterjungfrau eingerichtet, indem derselben bei ihrer Einweihung über den Arm Erde, vermuthlich 3 Hände voll, geworfen wurde, um sie für diese Welt symbolisch oder moralisch zu beerdigen und wieder auferstehen zu lassen. 1) Vielleicht sind die Mysterienreisen, die Reisen des Einzuweihenden, welche wesentlich Reinigungsreisen und Reinigungsmittel des noch unrein Gedachten sind, nur ein Nachklang oder ein Symbol der Seelenwanderungen, indem der Befleckte nach dem ägyptischen und indischen 2) Glauben so lange in den verschiedensten Gestalten wiedergeboren werden und neu wandern, ringen und leiden musste, bis er endlich ganz gereinigt und der Rückkehr in den Himmel würdig war. Der Aufenthalt in der Unterwelt, in dem christlichen Fegefeuer und der Hölle ist ebenfalls nur eine Seelenwanderung, eine Reinigungsreise. Als ein merkwürdiger entstellter Nachklang dieser uralten Ansichten darf es angesehen werden, dass man zu Hornhausen im Halberstädtischen die jungen Gänse über das Feuer hält, damit sie gedeihen, - sie gleichsam von dem Sehlechten reinigt. 3) Virgil, Aen. VI, 742, sagt: Infectum eluitur scelus, aut exuritur igni. Die Reinigung der Seele durch Feuer ist an einer kleinen Begräbnissurne in der Villa Mattei zu Rom vorgestellt durch die Liebe mit einem Schmetterlinge in der Hand, dem mit der andern Hand eine brennende Fackel vorgehalten wird. 4) Aehnliche Darstellungen aus der spätern römischen Zeit finden sich auch anderwärts. 5) Der sich selbst verbren-




    1) Mohnike, altschwedische. Balladen, S. 218.
    2) Robertson, historische Untersuchungen über die Kenntnise der Alten von Indien, übersetzt von G. Forster, Berlin 1792, S. 240.
    3) Wolf, Zeitschr., I. S. 202.
    4) Winckelmann, Allegorie, S. 78.
    5) Schnaase, II. S. 509.



nende Nachtfalter der spätern griechisch-römischen Kunst 1) ist gleichfalls hier zu erwähnen als vielgebrauchtes und vielsinniges Symbol. Dieser Psycheschmetterling, die Psyche ist nach Block ein Pfauenauge, Phalaena Attacus pavonia, indem auf den alten Denkmalen die Pfauenaugen auf den Flügeln des Psycheschmetterlings bestimmt angegeben werden. Die Selbstverbrennung des Vogels Phönix 2) in dem Myrrhenei zu Heliopolis, seine Selbstbeerdigung in dem Feuer, worauf er verjüngt aus dem Grabe und mit ihm eine neue Zeitperiode, novus saeclorum orde sich erhebt, hat ebenso eine tiefe symbolische 3) und zugleich astronomische Bedeutung. Den neuen Phönix nennt mit Recht Bachofen gleich Dionysos einen Feuer- und Licht gebornen (). Unsere Johannisfeuer könnten vielleicht auch als Symbole des Scheiterhaufens des sich selbst verbrennenden Jahresgottes gedeutet werden. - Verschiedene Grade konnte die akademische Deposition als solche nach der Natur der Sache nicht haben, da es in dem akademischen Bürgerrechte keine Unterscheidungen der grössern oder geringern Berechtigung geben durfte. Die Unabhängigkeit von den gewöhnlichen städtischen Gerichten und im Falle von Vergehen nicht nach dem strengen Rechte, sondern blos polizeilich oder disciplinarisch beurtheilt zu werden, war das naheliegende gemeinsame Streben aller Universitäten und darum wurden namentlich auch zu Paris die zwischen den städtischen Behörden und der Universität oft heiss und blutig entbrannten Kämpfe geführt. Mit den Universitäten mussten auch die Bauhütten in den einzelnen Städten dieselben Rechte und dieselbe Stellung zu erringen suchen, obwohl in den gegenseitigen Mitgliedern und Beschäftigungen grosse Unterschiede stattfanden. Die Gründung einer solchen Bauhütte in Strassburg darf nicht später als in die zweite Hälfte des 13ten Jahrh. angesetzt werden, weil Erwin von Steinbach im J. 1318 starb und unter ihm der Münsterbau begonnen hatte und zu diesem Zwecke zugleich eine Bau-




    1) Büttiger, Ideen zur Kunstmythol., II. S. 413 ff.
    2) Vergl. darüber Böttiger, a. a. O., I. S. 39, Anm. 3.
    3) Bachofen, das Mutterrecht, S. 23 ff.



hütte eröffnet und eingerichtet werden musste, welche seit dem nicht wieder aufgehört hat. Sehr wahrscheinlich bestand aber zu Strassburg schon lange oder einige Jahrzehnte vor Erwin und seit dem Beginne des eigentlichen Dombaues eine bürgerliche Bauhütte, aus welcher Erwin selbst hervorgegangen war. Ebenso scheint seit dem Anfange des 13ten Jahrh. eine Baubütte zu Cöln bestanden zu haben, weil z. B. im J. 1238 bei der Erbauung der Kirche zu Wernen bei Groningen als deren Erbauer Meister Everhard von Cöln bezeichnet wird. 1) Bei der Erbauung der Nicolauskirche und der Liebfrauenkirche zu Kampen in den Niederlanden wird Johann von Cöln als Architect genannt. 2) Auch der Erbauer der Façade der Kathedrale von Antwerpen, des grössten gothischen Domes der Niederlande, möchte weder aus Bologna nach Kugler, noch aus Boulogne nach Lübke (Gesch. der Archit., S. 431) stammen, sondern ein deutscher Meister gewesen sein, da er nach den neuesten Untersuchungen Peter Apelemman (Hans Appelmans nach den frühern Meldungen), d. i. wohl Apfelmann geheissen haben soll und seit 1406 die Stelle des Dombaumeisters zu Antwerpen bekleidete. 3) Den Chor, welchen der Burgermeister Gerhard von Schellart im J. 1353 dem karolingischen Münster zu Aachen beifügte und der zu den bedeutendsten Bauten der niederrheinischen Gegenden gehört, betrachtet Schnaase, VI. S. 270, als ein gewisses Werk der Cölner Hütte. Die Cölner Bauhütte scheint sogar die Strassburger gegen das Ende des 14ten Jahrh. überflügelt zu haben, weil seit 1365 Johannes Hültz aus Cöln den Thurmbau beim Dome zu Strassburg leitete. Die Strassburger und Cölner Bauhütte möchten vielleicht in ihrer Wirksamkeit und Bedeutung überhaupt der Schule oder Innung der Dädaliden und der Aegineten bei den Griechen 4) verglichen werden dürfen, waren mit diesen für den allgemeinen




    1) Schnaase, V. S. 243 Anm.
    2) Schnaase, Vl. S. 147.
    3) Schnaase, VI. S. 151, Anm. **.
    4) Brunn, I. S. 25 ff.



Kunststyl gleich bestimmend und schöpferisch. Mehr Licht und Sicherheit über die Wirksamkeit und Verbreitung der Bauhütten und Baumeister könnte vielleicht aus der genauern und vollständigen Zusammenstellung der Steinmetzzeichen geschöpft werden, besonders wenn dabei untersucht und erhoben würde, ob unter den sog. Steinmetzzeichen nicht auch förmliche Schriftzeichen, Namenschiffern, sog. Binderunen 1) enthalten seien; eine eigene Art der Binderunen waren wieder die sog. Stafkarleruner (Stabmannsrunen), die zum Theil als eine Geheimschrift im Norden gebraucht wurden und dazu besonders auch von den Bauleuten verwendet worden sein möchten. Die Steinmetzzeichen, um nach ihren verschiedenen möglichen Bedeutungen erforscht werden zu können, müssen zuvörderst nach Art der griechischen und römischen Inscriptionen gesammelt und herausgegeben werden, was den Grosslogen eine heilige Aufgabe sein sollte. 2) - Hausmarken hatten auch jedenfalls schon die alten Assyrier, da z. B. auf einem von Layard zu Nimrud (Ninive) aufgefundenen Obelisken, welcher zufolge Braun, I. S. 224, aus der zweiten Hälfte des 9ten Jahrb. stammt, die sämmtlichen, dem Könige als Geschenk oder als Tribut darzubringenden Thiere auf dem vordern linken Oberschenkel ein deutliches Hufeisen eingebrannt haben. 3) Will man von den Gebräuchen der heutigen Freimaurerlogen einen Schluss zurückwagen auf Das, was einstens in den wirklichen Bauhütten Sitte gewesen, könnte die Beleihung mit den Rechten der Bauhütte, die Einkleidung und Aufnahme zum Mitgliede der Bauhütte durch Ueberreichung von einem Paar neuer Handschuhe erfolgt sein, wie Handschuhe in dieser symbolischen Weise rechtlich gebraucht wurden. 4) Solche Bauhütten konnten wenigstens bis zum J. 1232 rechtlich in den erzbischöflichen und bischöflichen Städten nicht ohne die Zustimmung des Erzbischofs und Bischofs




    1) Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 76.
    2) Vergl. meinen Aufruf in Nr. 4 der Bauhütte für 1862.
    3) Meissner, Fig. 76 und 12.
    4) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 155; Gaupp, Stadtrechte, I. S. 18.



errichtet werden, indem damals alle gegentheiligen Einrichtungen der Städte durch das Edict Kaiser Friedrichs II. aus Ravenna vom Jan. 1232 aufgehoben und vernichtet wurden; "sicut enim temporibus retroactis ordinatio civitatum, et bonorum omnium, que ab imperiali celsitudine conferuntur, ad archiepiscopos et episcopos pertinebat, sic eandem ordinationem ad ipsos, et eorum officiales ab eis specialiter institutos volumus permanere." Selbst noch König Rudolf von Habsburg hatte, dringenden Vorstellungen Gehör gebend und in der Meinung, eine nützliche Massregel zu treffen, die unter dem Namen von Innungen oder Gilden in der Stadt Goslar bestehenden Brüderschaften aufgehoben, stellte jedoch auf bald erhaltenen weisern Rath (modo saniori potiti consilio) dieselben als den Bürgern von grossem Vortheile durch Urkunde, dat. Erfurt den 22. April 1290, wieder her. 1) In dem ältesten Stadtrechte von Strassburg, welches zugleich das älteste uns erhaltene Stadtrecht des deutschen Mittelalters ist, 2) aus der zweiten Hälfte des 11ten Jahrh., wird einer Bauhütte oder einer verwandten Zunft noch nicht gedacht, was vielleicht darin seinen Grund hat, dass der Steinbau, namentlich bei Privatgebäuden, erst im 12ten und 13ten Jahrh. allgemeiner und zuletzt vorherrschend wurde. 3) Die vorhandenen Zünfter und Bürger müssen für den Bischof die nöthigen städtischen und landwirthschaftlichen Arbeiten verrichten, d. h. gelten eigentlich zum Theil oder mit Hinsicht auf das zu Leistende trotz der ihnen beigelegten Freiheit nur als Grundangehörige und haben dem bischöflichen Grundherrn die nöthigen Leistungen zu machen. 4) Dem Zöllner lag der Bau und die gute Erhaltung der Brücken in der neuen Stadt ob. 5) Der obige, in dem Edicte von Ravenna ausgesprochene Grundsatz war




    1) Kopp, Gesell. der eidgenössischen Bände, I. S. 455.
    2) Gaupp, I. S. 37.
    3) Arnold, a. a. O., S. 31.
    4) Vergl. auch Art. 11 des Stadtrechtes von Freiburg im Breisgau vom J. 1120; Art. 8 der Handveste von Freiburg im Uechtlande vom J. 1249.
    5) Gaupp. I. S. 41 und 63.



von Friedrich II. schon durch eine Urkunde vom J. 1214 zur Anwendung gebracht und damals Strassburg untersagt worden, einen Rath oder ein Gericht gegen den Willen des Bischofs zu haben; aber nur kurz darauf, im J. 1219 und 1220 besitzt die Stadt Strassburg einen von Kaiser und ?Bischof anerkannten Rath, 1) woraus zu entnehmen ist, dass von dieser Zeit an der raschere und demokratischere Aufschwung Strassburgs anhebt. - Denselben patrimonialen oder grundherrlichen Charakter wie zu Strassburg hat gleichfalls die Zunftverfassung in dem ältesten Stadtrechte von Augsburg vom J. 1156 oder 1157; 2) von einer Bauhütte oder auch nur von Bauzünften findet sich auch hier noch keine Spur. Es ist überhaupt eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung, dass die baulichen Zünfte erst sehr spät in die städtischen Verfassungen eintraten, indem sie ihre Kunst eben nicht als etwas Locales, sondern als ein Allgemeineres betrachteten. Z. B. werden in einem Vertrage, welchen der Rath zu Nürnberg im J. 1378 mit den dortigen Zünften über die Zulassung ihrer Mitglieder in den Rath abschliessen musste, nur genannt die Zünfte der Schneider, Kürschner, Bräuer, Becker, Färber, Blechschmiede, Metzger und Lederer. 3) Dagegen ist in dem von Kraut herausgegebenen alten Stadtrechte von Lüneburg, Göttingen 1846, S. 29, folgende Verfügung enthalten:

"Alle hantwerten, dat syn muormestern oder tymberlude, schullen rede wesen, icht se gheladen werden vom unser heren weghene eder des rades to der stad buwe oder des landes (des Rades) behuoff; we des voreweygheringe dede, de breke dre marke; der scholde en vnsen heren vnd twe to der stad buwe."

In dem von Herzog Otto der Stadt Lüneburg im J. 1247 ertheilten Privilegium lautet die Bestimmung: "Omnes mechanicae artis sive manuales artifices, si ad indigentiam structure sive aedificii civitatis a consulibus fuerint vocati, parati erunt. Si vero, quod absit, in hoc statuto reperti




    1) Gaupp, I. S. 47.
    2) Gaupp, II. S. 198.
    3) Eichhorn, III. §. 432, not. c.



fuerint contumaces, cum tribus marcis denariorum ipsoru excessus et negligentia corrigatur." Die Handwerker (manuales artifices), welche schon im J. 1247 zu Lüneburg bestanden und worunter nach der deutschen Uebersetzung die Maurer und Zimmerleute zu verstehen sind, hatten die Verpflichtung bei der Strafe von 3 Mark die ihnen von dem Rathe aufgetragenen städtischen Arbeiten auszuführen. Eigenthümlich für die Erwerbung des Bürgerrechtes zu Lüneburg ist die Bestimmung des Stadtrechtes:

"Welk vnser borgher enen mit sik in deme huse hefft, de nen borgher en is, de sik neret in vnser stad mit kopensschop eden handwercke, enschicket dat de hushere nicht binnen twelff wekenen, dat he borgher werde, he schal beteren mit dren marken."

Nach dem von den Grafen Hartmann von Kiburg der Stadt Freiburg im Uechtlande ertheilten Freibriefe vom 28. Brachmonat 1249 soll, im Falle die Grafen mit dem Könige den Zug über das Gebirge thun müssen, ihr Amtmann auf öffentlichem Markte von jedem Schuster die anderbesten Schuhe nach eigener Auswahl, von den Schneidern die zweitbesten Hosen, von jedem Schmiede 4 Rosseisen, sowie von den Tuchhändlern je eine Elle des zum Verkaufe ausgelegten Wollentuches zu der Herrschaft Dienst nehmen. 1) Eine Urkunde des Klosters Pfävers vom J. 1349 erwähnt einen tornator oder Drechsler als servus (Hörigen) des Klosters; eine andere Urkunde von 1379 nennt einen Cunrat Parlär, den "Trähsel" (Drechsler) als eigenen Mann des Gotteshauses Pfävers. 3) Nach einer Urkunde vom J. 1389 wird dem Kloster Pfävers ein eigener Mann und Schuhmacher, Heinrich Schmid von Lütisburg, sesshaft im Dorfe Ragaz, mit seiner Familie, mit Leib und Gut um 5 Pfund Pfenn. Constanzermünze verkauft. 4) Um denselben Preis wird dem Kloster Pfävers im J. 1399 der ehrbare Knecht Hans Maler von Malans




    1) Kopp, Gesch. der eidgen. Bünde, II. 2. S. 159.
    2) Mohr, Regesten, I. S. 31, Nr. 194.
    3) Mohr, I. S. 39, Nr. 273 und 275.
    4) Mohr, Regesten, I. S. 42, Nr. 299.



verkauft. 1) Wenn in dem bei Mohr, Regesten, II. abgedruckten Jahrzeitsbuche des Cistercienserfrauenklosters zu Fraubrunnen im Kanton Bern, S. 143, unter dem 27. März als verstorben angeführt wird: "Heinrich von Rütlingen der murer vnser werckmeister," dessen Tochter sich als Schwester im Kloster zugleich befand, ist dabei an des Klosters freien Werkmeister wie bei den übrigen in dem Jahrzeitbuche erwähnten Handwerkern nur vielleicht zu denken. Das Gleiche gilt von der unter dem 23. Aug., S. 157, stehenden Bemerkung: "Es wirt jarzit Hansz Luffenstein was vnser gotzhus werckmeister." In der Reformation des Klosters Fraubrunnen vom 21. April 1513 2) fand man sich zu der allgemeinen Verordnung gedrungen: "es söllen ouch hinfür die wercklütt, alls schnider, schumacher, kürsiner, vnd dergleichen handtwerck, dehein vffenthalt in dem Gotshusz habenn, noch ire handtwerck darin üben vnd bruchenn, sunder dieselben usserthalb in dem Gotshusz enthaltenn, vnd allda mit essen vnd trinkenn versächen werdenn." In einem eidgenössischen Schiedsrichterspruche vom J. 1445 über die Streitigkeiten des Klosters Interlaken mit seinen Gotteshausleuten wegen ihrer gegenseitigen Rechte wird den Gotteshausleuten als eines der ersten Rechte zugesichert der freie Kauf und Verkauf und die freie Gewerbsübung. 3) Der sog. böse Bundesbrief vom 2. Mai 1445 über die von Leuten des Berner Oberlandes zum Schutze ihrer Rechte unter sich eingegangene, aber natürlich schnell unterdrückte eidliche Verbindung war namentlich auch gerichtet gegen die Beschränkungen des freien Kaufs. 4) In der Uebereinkunft der Herrn von Scharnachthal als Besitzer der Herrschaft Unspunnen mit ihren Herrschaftsangehörigen wird bestimmt, dass alle Die, welche zu der Baurenzunft zu Wilderswyl, Grenchen und Mülinen gehören und auf der Allmend daselbst angesessen sind, oder in Zukunft sein werden, befugt sein sollen, Weinschenken und Tavernen




    1) Mohr, I. S. 49, Nr. 350.
    2) Mohr, II. S. 125, Nr. 520.
    3) Mohr, Regesten (des Klosters Interlaken), I. S. 92, Nr.543.
    4) Mohr, I. S. 94, Nr. 544.



zu halten, Stahl, Eisen, Salz und andere Kaufmannswaaren feil zu bieten und alle ehrbaren Gewerbe zu betreiben, von der Herrschaft ungehindert. 1) Das Verkaufs-, das Marktrecht war sonst das ausschliessliche Recht, das Vorrecht (privilegium) der Städter, wie z. B. die Stadt Raperswil sich am 19. Mai 1442 von König Friedrich III. versprechen liess, dass auf eine Meile rings um die Stadt Raperswil kein anderes Marktrecht bewilligt und gemacht werden solle. 2) Jene Bauernzünfte sind ursprünglich reine bäuerliche Genossenschaften, welche städtische Rechte sich erwerben. 3) Zufolge des österreichischen Herrschaftsurbars über das Amt Glarus vom J. 1359 hat der Graf Rudolf von (Werdenberg-) Sangans zu verhüten, "dz von Sangans (Sargans) vntz in den See zu keiner zeit in dem Jar jemant kein veil gut habe, one in der Statt ze Walenstatt." 4) Diese Grafen Werdenberg von Sangans verpfänden ihre eigene Veste und Stadt Sangans und die dazu gehörige Grafschaft und Herrschaft, mit Leuten und Gütern, mit Gerichten, Twing und Bännen, mit Bergrechten, Eisenwerken und Schmieden, mit dem Bauhof zu Sangans und andern Zubehörden im J. 1396 der Herrschaft Oesterreich. 5) Herzog Friedrich von Oesterreich bewilligt im J. 1404 Meister Georgen, dem Büchsenmeister, seiner Wirthin Adelheid, und dem Sohne Jörg, eine Eisenschmiede an der Murglach bei dem Wallensee in der Herrschaft Sangans zu errichten, daselbst Stahl und Eisen zu machen und selbe lebenslänglich zu besitzen. 6)

Sehr bemerkenswerth ist zu Lucern die Bruderschaft des h. Kreuzes, der Krämer Gesellschaft, genannt zu dem Saffran, wie sie in den vorhandenen Statuten vom 13. April 1453 genannt wird und wie auch zu Zürich das Zunfthaus der Kaufmannszunft noch heute zum Saffran heisst,




    1) Mohr, I. (Reg. von Interlaken) S. 95, Nr. 555.
    2) Mohr, Regesten (der Stadt Raperswil), I. S. 41, Nr. 64; vergl. auch Eichhorn. St.- und R.-Gesch., II. §. 312 a. E.
    3) vergl. noch Weiske's Rechtslex., I. S. 609.
    4) Mohr, Regesten (von Pfävers), I. S. 34, Nr. 234.
    5) Mohr, I. S. 47. Nr. 329.
    6) Mohr, I. S. 51. Nr. 366, vergl. mit Nr. 371, 376 und 377, 385, 386, 389, 407, 424 und 437.



wohl hindeutend auf die Spezereien, mit denen die Krämer besonders verkehrten. Zu Lucern gehörten zur Gesellschaft der Krämer alle Handwerker, welche "mit Spänen zu thun haben," als Zimmerleute, Maurer, Steinhauer, Bildschnitzer, Drechsler, Schreiner, Küfer, Wagner, Seiler, Hafner, Ziegler, Knopfmacher u. s. w. Es hiess diese Gesellschaft auch Fritschizunft. Nach einer Verordnung von 1501 soll Niemand in der Stadt eines der benannten Handwerke betreiben, er habe denn Burgerrecht und Fritschizunft erworben und besitze seinen Harnisch. Jeder, der sich in diese Gesellschaft als Meister aufnehmen lassen wollte, hatte dem heiligen Kreuz eine Kerze und den Gesellen einen rheinischen Gulden zu geben. 1) - Die Stubengesellen der Kaufleute oder die Herrenstube zu Lucern hatten sich später mit der Schützentrinkstube zu Einer Trinkstube vereinigt und die beiden Gesellschaften bildeten seit dem J. 1484 die Sebastiansbruderschaft. Zur Gesellschaft der Kaufleute, zur Herrenstube, zur höhern Zunft gehörten zu Lucern 2) wie zu Zürich die Goldschmiede, sie galten als Künstler und Herrn und standen zu Zürich dem Adel, den Constablern gleich. Die Gesellschaft der Schützen besass seit dem 10. Juni 1429 eine eigene Trinkstube und machte sich im J. 1436 eine eigene Ordnung, was beweist, dass auch in der Schweiz wie in Deutschland die Schützengesellschaften, die Schützengilden erst seit dem 15ten Jahrh. entstanden sind. Nach Richard, Licht und Schatten, ein Beitrag zur Culturgeschichte von Sachsen und Thüringen im XVI. Jahrh., Leipzig 1861, S. 112, fällt die Stiftung der sächsischen Schützengesellschaften fast überall in die zweite Hälfte des 16ten Jahrh.

In dem Constitutionsbuche der Loge Archimedes zu Altenburg, S. 158, und daraus in einem Auszuge bei Krause, Kunsturk., II. 2. S. 235, Anm. b, werden ziemlich ausführliche Nachrichten über die Stiftung der Bauhütte von Strassburg im J. 1275 durch Erwin von Steinbach unter bischöflichen, kaiserlichen und päpstlichen Privilegien gegeben,




    1) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt Lucern, II. S. 371.
    2) Segesser, II. S. 386.



welche Nachrichten dahingestellt bleiben müssen, da die beweisenden Urkunden, die Privilegien fehlen. Die Bauhütte, welche in der Nähe des Domes auf dem sog. Maurerhofe gestanden, soll eigene Gerichtsbarkeit gehabt und daher der vorsitzende Meister mit einem blossen Schwerte unter einem Baldachin gesessen haben. Krause selbst, II. 2. S. 239, weiss dem Altenburger Constitutionsbuche 1) blos die Angabe der von der Erbauung des Domes handelnden Literatur und einige Auszüge aus den diesfälligen Werken von Schadeus und Grandidier beizufügen. Der Strassburger Schadeus in seinem 1617 erschienenen Summum Argentinensium templum berichtet ohne Aeusserung irgend eines Zweifels, dass dem im J. 1318 verstorbenen Erwin von Steinbach im Badischen sein Sohn Johannes und diesem wieder bei seinem im J. 1338 erfolgten Tode Hültz von Cöln, welcher bis zum J. 1365 gelebt, als leitender Baumeister des Dombaues oder Gubernator Fabricae 2) nachgefolgt sei. Hierüber so wie über die von Schadens gleichfalls erwähnte Sabina, als einer Tochter Erwins und der geschickten Künstlerin eines Domportales, musste man doch zu Strassburg im J. 1617 aus der lebendigen Tradition der ganzen Stadt, besonders aber der Bauleute und der Geistlichkeit, und zugleich aus den Rechnungen und den sonstigen Schriften des Domarchives die vollständigste Gewissheit besitzen und es möchte ganz unmöglich gewesen sein, Erwin in solcher Weise einen Sohn und eine Tochter zuzuschreiben, wenn er kinderlos gewesen wäre. Auch Schoepflin, der grosse elsässische Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber in seinem 1761 erschienenen Werke, Alsatia illustrata , dessen Untersuchungen sich gleichfalls hierauf ausgedehnt hatten, meldet




    1) Vergl. darüber auch Schnaase, IV. 1. S. 302 Anm.
    2) Peter Arler, der vermeintliche Erbauer des Prager Domes am Ende des 14ten Jahrh. aus Gemunden in Schwaben, wird auf einem in dem dortigen Dome noch erhaltenen Steindenkmale magister hujus fabrice oder auch hujus ecclesie genannt. Vergl. deutsches Kunstblatt, 1854, S. 382. Derselbe Peter von G ... dia wird auf einem andern Steindenkmale im Koliner Domchore als lapicidarus bezeichnet; in Urkunden heisst er Petrus lapicida dictus parlerius (Parlirer), Petrus dictus parler, magister Peter lathomus.



nichts Gegentheiliges und Abweichendes. 1) Ebenso verhält es sich mit Grandidier, welcher weitläufig die Errichtung der gemeinen deutschen Steinmetzordnung und ihren Inhalt bespricht.

Heideloff, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, S. 14 ff., lässt den Erwin, welcher würdig dem Iktinus und Callikrates, den Erbauern des Parthenon, und dem Mnesikles, dem Erbauer der Propyläen, 2) zur Seite tritt, im J. 1270 aus der Schule des ausgezeichneten Benedictinermönches und Baukünstlers Albertus Argentinus, des Erfinders und Anwenders des Achtortes hervorgehen. Wirklich scheint durch die Erfindung des Achtortes, eines neuen und kühnen Constructionsgesetzes, und seine sofortige Anwendung und Durchführung bei'dem Dombaue zu Strassburg der überwiegende Ruhm und Einfluss der Strassburger Bauhütte in Deutschland begründet worden zu sein. Heideloff, dessen allerdings sehr kurze und skizzenartige Darstellung Schnaase, IV. 1. S. 307 Anm., bitter eine höchst unkritische Compilation nennt, möchte fast vermuthen, dass Albertus Argentinus mit Albertus Magnus, welcher letztere im J. 1206 oder 1193 geboren war und aus dem Geschlechte der Freiherrn von Bollstadt im Oettingen-Wallersteinischen stammte, um das J. 1230 als Benedictinermönch zu Strassburg lebte, eine und dieselbe Person sei. 3) Albertus machte von dem pythagoreischen Lehrsatze besondere Anwendung auf die Baukunst und das sich daraus ergebende Zahlen- und Constructionssystem ist der sog. Achtort, womit zugleich eine eigenthümliche Zahlensymbolik, wenn nicht Mystik verbunden war. Manche der heute noch üblichen maurerischen pythagoreischen Symbole könnten daher in der Strassburger Bauhütte zuerst aufgekommen sein und durch sie allgemeinen Ein-




    1) Vergl. Krause, II. 2. S. 241 ff.
    2) Böttiger, Andeutungen über die Archäologie, S.73 welchem den Athenern die erste Idee zu den Propyläen aus Aeggypten kam, vielleicht von der durch Amasis erbauten prächtigen Vorhalle zu Sais. Die ewig bewunderungswerthe Freitreppe der Akropolis darf wohl dem Strassburger obern Domthurm verglichen werden.
    3) Vergl. dagegen über Albertus magnus, Albert von Bollstädt, Schnaase, V. S. 533 und S. 545 Anm.



gang in die Maurerwelt gefunden haben, wenngleich etwas Sicheres niemals darüber wird erkannt und gesagt werden können, Schon während des 11. Jahrh. ist im Elsass viel gebaut und namentlich auch der Gewölbebau durch fremde Baumeister dahin gebracht worden, wie noch mehr für fremde, normannische oder italienische Einflüsse, die phantastischen und räthselhaften Sculpturen, besonders Thiersculpturen, einzelner Kirchen des Elsasses, z. B. der Kirche zu Rosheim, welche im J. 1049 durch Papst Leo IX. geweiht wurde und wovon Schnaase, IV. 2. S. 137, eine Abbildung mit dürftiger Beschreibung gegeben hat, - der Kirche zu Dorlisheim, zu Neuweiler, der Vorhalle des Klosters zu Mauresmünster, der Klosterkirche zu Andlau. Die Sculpturen verdienten durch Abbildungen noch bekannter gemacht zu werden, um aus der dabei angewandten Svmbolik das Vaterland der Baumeister zu erkennen. Der oberste Giebel zu Rosheim wird durch drei Figuren auf den 3 Ecken des Dreiecks gekrönt, oben auf der Spitze ein seitwärts (nach Osten?) gewandter und in einer Art von Storchnest sitzender Adler, zu beiden Seiten ruhende Löwen, welche mit dem Rachen einen mit den Klauen gehaltenen Menschen erfassen. Diese 2 Figuren kehren auf den beiden Seiten des untern Giebeldaches wieder. Unter dem Adler, also in der Mitte des obern Giebelfeldes, steht eine menschliche, sehr bedeutungsvoll nach derselben Seite wie der Adler gewandte Figur, in langem Gewande, mit einem Hute auf dem Kopfe und vermuthlich mit gefalteten Händen, da die kleine Abbildung bei Schnaase sehr undeutlich ist und er in seiner Beschreibung nichts darüber bemerkt. Ueber dem Portale hängt Christus, das Gesicht nach der Seite des Adlers kehrend, am Kreuze und wird von 2 Frauen angebetet. Betrachtet man die Figuren der ganzen Façade zusammen, erhält man 3 Mal 3 Figuren, in dem mittelsten Felde der Façade über dem sterbenden Christus vielleicht Johannes der Evangelist und sein Adler; zu den vier Seiten befände sich die Menschheit, welche der Böse in Löwengestalt erfasst hat und zu verschlingen droht, aber Christus durch seinen blutigen Kreuzestod errettet. Caumont wollte die Sculpturen denjenigen des Domes zu Ancona nachgebildet





wissen. An den Capitälen der Säulen der Kirche zu Rosheim und in der Vorhalle von Mauresmünster findet sich auch die Vierundzwanzigzahl in 24 um das Capitäl wie eine Perlenschnur gereihten Menschenlarven. Vielleicht sind die Reliefsculpturen, menschliche und thierische, im Kloster Hirschau aus der Zeit von 1082 - 1091 1) mit den elsässischen Sculpturen verwandt. Schnaase, IV. 2. S. 144 unten, betrachtet diese phantastischen Thier- und Menschensculpturen , welche sich ähnlich auch an den Würfelknäufen und Bogenfriesen der schwäbischen Kirchen zu Brenz, Belsen, Faurndau, Denkendorf und Ellwangen, ebenso in der romanischen und deutschen Schweiz, 2) in Baiern, 3) in Belgien, 4) in der Lombardei, 5) in Oesterreich 6) und in Schlesien finden, als eine mögliche Eigenthümlichkeit des alemannischen Stammes, - als eine frühzeitige und ungeregelte Aeusserung des poetischen Sinnes, der sich in diesem deutschen Stamme niemals ganz verleugnet habe. Am obern Rheine gehören dahin besonders das Portal der Klosterkirche zu Petershausen bei Constanz, welches im J. 1173 von einem Baumeister Wezilo errichtet sein soll, - die Galluspforte am Münster zu Basel und der Kreuzgang des Grossmünsters zu Zürich. 7) Im Norden, d. h. in Dänemark, Schweden und Norwegen erscheinen schon im heidnischen Eisenalter oder in dem der Einführung des Christenthums unmittelbar vorangehenden Zeitalter die eigenthümlichen und so weit verbreiteten Schlangen- und Drachenzierrathen. Viele Runensteine sind mit solchen verziert, und in den Schlangenfiguren selbst ist die Inschrift angebracht; aber nicht seltener findet man sie auf Geschmeiden und andern Sachen dieser Zeit, sowohl von Bronce als andern Stoffen. 8) Diese phantasti-




    1) Schnaase, IV. 2. S. 142 unten.
    2) Schnaase, IV, 2. S. 266 ff.
    3) Schnaase, V. S. 333.
    4) Schnaase, IV. 2. S. 162.
    5) Schnaase, IV. 2. S. 221 ff.
    6) Schnaase, V. S. 324 ff.
    7) Vergl. S. Vögelin, der Kreuzgang beim Grossmünster, in Bd. 1. der Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich.
    8) Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, Kopenhagen 1837, S. 63 und 78.



schen Ornamente sind dann bei der Einführung des Christenthums im Norden natürlich in den zuerst angewandten romanischen, verderbten römischen oder vorgothischen Baustyl übergegangen und finden sich z. B. an der im J. 1123 geweihten Kraftkirche zu Lund. 1) In Deutschland und Frankreich gehören die phantastischen Elemente gleichfalls dem romanischen Baustyle an und müssen daher als der gemeinsame Nachklang des Heidenthums betrachtet werden; im gothischen Style wurden die Blattornamente den Thierornamenten entgegengesetzt und verdrängten die letztern allmählich. Gewundene Drachen- oder Schlangenfiguren bilden im Norden oft auch das Fussgestell der ältesten granitenenTaufsteine. 2) Semper, der Stil, I. S. 5, nennt dieses seltsame, auch an irischen Schmucksachen hervortretende Princip der Ornamentation in seinem Schlangengewirre gleichsam urweltlich und finster chaotisch und will darin wie in Anderem, z. B. in dem merkwürdigen Pfahlbau der Finnen (?) an den Schweizerseen, dem mit Teppichen und farbigen Reliefs geschmückten Tempel der Obotriten zu Rhetra am Tollenzer See und dem nicht minder wunderbaren Tempelbau zu Upsala, 3) Reminiscenzen früherer Bildung und diesen entsprechende Traditionen der Baukunst erblicken: aber gewiss mit Unrecht. S. 80 ff. hat Semper Abbildungen der Schlangengewirre bei den verschiedenen Völkern, den Aegyptern, Griechen, lren, Frankosachsen und Skandinaviern zusammengestellt, woraus sich ergibt, dass der maurerische oder mystische Knoten, 4) der nodus Herculeus, die Schleife, das Labyrinth, die Masche, oder welchen Namen und welche Form das Zeichen sonst erhält, sich auch schon an dem Caduceus oder Schlangenstabe des Hermes findet. Also bis in die kleinsten, oft kaum beachteten Nebendinge ist die Symbolik der Freimaurerei eine durchaus alterthümliche und zugleich innerlich harmonische. Die Schlange ist hier offenbar die Schlange des Lebens, der Schöpfung,




    1) Leitfaden, S. 71.
    2) Leitfaden, S. 72.
    3) Vergl. oben S. 45.
    4) Vergl. die Abbildung bei Polak, die Tapis, Amsterdam.



welche sich zum Lebens- und Schöpfungsbilde verschlingt, - vereinigend lebt und lebend vereinigt. Allein es ist kaum glaublich, dass diese Sculpturen bei den Alemannen selbstständig sich ausgebildet haben, und sie sind ihnen gewiss gleich der Architektur und Technik überhaupt von Gallien, aus Nordfrankreich besonders zugebracht worden und hängen wohl mit der zu jener Zeit in denselben Gegenden aufgekommenen Thierfabel zusammen, wie sich ja daraus auch Darstellungen im Dome zu Strassburg finden. 1) In der Mitte des 11ten Jahrh. scheinen im Elsass sich noch nicht hinreichend Bauleute zu den beginnenden zahlreicheren Kirchenbauten vorgefunden zu haben und wurden deshalb aus der Normandie berufen, wie z. B. auch Graf Roger, als er im J. 1082 den Grundstein zur Kathedrale von Traina auf Sicilien legte, Bauleute von allen Seiten (undecunque) herbeirufen musste. 2) Abt Wilhelm von St. Benigne in Dijon, ein Lombarde und nach den Berichten selbst ein geschickter Baumeister, hatte seit dem J. 990 zu Ausführung seiner Bauten italienische Bauleute kommen lassen. 3) Richard II., Herzog der Normandie, berief diesen Abt Wilhelm seiner Baukenntnisse wegen in seine Lande und er soll hier in 20jähriger Wirksamkeit 40 Klöster erbaut und hergestellt haben, 4) was er nur mit Hülfe der von ihm gebildeten Bauleute aus dem Mönchs- und Laienstande vollbringen konnte. Selbst die Mächtigsten und Vornehmsten der Normannen sollen bei der Erbauung von Kirchen und Klöstern Hand angelegt und die niedrigsten Dienste geleistet haben. Mit dem Abte Wilhelm von St. Benigne beginnt die alte norminnische Bauschule, der altnormannische Baustyl, welcher für das gesammte nördliche Frankreich massgebend wurde. 5) Seit dem J. 1066 oder seit der Eroberung Englands durch die Normannen unter ihrem Herzoge Wilhelm trat die normannische Baukunst zugleich mit der




    1) Vergl. Schnaase, IV. 1. S. 372 ff.
    2) Schnaase, IV. 2. S. 231, Anm. ***.
    3) Schnaase, IV. 2. S. 284 ff.
    4) Schnaase, IV. 2. S. 345 ff.
    5) Vergl. auch Lübke, Gesch. der Architektur, S. 367 ff.



englischen in Berührung und entlehnte von ihr besonders das Decorative oder die Ornamentation, in welchem neuern normannischen, engIisch-normannischen Style wohl z. B. die Kathedrale von Bayeux in den untern Arcaden (bei Schnaase, IV. 2. S. 362) erbaut ist und vielleicht zum Theil von englischen Bauleuten, da der Bischof von Bayeux, früher Dechant in Salisbury , im J. 1183 über den Bau einen Vertrag init englischen Maurern abgeschlossen haben soll. 1) Es ist nicht ohne Einfluss, ob festgehalten und beachtet werde, dass schon in so frühen Zeiten sichere und innige Beziehungen zwischen den englischen und nordfranzösischen Bauhütten stattgefunden haben. Die romanische Benennung.Compagnons für Gesellen, welche den Statuten des Boileau noch ganz fremd ist, möchte z. B. in England aufgekommen und von dort nach der Mitte des 13ten Jahrh. auch nach Frankreich übergegangen sein, indem nach Madox bei Krause, II. 2. S. 382 ff., in England die Handwerkszünfte auch Compagnieen hiessen und Compagnons also Zunftgenossen, Handwerksgenossen, Gesellschafter sind, ganz wie in dem europäischen Handelsrechte die Ausdrücke Compagnie und Compagnon in dieser Bedeutung gebraucht werden. Ragon, rituel du grade de compagnon, Paris 1860, S. 25, will compagnon gleich Landesgenosse, Landsmann nehmen, da man früher für pays gesagt habe pagon (pagus). In seinem cours philosophique et interprétativ des initiations anciennes et modernes, Paris 1833, S. 111, Anm. 1, hatte Ragon unter compagnons Diejenigen verstehen wollen, welche das gemeinsame Brod (des Meisters) essen. Bei Dupin und Laboulaye, glossaire de l'ancien droit francais, Paris 1846, wird compain, compans, compoing, Gesellschafter, Theilhaber, von companium gleichfalls abgeleitet. lm 12ten Jahrh. nannte sich zu Genua die Bürgergemeinde, der bürgerliche Verein compagna. 2) Natürlich zogen mit den Eroberern auch bauverständige Geistliche und Laien aus der Normandie nach England hinüber, welche dann




    1) Schnaase, IV. 2. S. 363.
    2) Mémoires et documents publiés par la société d'histoire et d'archéologie de Genève, II. (Genève 1843) S. 282.



hier im normannischen Style bauten. So soll Gundulphus, ein Mönch aus Caen, die Kathedrale von Rochester, - Paulus, des Lanfrancus Neffe, die Klosterkirche von St. Albans und der berühmte Lanfrancus selbst, der die Abtei zu Caen unvollendet zurücklassen musste, als neuer Erzbischof von Canterbury durch mitgebrachte baukundige Mönche den dortigen eben niedergebrannten Dom neu erbaut haben. Die herübergekommenen normannischen Bauleute und Steinmetzen bildeten zu Canterbury eine eigene Schule, welche sich bleibend erhielt. 1) Gundulphus war auch der Kriegsbaumeister des Eroberers und von ihm stammt der sog. weisse Thurm im Tower zu London, dessen Kapelle noch jetzt erhalten ist. Unter der Regierung des Wilhelm Rufus (1087 - 1100) bildete sich in England der eigenthümliche, aus continentalen und einheimisch britischen Elementen gemischte Styl aus, welchen die Engländer den normannischen nennen und in dem viele, noch erhaltene kirchliche Gebäude aufgeführt sind, 2) vorzüglich aber auch zahlreiche befestigte herrschaftliche Schlösser. Der Styl hat ganz den Charakter des kriegerischen normannischen Eroberers; er ist fest und schwer, gleichsam kampfgerüstet und gepanzert, doch kühn, begeistert und prachtliebend. Nach Lübke geben auch die kirchlichen Gebäude mehr den Eindruck weltlicher Macht und kriegerischer Tüchtigkeit, als religiöser Stimmung. Das Untereinanderwerfen der Völker und die Verbindung der Baustyle der verschiedenen Gegenden eines Landes schon und noch mehr der verschiedenen Länder konnte nur anregend und zu neuen Bildungen führend wirken; wie die romanischen Sprachen als neue aus dem Kampfe zwischen der römischen und den germanischen Sprachen hervorgingen, ähnlich ging auch der gothische, der Spitzbogenstyl aus den verschiedenen romanischen Baustylen bei den nordischen Völkern hervor, wie dieses besonders an den von dem Abte Suger in der ersten Hälfte des 12ten Jahrh. zu St. Denis in Paris ausgefährten grossen Bauten wahrzunehmen ist und die in dieser Rücksicht ausserordentlich




    1) Schnaase, IV. 2. S. 386 ff.
    2) Vergl. auch Lübke, Gesch. der Archit., S. 370 ff.



belehrend sind. 1) Deshalb war es auch zugleich so wichtig, und vorzüglich hatte dieses Suger gethan, in die Bauhütte Meister und Gesellen aus allen Gegenden zu versammeln, um sich auf die architektonische Höhe der Zeit zu erheben, sich die Kenntnisse und Vortheile Aller zu verschaffen und, mit diesen ausgerüstet, Neues zu unternehmen. Auch der mit St. Denis fast gleichzeitige Bau der Kathedrale von Chartres, bei welcher in einem seltenen Grade die fromme Laienhülfe mitwirkte, schliesst sich daher in der Aus- und Fortbildung des gothischen Styles an. 2) Etwas später und nachdem in jenen französischen Gegenden der gothische Styl in seiner Ausbildung stets rascher vorangeschritten war und sich mehr ausgebreitet hatte, wurde Meister Wilhelm von dem von ihm geleiteten, im J. 1152 nach einem Brande begonnenen Baue der Kathedrale von Sens hinweg im J. 1175 nach Canterbury zur Herstellung des dortigen Domes berufen, wobei er begreiflich seinen vaterländischen Baustyl zur Anwendung brachte. 3) Gleichzeitig mit der Kathedrale zu Sens und dem Dome zu Canterbury wurde in Frankreich namentlich zu Paris der Chor von Notre Dame gebaut, 4) von welchem im J. 1177 ein Chronist sagte, dass, wenn er vollendet sein werde, kein anderes Gebäude diesseits der Berge mit ihm verglichen werden könne. Eine unmittelbare und sehr interessante Leistung der damaligen Bauhütte von Notre-Dame zu Paris ist nach Schnaase, V. S. 97 ff., die Collegiatkirche zu Mantes, an der Grenze der Normandie. Die Mitte des 13ten Jahrh., bald nach welcher Erwin von Steinbach und die Strassburger Bauhütte fallen, sind die regste und schönste Zeit des gothischen Baustyls in Frankreich, zumal unter der Regierung Ludwig des Heiligen, dessen Name für die französische Architektur und Kunst des Mittelalters nach dem Ausspruche eines französischen Archäologen dieselbe Bedeutung hat, wie der des Perikles




    1) Schnaase, V. S. 52 ff.
    2) Schnaase, V. S. 58 ff.
    3) Schnaase, V. S. 90 ff.
    4) Schnaase, V. S. 85 und 96.



für die griechische. 1) Jousselin von Courvault, ein geschickter Ingenieur, und Etudes von Montreuil, ein gewandter Baumeister, begleiteten den König auf seinem Kreuzzuge und leiteten die Befestigung von Jaffa; der noch bedeutendere Peter von Montereau wurde nachher der Meister der heimischen Bauten des Königs, namentlich der heiligen Kapelle von Paris, welche Schnaase das zierlichste und anmuthigste Gebäude dieser Epoche nennt. Es erregt die höchste Bewunderung, wenn man den eben so klaren als gründlichen Bericht Schnaase's in dem fünften Bande seines Werkes über die Einzelnbauten jener Zeiten in Frankreich liest, dass man mitten in den Bewegungen der Kreuzzüge noch die Kräfte an Menschen, Geld und Material gefunden habe, um so grosse und so zahlreiche gleichzeitige Bauten unternehmen und vollenden zu können. Der Bau der heiligen Kapelle (Ste. Chapelle), welcher zufolge Schnaase und dem ihm folgenden Lübke (S. 422) wegen seiner polychromen, orientalisirenden Pracht ein leuchtender Juwel des gothischen Styles ist, wurde im J. 1243 beschlossen und im J. 1251 vollendet; den Juwel der gothischen Architektur Schwabens nennt Lübke die Frauenkirche zu Esslingen. 2) Es steht nicht zu bezweifeln, dass Peter von Montereau, welcher auch noch wegen zweier ähnlicher Bauten für die Abtei St. Germain-desPrés berühmt war und den Semper, I. S. 511, den Iktinus des 13ten Jahrh. nennt, eine gleich ausgezeichnete Bauschule herangebildet und bedurft habe. Peter von Montereau starb im J. 1266 und wurde in der von ihm erbauten Marienkapelle der Abtei St. Germain beigesetzt. Gleich berühmt und gross war sein Zeitgenosse, der im J. 1289 verstorbene Meister Eudes de Montreuil. In seiner Grabschrift wird er ein Doktor der Werkleute genannt. Auf diese Weise war neben den Bauhütten von Cluny, von Laon und Noyon, Chartres, 3) Rheims, Amiens 4) u. s. w. diejenige von Notre-Dame zu Paris, wenn es zu Paris




    1) Schnaase, V. S. 133 ff.
    2) D. Kunstbl., 1857, S. 341.
    3) Die Kathedrale bei Lübke, Gesch., S. 403.
    4) Ebenso bei Lübke, S. 420.



nicht vielleicht mehrere Bauhütten gab, damals die ausgezeichnetste und gewiss nicht weniger aus den entferntesten Gegenden besucht, wie die Universität. 1) Als Baumeister zu Rheims werden gepriesen wegen des Neubaues der Klosterkirche von St. Nicaise daselbst der im J. 1263 verstorbene Hugo li Bergier (der Schäfer) und der im Jahr 1311 verstorbene Dombaumeister Robert von Coucy. Erwin von Steinbach fiel mithin in eine grosse Zeit an Baumeistern und an Bauten. Vom Anfange des 13ten Jahrh. bis zum Ende desselben hob sich zu Paris und in den daran sich anschliessenden französischen Central-Provinzen in überraschender Schnelligkeit, ja nicht selten mit nachtheiliger Hastigkeit 2) und begünstigt durch die allgemeine Bauthätigkeit, die gothische Baukunst auf die höchste Spitze ihrer Ausbildung und Blüthe. Die schönste Blüthe des Façadenbaues in Frankreich ist die Façade der Kathedrale zu Rheims (bei Schnaase, V. S. 143), welcher einzig der Bau Erwin's verglichen und zur Seite gestellt werden kann. Die Erfindung des gothischen Styls wäre nach Caumont, Gally Knight, Schnaase und Andern der Normandie nicht zuzuerkennen, obwohl der gothische Styl seinen eigentlichen Ausgangspunkt, das Kreuzgewölbe aus dem Normannischen entlehnt hat; erst um das J. 1170 beginnt in der Normandie die Anwendung des Spitzbogens und eine Art Uebergangsstyl, jedoch anfänglich mehr decorativer als constructiver Tendenz und mit englischen Anklängen und Zusätzen. - Gross, sehr gross muss der Einfluss der Strassburger Bauhütte, gelegen an den Ufern des Rheines, mitten zwischen Gallien und Deutschland, auf die Baukunst gewesen sein, dass sie sogar zur gesetzlichen Hauptbauhütte von ganz Deutschland erhoben werden konnte, eine in ihrer Art höchst seltene Erscheinung, wodurch das Dasein um die Einheit einer deutschen, einer vaterländischen Baukunst beurkundet wurde. Ueber das innere Leben und Wirken der Strassburger Bauhütte oder einer andern fehlen aber alle umständlichern Nachrichten und nicht einmal die spätern gemeinen deutschen Stein-




    1) Schnaase, V. S. 139.
    2) Schnaase, V. S. 147.



metzordnungen gewähren Aufschluss, weil sie dieses Leben und Wirken vor dem Staate und vor dem Publikum nicht verrathen sollten und möglichst verdeckten. Der Dombaumeister, wozu, besonders so lange der Dombau dauerte oder bis zum J. 1439, ein ausgezeichneter Meister des deutschen Baustyls gewonnen und berufen werden musste, war vermöge seines Amtes Vorsteher und Leiter der ganzen Dombauhütte und nach Errichtung der allgemeinen deutschen Bauhütte auch dieser. Aehnlich wird auf den Denkmalen zu Karnak ein Priester als der Oberste der Bauten genannt 1) und dadurch zugleich wenigstens das Tempelbauwesen als eine Priesterangelegenheit erwiesen. Auf den Denkmalen zu Esne oder Eleithyia wird auch ein Ahmes als der Oberste der Schiffer erwähnt, 2) welcher von sich erzählt, dass er 7 Mal im Kriegsdienste das goldene Halsband der Tapferkeit als Ehrenauszeichnung erworben habe. Der Oberste der Schiffer ist also hier eine militärische und keine bürgerliche Würde. Dagegen erscheint in einer lnschrift der Katarakteninsel Seheil bei Philae um 2000 vor Chr. ein Bauinspector über die Steinbrüche der grossen Obelisken und erster Prophet der Götter Num-Ra u. s. w.; 3) ebenso ein Baubeamter. - Neben und unter dem eigentlichen Dombaumeister waren gewiss zur Zeit des Dombaues als Unterleiter noch weitere Meister angestellt und beschäftigt. Die Fremden, welche in der Dombauhütte zu Strassburg aus weiter Ferne her und besonders auch aus der Schweiz bis zum Anfange dieses Jahrhunderts zusammenströmten, waren entweder blosse Gesellen, welche nur Arbeit suchten und in der Arbeit sich vervollkommnen wollten, - oder förmliche Architekten und schon wirkliche oder künftige Baumeister, welche die eigentliche Baukunst bei dem oder den Meistern am Dome zu Strassburg zu erlernen verlangten, wie noch in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts viele Baumeister angetroffen wurden, welche ihre architektonische Bildung zu Strassburg geholt hatten. Zur Zeit der blühenden




    1) Brugsch, Reiseberichte, S. 184.
    2) Brugsch, S, 217 ff.
    3) Brugsch, S. 271 und 272.



Kirchenbauten wandte man sich ferner ohne alle Zweifel nicht allein oft an die Bauhütte in Strassburg um die Ausarbeitung der nöthigen Pläne, sondern auch um Zusendung der zur Ausführung des Kirchenbaues selbst erforderlichen Meister und Gesellen, sowie um die Beaufsichtigung desselben. Die auf diese Weise unter der Führung und Leitung eines erfahrenen Meisters ausziehenden Arbeiter, Meister und Gesellen, bildeten sodann bleibend oder nur für die vorübergehende Dauer des Baues eine neue Bauhätte. - zur Zeit der Klosterbauhütten ein neues Kloster. In Strassburg selbst machte unter den Angehörigen der Bauhütte nicht blos der Unterricht und die Arbeit, die Architektur und die Steinmetzkunst eine nothwendige Sonderung und Unterscheidung, sondern es traten gewiss nach dem allgemeinen Zeitgange in diesen Verhältnissen auch die Steinmetzgesellen in eine eigene Gesellenbruderschaft zusammen, wie eine solche z. B. in Zürich bestand und weshalb durch §. 6 des Reichsschlusses von 1731 den Gesellen untersagt wurde, Brüderschaften und ein Siegel zu haben. 1)

Das Bauhandwerk, d. h. das Maurerhandwerk und das Steinmetzgewerbe (wenn man von den übrigen Hülfsgewerben und Hülfskünsten ganz absehen will und darf) war, wie bei den Griechen 2) und Römern, bis auf die neueren Zeiten herab oder bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts auch bei den Germanen und namentlich in England, Frankreich und Deutschland von der Kunst äusserlich gar nicht geschieden, mit ihm war äusserlich die Baukunst wie die Bildhauerkunst zur Einheit verbunden: aber dennoch waren sie innerlich getrennt und mussten es sein. Nicht vielseitig genug kann diese Thatsache erwogen und beachtet werden, da nur ihre Nichterwägung und Nichtbeachtung die hier so abweichenden Meinungen und Behauptungen möglich gemacht hat und diese sich leicht ausgleichen liessen, wollte man sich zuvor verständigen, worüber eigentlich gestritten werde. Wie die Baukünstler und Bildhauer unter die Bauhand-




    1) Kraut, Grundriss, S. 175, Nr. 11.
    2) Brunn, Gesch. der griech. Künstler, I. S. 9 ff.



werke eingereiht waren, waren es namentlich auch die ihnen verwandten Maler und noch heute heissen in der Schweiz Maler die Handwerker, die sog. Flachmaler, welche die Möbel, Thüren und Stuben, die Chaisen in Oelfarbe bemalen oder auch Iakiren, - und die Tüncher und Gypser. Im J. 1258 erscheinen in den Statuten des Boileau zu Paris die Maler entweder der Zunft der Sattler oder der Bildschnitzer in Tit. 78 und 62 je nach ihrer verschiedenen Beschäftigungsweise zugetheilt, und namentlich die Chaisenmaler gehören zu den Sattlern. In Deutschland, z. B. zu Magdeburg, zu Köln und Maestricht, erscheinen die Maler mit den Schildmachern verbunden und werden daher seit dem Anfange des 13. Jahrh. auch als Schildner bezeichnet, 1) wobei man vorzüglich an Wappenschilde und ihre Bemalung zu denken hat. Katzmair erzählt, wie man im J. 1403 den 26. Februar den Münchnern bei einem Ausfall, den sie machten, "vier gemalt Setzschilt" aus den Thoren genommen. 2) Bemalung, ein Bild gehört wesentlich zu einem Schilde, wie namentlich auch bei den Wirthshausschilden dieses der Fall ist. 3) Eine von Karl IV. im J. 1348 bestätigte Innung zu Prag umfasste Maler, Bildhauer, Glaser, Schildmacher und Goldschläger. 4) Durch eine Rathsurkunde vom 19. Novbr. 1328 hatten zu Prag die Meister "der platner, puchler vnd helmer" das Recht erhalten, dass in der Stadt Niemand sich setzen und ihr Handwerk betreiben dürfe, der nicht das Stadtbürgerrecht erwerbe und mit seinen Handwerksgenossen Leid und Freud trage. 5) - Zufolge Guhl und Koner a. a. O., II. S. 210, gab es unstreitig in allen römischen Städten Zünfte von Stubenmalern, an deren Spitze vielleicht ein griechischer Meister stand; Tüncher () nennt Suidas Diejenigen, welche die Mauern färben () In der antianischen Inschrift ist der Stukateur unmittelbar




    1) Schnaase, V. S. 682.
    2) Schmeller, bayerisches Wörterb., III. S. 352.
    3) Besoldi thesaurus practicus, unter Schild und Helm.
    4) Wackernagel, die deutsche Glasmalerei, Leipzig 1855, S. 66.
    5) Rössler, das altprager Stadtrecht, S. 19.
    6) Semper, I. S. 451 ff.



neben dem Maler angeführt. Nach Semper ist es festgestellt, dass die erhabenste Malerei der Griechen unter Polygnot und seinen berühmten Zeitgenossen Wandmalerei gewesen sei. 1) Besonders die Wandmalereien in Enteritalien, zu Herculanum und Pompeji, möchten dem Einflusse und der Thätigkeit griechischer Malerschulen zuzuschreiben sein. Die häufige Wiederkehr gewisser Motive in den Wanddarstellungen zu Herculanum und Pompeji scheint Guhl und Koner darauf hinzudeuten, dass auch unter den Decorationsmalern, von tüchtigen Künstlern ausgehend, sich Malerschulen gebildet hatten, welche sich durch die Behandlung des Colorits und der Zeichnung, sowie durch eine fast stereotype Wiederholung einzelner Figuren kennzeichnen. Aehnlich scheint in Sachsen im Anfange des 13ten Jahrh. eine mehrere Generationen hindurch bestehende besondere Bildhauerschule sich gebildet zu haben, welcher die Bildwerke an der Kanzel der Klosterkirche zu Wechselburg und an der goldenen Pforte zu Freiburg angehören. 2) - Bemerkenswerth ist, dass im J. 1336 durch den Bürgermeister Ritter Brun zu Zürich die Sattler und Maler mit den Weinschenken, Weinrufern, Winzern und Unterkäufern (Mäklern) zu einer Zunft vereinigt wurden, 3) wie man auch anderwärts bei den Malern ähnlichen Mitzünftern begegnet. 4) Die Bewohner des Klosters Bangor in Wales waren in 7 Abtheilungen gesondert, jede von 300 Personen, und mit besonderem Aufseher; sämmtlich Kunstarbeiter und Handwerker. 5) - Zu Antwerpen erhob sich im J. 1606 ein sehr beachtenswerther Streit zwischen der Bruderschaft der Maurer und den dortigen Bildhauern über die Frage, ob die letztern zur Bruderschaft der Maurer beitreten oder Mitglieder der Maler-




    1) Vergl. auch im literarischen Centralblatte für 1862, S. 193, die Recension über Welker's alte Denkmäler, IV. (Göttingen 1861), mit einer Abhandlung über die Wandmalerei; Winckelmann's Werke. V. S. 184 ff.; vorzüglich aber Brunn, II. S. 8 ff.
    2) Schnaase, V. S. 748 ff.
    3) Bluntschli, Staats- und Rechtsgesch. der Stadt und Landschaft Zürich, 1. S. 323.
    4) Schnaase. Vl. S. 373.
    5) Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, S. 144.



bruderschaft bilden dürfen. 1) Es möge hier die französische Uebersetzung der Beschwerde folgen, welche deshalb damals Roberto de Nola eingereicht hat:

"Dit Robert de Nole, soulpteur de V. A. (votre Altesse), pour lui et au nom de tous les sculpteurs et statuaires de la ville d'Anvers, quo los maçons de ladite ville les poursuivent et les inquiétent fortement, prétendant que tous les statuaires, sculpteurs et architectes qui jusqu' aujourd' hui ont fait et font encore partie de la confrérie des peintres, comme professant les arts libéraux, doivent dorénavant appartenir au métier des maçons, par la raison que, comme eux, ils travaillent la pierre. Or, cet usage n'existe en aucun royaume, ou province, et il n'a pas été invoqué à l'égard de Jean de Bologne, aujourd' Imi à Florence, de Rutgard, en Angleterre, d'Alexandre Collin , à Inspruk, de Pierre Francqueville, en France, lorsque tous ces statuaires et sculpteurs, sujets de V. A. S., residaient en la ville d'Anvers. Et davantage, lesdits maçons, non contents d'avoir, par leurs molestations, obligé le soussigné Robert de Nole, et los statuaires de payer au métier des maçons la somme de 24 écus, prétendent encore, faire payer aux élèves des sculpteurs, comme aux manoeuvres, la somme de 24 écus à leur entrée en apprentissage. Cette prétention ne parait pas fondée en raison, attendu quo les apprentis des maçons gagnent une paye et subsistent de leur travail dès le premier jour, tandis que, parmi les élèves des sculpteurs, aucun ne sait, avant quatre ou cinq ans, s'il est capable de continuer, son art; de sorte que los pauvres parents des élèves ne veulent ni ne peuvent faire la dépense de ces 24 éckus, dans l'incertitude où ils sont que leurs fils puissent ou non continuer. D'autre part, si l'on molestait les artistes de cette façon, il n'est aucun élève, pour peu qu'il soit entrainé vers l'art, qui voulût se soumettre aux maçons; de façon que V. A. S. verra en peu de temps, ses états dépourvus de sculpteurs et de statuaires pour son service. Donc, je supplie humblement V. A., d'or-




    1) Revue d'histoire et d'archéologie, III. (Bruxelles 1861) S. 91 ff.



donner que les architectes, statuaires et sculpteurs et leurs disciples soient, eomme ils Font été jusqu'à présent, membres de la confrérie de Saint-Luc, et fassent partie de la confrérie des peintres et non de celle des maçons, et ils vous en seront très-reconnaissants."

Auf diese Beschwerde wurde unter dem 3. Juli 1606 verfügt, dass seine Hoheit die Forderung der Maurer wenig begründet finde, dass aber der Magistrat von Antwerpen darüber noch Bericht und Antrag erstatten möge, worauf dieser am 12. Januar 1607 im Wesentlichen über die Beschwerde der freien Bildhauermeister (des francqs maitres sculpteurs) berichtete: Es möge durch eine allgemeine Verordnung den Bildhauern gestattet werden, von den Maurern unabhängig zu sein und alle ihre Kunst und Wissenschaft betreffenden Arbeiten ausführen zu können, auch so viele Lehrlinge anzunehmen, als ihnen gefalle; bei wirklichen Maurerarbeiten aber sollen sie einen Maurer dazu anstellen müssen. - Zu Gent muss die besondere Malergilde älter gewesen sein, denn dieselbe schenkte ausnahmsweise im J. 1421 den Gebrüdern Hubrech (Hubert) und Jan van Eyk die Freiheit zu malen (vrijdomme in schilderen), schenkte ihnen Zunftrecht; 1) den Gebrüdern van Eyk gehört die grosse Erfindung oder doch Einführung der Oelmalerei an, wie auch deren Schwester Margaretha durch Miniaturmalereien glänzte. 2) In die Kunstgenossenschaft des h. Lucas zu Antwerpen wurde im J. 1655 die Catharina Pepyn als Portraitmalerin und förmliches Mitglied eingeschrieben. 3)

Das Verhältniss der deutschen Malerschulen zu den Bauhütten ihrer Städte, besonders der so berühmten Cölner Malerschule und überhaupt Kunstschule, 4) ist nicht näher erhoben; dennoch ist kaum zu bezweifeln, dass die Maler und die Bildhauer jedenfalls noch im 15. Jahrh. einen blossen, unmittelbaren oder mittelbaren Theil der Bauhütte ausmachten, weil




    1) Götting. gel. Anz. für 1862, S. 242.
    2) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 54 ff.
    3) Guhl, S. 109.
    4) Vergl. darüber Schnaase, Vl. S. 465 ff.; Otte, Gesch., 155.



die Malerei und die Bildhauerkunst auf das Unzertrennlichste mit der Baukunst verbunden waren und nur als die schmückenden Gehülfen der letztern erschienen. Cöln vorzüglich galt als eine förmliche Kunstschule und dort findet man niedergelassene Maler aus den nähern und fernen Gegenden Deutschlands, namentlich aus dem deutschen Oberlande, aus Constanz und Memmingen, Heidelberg und Worms, vermuthlich weil die Kunstliebhaber die Bilder in grosser Anzahl zu Cöln selbst bestellten und arbeiten liessen. Auch zogen einzelne kölnische Meister, Maler und Bildhauer, nach auswärts hin, um dort grössere Kunstwerke anzufertigen. Die kölnischen Künstler scheinen eine gewisse Neigung zu den Mystikern oder Gottesfreunden ihrer Zeit gehabt zu haben, was sich auch in den Bildern der kölnischen Schule ausspricht und einzelne Künstler später dem beschaulichen und einsamen Leben zuführte. Strassburg kann als eigentliche Kunstsehule oder bezüglich seiner Leistungen in den zeichnenden Künsten mit Cöln gar nicht in Vergleichung gebracht werden. In der Cölner Malerschule blühte die Malerei seit dem Anfange des 14ten Jahrhunderts auf, war also dieser Zeit ihres Entstehens nach eine wesentliche gothische, befolgte den Architecturstyl. 1) Mit der Cölner Schule steht die westphälische 2) sowohl in der Gefühlweise als in der Technik im engsten Zusammenhange. Neben der Cölner Schule erscheint in der Frühzeit deutscher Kunst keine bedeutender als diejenige von Prag, 3) wie auch Böhmen, besonders unter dem Einflusse Kaiser Karls IV., in der Baukunst sich auszeichnet, da dieser pracht- und kunstliebende Kaiser gleichmässig allen Künsten seine Liebe und Unterstützung zuwandte, - nach Schnaase, VI. S. 478, vermöge seiner mystischen Richtung vielleicht vorzugsweise der Malerei. Schon im 14ten Jahrh. unter Kaiser Karl IV. hatte




    1) Otte, S. 160. Vergl. noch das deutsche Kunstbl. für 1857 S. 96: "Mittelalterliche Kunstwerke im Dome zu Worms;" ebendaselbst Passavant, S. 200 ff.
    2) Schnaase , Vl. S. 467 ff.; Otte, S. 160.
    3) Schnaase, VI. S. 474 ff.



sich zu Prag wie angeführt, eine besondere Malergilde gebildet, 1) welche zugleich die Bildhauer, Glaser und Goldschläger umfasste, jedoch gehörten zu den Malern noch die Schilder oder bildeten wenigstens eine Bruderschaft mit denselben, das Original der Statuten, welches noch bis in die neuere Zeit auf einem Pergamentblatte vorhanden war, konnte leider von Rössler, das altprager Stadtrecht. S. XCII, nicht aufgefunden werden. Besold, thesaurus pract., II. S. 469, Nr. 94, nimmt die Schilder- oder Malerkunst als gleichbedeutend. Derselbe Besold, I. S. 738, Nr. 94, theilt aus Wolfgang Lazius eine Stelle mit, wornach die Junkern von Prag vortreffliche Maler gewesen, von welchen die Maler ihr Wappen weiss und roth bekommen haben, d. h. das Wappenschild der prager Malergilde war weiss und roth (schräg?) getheilt. Die Tafelmalerei blühte in Böhmen schon um die Mitte des 14ten Jahrh., also früher selbst als in Cöln. 2) Neben Prag besass Nürnberg die bedeutendste Kunstschule mit Kunz Imhof (+ 1449) an der Spitze, welche den Mittelpunkt der fränkischen, ähnlich wie Cöln der rheinischen Lande ausmachte. 3) Die böhmische Schule blühte unter Kaiser Karl IV. (1346 - 1378), als eine deutsche Künstlerkolonie in einem slavischen Lande unter dem Statut von 1348 als zunftmässige Bruderschaft gestiftet, nicht frei von ältern böhmischen Einflüssen.

Indem wir hier das für die Baukunst und für die gesammte Kunst dieser Zeiten so einflussreiche und vorbildliche Cöln nochmals berührten, muss auch an die oben erwähnten Vehmgerichte Westphalens, der rothen oder östlichen Erde, der Vollständigkeit wegen erinnert werden, indem dieselben, welche unter dem Erzbischofe und Churfürsten von Cöln als ihrem obersten Stuhlherrn, gleichsam obersten Meister standen, da er wirklich die kaiserliche Statthalterschaft über alle Freigerichte Westphalens erhalten hatte und im Namen des Kaisers, als Herzog mit




    1) Schnaase, Vl. S. 478.
    2) Schnaase, Vl. S. 483; Otte, S. 161.
    3) Schnaase, Vl. S. 488 ff.; Otte, S. 161.



dem Bann belehnte, 1) in vielen Hinsichten auffallend mit der Maurerei übereinstimmen, ihre Gebräuche entlehnt zu haben scheinen und gleichfalls jetzt erstarken, wenngleich Wächter in seinen Beiträgen zur deutschen Geschichte, Tübingen 1845, S. 167 ff., entgegen Wigand und Luden, auch Segesser (Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 123, Anm. 1) bestreitet, dass unter den Vehmschöffen eine ihre eigentliche Macht begründende Ordensverbindung bestanden habe. Als Anklänge an das Maurerthum heben wir aus der Verfassung der westphälischen heimlichen Freigerichte und Freistühle 2) noch hervor: Von den aufzunehmenden Freischöffen wurde blos verlangt, dass sie frei, von Verbrechen rein und keines Verbrechens bezüchtigt, nicht in Bann und Acht und ehelich geboren seien. Diese Eigenschaften mussten von zwei Freischöffen bezeugt und durch mehrere Bürgen noch besonders verbürgt, auch vom Aufzunehmenden selbst beschworen werden und der Freigraf, der oberste Richter des einzelnen Freistuhles, hatte ein Register über die Aufgenommenen und die Bürgen zu führen. 3) Späterhin und besonders in einem im J. 1490 zu Arnsberg gehaltenen Vehmcapitel wurde aber die auch in der maurerischen Welt des vorigen und des gegenwärtigen Jahrhunderts nicht seltene Klage geführt, dass viele Freigrafen (comites liberorum) nur um des Geldes willen Schöffen machen. 4) Das Schöffenthum sollte nach der höhern, wenn auch nicht klar ausgesprochenen Idee der Lohn nur der grössern Tugend und Sittenreinheit sein, wie die westphälischen Gerichte als noch nicht entstellte und missbrauchte, oder als solche ein Ausfluss des allgemeinen ritterlichen, des letzten freien volksthümlichen Geistes des Mittelalters, des Gerechtigkeitssinnes des deutschen Volkes sein möchten, welcher sich selbst helfen musste, als bei Kaiser und Reich und ihren Gerich-




    1) Wächter, S. 15 und 16.
    2) Freistühle, sedes liberae, comitiae liberae hiessen in der karolingischen Zeit die Gerichtsstätten des Grafen oder seiner Unterbeamten. Vergl. Trummer, Vorträge, I. S. 221.
    3) Wächter, S. 173.
    4) Wächter, S. 238.



ten keine Hülfe mehr zu finden war, - das die Gerechtigkeit dort selbst in die Hand nahm, wo der Arm der bestehenden sonstigen Landes- und Reichsgerichte erlahmte, - es war gleichsam das Gericht letzter Instanz. Ueber Westphalen hinaus musste der Freischöffenbund durch Aufnahme nichtwestphälischer Freischöffen (scabini liberorum, auch liber-scabini) ausgedehnt werden, sollte auch dort Gerechtigkeit walten und gehandhabt werden, der Verbrecher, und wäre er der mächtigste, nicht ungestraft bleiben. Der Grundgedanke der westphälischen Freigerichte ist ein höchst idealer, aber eben deshalb auch leicht dem Missbrauch, der Ausartung und der Willkühr verfallender: die rücksichtsloseste und strengste Uebung der Gerechtigkeit, gewissermassen die Führung des Rache- und Strafschwertes in Gottes Namen und Stelle, - wie ihre eigenen Urkunden sagen, die rügend oder von Amtswegen erfolgende Bestrafung aller Verbrechen gegen die zehn Gebote Gottes und das h. Evangelium. 1) Darin waren die westphälischen Gerichte von der Maurerei, von dem ächten Ritterthume abgewichen, dass sie nicht dem Himmel die Bestrafung des Sünders und Verbrechers überliessen; die westphälischen Gerichte, wenngleich sie ursprüngliche kaiserliche Gerichte 2) gewesen sein mögen, waren nichts Gesetzliches und Absichtliches, sondern ein durch die allgemeine und besondere Stimmung der Zeit Erzeugtes und gingen daher mit dem eigentlichen Geiste des Mittelalters von selbst im Anfange des 16ten Jahrh. unter, indem die Carolina und die Territorialgerichte sie zuletzt begruben. Sie hatten wesentlich eine subsidiare Gerichtsbarkeit, mussten daher das Richten unterlassen, competent zu sein aufhören, sobald namentlich die landesherrlichen Gerichte subsidium gewährten oder versprachen. 3) Der Freigraf, der Vorsitzer eines Freistuhles, musste in Westphalen geboren sein und ebenso konnte man nur in Westphalen zum Freischöffen aufgenommen oder geweiht




    1) Wächter, S. 15 und 185.
    2) Wächter, S. 12 und 203 oben; Trummer, Vorträge über Tortur u. s. w., I. (Hamburg 1844) S. 221.
    3) Wächter, S. 187 ff.



werden, d. h. man musste einem bestimmten westphälischen Freistuhle angehören, womit es zusammenhängt, dass ein Vehmgericht gleichfalls nur auf westphälischer oder rother Erde gehalten worden konnte und durfte. 1) Durch die Aufnahme zum westphälischen Freischöffen, zum Westphalen erlangte man das wichtige Recht, nur durch seine Standesgenossen, nur durch Freischöffen (judicium parium) gerichtet zu werden, - die Freischöffen hatten gleich den Maurern das Vorrecht, das privilegium der eigenen Gerichtsbarkeit. Die Aufgenommenen hiessen die Wissenden, sciti, d. i. die in die Geheimnisse Eingeweihten, die Geheimnisse und namentlich die geheime Losung Wissenden. - Wenn mindestens drei Schöffen auf handhafter That einen Verbrecher irgendwo, d. h. auch ausserhalb Westphalens, ergriffen, konnten und mussten sie ihn sofort richten und im Falle der Verurtheilung aufknüpfen, 2) wobei für die Maurer der gefährliche Grundsatz, dass Drei im Nothfalle ein vollkommenes oder genügendes Gericht bilden, das mehr Interesse Gewährende ist. Die Heimlichkeit, die heimliche Acht oder Urtheilsfällung, verbunden mit der gleich heimlichen Strafvollziehung, mag aus der Nothwendigkeit hervorgegangen sein, den urtheilenden und strafenden Richter vor dem mächtigen, widersetzigen und rachesüchtigen Verbrecher geheim zu halten. Daher kann auch die Strafgerichtsbarkeit der Vehmgerichte nicht mit Wächter, S. 190, als eine Stellvertreterin des Fehderechtes angesehen werden: denn das Fehderecht war ein offenes und dagegen konnte und durfte man sich vertheidigen. - In dem gewöhnlichen Verfahren musste der Angeklagte übersiebnet werden, d. h. der Ankläger musste die Anklage mit 6 Eidhelfern beschwören, worauf sofort die Vervehmung erfolgte. 3) War ein Freischöffe in seiner Abwesenheit verurtheilt worden, konnte aber seine Unschuld darthun und wollte er wieder aus der Vervehmung genommen sein, sollten zwei Freischöffen ihn, mit einem Strick oder Seil an seinem




    1) Wächter, S. 175 ff.
    2) Wächter, S. 185 und 221 ff.
    3) Wächter, S. 208 ff.



Halse, mit gefalteten Händen und mit zwei weissen Handschuhen, mit einem grünen Kreuz und mit einem Königsgulden vor den Freistuhl führen, von dem er verurtheilt worden war; dort sollte er auf seine Kniee fallen und um Gnade bitten, worauf der Freigraf ihn beim Namen nennen, bei der Hand nehmen und aufstehen heissen, ihm Strick oder Seil vom Hals thun und ihn wieder in seinen frühern Frieden, Freiheit und Recht einsetzen soll. 1) - Das Vervehmungsurtheil, welches zum Zweck der Vollziehung dem Ankläger ausgefertigt werden konnte, sollte von 7 Freischöffen besiegelt sein. 2)

Ihre Thätigkeit versuchten die westphälischen Freigerichte selbst bis nach der Schweiz in seltenen Fällen auszudehnen. 3) Zur vollständigen Durchführung gelangte der Vehmprocess Conrad Wenigers gegen die Stadt St. Gallen in den Jahren 1469 - 1471 und derjenige zwischen Gregor Steinmetz und dem Hochgericht Waltersburg im grauen Bunde in den Jahren 1494 und 1495. 4) Im 15ten Jahrh. waren auch viele Schweizer Freischöffen gewesen. 5)

Da das Handwerk nicht blos früher, sondern auch bei weitem nothwendiger und häufiger, auch verständlicher als die Kunst ist, tritt die Kunst nur leise und langsam und unbemerkt in das Handwerk ein und die Künstler bleiben überall noch lange mit den Handwerkern als ihren Genossen verbunden, weil die Handwerke dennoch die Wiege der Kunst sind und zur Ausführung aller Kunstwerke, vorzügIich aber der grossen Bauten, die Hülfe der Handwerker gebraucht wird. Die städtischen Gesetzgebungen und besonders die deutschen mittelalterlichen Gesetzgebungen, über welche letztere nur Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, §. 90 ff., verglichen werden mag, beschäftigen sich einzig und allein




    1) Wächter, S. 213.
    2) Wächter, S. 216.
    3) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 124 ff.
    4) Vergl. Reding und Näf-Oberteuffer, Urkunden zu Beleuchtung der westphälischen Gerichte in der Eidgenossenschaft, im Archiv für schweizerische Gesch., III. S. 291 ff.
    5) Archiv, III. S. 395.



mit den Handwerken, mit dem Bauhandwerke, mit den Maurern und Steinmetzen und lassen die Kunst, die Baukunst, die Baukünstler völlig unberücksichtigt. Die Handwerker bildeten die gesetzlichen, Collegien, Gilden, Innungen und Zünfte und die Statuten des Boileau in Paris, wie die gemeinen deutschen Steinmetzordnungen sind an sich blosse Handwerksordnungen, wie auch die sonstige Reichsgesetzgebung stets nur das Handwerk im Auge hat. Die Künstler sind gesetzlich mit unter den Handwerkern und in ihren Verbindungen enthalten: aber bald sagen sie sich innerlich und geistig von den blossen Handwerkern los und verfolgen im Handwerksgewande ganz andere Zwecke, die Kunst, die Bildung und den Geist; werden die geistigen Führer und Leiter der Handwerker. Wenn nun von höheren Kenntnissen, von einer freieren Geistesrichtung und reineren religiösen Ansichten, von Mysterien und Mysterienverbindungen der Bauleute bei den Römern und bei den Germanen geredet wird, denkt jeder sich selbst Klare nicht an die Handwerker, sondern an die Künstler und an die künstlerisch gebildeten Handwerker und von diesen muss Vieles wahr sein, was von jenen nicht gelten kann. Nach Karl dem Grossen waren es die Klöster und Abteien, welche Jahrhunderte lang und bis tief in das 12te Jahrh. hinein die Baukunst vorzüglich leiteten und beherrschten, und zu besserer Erreichung ihrer kirchenbaulichen Zwecke die Laienbruderschaften eingerichtet hatten. Die Baukünstler trugen hier das Gewand des Mönchs oder des Priesters, oder wenigstens des Laienbruders; die Handwerker dienten den Klöstern und Abteien, den Bischöfen als ihre Hörigen, als Grundholden. Als seit dem 11ten Jahrh. und besonders im 12ten und 13ten Jahrh. die Städte und mit ihnen die Kunst und Handwerke neu emporblühten, entwickelten sich in ihnen die festen Bauzünfte und die beweglichen, vorübergehenden Bauhütten, welche letztern aber unbeschadet ihres Begriffes als eines blos Zeitlichen doch auch Jahrhunderte fortbestehen mochten. Zu Rom auf dem Forum waren die Handwerksläden, in denen die Handwerker zugleich zu arbeiten pflegten, ebenfalls ursprünglich blosse Bretterhütten, tabernae, quae zufolge Festus





ex tabulis olim fiebant, wie es auch heute noch in grossen Städten vielfach der Fall zu sein pflegt. 1) Alle Bauhütten hatten eine handwerksmässige, eine zunftmässige Verfassung, waren aber wesentlich zugleich Bauschulen, Kunstschulen für die Künstler aller Landestheile und der verschiedenen Länder; rechtlich standen die Bauhütten gleich einer städtischen Zunft, aber eine städtische Bauzunft war keine Bauhütte, keine Bauschule, denn sie übte das Bauhandwerk und nicht die Baukunst, die Bauwissenschaft. Die Bauhütten hatten ihre wirklichen Geheimnisse und deshalb kennt man dieselben nicht, wogegen Viele und darunter namentlich auch Schnaase von ihrer Nichtkenntniss des Geheimnisses oder gar von der Nichtveröffentlichung der Geheimnisse in der Yorker Urkunde, in den Statuten des Boileau und in den gemeinen deutschen Steinmetzordnungen auf das Nichtbestehen schliessen wollen. Die Künstler, die Eingeweihten, die Unterrichteten haben zu York, zu Paris, zu Speier und Regensburg, zu Torgau, Strassburg und anderwärts in das Gesetz nur aufnehmen und niederschreiben lassen, was man ungefährdet konnte und durfte. Die Kunst, die deutsche Baukunst umschlang alle deutschen Bauhütten, alle deutschen Bauzünfte, die Baukünstler und Bauhandwerker des ganzen deutschen Vaterlandes nach dem Reichsgesetze zu Einem Bruderbunde, zu einem Künstlervereine mit einem gemeinsamen Obermeister; aber der schöne Bruderbund zerfiel, ehe nur er recht in das Leben eingetreten war, da die Kunst im religiösen Streite und Unglauben unterging; der Geist erstarb im neuen Hause. Die Kirchenbaukunst hatte selbst als die Kunst der gesammten Christenheit 2) eben sich erhoben und verknüpfte wandernd alle christlichen Länder und Künstler in ihren Hütten, um neben denselben die herrlichsten Steindome und Steinthürme erstehen zu lassen; am Tage des vollendeten Prachtbaues wurde die schaffende Hütte gebrochen, damit an einem andern Orte ein neuer Bau begonnen werden könne. Das hohe christliche Ideal, welches das ganze Mittelalter trägt und bewegt, und




    1) Guhl und Koner, II. S. 287.
    2) Vergl. Schnaase, IV. S. 19.



namentlich auch in den grossen, welterschütternden Kämpfen des Papstthums und des Kaiserthums hervortritt, - auch heute eigentlich noch das Ideal der christlichen Menschheit ist, - die Idee nämlich von der in christlicher Liebe verbundenen, alle Menschen und alle Völker umfassenden Menschheit und von dem auf Erden schon herzustellenden allgemeinen Gottesreiche, durchdrang mehr oder weniger auch die Welt der Handwerker, die Meister- und Gesellenbrüderschaften, und besonders die durch ihren Beruf in alle Länder und alle Fernen hinausgewiesenen Bauleute, die Handwerker und Künstler. Die Zeitperiode der Weltgeschichte, welche Eichhorn, Weltgeschichte, II. (Göttingen 1817) S. 8, seit dem J. 1096 als das verbundene Europa, als eine geistliche Universalmonarchie unter dem allgemeinen Christenvater bezeichnet, spiegelt sich auch in den Bauhütten ab. Wie die Kreuzzüge für die europäischen Völker trotz aller Verluste an Menschen und an Gut dennoch dadurch sich ausserordentlieh wohlthätig und fördernd erwiesen, dass sie das Auge und das Herz erweiterten, auch andere Zustände kennen lehrten, so sind die Wanderungen der Gesellen und Meister, der Künstler, der Studenten und Professoren im Mittelalter eins der vorzüglichsten Mittel zur geistigen Verbindung und Erfrischung der sonst getrennten und erstarrenden oder stillestehenden Völker gewesen. Die freimaurerischen Grundsätze sind nur die Grundsätze des freien Welt- und Völkerverkehrs, der Weltreisenden, der Weltbürger; die eigentliche Bauhütte ist die Welt und ihr grosser Baumeister der menschlich-göttliche Geist.

Hinsichtlich der Bildhauer und Bildschnitzer, welche schon Jahrtausende vor Chr. auch in Aegypten in der nächsten Verbindung der starren Steifheit erscheinen und von da wohl mit den durch die Hyksos Ausgetriebenen oder durch ihre eigene spätere Austreibung hervorgerufenen Völkerbewegungen (oben S. 10) nach Griecheinland gekommen waren, 1) macht Schorn im Kunstblatte für 1836




    1) Klenze, aphoristische Bemerkungen gesammelt, auf seiner Reise nach Griechenland, Berlin 1838, S. 197 ff. Wer sich die slavische Abhängigkeit, z. B. der russischen kirchlichen Kunst und