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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XII



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Der 24zöllige Massstab.

Nach dem ältesten englischen Lehrlingsfragstücke stellt der 24zöllige Massstab die 24 Stunden des Tages vor, 1) worin angedeutet und ausgesprochen ist, wie wichtig für jenes Volk, bei welchem die Baukunst, die Kunst der Steinmetzen, die Freimaurerei entstanden ist, diese Zeiteintheilung gewesen sei. Der 24zöllige Massstab als das Svmbol der 24 Stunden des Tages berechtigt sogar zu der Annahme, dass die mittelalterlichen Steinmetzen das Symbol aus jenem Lande empfangen haben, welchem die Eintheilung des Tages in 24 Stunden ursprünglich mit angehört. Wir wissen nun mit Bestimmtheit, dass schon die alten Aegypter wie das Jahr von 365 Tagen so auch die Eintheilung des Tages in 24 Stunden kannten, welche letztern sie mit Sonnenaufgang zu zählen begannen, wenn nicht, wie Plinius vereinzelt angibt, von Mitternacht an. 2) Es ist nicht blos möglich, sondern selbst sehr wahrscheinlich, dass die Aegypter die Eintheilung des Tages in 24 Stun-




1) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 179.
2) Uhlemann, a. a. O., II. S. 82.



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den und des Jahres in 365 Tage von den arischen Chaldäern, den ältesten Astronomen der Erde, empfangen und angenommen hatten, aber dennoch ist es wohl Aegypten, welches diese Zeiteintheilung dem Abendlande, - den Griechen und Römern und durch sie den Germanen überbracht hat. Hiezu stimmt auch, dass die griechischen drei oder vier Horen, die Göttinnen der drei oder vier Jahreszeiten, 1) und das lateinische hora die Stunde, wohl von dem ägyptischen Horus, dem jungen Sonnengotte, dem griechischen Apollo abstammen und mit ihm von der gleichen Wurzel abzuleiten sind. Horus, ägyptisch Hr, ist wörtlich der Aufgehende von HAR, erscheinen, der Tag, womit auch das hebräische und phönicische Ar, Er, das Feuer, und Or, Ur, das Licht zusammenhängen. 2) Die griechischen Horen und das lateinische hora sind also das anbrechende Licht und die anbrechende Zeit des Jahres und des Tages, die anfangende Zeit des Jahres und des Tages, die mit dem Lichte beginnende Zeit. Dass die maurerische Zeiteintheilung des Tages in 24 Stunden, welche durch den 24zölligen Massstab symbolisirt wird, ägyptischen Ursprunges sei, beweiset auch der Umstand, dass die Maurer, ähnlich wie die Aegypter, das Jahr mit der Sonnenwende enden und anfangen. Die Aegypter fingen das Jahr in den Hundstagen nach der Zeit der Sommersonnenwende mit dem Frühaufgange, Hiliakalaufgange des Hundssternes oder des Sirius, der ägyptischen Sothis, des Sternes der Isis an und diesen Jahresanfang um die Zeit der Sonnenwende, in den Hundstagen haben von den Aegyptern die Jonier und besonders die Athener angenommen und mit ihm sich zugleich einen Apollo Kynnios d. i. den Apollo der Siriuszeit, des Hundssternes geschaffen. 3) Der ungewöhnliche maurerische Jahresanfang mit der Sommersonnenwende kann schlechterdings nur aus Aegypten erklärt und abgeleitet werden und der maurerische Johannes der Täufer erscheint dem griechischen Apollo Kynnios verwandt. Das maurerische Johannes- und Rosenfest wäre wesentlich dar-




1) Preller, griech. Mythologie, I. S. 273 ff.
2) Alpina für 1860, S. 205.
3) Alpina für 1860, S. 191.



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nach ein solarisches , das Fest des Apollo Kynnios und schliesst sich innig an an die einst gleichzeitig zu Sparta und Amyklae neun Tage lang und mit grossen Feierlichkeiten gefeierten Hyakinthien. 1) Das Fest der Rose und das Fest der Hyakinthe, Johannes der Täufer und Hyakinthos 2) haben die gleiche symbolische Bedeutung der hinwelkenden und vergehenden Zeit, des im reichsten Blüthen- und Blumenleben beginnenden Todes, - des der sommerlichen Gluthhitze unterliegenden herrlichen Frühlingslebens. Vielleicht sind auch unter den so dunkelen und räthselhaften vier gekrönten Märtyrern vier Jahreszeitgötter, die griechischen vier Horen, verborgen d. h. symbolisiren die vier Quadranten der Sonnenbahn, wie die vier Evangelisten, die vier Jünger Mahomeds und die vier Begleiter oder Genien des Osiris. So laufen auch um die germanische Weltesche Yggdrasil beständig vier Hirsche und beissen die Knospen ab; Menzel, Odin, S. 112, deutet diese vier Hirsche auf die vier Jahreszeiten und überhaupt auf die dahineilende Zeit. Vier schmiedende Zwerge verfertigen den Gürtel oder Halsschmuck der Freyja, das Blüthekleid der Erde, und ebenso erscheinen in der nordischen Mythologie die Winde der vier Weltgegenden als vier Zwerge. 3) Aus dem Euter der germanischen Weltkuh Audhumla (nasser Reichthum) flossen vier Milchströme, aus dem der Riese Ymir sich nährte. 4) Das Leibross Odhins, der Sleipnir hat zweimal vier oder acht Füsse. 5) Vier Hündinnen ziehen den Wagen der deutschen Wolkengöttin Holda oder Gôde, Gauden, der weiblichen Form von Wôdan, der Himmelsgöttin FrÎja und in der Priegnitz erzählt man, Frau Gauden sei eine leidenschaftliche Jägerin ,gewesen, die mit ihren 24 schönen Töchtern selbst am heiligen Sonntag dem Weidwerk obgelegen. 6) Diese 24




1) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 464.
2) Preller, griech. Mythologie, I. S. 163.
3) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 259.
4) Menzel, Odin, S. 9.
5) Menzel, a. a. O., S. 15.
6) Mannhardt, die Götterwelt der deutschen und nordischen Völker, I. S. 274.



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schönen Töchter der Frau Gauden sind dem maurerischen 24zölligen Massstabe, den 24 Stunden des Tages zu vergleichen. Auf Abbildungen, welche Gerhard, Lichtgottheiten, Taf. III, Nr. 3, gegeben hat, fahren Helios und Selene, die Sonne und der Mond, auf einem Viergespann. Auch der römische Mars fährt auf einem Viergespann.Auch dem Sonnentempel zu Emesa in Syrien brachte der Kaiser Heligiobalus das Götterbild, einen schwarzen, mit kostbaren Steinen gefassten Stein; beim Einzug zu Rom hielt der Kaiser selbst die Zügel des von vier weissen Rossen gezogenen Wagens. 1) Die zu Ninive ausgegrabenen geflügelten Stiere und geflügelten Löwen, welche paarweise vor den Thoren und bei den Eingängen standen, tragen oft Tiaren, aus welchen vier Stierhörner herauswachsen, wie dort auch ein bärtiger schreitender Gott mit vier Stierhörnern erscheint. 2) Auf einem noch stehenden Pfeiler zu Pasargadä ist Cyrus abgebildet mit vier Flügeln, wovon zwei erhoben und zwei gesenkt. 3) An seinem Kopfputz sind vier lange Widderhörner angebracht, was Braun für ägyptisch hält. Auch zu Ninive im Palaste zu Chorsabad sind solche viergeflügelte menschliche Figuren, und zwar mit zwei erhobenen und zwei gesenkten Flügeln, durch den französischen Consul Botta aufgefunden worden. 4) - Der assyrischen Mylitta werden vier Tauben als ihr Symbol beigegeben. 5) Im Athenäus (XII, cap. 8) wird der goldene Thron, worauf der Perserkönig Gericht hielt, beschrieben. ihn umstanden vier goldene mit Edelsteinen besetzte Säulen, über welchen ein buntgestickter Baldachin ausgespannt war. Am Demeterfeste der Chthonien zu Hermione wurden hinter dem Festzuge vier Kühe geführt, zwar gebunden, aber wild und gegen die Bande sich sträubend; vor dem Tempel wurden diese vier Kühe, eine nach der




1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 344.
2) Dunker, Gesch. des Alterthums, I. (1855) S. 298 vergl. mit S. 295.
3) Braun, a. a. O., I. S. 275.
4 ) Guhl, Denkmäler der Sculptur, Stuttgart 1860, Taf. III, Fig, 1. vergl. mit Fig. 4.
5) Lajard, recherches sur le culte du cyprès pyraraidal, S. 59.



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anderen losgelassen und darinnen von vier alten Frauen mit Sicheln getödtet. Viele weitere Beispiele der Vierzahl in dem hier berührten Sinne sind mitgetheilt in der Alpina für 1860, S. 213 ff.

In dem ältesten englischen Lehrlingsfragestücke antwortet der Aufzunehmende auf die Frage des Meisters vom Stuhl, wie er die 24 Stunden des Tages eintheile, wörtlich:

"In Sechs Stunden zur Arbeit, - sechs Stunden, um Gott zu dienen, - sechs, um einem Freunde oder Bruder zu dienen, soweit es in meinen Kräften steht, und ohne mir selbst oder meiner Familie nachtheilig zu sein, - und sechs Stunden zum Schlafe."

Das Auffallendste in dieser Antwort ist die darin enthaltene Viertheilung der Tageszeit, wodurch die hohe Alterthümlichkeit, der Anschluss des Svmbols des 24zölligen Massstabes an eine uralte mythologische Anschauungsweise beurkundet wird. Durch diese Viertheilung der Tageszeit tritt der 24zöllige Massstab in unmittelbare Berührung mit den vier Quadranten des Thierkreises und den vier Zeiten des Jahres, mit den vier gekrönten Märtyrern und mit den vier griechischen Horen u. s. w. Die Eintheilung des Tages ist nur die Eintheilung des Jahres, zumal es eigentlich auch nur zwölf Stunden des Tages und der Nacht gibt, wie zwölf Thierzeichen und wie die Aegypter wirklich auch zwölf Stunden des Tages und der Nacht hatten. 1) Deshalb spielen auch die Zahlen 4, 8, 12 und 24 und selbst 7 beständig in einander über, und reihen sich in gewissem Sinne der 24zöllige Massstab, das Symbol der 24 Stunden des Tages, an die zwölf Gesellen des Hiram, die zwölf Zeichen des Thierkreises oder zwölf Abtheilungen desselben, die zwölf Monate des Jahres und die zwölf Stunden des Tages und der Nacht. So erscheinen neben den 24 schönen Töchtern der Frau Glaude auch z. B. in Grimm's altdänischen Heldenliedern S. 227 ff. ein Herr von Thule mit zwölf Söhnen, - ebenso ein Herr Tyge Nold mit zwölf Söhnen, ferner zwölf Spinnerinnen oder Zauberinnen.




1) Uhlemann, a. a. O., II. S. 82.



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Ein Däne erhält als eine Gunst von einer Elbe die Starke, aber auch den Durst von zwölf Männern. 1) - In einer norwegischen.Sage erscheint ein Reiter, dessen Pferd in zwölf Schritten eine Meile d. i. die Sonnenbahn zurück legt. 2) - Nach der deutschen Mythologie flossen aus dem Hvergelmir die zwölf Ströme Elivagar (stürmische oder kalte Wogen) - in den leeren Weltraum. 3) Zufolge derselben Mythologie enthielt Glasheim oder die glänzende Himmelswohnung zwölf Stühle für die zwölf Asen und oben an Odhins Hochsitz, neben welchem eben die zwölf Asen bestehen 4) und die eigentlich nur der in zwölf Personen auseinander gegangene Odhin sind. Ebenso stehen unter Odhins Gemahlin Frigg zwölf Asinnen. In dem deutschen Mährchen vom Dornröschen sind zwölf Feen gnädig und erst die dreizehnte ungnädig. 5) In der alten Harzburg hausen zwölf Katzen. 6) In Trautberg in der Pfalz sitzt Karl der Grosse mit zwölf Helden. 7) In Ziehnert, Sachsens Volkssagen III, 167, wird in einer wüsten Kirche bei Reichenau ein Weinkeller mit zwölf Fässern erwähnt; eben ein solcher Keller bei Trigtis in Sachsen. - In dem bekannten Gedichte vom grossen Rosengarten im deutschen Heldenbuche heisst es, König Gibich habe bei Worms in diesem Garten seine schöne Tochter Chrimbild von zwölf Helden hüten lassen, unter denen Sifrit vorragte. 8) Zwölf Nürnberger Meister singen mit einander im flammenden Rosengarten. 9) Nach Baader, badische Sagen Nro. 67, sitzen zwölf Männer bei einer goldenen Kanne auf dem Schloss Hochberg. Auf' dem alten Schloss Windek musste einmal ein Jäger einer Gesellschaft von zwölf Rittern und Damen zum Tanze spielen. 10) In einem hessischen Mährchen fährt ein junger Gesell mit zwölf Jungfrauen auf einem Schiffe bei Nacht




1) Menzel, Odin, S. 250.
2) Menzel, a. a. O., S. 246.
3) Menzel, a. a. O., S. 8.
4) Menzel, a. a. O., S. 234 u. 236.
5) Menzel, a. a. O., S. 280.
6) Menzel, a. a. O., S. 313.
7) Menzel, a. a. O., S. 339.
8) Menzel, a. a. O., S. 265.
9) Mone, Anzeiger, V. S. 47.
10) Schnezler, badische Sagen, II. S. 162.



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in das Zauberreich, wo die Mädchen mit zwölf Königssöhnen ihre Schuhe durchtanzen. Nach Menzel, Odin, S. 176 könnten sich die Zwölfzahl und die durchtanzten Schuhe hier auf die im alten Jahre abgelaufenen Monate beziehen. Gemäss der Welfensage stammen die zwölf vornehmsten Geschlechter Schwabens von zwölf Welfen, Wölfen d. i. wohl von zwölf Asen ab. Uebrigens kommen die Welfen auch in der Siebenzahl vor, gleich den sieben Stammvätern der angelsächsischen Könige. Die Friesen in den sieben Seelanden hatten zwölf Asegen (Richter). Auch der britische Arthur hat eine Tafelrunde von zwölf Personen. Nach einer Sage sah ein Handwerksbursche im Teufelswalde bei Augsburg, worin er sich verirrt hatte, einen dämonischen Jäger mit zwölf Hunden. 1) Bei Müllenhof, holsteinische Sagen Nro. 500, heisst es, zu Weihnachten ziehe der Wode, ein Jäger, auf hohem weissem Rosse mit einem Jäger zu Fuss und 24 Hunden durch das Land und jage die Unterirdischen, wie schon angeführt ist, dass in der Sage von dem wilden Heere oder Jagd den Wagen der Frau Gaude 24 Hündinnen, ihre verwandelten Töchter, umklaffen. 2) - Auch die Amerikaner hatten Zwölfgöttersysteme. 3) Sonstige Beispiele der Zwölfzahl sind in der Alpina für 1859, S. 133 ff. und für 1860, S. 242 ff. zu finden.

Dass mit der zwölften Stunde der Tag und die Nacht, mit dem zwölften Monate das Jahr ablaufen, ist aus den Antworten ersichtlich, welche auf die Frage, warum eilf Mitglieder eine Loge bilden oder machen sollen, der neu aufgenommene Lehrling oder Maurer nach dem ältesten englischen Lehrlingsfragestücke ertheilt 4)

"Es waren eilf Patriarchen, als Joseph nach Aegypten verkauft und für verloren geachtet wurde."
Meister vom Stuhl: "Der zweite Grund, Bruder?"
"Es waren nur eilf Apostel, als Judas Christum verrathen hatte."




1) Menzel, Odin, S. 204.
2) Grimm, Mythologie, S. 877.
3) J. G. Müller, Geschichte der amerikanischen Urreligionen, Basel 1855, S. 93.
4) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 209.



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Die drei ungetreuen Gesellen des Hiram, die drei Winter- oder Todesmonate, welche den Hiram erschlagen, - die eilf Brüder, welche den zwölften, Joseph, nach Aegypten verkaufen, - Judas , welcher den Herrn verräth und um 30 Silberlinge (die dreissig Tage eines Monats) verkauft, stehen sich also ganz gleich und sind nur verschiedene Ausdrücke und Gestaltungen eines und desselben mythologischen Gedankens, des Todes und des ihm vorausgehenden Leidens des Sonnengottes; ebenso bezeichnen das verlorene und wiedergefundene Meisterwort, der wiedererstehende Hiram mit der an oder vielmehr aus seinem Grabe erblühenden Akazie, - der unbekannt wiedergefundene und reichlich gebende Joseph und der aus dem Grabe wiedererstehende Christus nur die ewige Verjüngung der Sonnen- und Naturkraft und die Unsterblichkeit der Gottheit und der Menschheit, die Ewigkeit und Unzerstörbarkeit des göttlich-menschlichen Geistes, der himmlischen Kraft und Stärke. Nunmehr liegt auch der tiefere und wahre mythologische Grund klar, weshalb nach Antwort 69 des mehr angeführten englischen Lehrlingsfragstückes eilf Mitglieder eine Loge ausmachen; diese eilf Mitglieder sind die eilf Monate, während welcher die Sonne lebt und zuletzt oder im zwölften Monate gänzlich erstirbt, - es sind die eilf Brüder, welche den Joseph verrathen und verkaufen , - es sind die eilf getreuen Jünger Jesus oder die neun getreuen Gesellen des Hiram und die neun Thränen seiner Mutter. Thränen und Leben, Verrath und Treue, Tod und Wiedererstehen, das Grab und die Wiege, das verlorene und wiedergefundene Wort, der zerstörte und wiederhergestellte salomonische Tempel, das irdische und himmlische Jerusalem, Johannes und Christus, die sterbende rothe Rose- und die ewige weisse Rose, der Abend- und der Morgenstern, die aufgehende Sonne und der untergehende Mond bezeichnen zuletzt nur dieselbe Sache, - das ewige Licht, für welches es kein bleibendes Grab und keine unüberwindliche Dunkelheit gibt, - den triumphirenden Sieg des Geistes und des Lebens über das Irdische und über den Tod.

In dem Satze des ältesten englischen Lehrlingsfragestückes, dass drei, fünf, sieben oder eilf Brüder eine Loge





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machen, ist nach tieferer Betrachtung der ganze ägyptische Glaubenskreis, die mythologische Grundanschauung des gesammten Alterthums von einer obersten Götterdreiheit oder einem dreieinigen Gotte, von den sieben Planetengottheiten oder den sieben schöpferischen Grundkräften der Welt und von den zwölf Göttern des Thierkreises oder dem die zwölf Zodiakalzeichen im ewigen Wechsel zwischen Tod und Leben durchlaufenden Sonnengotte enthalten und mit Bestimmtheit hindurchleuchtend. Alle weitere sich auf jenen Satz beziehenden Antworten und Erklärungen des Lehrlingsfragestückes werden nur verständlich und begreiflich, wenn dabei die alte Mythologie, der uralte Glauben der Aegypter und Phönicier, der Babylonier und Assyrer, sowie des Zendvolkes oder der Baktrer, Meder und Perser zu Grunde gelegt und jene daraus abgeleitet werden. In der Antwort auf die Frage, weshalb Drei eine Loge bilden:

"Weil drei grosse Maurer die Welt und so auch dies edle Werk der Architektur, den Menschen, erbauet haben, welche in ihren Verhältnissen so vollkommen sind, dass die Alten ihrer Baukunst dieselben Regeln zu Grunde legten."

wird der dreieinige Gott, als der allmächtige Baumeister, Bildner und Schöpfer der Welt, der Götter und der Menschen, - die Harmonie, die ewige Ordnung und Weisheit als das Gesetz der Welt und der Menschheit ganz in derselben Weise ausgesprochen, wie in dem Eingange des alten maurerischen Aufnahmegebetes. 1) und nur aus diesem ägyptischen und architektonischen Gottesbegriffe ist die Dreizahl (mit dem Dreiecke) als die den Maurern heiligste, als die Zahl der Zahlen, hervorgegangen. Die Dreizahl ist die Zahl des Schöpfers und die Fünf, Sieben und Zwölf sind die Zahlen der Schöpfung, der geschaffenen Welt, welche von der Dreizahl zugleich erleuchtet und getragen wird. Die drei Lichter und die drei Pfeiler oder Säulen der Loge oder der Welt sind der dreieinige allmächtige Baumeister, welcher die Welt und die Menschen




1) Vergl. Alpina für 1860, S. 119 ff.



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erbauet und geschaffen hat und regiert. Der Bau der Welt und der Menschheit sind der göttliche oder salomonische Tempel, den die Gottheit sich selber bauet, so dass mit Recht in Antwort 71 des englischen Lehrlingsfragestückes als der zweite Grund, weshalb Drei eine Loge machen, angegeben wird, weil drei grosse Maurer beim Bau des salomonischen Tempels gewesen seien. Wie der schaffende, der in die Welt eingehende Gott die sieben Planetenwelten schafft, gehen aus dem göttlichen Geiste in dem Menschen die sieben Wissenschaften, alles menschliche Wissen und Können hervor und nach den sieben Wissenschaften des mit fünf Sinnen begabten Menschen machen auch Fünf und Sieben eine Loge.

Nach allem Gesagten ist nun gewiss die obige Behauptung vollkommen gerechtfertigt, dass der maurerische 24zöllige Massstab ägyptischen Ursprunges und mit der Baukunst überhaupt besonders durch die Phönicier und Griechen aus Aegypten nach dem Abendlande gebracht worden sei. Dieser 24zöllige Massstab ist nämlich nichts Anderes als die gemeine oder kleine ägyptische Elle von 24 Zoll oder von zwei Fuss zu je 12 Zoll, wogegen die heilige oder königliche Elle 28 Zoll enthielt, wie von solchen heiligen altägyptischen Ellen noch mehrere Exemplare aufgefunden worden sind und in den europäischen Museen, z. B. zu Turin, Paris und Leyden, aufbewahrt werden. 1) Der 24zöllige Massstab war also das gewöhnliche ägyptische Längenmass und diesen Massstab, diese Elle hatten von den Aegyptern besonders auch die Juden angenommen, weshalb die Masse des salomonischen Tempels in den Schriften des alten Testamentes nach Ellen bestimmt und angegeben werden. 2) Die gesetzlich fixirte althebräische Elle mass 24 Finger oder sechs Palmen von je vier Fingern. Dass der 24zöllige Massstab auch bei den Maurern nur das gewöhnliche Längenmass gewesen sei, ergibt die Antwort 54 des alten englischen Lehrlingsfragestückes, indem darin ausdrücklich gesagt wird, dass der




1) Uhlemann, a. a. O., II. S. 84. 2) Baehr, der salomonische Tempel, Karlsruhe 1848, S. 23; Uhlemann, Thot, S. 207.



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24zöllige Masestab gebraucht werde, um das Werk abzumessen.

Bei den Aegyptern scheint der 24zöllige Massstab oder eine damit verwandte Schnur selbst ein Attribut des Osiris als des Todtenrichters gewesen zu sein, denn im Todtenbuche I. 16 spricht Osiris von sich. "Ich halte die Messschnur für Den, welcher nach Gerechtigkeit strebt, und eine Messschnur für Den, welcher unter die Sünde den Nacken beugt und spottet der Gesetze, die ich gemacht habe." 1) Daran schliesst es sich, dass Thot-Hermes, so oft er im Todtenbuche genannt wird, der Messer und Wäger (der menschlichen Handlungen)" heisst. In den Darstellungen des durch Osiris über den Verstorbenen abgehaltenen Gerichtes steht Thot stets neben der Wage, auf welcher die Seele, die guten und die schlechten Thaten des Verstorbenen abgewogen werden, und zeichnet das Ergebniss der Abwägung auf, weshalb er auch der "Schreiber der Menschen" im Todtenbuche heisst. 2)




1) Uhlemann, Thot oder die Wissenschaften der alten Aegypter, Göttingen, 1855, S. 29.