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B-M. L.

Was ist Glück?


  1. Bedingungen und Grenzen des menschlichen Glücks
  2. "Nach dem unfassbaren Unglück in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, dieser brutalsten Zeit Europas, gab es in den letzten zwei Jahrzehnten Momente des Glücks. Der symbolische Höhepunkt dieses Auftakts zu einer scheinbar besseren Welt war die von Leonard Bernstein dirigierte Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie mit dem Choral "An die Freude" im befreiten Berlin an Weihnachten 1989.
    Der Fall der Berliner Mauer war ein typisches Zusammentreffen von Zufall und tiefen Ursachen. Innere und äussere Schwäche bedingten das Ende des sowjetischen Imperiums, aber man muss der Hauptakteure gedenken: des polnischen Papstes, des Reformers Gorbatschew, der eine friedliche Revolution ermöglichte, und vor allem des Vorbilds Solidarnosc 1980 - alles Faktoren, welche die Selbstbefreiung Osteuropas ermöglichten. So kam es zum Ende des geteilten Deutschlands und des Kalten Krieges. Das kurze Jahrhundert fand sein Ende, Europa erhielt eine neue, zweite Chance. Fünf Jahre später kam das Ende der Apartheid, der Triumph von Vernunft, Anstand und Demokratie, ermöglicht durch den wahren Heldengang von Nelson Mandela." (Fußnote 1)

    Es gibt nicht nur ein privates Glück. Glück hat zuweilen auch öffentliche Bedingungen.
    Goethe hat sich sein ganzes Leben lang mit der Frage nach dem Glück beschäftigt. Fausts Glück wäre, zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ein rätselhaftes Wort. Aufgrund einer Wette mit dem Herrn kommt zu ihm aber nicht das Glück sondern der Teufel persönlich. Mephistopheles und Faust schließen einen Pakt. Mephisto kann Fausts Seele haben, dann hätte er sein Ziel erreicht. Faust stellt aber die Bedingung des glücklichen Augenblicks:

    Das sei für mich der letzte Tag!
    Werd´ ich zum Augenblicke sagen:
    Verweile doch! du bist so schön!
    Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
    Dann will ich gern zugrunde gehn!
    Dann bist du deines Dienstes frei,
    Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
    Es ist die Zeit für mich vorbei.
    Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
    so sei es gleich um mich getan!
    Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
    dass ich mir selbst gefallen mag,
    kannst du mich mit Genuss betrügen,

    Fausts irdisches Streben richtet sich auf den Genuss eines sinnerfüllten und glücklichen Augenblicks. Die Bedingungen für Glück werden jedoch öffentlich geschaffen. Wir müssen diese öffentlich geschaffenen oder politischen Bedingungen von der persönlichen Glücksempfindung unterscheiden. Nur eine harmonisch gestaltete Gesellschaft setzt die Bedingung für persönliches Glück. Dazu gehört ein gewisser Überfluss, der uns die Freiheit und die freie Zeit lässt, und die persönliche Verfügung über die geistigen und materiellen Mittel, beide zu genießen. Das Glück kommt jedoch ungerufen, es lässt sich nicht herbeizwingen. Oft verhelfen glückliche Wendungen in der Geschichte und persönliche Arbeit Einzelner, und es hilft Mut dem Glück zum Durchbruch. Beharrlichkeit ist eine weitere glückliche Tugend, denn, nach einem Wort von Jean de la Bruyère: "Dem, der sich mit Geduld wappnet, liegen keine Vorteile zu fern." (Fußnote 2) -

    Das Glück muss auf Menschen treffen, die es wollen.
    Obwohl Faust nicht so genau weiß, was ihn glücklich macht, ist es nichts Unrechtes, was er sucht. Er will sich nicht auf ein Faulbett legen. Er will nicht mit Schmeichelei oder fadem Genuss betrogen werden. Er will arbeiten und lieben, er will die Liebe einer Frau, aber auch die der menschlichen Gesellschaft, er weiß, dass Glück und Unglück dicht beieinander liegen, kurz: er will Verantwortung. Der Inbegriff des Glücks wäre, wenn er in einem Augenblick von sich sagen könnte, das habe er erreicht. Wenn er das erleben könnte, wäre sein Leben ein Genuss. Es wäre ihm gleichgültig, ob seine Seele sich dann im Dunkel oder im Licht verlöre. Es könnte ihm auch egal sein, weil er dann seinem Leben einen Sinn und ein Ziel gegeben hätte. -
    Ob ein Geist wie Mephistopheles versteht, was das bedeutet, bezweifelt Faust allerdings:

    Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
    Von deinesgleichen je gefasst?

    An diese Szene wird von Faust in Teil 2 der Tragödie angeknüpft:

    Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
    Verpestet alles schon Errungene;
    Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
    Das Letzte wär' das Höchsterrungene.
    Eröffn' ich Räume vielen Millionen,
    Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
    Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde
    Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
    Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
    Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
    Im Innern hier ein paradiesisch Land,
    Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
    Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
    Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
    Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
    Das ist der Weisheit letzter Schluß:
    Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
    Der täglich sie erobern muß.
    Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
    Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
    Solch ein Gewimmel möcht' ich sehn,
    Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
    Zum Augenblicke dürft' ich sagen:
    Verweile doch, du bist so schön!
    Es kann die Spur von meinen Erdetagen
    Nicht in Äonen untergehn. -
    Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
    Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.

    Faust sieht zu diesem Zeitpunkt seinen Tod voraus. Höchsten Genuss hat er zwar auch mit Helena erlebt, aber unmittelbar vor seinem Tod sehen wir ihn hier in dem Genuss des angestrebten Augenblicks. Er sieht in dieser Vision einen Augenblick lang das Glück für Millionen von Menschen. Das ist also sein schöpferischer Moment. Den würden wir aber nicht als Tat gelten lassen.

    Faust formuliert eine weltliche Utopie. Es ist die Utopie der Brüderlichkeit. Er stellt sein Paradies auf die Grundlage der gemeinschaftlichen Arbeit, der Freiheit und des brüderlichen Zusammenhalts. Besonders ragt die Rolle der Gefahr heraus: Erst umrungen von Gefahr ist die Gemeinschaft zur Tüchtigkeit gezwungen.
    Es ist eine Gemeinschaft, in der der Boden fruchtbar und die Wahl der Wohnung frei ist. Die Umstände sind paradiesisch, ein jeder ist mit Arbeit versorgt, die er leisten kann, und niemand läuft Gefahr, zu hungern. Die Arbeit ist ein wichtiger Faktor in dieser Idee, jeder arbeitet dem Gemeinwohl nach seinen Kräften zu, kann darin ein Ziel für die Menschheit erkennen, sich selbst in seiner Arbeit wiedererkennen und seinen Sinn finden. Er kann zwar frei entscheiden, was er tun will, aber er steht dabei immer vor der Frage: Kann ich es vor meinem eigenen Gewissen und vor der Gemeinschaft verantworten? Dabei kann auch der Einzelne sich durch sein Werk für die Zukunft unsterblich machen:

    "Es kann die Spur von meinen Erdentagen
    nicht in Äonen untergehn."

    Es ist dabei nur die eine Bedingung, in Gemeinschaft nicht nur zu leben, sondern ihre Grenzen und Gesetze zu kennen, anzuerkennen und danach zu handeln.
    Diese Idee ist politisch. Nur solange die Menschen ihre gegenseitige Bedingtheit einsehen und ihre Aufgaben in Gemeinschaft erfüllen, sind sie frei von Not, Unvollkommenheit und anderen typischen Zwängen, die die Menschen sich immer selbst bereiten. Ihnen wird keine spezielle Lebensweise verordnet oder gar aufgedrängt, sie sind sich nur ihrer Grenzen selbst bewußt.

    "Glück beruht nach der Stoa auf innerer Freiheit. Innere Freiheit ist Unabhängigkeit nach außen wie nach innen. Unabhängigkeit nach außen ist Unabhängigkeit von allem Äußeren: von Besitz, Ansehen, Ruhm. Dies gelingt, wenn wir uns mit den Außendingen nicht identifizieren und ihnen mit angemessener Distanz, ohne Übereifer, gegenüberstehen. Die Außendinge haben für den Stoiker keine andere Bedeutung als das Bett im Hotel; wir benutzen es, ohne unser Herz daran zu hängen. Unabhängigkeit nach innen heißt Freiheit von negativen Emotionen. Die Vernunft muß, mit anderen Worten, unsere Emotionen leiten. "Der Weise wird niemals Zeit und Gemütskraft an unvermeidliches Mißgeschick verschwenden, obzwar er sich in Vermeidbares nicht entsagungsvoll schicken wird ... Er wird sein Bestes tun, den Ausgang aber dem Schicksal überlassen" "Der glückliche Mensch lebt sachlich, er hat freie Zuneigungen und umfassende Interessen und sichert sich sein Glück durch diese Interessen und den Umstand, daß sie ihn ihrerseits auch wieder zu einem Gegenstand des Interesses und der Zuneigung für andere machen ... Der empfängt am meisten Liebe, der am meisten gibt ... Ein glückliches Leben ist im allerhöchsten Maße dasselbe wie ein gutes Leben. " (Bertrand Russell) (Fußnote 3).

    Faust spricht hier jedoch einen Wunsch aus, der sein privates Glücksempfinden überschreitet. Er spricht im 2. Konjunktiv. Er sagt nicht, dass er schon in dieser Welt lebt, sondern nur, wenn er in dieser Welt lebte, spräche er aus:

    "Solch ein Gewimmel möcht`ich sehn,
    Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn"
    Zum Augenblicke dürft´ ich sagen.
    Verweile doch, du bist so schön!"

    Von diesem Moment sind wir heute genauso weit entfernt wie Faust. Es ist sehr einfach geworden zu sagen, warum das so ist. Unsere Welt hält nichts mehr zusammen. Der an der Universität Ottawa lehrende Volkswirt Michel Chossudovsky kann heute auf lediglich sechs Seiten zusammentragen, warum das so ist (Fußnote 4). Aber er kann es nur im Internet veröffentlichen. Es genügen wenige, um genau zu sein; es genügen drei Steine für sein Bild. Die Steine kennt jeder, aber ich möchte sie hier anführen. Es sind zwei sehr banale, böse und leider profane Dinge. Zwei dunkle Steine ergeben ein Paradox. Obwohl die MENSCHHEIT immer reicher wird, werden die MENSCHEN immer ärmer. Der dritte Stein ist die Möglichkeit der Einsicht in diesen Sachverhalt. Er ist hell. Daher kommt mir Hoffnung. Denn wir können dieser Entwicklung entgegentreten, wenn wir uns den Grundsatz der Stoa zu eigen machen, kohärent und folgerichtig zu leben und zu handeln. "Folgerichtigkeit heißt Kohärenz mit sich selbst, Übereinstimmung zwischen Wollen und Können oder, anders ausgedrückt, sich selbst treu bleiben. Ein kohärentes Leben ist ein Leben, das mit sich selbst und mit der Welt im Einklang ist. Was zählt, ist nicht das Ergebnis oder die Effizienz unseres Handelns, sondern die Absicht, gut zu handeln. Denn das einzige, was letzten Endes von uns abhängt, ist unsere Absicht, es ist der Sinn, den wir den Dingen und dem Leben selbst geben. Wir leben nämlich nicht in der Zukunft, wir leben auch nicht in der Vergangenheit, wir leben und entscheiden jetzt, was wir tun und wie wir es tun." (Fußnote 5)



  3. Gründe für menschliches Unglück
  4. Was ist also die Ursache der globalen Armut und des fehlenden Zusammenhalts in der Welt? Haben wir sie gewollt? Ist sie Teil unseres Plans? Folgt sie aus unseren Zielen?

    Das können wir verneinen. Ich unterstelle: Die wachsende Armut ist von jedem Einzelnen von uns ungewollt. Und doch wächst sie. Sie erwächst aus einem wirtschaftlichen Prozess, der sich verselbständigt hat und scheinbar unserem Willen entzogen ist. Dennoch handeln die in der Wirtschaft Tätigen so, als wäre Armut der Zweck ihres Handelns. Ihr Motiv ist die Angst, zu unterliegen. Sei schneller... Was die wirtschaftlich Tätigen bei ihren Entscheidungen antreibt, ist die Hoffnung auf möglichst viel Gewinn. Was sie ängstigt, ist alles, was sich nicht in kürzester Zeit, was sich nicht in mindestens 20 Prozent Gewinn per annum niederschlägt. Jedoch: "Dem, der sich mit Geduld wappnet, liegen keine Vorteile zu fern." - Diese Einsicht des Jean de la Bruyére scheint heute verloren.

    Die Wirtschaft läuft dabei vor der Politik davon. Überall da, wo noch Politik für eine harmonische Gemeinschaft gemacht wird, empfindet die Wirtschaft das als störend, geschäftsschädigend und flieht dahin, wo man auf Politik und Steuerung der gesellschaftlichen Abläufe möglichst verzichtet. Das Ideal der Wirtschaft scheint ein gesetzloser Raum zu sein, in dem der Nutzen wirtschaftlichen Handelns privat ist, die Folgen jedoch von der menschlichen Gemeinschaft getragen werden. Der Professor nennt das etwas kompliziert "die Internationalisierung der makroökonomischen Reform". Im Gefolge dieser Reform sind inzwischen ganze Volkswirtschaften in Afrika, Südamerika und Asien an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und manche auch bereits in den Ruin gedrängt worden. Als Ursache der globalen Armut nennt er die unausgesetzt fortschreitende globale Arbeitslosigkeit, also die bewusste Schaffung einer Überschussbevölkerung, indem die Arbeitnehmer aus den verschiedenen Weltgegenden in Konkurrenz zueinander gebracht werden. Das hat zu einer globalen Wirtschaft der billigen Arbeitskräfte geführt. Aber Armut besteht keineswegs nur in den Entwicklungsländern. Auch die meisten, die noch Arbeit haben, arbeiten inzwischen in zwei oder drei Berufen, um sich und ihre Familie ernähren zu können. Das hat nichts mit Fleiß zu tun sondern mit Zwang und Not.

    Der dunklen Seite dieser Medaille entspricht die Anhäufung globalen Reichtums in wenigen Händen als ihr heller Schein. Man könnte sagen, das wäre die helle Seite, aber es ist zu betonen: Der Reichtum sammelt sich in immer weniger Händen. Es sind die Hände derer, die sich am wenigsten für das Glück und die Harmonie aller interessieren. Steuersparmodelle erlauben heute, dass gerade große Unternehmen seit Jahren keine Steuern mehr bezahlen. "Tricksen erlaubt!" heißt ein Titel auf den Wirtschaftsseiten der zeit vom 6. Juli 2006. Dort wird vorgerechnet, wie man das macht (Fußnote 6). Dieses angebliche "Überleben der Tüchtigsten" führt bereits auch in unseren reichen Ländern zu einem massiven Druck auf den Mittelstand, aber auch auf die Gemeinschaften. Die Ersparnisse fließen keineswegs in die Volkswirtschaft, sondern sie werden auf der einen Seite in internationale Devisen- und Spekulationsgeschäfte investiert, die möglichst unversteuert bleiben und nur dem Investor Gewinn bringen. Auf der anderen Seite der Gemeinschaft werden sie bei plötzlicher Arbeitslosigkeit verbraucht und sorgen für lebenslange Armut. Die öffentlichen Hände dagegen verarmen. Dieses Phänomen nennt man offiziell "Strukturanpassungsprogramm".

    In den Entwicklungsländern werden ganze Industriezweige ausgelöscht, die für den dortigen Binnenmarkt produziert haben. In Afrika etwa ist südlich der Sahara die Bekleidungsindustrie eine der wenigen Industrien gewesen, die dort noch funktioniert haben oder funktionieren könnten. Sie ist ausgelöscht und durch den Verkauf von gebrauchter Kleidung zu 80 Dollar die Tonne aus den Industriestaaten ersetzt worden. Ja, es hat sogar den Fall gegeben, dass die EU die dortige Industrie aus Entwicklungshilfemitteln unterstützt hat. Daraufhin hat die US-Regierung den Baumwollpreis der amerikanischen Farmer noch höher subventioniert, und die europäischen Mittel verpufften ohne Wirkung. Das Geflecht von staatlichen Subventionen behindert sich weltweit gegenseitig und ist längst der Einwirkung durch geeignete politische Maßnahmen entzogen. Der Kreis der Steuerzahler wird dagegen in der gleichen Zeit immer kleiner.

    Das "Überleben der Tüchtigsten" führt auch in den reichen Ländern zu einem massiven Druck auf den Mittelstand. 40% aller Mittelstandsbetriebe bei uns haben nur einen Eigenkapitalanteil von 10 und weniger Prozent, sie sind also in der Nähe des Ruins. Sie beschäftigen aber die meisten Menschen, fast 90% aller Beschäftigten. Der kleinste wirtschaftliche Stress bringt ihnen den Ruin. Tendenz: jährlich steigend. Die Kommunen, Städte, Regionen und Nationalstaaten jedoch konkurrieren untereinander um weitere Deregulierung, d.h. die Abschaffung von Gesetzen, die der Gemeinschaft dienen, damit sie für tüchtige "Investoren" noch attraktiv sind. Sie verarmen dabei. Sie verkaufen das öffentlich erwirtschaftete Tafelsilber, Telekommunikation, Bahn, Post, Elektrizitäts- und Wasserwerke, auch öffentlich gebaute Wohnungen sind inzwischen privatisiert, d.h. an mehr oder weniger anonyme Investoren verkauft, denen das öffentliche Wohl völlig gleichgültig ist. Das geht rasant, so dass selbst die Gebäude für Schulen und Universitäten bereits zur Disposition stehen, verkauft und mit Steuergeld von den Investoren zurückgeleast zu werden. Für die Bildungseinrichtung aber bleibt zum Beispiel selbst in den reichsten Ländern wie Deutschland zu wenig Steuergeld übrig.

    Man sagt jetzt, die Lehrer seien unterqualifiziert, man müsse sie besser ausbilden. Sie liegen auf Staatskosten auf der faulen Haut, spielen gleich nach Schulschluss Tennis, fahren viermal im Jahr in Urlaub, sind bei erwiesener Unfähigkeit unkündbar und verzehren dann auch noch eine beträchtliche Pension. Mag sein. Aber den Schulen wird gleichzeitig geraten, sich für ihren Bedarf an Papier auf Sponsorengeld zu verlegen. An meinem Arbeitsplatz arbeiten über 1600 Menschen. Wir haben dafür nach der Schröderschen PC-Stiftung aus Bundesmitteln inzwischen genau 60 PCs. Eine Tafel reicht nicht mehr ganz, wir brauchen auch Papier. Im Winter 2001 befanden wir uns aber sogar auf der Suche nach einem Sponsor für Papier, weil um Weihnachten keines mehr da war. Eltern tapezieren überall im Land die Wände, selbst reichen Kommunen fehlt es dazu an den nötigen Mitteln. Dächer sind undicht, wenn es regnet, sieht man die Hausmeister auf den Fluren Plastikwannen aufstellen. Die Stundentafeln wurden noch nie eingehalten, es fehlte immer ein Viertel der gesetzlich vorgesehenen Stunden, neuerdings werden sie aber ganz offen noch weiter gekürzt, weil wir nicht die notwendigen Lehrkräfte haben, obwohl die Klassenfrequenz in den letzten Jahren ständig gestiegen, das dreizehnte Schuljahr eingespart worden ist, Verwaltungsaufgaben seit Jahren in immer größerem Maße von Lehrkräften übernommen werden und wir statistisch zu etwa 100 Prozent mit Lehrpersonal versorgt sind. Bei der Statistik und der Politik der Kultusministerien handelt es sich ganz offenbar um ein streng gehütetes Arkanum. Beides entzieht sich der Einsicht gewöhnlicher Sterblicher.

    Geist, den die Griechen Nous nannten, ist jedoch etwas Anderes. Es ist die Energie, aus der sich der Mensch einen Begriff von der Welt macht, nicht nur, um zu erkennen, wie sie ist, sondern auch wie sie sein soll und wie er demnach handeln sollte. Solcher Geist setzt nicht nur sogenannte Synergien frei, die dazu dienen, wenigen Unverantwortlichen die Taschen und Konten zu füllen, sondern Geist in einem menschlichen Sinne ist stolz, für die Zukunft der Gemeinschaft, der man angehört, Verantwortung und Sorge zu tragen. Es ist nicht der Ungeist der buchhalterischen Provinz, der vor dem anonymen Shareholder in die entlegensten Weltprovinzen flieht, sondern es ist der Geist des Weltbürgertums, der weiß, wo es herkommt und wohin es gehen will.

    An Geist gibt es zuwenig.
    Die Gemeinwesen verarmen materiell wie geistig einstweilen immer weiter, und das ist global so. Wohin geht also das Geld, das heute in größerem Maß verdient wird, denn je?
    Die Zahl der Milliardäre ist allein in den Vereinigten Staaten von 13 im Jahre 1982 auf 149 im Jahr 1996 angestiegen. Der Klub der Milliardäre mit etwa 450 Mitgliedern bringt es im Jahr 1998 auf ein weltweites Gesamtvermögen, das das Brutto-Inlandsprodukt der Länder mit geringem Einkommen bei weitem übertrifft. In denen leben 56 Prozent der Weltbevölkerung. Die Bundesregierung Schröder&Fischer schenkte bei ihrem Amtsantritt als eine ihrer ersten Maßnahmen 1998 den Vermögenden ohne Not die Vermögens- und die Körperschaftssteuer; Umfang 30 plus 13, also 43 Milliarden DM, mit dem Ziel, unser Land für tüchtige Investoren attraktiv zu machen. Andererseits findet man hier und heute schon zu wenig qualifizierte Fachkräfte.

    Die Ironie des menschlichen Wollens unterstützt mit der Ideologie des "freien" Marktes eine neue Form von Staatsinterventionismus, die auf der bewußten Beeinflussung marktwirtschaftlichen Bewußtseins basiert. Weiter hat die Entwicklung globaler Organisationen wie OECD, IWF, Weltbank und WTO auch zu einer Entwicklung von "verbrieften Rechten" für globale Unternehmen und Finanzorganisationen geführt, die sie rechtlich auf dieselbe Ebene wie die Staaten stellt und ihnen diktatorische Macht verleiht, wenn sie mit einer Regierung einen Vertrag über einen Standort geschlossen haben, ohne dass sie dazu ein politisches Mandat hätten. Die Durchsetzung dieser internationalen Abkommen auf nationaler und internationaler Ebene übergeht stets demokratische Prozesse. Unter dem Deckmantel der "Kontrolle" und des "freien Marktes" verschafft der Neoliberalismus den ökonomischen Machthabern eine zweifelhafte politische Legitimität.

    Die Manipulation der Zahlen über die globale Armut hält nationale und staatlich organisierte Gesellschaften aber davon ab, diese Entwicklung wahrzunehmen. Das "falsche Bewußtsein" hat sich auf allen Ebenen eingenistet. Auseinandersetzungen und Diskussionen über Reformen des "freien" Marktes blenden das aus. Auch die intellektuelle Kurzsichtigkeit der traditionellen Wirtschaftswissenschaften verhindert ein Verständnis für die Funktion des globalen Neoliberalismus und für dessen destruktiven Einfluß auf den Lebensunterhalt und die Lebensführung von Millionen von Menschen. Die Vereinten Nationen handeln nicht anders und klammern sich an den vorherrschenden Wirtschaftsdiskurs, ohne ernsthaft einzuschätzen, auf welche Weise sich die wirtschaftliche Umstrukturierung auf nationale Gesellschaften auswirkt. Man spricht von einer neuen Gewaltenteilung zwischen dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der WTO. Sie handeln zwar wie politische Organisationen, aber sie sind Organisationen zur Vermehrung des eingezahlten Vermögens der teilnehmenden Staaten. Das führt zum Zusammenbruch von sozialen Organisationen und zur Eskalation sozialer Konflikte. Aber die Hydra hat heute nur drei Köpfe. Auch handelt es sich dabei um öffentliche Institutionen. Sie öffnet sich also dem politischen Zugriff. Es besteht also Hoffnung auf Einsicht, wenn die politischen und die wirtschaftlichen Akteure ihren Erfolg und den möglichen gesamtgesellschaftlichen Misserfolg, wenn sie jeden Wandel bei ihren Aktionen beobachten.



  5. Die Liebe ist der Geist der menschlichen Zukunft
  6. Kehren wir zu Faust zurück!

    Mephistos Stellung zum Menschen wird in seinem Gespräch mit dem HErrn im Himmel deutlich. Es ist der Prolog der Tragödie, sie sprechen über den Menschen.

    Mephistopheles.   Ein wenig besser würd' er leben,
    hätt'st du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
    Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
    um tierischer als jedes Tier zu sein.
    [...]
    Der Herr.   Hast du mir weiter nichts zu sagen?
    Kommst du nur immer anzuklagen?
    Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
    Mephistopheles.    Nein Herr! ich find´ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
    Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
    Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen."

    Selbst bei Mephisto erweckt die Lage des Menschen noch Mitleid. Doch der Herr erwidert, er könne bei Faust ruhig sein Glück versuchen, denn

                              "Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
    Ist sich des rechten Weges wohl bewußt."

    Das deutet voraus, dass Faust - und der Mensch - am Ende noch erlöst werden kann. Denn Mephisto ist ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Das Böse schafft ja immer das Gegenteil von dem, was es erreichen wollte.
    Dieser Sachverhalt bedingt die Unfreiheit des Bösen.
    Im Theater steigt am Ende ein Chor Engel vom Himmel herab und singt:

                              Wer immer strebend sich bemüht,
    den können wir erlösen.

    Können, nicht müssen. Erlösung bleibt die Gnade der höheren Einsicht. Die bleibt beim Herrn.



    Glück besteht darin, alle Ziele zu erreichen, die man sich selbst gesetzt hat - vorausgesetzt, sie sind sittlich gut. Wir sind glücklich, wenn wir das erlangen, was wir wollen, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen oder unter den wichtigsten Aspekten und nach besonnener Erwägung aller Umstände ein mehr oder weniger großer Fortschritt festzustellen ist. Jeder kann nur für sich selbst entscheiden, wann er glücklich ist und wann nicht. Es hängt von uns allein ab, welche Vorstellungen wir zulassen und welche wir ablehnen, welche Ziele wir für wichtig erachten und was wir zum Maßstab unseres Handelns machen. Ist Glück also reine Privatsache?
    Das ist es nicht. Die Glücksempfindung ist reine Privatsache. Aber die Bedingungen für Glück und Harmonie werden öffentlich geschaffen.
    "Der empfängt am meisten Liebe, der am meisten gibt ... Ein glückliches Leben ist im allerhöchsten Maße dasselbe wie ein gutes Leben." (Bertrand Russell)



Geht nun zurück in die Welt, meine Brüder, und bewährt Euch als Freimaurer.
Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt,
kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken,
seid wachsam auf Euch selbst.




Fußnoten

  1. Fritz Stern, Das 20. Jahrhundert im Spiegel der NZZ, nzz-online, 9.6.2002. Fritz Stern ist emeritierter Professor für europäische Geschichte an der Columbia University in New York.
  2. Jean de la Bruyère, Die Charaktere
  3. Zit. nach: Hans H. Hinterhuber, Leadership als Dienst an der Gemeinschaft. Was Unternehmer und Führungskräfte von Marc Aurel lernen können. Zeitschrift "Führung und Organisation", zfo, Verlag Schäffer/Poeschel, 71. Jahrgang (2002), Heft 1 Januar-Februar, Seiten 40 - 52
  4. Michel Chossudovsky, Globale Armut im späten 20. Jahrhundert. 1998
    http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/6098/1.html
  5. Hans H. Hinterhuber, Leadership als Dienst an der Gemeinschaft, Abschnitt "Die Disziplin des Strebens"
  6. http://www.zeit.de/2006/28/Steuersparer?page=all