Schau in dich. (Lehrling) Schau um dich. (Geselle) Schau über dich! (Meister)
Das sind die drei Leitsätze der Freimaurerei für die Arbeit am rauhen Stein. Diese lassen wenig Raum für Magie und Okkultismus. Lediglich im Meistergrad wird der Blick auf die Transzendenz gerichtet, um sich aus dem Erkannten Leitlinien für ein erfüllteres Leben in dieser Welt zu erarbeiten. Im 18. Jahrhundert war die Freimaurerei in Frankreich und Deutschland Einflüssen der Magie ebenso wie solchen der Alchemie, der Kabbala und der Mystik ausgesetzt. Ihre Symbolik, die an sich durch die Lichtsymbolik magische Elemente enthält, wurde von manchen Systemen mit Magie förmlich durchtränkt. Da es in der Freimaurerei kein Dogma gibt, aber in ihr durch den Symbolismus eine erhebliche empirische Komponente enthalten ist, so gab und gibt es immer wieder einzelne Brüder, die ihre eigene esoterische Herangehensweise an die freimaurerische Arbeit haben. Es ist eine über die verschiedenen Gruppierungen und Lehrarten hinweggreifende Geschichte, die an den Grenzen der freimaurerischen Regularität nicht halt macht.
Das griechische Wort 'mageía' und das daraus entstandene lateinische 'magia' stammt nach der Duden Etymologie ursprünglich aus dem persischen Raum und bedeutet "Zauberkunst, Geheimkunst, die sich übersinnliche Kräfte dienstbar zu machen sucht". Das Deutsche Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm erläutert, daß 'Zauberkunst', "ars magica, die kunst [ist], mit hilfe von dämonen oder übernatürliche[n] kräfte[n] allerhand erscheinungen zu erzielen, welche theils nützlich sind, meist aber anderen schaden sollen." Der Begriff 'ars magica' stammt, wie das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens im Artikel 'Kunst' mitteilt, aus der Antike, "wobei "ars" im Sinne von "Wissenschaft" zu verstehen ist". Der Begriff 'Magier', bezeichnet nach dem Duden, "zunächst die Mitglieder einer medischen Priesterkaste", und es wird dann "Traumdeuter, Zauberer, Betrüger" erweiternd angegeben. Die Magie soll dem Menschen also vermeintliche Gewalt über okkulte geistige Kräfte verleihen, die andere Menschen und die Umwelt zu ändern vermögen. Sie besteht aus Methoden, Handlungen und Gebräuchen, die diese Veränderungen hervorrufen können. In ihrer primitiven Form finden wir die Magie als Vorstufe der Religion bei Völkern niedrigerer Kulturstufe als Glauben, daß die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt auf Zauberkräften beruhen.
In höherer Stufe wird jedoch versucht, mittels Magie tiefe Einsicht in das Weltgeschehen zu gewinnen und die Lücken, die im Weltbild der Wissenschaften und Religionen stets vorhanden sind, zu schließen. Goethes Faust hat das ganze Spektrum der herkömmlichen Wissenschaften studiert. Er besitzt akademische Grade und ist in der Gelehrtenwelt hoch angesehen. Jedoch ist er am Ende seiner Weisheit angelangt und empfindet Ausweglosigkeit. Er weiß immer noch nicht "was die Welt im Innersten zusammenhält". Deshalb ist er bereit, die konventionellen Wege der Wissenschaft zu verlassen und sich der Magie hinzugeben.
Horneffer verallgemeinert in "Symbolik der Mysterienbünde": "Alle kultische Arbeit ist eigentlich Magie, da Kult und Magie ohne sichtbare Grenze ineinander übergehen". Im Grunde ist "jeder Kult, der nicht als Ausdruck eines Seelenlebens wirkt, sondern mechanisch, rein der Form nach, magisch" ergänzt Schenkel in "Die Freimaurerei im Lichte der Religions- und Kirchengeschichte".
Auch die Wirkung der Symbole hat im allgemeinen einen vorwiegend magischen Charakter und setzt ein magisches Sich-Einfühlen voraus. Ebenso kann auch die Sprache in Worten und symbolhaften Formeln magische Eigenschaften entwickeln. Die Namensgebung und besonders der "unaussprechbare" Name Gottes sind herausragende Beispiele, wie wir noch sehen werden (Nomen est Omen).
Die Hinneigung zur esoterischen Seite der Freimaurerei hat besonders im 18. Jahrhundert sehr viele Freimaurer mit okkulten Bestrebungen in Verbindung gebracht, d. h. eine magische Maurerei entstand als eine der sonderbarsten Erscheinungen der Freimaurergeschichte. Schon bei Untersuchung der Quellen, aus denen sich die spekulative Maurerei entwickelt hat, sind Gedankengänge zu erkennen, die eine gewisse Verwandtschaft mit den alten Rosenkreuzern aufweisen. Im wesentlichen aber wirkt sich dieses mystische Bedürfnis im Sinne einer besonderen Esoterik hier nur auf das Individuum aus.
"Der Okkultismus beruht zum einen auf dem Glauben an die Übermacht menschlicher Seelenkräfte gegenüber den Naturgesetzen und an die Existenz von Geistern. Er nimmt ferner eine Beseeltheit der Natur an und rechnet schließlich mit der Möglichkeit eines Entsprechungszusammenhanges von menschlicher Seele und beseelter Natur." (Duden) Er sieht sich als eine Wissenschaft bzw. eine Lehre vom Verborgenen, die im Grunde zwischen Wissen und Vermutung ihren Inhalt sucht. Er will eine Naturwissenschaft sein, deren scheinbar deterministische Methoden er auf die Erforschung des Verborgenen, der "groben" Erfahrung Unzugänglichen und des Über- und Außersinnlichen anzuwenden versucht. Julius Stinde erläutert in seinem 1892 erschienenen Aufsatz "Von Geheimwissenschaften" (PDF-File, 72KB): "Es gibt Vorgänge, Erscheinungen des Natur- und Seelenlebens, die von der offiziellen Wissenschaft nicht anerkannt werden, deren Untersuchung als unstatthaft gilt, weil ihre Ursachen den Sinnen verborgen sind und sich der üblichen Messung und Wägung entziehen. Die Erforschung dieser geheimen, verborgenen Ursachen ist die Aufgabe der Geheimwissenschaft, die daher ihren Namen hat, neuerdings auch kurzweg Okkultismus genannt wird." Die Vorgehensweise ist dabei zum Teil experimentell, anderseits aber auch mystisch empirisch. Die Theosophie ist als okkultistische Lehre einzuordnen, wobei die Theosophische Gesellschaft ähnlich den Freimaurern Logen bildet und darin nach entsprechenden Ritualen arbeitet. Der Okkultismus hängt aufgrund seiner Konfiguration mit der Magie und Mystik zusammen und ist ein günstiger Nährboden des Aberglaubens. Andererseits hat er der eigentlichen Wissenschaft auf Grund intuitiver Einsichten auch zuweilen Anregungen gegeben.
"Wer waren denn von jeher die Bewahrer geheimen okkulten Wissens und der höchsten Geheimnisse?" fragt Kurtzahn in seinem Buch "Der Tarot" und gibt gleich selbst die Antwort:
"Die geheimen Gesellschaften! ( ... )
Die Hauptquelle, aus der - in historischen Zeiten - die geheimen Gesellschaften hervorgingen, waren die Mysterien und die "Schule von Alexandrien". -
Bei weitem die Mehrzahl der "Initiierten", der in die Mysterien Eingeweihten, hatten im Osten ihre Zuflucht genommen und vor noch nicht langer Zeit (1884) entdeckte das Abendland in Indien und ganz besonders in Tibet das wirkliche Bestehen einer "okkulten Brüderschaft", welche die durch die alten ägyptischen und eleusinischen Mysterien überkommenen Geheimlehren und wirklichen Geheimnisse in absoluter Reinheit und Vollkommenheit besitzen. Um mit dieser Brüderschaft in Verbindung zu treten, wurde u. a. die bekannte "Theosophische Gesellschaft" gegründet. Diese versuchte und versucht nun die Lehren der eingeweihten Gesellschaften im Westen im Verein mit denen aus dem Osten zu verbreiten, natürlich ohne wirkliche Geheimnisse preiszugeben. -
Solche "eingeweihten Gesellschaften" im Westen waren und sind von jeher:
Die gnostischen Sekten, Kabiren und Araber, Alchemisten, Tempelherren, Rosenkreuzer und - Freimaurer. Sie alle verbindet ein mächtiges Band, die erhabene Kabbala, die Mutter aller menschlichen Erkenntnis und Weisheit überhaupt. Solange diese Weisheit in den geheimen Gesellschaften treu bewahrt wird, wird sie den wirklich Suchenden, deren es so wenige, so sehr, sehr wenige gibt, immer zugänglich bleiben, mögen auch ihre Hüter und Bewahrer keine Ahnung mehr von ihrer Anwendungsmöglichkeit besitzen, ihre Aufgabe ist eben nur das treue Bewahren; wohl ihnen, wenn sie diese Pflicht erfüllten."
Zur Kabbala ist folgende Geschichte überliefert:
"Nach den Aussagen sehr berühmter Rabbiner nahm Moses selbst, weil er das Schicksal voraussah, welches sein Buch erleiden würde, und die falschen Interpretationsmöglichkeiten erkannte, die man ihm im Laufe der Zeit unterschieben würde, seine Zuflucht zu einem mündlichen Gesetz, das er mit feuriger Stimme zuverlässigen Männern verkündete, deren Treue er erprobt hatte und die er beauftragte, nur im Innern des Heiligtums anderen Männern zu übermitteln, die es ihrerseits von Generation zu Generation weitergeben und auf diese Weise der zukünftigen Welt übertragen sollten. Dieses mündliche Gesetz, von dem die heutigen Juden behaupten, sie besäßen es noch, heißt KABBALA - ein hebräisches Wort, das etwa bedeutet: Was erhalten wurde, was aus einer anderen Welt kommt und von Mund zu Mund weitergeht." (Fabre d' Olivet: La Langue Hébraique restituée).
Der Freimaurer Fritz Weinberg erläutert in seinem Buch "Einiges zum Thema Kabalah":
"Kabalah ist der Strom jüdischen, mystisch-spekulativen Denkens durch zwei Jahrtausende. Jedes Wort dieser lapidaren Definition bedarf einer ausführlichen Erklärung. Das Wort "Kabalah" heißt im Hebräischen "das Überlieferte", das "Empfangene", jedoch nicht im Sinne der offiziellen Tradition, Theologie oder Grundmoral des täglichen Lebens, sondern in der Bedeutung von geheimer, mystischer, nicht allgemein zugänglicher Überlieferung alles dessen, was unter der Oberfläche, der äusseren Schale der heiligen Schriften verborgen ist. Es ist ein vielverbreitetes Mißverständnis, von der Kabalah zu sprechen und sie mit dem weitbekannten Buche "Sohar" zu identifizieren, in der Annahme, daß sie sich in Auslegungen des "Baumes des Lebens", der darin ausführlich behandelt wird, erschöpft. (...) Den Quellen und Ursprüngen eines geistigen, der mystischen Inspiration und Spekulation, sowie dem Erfühlen des Göttlichen verhafteten Stromes läßt sich niemals genau nachspüren - umsoweniger dann, wenn er im Mittelmeerraume beginnt, dem Zentrum vieler Kulturen und Religionen. Es gibt zahllose Querverbindungen und Überschneidungen, sich kreuzende Wege zwischen Kabalah und pythagoräischem Gedankengut, gnostischen Vorstellungen - in späterer Zeit muslemischer Mystik und scholastischem Denken, wobei schwer zu entscheiden ist, von welcher Seite die ersten Impulse ausgingen. Auch am geistigen Gegner kam man nicht spurlos vorbei, manches färbte ab, wurde umgedacht und auf eigene Art rezipiert."
Die Kabbala bezeichnete also die neben dem geschriebenen Gesetz die ursprünglich mündlich überlieferte theosophische und theurgische Geheimlehre im Judentum. Sie entstand in der talmudischen Zeit als mystische Reaktion gegen den übertriebenen Formalismus, die das religiöse Leben mit neuem Inhalt erfüllen wollte. Im jüdischen Mittelalter wurde sie zu einer Religionsphilosophie, die ihre Aufgabe in der Lösung der tiefsten Fragen über Gott und Welt suchte. In einer Entwicklung, die vom 7. bis zum 15. Jahrhundert andauerte, wurde aus einem auf Mitteilungen der "Heiligen Leuchte" (Rabbi Simeon ben Jochai um 150 n. Chr.) zurückgehenden intuitiven Erfassen der übersinnlichen Welt und der von einem Hofstaat umgebenen Thronherrlichkeit Gottes etwa im 9. Jahrhundert im "Sepher Jezirah" (Buch der Schöpfung, Formung, Weltbildung) eine Weltentstehungslehre, in der Zahlen (Zephirôt) eine Hauptrolle spielten, die sich von zuerst kosmologisch gedeuteten zu metaphysischen Begriffen wandelten. Das 13. Jahrhundert bildete dann die Lehre von diesen zehn Zephirôt aus, als von zehn Grundkräften, die zwischen Gott, dem En soph (aufgefaßt als Urlicht, Urwille, Uridee) und der Schöpfung vermittelten, sowie die Anschauung von vier sich abstufenden Weltordnungen und von der Seelenwanderung. Gleichzeitig entstanden Bemühungen um Erkenntnis der Namen Gottes, wofür die Vertauschbarkeit der Buchstaben mit ihren Zahlenwerten benutzt wurde.
Worte stellten also die Verbindung zwischen der körperlichen und geistigen Welt her. Auch die Zahlen, die ja schon bei Plato die Welt der Ideen mit der der materiellen Dinge verbinden, spielten eine große Rolle. Zahlen und Worten schrieben die Kabbalisten starke magische Kraft zu. Durch Zauberformeln glaubten sie übermenschliche Kräfte erreichen zu können.
Der hebräische Schriftzeichensatz ist nach kabbalistischer Tradition nicht nur die Abfolge von 22 Schriftzeichen, um Worte und Sätze zu bilden, sondern er bildet den Grundstein, auf dem die gesamte Schöpfung aufsetzt. Die Buchstabensymbolik mit Hilfe von besonders entwickelten Spezialwissenschaften spielte eine ausschlaggebende Rolle. Diese waren: Gematria, die Kunst, mit Hilfe der Zahlenwerte der Buchstaben den geheimen Sinn der Texte zu entziffern, Notarikon, d. h. die Bildung neuer Worte aus Anfangs- und Endbuchstaben gegebener Worte, und schließlich Themurah, die Versetzung der einzelnen Buchstaben eines Wortes, um ein neues zu bilden.
Beispielhaft verständlich führt Fritz Weinberg ein:
"Das Hebräische selbst besteht aus einer relativ kleinen Zahl von Wortstämmen, die jeweils 2 - 3 Konsonanten umfassen. Aus ihnen wird jedoch auf Basis einer streng logischen, sehr komplizierten Grammatik eine unendliche Vielfalt von Wörtern gebildet, die sich auf die gemeinsamen Grundwurzeln zurückführen lassen. Hieraus ergeben sich häufig äußerst fesselnde Zusammenhänge, wie zum Beispiel: Der erste Mensch hieß ADAM. Die Erde heißt ADAMA das Blut DAM und rot ADOM! Man bedenke die gedanklichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, daß Adam aus Erde (Adama) geschaffen wurde und daß ihn rotes Blut (Dam adom) durchpulst! Alle von einer Wurzel abgeleiteten Wörter stellen dem hebräischen Sprachgefühl nach untereinander eine große Familie dar, und die Verwandtschaft zwischen ihnen, auch wenn - oder gerade weil - sie nach außen hin oft etwas ganz Verschiedenes bedeuten, ist für das kabalistisch-mystische Empfinden, das keinerlei Zufälligkeiten annimmt, außerordentlich bedeutungsvoll. Eine weitere Besonderheit liegt darin, daß jeder Buchstabe einen Zahlenwert besitzt. Und zwar nicht so wie bei den römischen Ziffern, die dem primitiven Fingerzählen entnommen sind, I = 1, II = 2, V = 5, X = Doppelfünf = 10, oder einer Abkürzung des entsprechenden lateinischen Wortes, wie C = centum = 100. Im hebräischen Alphabet mit seinen 22 Konsonanten entsprechen ganz systematisch die ersten zehn Buchstaben den Zahlenwerten 1 - 10, die nächsten acht den Zahlen 20 - 90 und die letzten den Hundertern. Die praktischen Konsequenzen hieraus lassen sich am Besten an Hand einiger Beispiele verdeutlichen: Wenn wir eine beliebige größere Zahl nehmen, wie etwa die 20, so ist es klar, daß es eine gewisse Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten gibt, um sie additiv zusammenzustellen. Das heißt die Summe von 5 + 7 + 8 = 20. Ebenso ergibt auch die Addition von 3 + 6 + 9 wieder 20, wobei es einerlei ist, in welcher Reihenfolge die Ziffern genommen werden. Wenn im Deutschen jeder Buchstabe einen Zahlenwert hätte, so leuchtet es ein, daß die Wörter ROT und TOR die gleiche Zahlensumme ergeben würden, trotzdem die Buchstaben anders angeordnet sind und die Bedeutung völlig verschieden. Im Hebräischen entspricht aber tatsächlich jeder Buchstabe einer Zahl und ebenso wie sich die 20 aus völlig verschiedenen Zahlenkombinationen zusammensetzen läßt, gibt es unzählige hebräische Wörter, die zwar ihrer augenscheinlichen Bedeutung nach nichts miteinander zu tun haben, jedoch die gleichen Zahlenwerte aufweisen. Die "Gamatria", das heißt die in kabalistischen Kreisen gepflegte mystisch-magische Deutungsweise der heiligen Schriften, basiert auf diesen Zahlengeheimnissen. Nebenbei - ob das Wort Gamatria, das nicht hebräischen Ursprungs zu sein scheint, mit dem griechischen Wort Geometria etwas zu tun hat, ist eine wissenschaftlich ungesicherte Frage. Der Kabalist ist grundsätzlich der Überzeugung, daß nichts, was mit den heiligen Buchstaben geschieht, zufällig und bedeutungslos sein kann. Er sucht daher nach einem inneren Zusammenhang zwischen Wörtern mit derselben Ziffernsumme, vor allem, wenn es sich dabei um eine bedeutsame Zahl handelt, wie etwa die 70. Es gibt unter vielen anderen die nachstehenden vier Worte, die im Hebräischen mit je drei Buchstaben geschrieben werden, deren Zahlenwert 70 ergibt:
SOD | (60+ 6 + 4 = 70) | = Geheimnis |
YAYIN | (10 + 10 + 50 = 70) | = Wein |
LEIL | (30 + 10 + 30 = 70) | = Nacht |
HASSEH | ( 5 + 60 + 5 = 70) | = Schweigen |
Was liegt nun in der merkwürdigen Zahlengleichheit dieser vier Wörter verborgen? Eine alte Auslegung lautet: Das Geheimnis (der Kabalah) ist berauschend wie Wein, dunkel wie die Nacht und es geziemt darüber zu schweigen. Manchem mag dies als eine müßige Gedankenspielerei erscheinen, wer aber etwas in den Bereich dieser Welt des allgegenwärtigen Mysteriums eindringen will, muß sich diesen geheimnisvollen Zusammenhängen aufschließen."
Über die Gold- und Rosenkreuzer und andere mystische Vereinigungen des 18. Jahrhunderts, die häufig durch Mehrfachmitgliedschaft der Brüder in mittelbarem oder unmittelbarem Kontakt mit den Freimaurerlogen standen, gelangte die Kabbala in die Freimaurerei. Johannes Reuchlin (1455 - 1522), der stark vom kabbalistischen Gedankenansatz beeinflusst war, wird z. B. die Abwandlung des mittelalterlichen Tenors "Macht, Weisheit, Liebe" in die Dreiheit "Weisheit, Schönheit, Stärke" zugeordnet. Auf das Pentagramm Reuchlins, das bei ihm "Jesus" bedeutete und bei den Rosenkreuzern zur Rose wurde, wird der "flammende Stern", das Symbol des vollkommenen Menschen, zurückgeführt. In Wechselwirkung nahmen Gold- und Rosenkreuzer wiederum interessanterweise die äußere Form der Freimaurerei für ihr Gebrauchtum an. So beriefen sie sich auf die Zunftlegende in Andersons Konstitutionen, die andeutete, die Freimaurerei sei Trägerin geheimer Kenntnisse des Wissens um letzte Dinge, die ihr von Weisen des Altertums, so Pythagoras und Zoroaster, überkommen seien; sie wiesen aber auch auf die 1738 erschienene, der zweiten Auflage des Andersonschen Konstitutionsbuches angehängte "Defence of Masonry" hin, die die Geburtsstätte der Maurerei geheimnisvoll nach dem Osten verlegte und sie in Verbindung mit den Pythagoreern, Essenern, Kabbalisten und ihren geheimen Bräuchen brachte. Auch begannen die Okkultisten, den freimaurerischen Symbolen eigene Deutung zu geben, was sie damit begründeten, daß ein und dasselbe Sinnbild auch von der offiziellen Freimaurerei selbst in den verschiedenen Graden verschieden ausgelegt werde.
An die okkultistische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts lehnt sich die von Oswald Wirth-Paris ausgebaute und von ihm in "Le Symbolisme Occulte de la Franc-Maçonnerie" beschriebene. Sie nimmt ihren Ausgang von der allgemein gültigen Ansicht, daß Freimaurerei erlebt werden muß, und meint damit an die "lebendigen Traditionen" anzuknüpfen. Sie verknüpft die Symbolik nicht im Sinn des Humanitätsideals, dem Bau des Tempels der Humanität, und verzichtet auf allzu weit gehende Phantastereien. Übersinnliche Elemente werden dabei bloß im Zusammenhang mit dem Menschen zugelassen sowie metaphysische Spekulationen abgelehnt. Die Anschauung, daß es außerhalb des sinnlich Wahrgenommenen keine Wirklichkeit gebe, wird als "Aberglaube" bezeichnet. Als Zentralidee der Symbolik gilt das Leben, das durch die Gesamtheit der Sinnbilder dargestellt wird. Das Zeremoniell ist das Abbild einer "tieferen Wirklichkeit", der jeder Eingeweihte teilhaftig werden kann, falls er den Weg für die Strahlen des "Großen Lichts" durch die ursprünglich undurchdringliche Atmosphäre um ihn zu bahnen vermag. Dies liegt im Bereich der Möglichkeit, da die Gedanken dieser Richtung zufolge eigentlich außerhalb des Individuums "vibrieren" und das Gemeingut aller Denkenden bilden.
Die nur grob umrissenen Leitprinzipien nach Oswald Wirth durchdringen die Deutung der einzelnen Symbole, die zum Teil auf das Licht (Sonne, Mond, Sterne, allsehendes Auge, Tierkreis), zum Teil auf das Leben (zwei Säulen, musivisches Pflaster) zurückgehen.
Das "musivische Pflaster" stellt die Welt des sinnlich Wahrnehmbaren dar.
Der flammende (zentrale) Stern symbolisiert den Menschen.
Das allsehende Auge [frz. Delta lumineux], das leuchtende Delta, umgeben von einem mit den Zeichen des Tierkreises versehenen Kranz, symbolisiert die schöpferischen Ursachen. Die Dreieckform des Delta entspricht der Dreiheit; Weltall - Mensch - Gott. Das vom Zentralauge ausgehende Licht kann unter drei Gesichtspunkten betrachtet werden: als permanente Energiequelle, als dynamische Ausbreitung und schließlich als Effekt der Lichtwirkung.
Die Sonne versinnbildlicht die Vernunft.
Die Tierkreiszeichen stellen den Kampf der Sonne um ihre Vollgeltung, die Entwicklung des Menschen aus den Niederungen des Instinkts zu den Höhen der Weisheit dar. Die Menschheit wird durch das "spirituelle" Licht erlöst, daß sie denkend und gut machen wird.
Die zwei Säulen vertreten das männliche und weibliche Prinzip. Jeder Säule sind gewisse Sternbilder des Tierkreises zugeordnet, die daher zum Teil dem Lehrlings-, zum Teil dem Gesellengrad zugehören.
Das "Planeten-Pentagramm" wird mit dem Mikrokosmos des Menschen in Zusammenhang gebracht; die einzelnen Sternbilder entsprechen den wichtigsten menschlichen Organen.
Die Werkzeuge helfen dem Eingeweihten, sich den wahren Sinn der Freimaurerei zu erarbeiten.
Der Meißel mahnt an die unerschütterliche Energie, ohne welche die Einweihung nie vollkommen werden kann. Noah, "der als erster ein Metall zu schmieden verstand", ist daher das besondere Paßwort des Lehrlings. Der Meißel aber ohne Hammer ist unnütz, kann den rauhen Stein nicht bearbeiten.
Das Brecheisen, ein Werkzeug des Gesellen, ist das Sinnbild der unwiderstehlichen Macht des Eingeweihten, der zu wollen versteht. "Wille" ist hier im kollektiven Sinne gemeint, der Selbstbeherrschung des einzelnen verlangt, der Bruderschaft aber eine ungeheure Kraft verleiht. Nachdem der Geselle die Handhabung des Brecheisens erlernt hat, kann er Meister werden. Er kontrolliert nun die behauenen Steine, vor allem seinen eigenen.
Zirkel und Maßstab kontrollieren die Arbeit des Meißels und Hammers. Dem Lehrling werden sie erst in die Hand gegeben, wenn er bereits die Fähigkeit bewiesen hat, den rauhen Stein zu ebnen, also nach seiner Beförderung in den Gesellengrad. Der Zirkel ist das Symbol der Vernunft, steckt die Grenzen des Positiven, des Erkennbaren ab, bewahrt vor "metaphysischen Spekulationen", ermahnt den Maurer, sich nur mit den Mysterien der Erde zu befassen, an die Geheimnisse des Himmels und des Jenseits aber nicht zu rühren.
Die Setzwaage erinnert an die Gleichheit aller Kreatur.
Das Winkelmaß ist jetzt das Zeichen "Soziabilität". Der Meister ist kein Individualist mehr, unterordnet sich den menschlich-sozialen Normen, ist ein rechtwinkeliger, den konstruktiven Anforderungen genügender Stein.
Der Mensch, der es erlernt hat, menschlich und menschenwürdig zu leben, ist der kubische Stein, der "Stein der Weisen".
Die Kelle bewerkstelligt die Einheitlichkeit des Baues, überholt die Steine, glättet sie. Sie handhaben, heißt Güte und Liebe anwenden.
Das Winkelmaß schmückt den Meister, der die Arbeiten leitet und für die Wahrung der Normen sorgt. Die Wasserwaage ist das Zeichen des Ersten Aufsehers, vor dem alle Brr. gleich sind. Das Senkblei ist das Zeichen des Zweiten Aufsehers, der die Brr. anspornt, sich in die Tiefen der Welt zu versenken.
Die Kette manifestiert die brüderliche Liebe, sie will durch alle menschlichen Wesen einen zusammenfassenden Strom der wirklichen Einigkeit fließen lassen. Alles schwingt und hält sich in der Kette der Lebenden.
Der Akazienzweig spielt auf die "Religion des Lebens" an, die, aller metaphysischen Spekulation bar, die "sicherste" aller Religionen ist. Er schmückt die Gräber der Brüder, das Zittern seiner Blätter manifestiert das Leben der Verbliebenen. Der grüne Zweig, der die Entdeckung des Leichnams von Hiram ermöglicht, symbolisiert die überlebenden Reste einer körperlich verschwundenen Vergangenheit.
Auch der Totenschädel wird okkultistisch gedeutet. "Wir gehen in der Phantasie auf den lebendigen Geist zurück, der ihn einst belebte, identifizieren nur, mit diesem Herd des Lebens, um für unsere Persönlichkeit daraus die Möglichkeit einer erneuernden Belebung zu schöpfen", sagt Oswald Wirth und erläutert dann: "Wir fühlen in uns den unsterblichen Meister auferstehen."
Die Loge ist eine Stätte, in der Denker sich gemeinsamer Arbeit widmen, um im Chor zu denken. So entsteht ein symphonischer Gedanke, der weder ausgesprochen, noch aufgeschrieben, ja nicht einmal im Geiste formuliert werden kann, sondern in voller Freiheit vibrieren muß; in seiner Mächtigkeit ist er jeder einschränkenden Personifikation unzugänglich.
Wenden wir uns noch einmal der Kabbala und humanistischen spekulativen Freimaurerei zu. In der rituellen Arbeit im Meistergrad wird nach dem "verlorenen Meisterwort" gesucht. Nach der Kunstsage besaß Hiram ein bestimmtes Wort, das nicht anders als ein Zauberwort aufgefaßt werden kann, das ihm seine Mörder abringen wollten und das dank seiner Beharrlichkeit mit seinem Tod verlorenging. Salomo ersetzte es durch ein anderes, bleibendes Wort. In den Hochgraden des A.A.S.R., aber auch im amerikanischen Ritus, wird der Suche nach diesem Wort und seiner neuerlichen Auffindung besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In den heutigen Meisterritualen ist die Wurzel dieses geheimnisvollen verlorenen Wortes bereits ziemlich überdeckt. Sicherlich spielen hier alte kabbalistische Überlieferungen mit, die auf das von Henoch vor der Sintflut verborgene unaussprechliche Wort, den geheimnisvollen Gottesnamen (Tetragrammaton), anspielen. Henoch, der Urgroßvater Noahs, erreichte nach der Genesis, Kapitel 5. Vers 21 - 24 ein Alter von 365 Jahren. "Nachdem er ein göttliches Leben geführt, nahm ihn Gott hinweg und ward nicht mehr gesehen". An diese eigenartige Bezeichnung des "Hinwegnehmens" von der Erde schließen sich in jüdischen Legenden zahlreiche Deutungen und Erzählungen an. Eine Legende berichtet, daß Henoch vor seiner Himmelfahrt auf 2 Steinen, die die "Säulen Henoch" genannt werden, die Grundelemente der Religion und des Wissens eingemeißelt hat. Aus diesem Legendenschatz schöpfen verschiedene Hochgrade, indem sie in Henoch den Mann sehen, dem Gott seinen wahren Namen enthüllte. Als Henoch starb, blieb dieser Name in einem unterirdischen Gewölbe, wo er nach dem Verlust des wahren Meisterwortes wiedergefunden wird. Die Suche hat natürlich auch damit zu tun, daß nach der freimaurerischen Lehre nicht nur der Kandidat ein Suchender ist, sondern der Freimaurer immer ein solcher bleibt, immer um Licht, um Wahrheit ringt. Dieses stete Suchen findet auch in den immer wiederkehrenden Wanderungen, "mystischen Reisen", seinen Ausdruck.
Die Spottinschrift I.N.R.I., Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, auf dem Kreuz bei der Kreuzigung von Jesus Christus, hat eine Reihe von Ausdeutungen gefunden und wird heute noch als Heiliges Wort in einem Grad des A.A.S.R. beachtet. Die Rosenkreuzer verwenden die Formel mit der Deutung "Igne Natura Renovatur Integra" (Durch Feuer wird die reine Natur erneuert), oder "Igne Roris Nitrum Ivenitur" (Durch Feuer wird das Salz des Taus gefunden). Alchimistisch gedeutet besteht die Inschrift aus der Zusammensetzung der vier hebräischen Namen der Elemente Jamin (Wasser), Nour (Feuer), Ruach (Luft) und Jebschah (Erde).
Papus postuliert in seinem Buch "Le Tarot des Bohemiens - le plus ancien livre du monde" (1889): "HIRAM - INRI - IOD-HE-VAU-HE deuten dasselbe Mysterium unter verschiedenen Aspekten an. Wer eines dieser Worte verstanden hat, besitzt den Schlüssel, der das Grab des Hiram öffnet, Symbol des Wissens der Alten über die Synthese; er kann dieses Grab öffnen und ohne Furcht das Herz des verehrten Meisters in Empfang nehmen, Symbol der esoterischen Lehre." Papus, der in seinem Buch einen Zusammenhang zwischen freimaurerischem Ritual und dem Tarot sieht, führt vorher aus: "Jeder Kult hat indessen seine Traditon, sein Buch, seine Bibel, durch die alle diejenigen, die es begreifen können, die Einheit ihres Kultes mit allen anderen erfahren können." Wahrscheinlich hat er dabei die in einem weiterführenden freimaurerischen Grad gegebene Zusammenschau der Lehren großer Religionsstifter, Propheten und Philosophen im Sinn.
Bereits Eingangs wurde aus einem Tarot-Buch zitiert. Was hat es mit dem Tarot und der Freimaurerei auf sich? Um es vorweg zu nehmen: Es hat nicht direkt mit der Freimaurerei aber dafür mehrfach mit einzelnen Menschen zu tun, die Mitglieder von Logen der unterschiedlichsten Lehrarten waren.
"Der Tarot, der unzweifelhaft ein Niederschlag der antiken Esoterik im weiten Sinne dieses Wortes ist, enthält eine magisch-metaphysische Philosophie, die in Bildern einer Symbolsprache niedergelegt ist", meint Birven in "Der Tarot" (1960) und fährt fort: "Diese rätselhaften Bilder, die Rätsel lösen und neue aufgeben, verraten kein naives, sondern ein hochentwickeltes Denken, das die Gesetze des Weltprozesses erschließt". An anderer Stelle führt Birven aus: "Der Tarot ist ein Werk der ältesten esoterischen Tradition, und er hat ebenso wenig Ursprung wie die Welt. Es ist eine Synthese ältester Einweihungswissenschaft, die das Geheimnis von Gott, Mensch und Welt umfaßt. Daraus erklärt sich die frappante Dynamik seiner Bilder, die jeden Betrachter sogleich in ihren Bann schlägt. Denn in diesen Bildern erkennt der Mensch sich selbst in allen seinen Rollen, die ihm im Ablauf der Weltgeschichte zugeteilt werden." Nach Court de Gebelin soll das Buch Henoch die Urquelle der Kabbala und in Form der Tarot-Karten überliefert worden sein. Andere Entstehungsorte führt Karl Weinfurter an: "Die Taroten, welche von vielen Okkultisten als das älteste Buch der Welt angesehen werden, heissen auch das Buch Thoth, und stammen angeblich aus Aegypten, und vielleicht, nach einer anderen Version, sogar aus Atlantis."
Der Tarot ist ein Kartenspiel, das aus 22 Hauptkarten, den "Großen Arcana" (Geheimnissen), besteht und ergänzt wird durch 56 "Kleine Arcana", die sich von einem gewöhnlichen Kartenspiel nicht wesentlich unterscheiden und die nur geringe symbolische Bedeutung haben. Durch die Zuordnung der 22 Großen Arkana zu den 22 Schriftzeichen des hebräischen Schriftsatzes ergibt sich eine Anknüpfung an die Kabbala und das Tetragrammaton (Genauere Erklärung siehe diesbezügliche Ausführungen in 'Daïtyanus Tarot' - Tarot-Buch Ernst Kurtzahn).
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das älteste Tarotspiel deutscher Herkunft aus dem Jahre 1329. Von Etteila erschien bei Baumgärtner Leipzig 1793 das 106 Seiten umfassende Buch "Theoretischer und praktischer Unterricht über das Buch Thot oder über die höhere Kraft, Natur und Mensch, mit Zuverlässigkeit die Geheimnisse des Lebens zu enthüllen und Orakel zu ertheilen, nach der Ägypter wunderbarer Kunst. - Mit 78 Abbildungen, die man auf Kartenpapier aufzukleben und in ein Futteral zu bringen hat, wodurch das 'Buch Thot' dargestellt wird." in deutscher Übersetzung. Die uralte Kunst des Tarot wurde von dem Pariser Perückenmacher Aliette (sein Name rückwärts gelesen ergibt sein Pseudonym Etteila) auf eine pseudowissenschaftliche Basis gestellt; er behauptete, das Tarot sei 171 Jahre nach der Sintflut von 17 Magiern geschaffen worden. In einem Zimmer des Hotels "de Crillon" in Paris pflegte er das Schicksal seiner Genossen in der Zeit der Französischen Revolution aus den Tarot-Karten zu lesen. Sein Werk beeinflußte ganz entscheidend Eliphas Levi und den wohl bekanntesten Okkultisten dieses Jahrhunderts, Aleister Crowley, der von sich selbst glaubte, eine Reinkarnation Levis zu sein. Thot ist der ägyptische Gott der Wissenschaft und der Schreibkunst. Seine Aufgabe war es, die Errungenschaften der Götterzeit für die Nachwelt zu sichern. Die 1570jährige Herrschaft teilte sich Thot mit der von ihm gegründeten Bruderschaft "die Priester des Thot". Thot wird mit dem griechischen Hermes Trismegistos gleich gesetzt. Aliette beruft sich in seinem Werk auf das geheime Wissen der Priester des Thot, das durch das richtige Legen der Karten entschlüsselt werden kann. Sein von ihm geschaffenes Tarotspiel ist der Ausgangspunkt aller nachfolgenden bis heute.
Woldemar von Uxkull vertieft die ägyptische Zuordnung des Tarot in "Eine Einweihung im alten Ägypten nach dem Buch Thoth" mit viel Phantasie und läßt im "Unterricht - Zweites Buch" den Oberpriester erläutern: "Diese 22 Bilder enthalten in Symbolen unser gesamtes Wissen. Was die Gottheit offenbaren wollte, was wir Menschen fassen können, ist in ihnen enthalten. Diese Bilder, die wir das Buch Thoth nennen, und welche die Zusammenfassung der 42 Bücher des Thoth sind, des Gottes der Weisheit, reden zu uns vom Wesen der Gottheit, der wir dienen, vom Menschen und seinen Wegen, von der Welt und Ihrem Werdegang. Sie geben uns auch die ewigen Gesetze, auf denen jede Kunst, das ganze Weltall und jede Wissenschaft aufgebaut sind."
Zur Symbolik meint der Freimaurer Oswald Wirth im Vorwort seines Buches "Le Tarot des Imagiers du Moyen Age":
"Zuerst erarbeitete ich mir die konstruktive Symbolik der Freimaurer, worauf ich sie mit der Symbolik der Alchemisten verglich. Die hermetischen Philosophen hatten die initiatische Esoterik in Bilder übersetzt, die aus der Alchemie stammten, während sie die Steinhauer des Mittelalters auf die Praxis ihres Handwerks angewendet hatten. - Sobald man die Symbole zum Sprechen bringt, sind sie aussagekräftiger als jeder Diskurs, denn sie erlauben es, das 'Verlorene Wort' wiederzufinden, das heißt die unendlichen lebendigen Gedanken, deren rätselhafter Ausdruck sie sind. Gelingt es uns, die Hieroglyphen der tiefgründigen stummen Weisheit zu entziffern, die den Denkern aller Epochen sowie allen Religionen, Mythen und Träumen gemein sind, werden die Ideen und Probleme sichtbar, mit denen sich der menschliche Geist von jeher befaßt. Die Symbole lassen uns auf poetische Weise subtile Vorstellungen erfassen, die nicht in die enge Bestimmtheit der Worte gezwängt werden können. Nicht alles läßt sich auf Beweisführung und auf den strengen Stil der Advokaten reduzieren. Wer sich im Mittelalter der Symbolik bediente, setzte sie dazu ein, Subtiles faßbar zu machen; er reagierte somit auf die Scholastik, diese Schule der Sklaven der Worte. - Auf diese vorsichtigen und diskreten Meister ist der Tarot zurückzuführen, dieses einmalige Werk, das den wahren Denker mehr lehrt als jede schriftliche Abhandlung, denn seine Bilder führen zur Entdeckung der verhüllten Wahrheit, die sich tief in uns verbirgt. Keiner Ansammlung von Symbolen gelingt es, solche Weisheit zu enthüllen, die jedglicher Willkür entbehrt, da sie jeder deutlich erkennen kann, ohne auf andere Anregungen als die der stummen Bilder angewiesen zu sein. - Diese Bilder verdichten Gedanken, die nicht auszudrücken sind; sie schweigen ohne zu verheimlichen, daß sie uns wertvolles Wissen erahnen lassen."
Berücksichtigt man die aufgeführten Zusammenhänge, dann ist es nicht verwunderlich, daß immer wieder Freimaurer bzw. den freimaurerischen Ritualen nahe stehende Menschen sich mit dem Tarot beschäftigten. Er erscheint verführerisch als ein Hilfsmittel, mit dem sich die Blickrichtung von "schau in dich, schau um dich, schau über dich" um "schau in deine Zukunft, in dein Schicksal" erweitern läßt, wobei der Freimaurerei ähnliche Ausdeutungsformen der Symbolik zum Zuge kommen, d. h. den Kartenbildern werden besondere esotorische Bedeutungen verliehen und daraus Beziehungen zu den Initiationen der Freimaurerei im esoterischen Sinne gesucht. Gerade die Zukunft aber hat es den Menschen angetan, denn er kann nur im Hier und Jetzt leben. Sie ist ihm wie das Totenreich im "Jetzt" verschlossen. Schon Albert Einstein sagte: "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben."
Abschließend einige Daten zu Buchautoren, die beachtenswerte Beiträge zum Thema "Tarot" geleistet haben:
Birven, Dr. phil. Henri Clemens, * 1883 Aachen, +1969 Berlin, Ingenieur und Studienrat, esoterischer Schriftsteller. 1960 erschien von ihm das Werk "Der Tarot" beim Heinrich Schwab Verlag, Gelnhausen-Gettenbach.
Constant, Alphonse Louis, vorher Abbé, französischer Schriftsteller, * 1810, + 1875, schrieb unter dem Pseudonym Eliphas Lévi Werke über Magie und Kabbala, verfaßte "Histoire de la Magie", "Dogme et Rituel de la Haute Magie", "La Clef des Grands Mystéres" usw. Er wurde 1861 Mitglied der französischen Loge "La Rose du Parfait Silence" trat aber infolge unbrüderlicher Kritik an einem seiner Vorträge, den er als Redner der Loge hielt, bald wieder aus.
Court de Gébelin, Antoine, * 1725, + 1784 Paris, Präsident des Museums zu Paris, Freimaurer, Verfasser von neun Bänden der 30bändigen Enzyklopädie "Le Monde primitif analysé et comparé avec le monde moderne" größtenteils okkulten und esoterischen Inhalts. Band VIII enthält 60 Seiten über den Tarot.
Crowley, Aleister (eigentlich Edward Alexander C.), * 1875, + 1947 in London, berühmter okkulter Esoteriker, Mitglied des "Golden Dawn", zeichnete als Meister Therion, schrieb u.a. das Buch "The book of Thoth" (Tarot), welches im Jahre 1944 erschien. Das Buch gilt als III. Band, Nr. V des Equinox. Die von Crowley entworfenen Abbildungen sind von Frieda Harris ausgeführt worden.
Etteila (d. i. Jean Francois Aliette), *1738, + 1791 Paris, Perückenmacher, Mathematikprofessor. Unter dem Titel "Theoretischer und praktischer Unterricht über das Buch Thot oder über die höhere Kraft, Natur und Mensch, mit Zuverlässigkeit die Geheimnisse des Lebens zu enthüllen und Orakel zu ertheilen" erschien bei Baumgärtner in Leipzig 1793 ein Buch von ihm in deutscher Sprache. Er ist der "Vater" des esoterischen Tarot.
Glahn, A. Frank, ( d. i. Friedrich Heinrich August G.), * 1895, + 1941; okkulter Schriftsteller und Freimaurer. Er trat in einem seiner Bücher für die Mitwirkung der Frau in der Freimaurerei ein. Es existiert seit 1924 auch der Glahn-Tarot ("Deutsches Original Tarot") mit 78 Karten, der allerdings mit dem historischen Tarot wenig zu tun hat.
Kurtzahn, Ernst, * 1879 Königsberg, + 1939 Hamburg, Schiffbau-Ingenieur und staatl. Gewerbe-Lehrer, esoterischer Schriftsteller, Freimaurer, veröffentlichte 1920 das Buch "Der Tarot, die kabbalistische Methode der Zukunftserforschung als Schlüssel zum Okkultismus" im Talisverlag Leipzig.
Papus, Pseudonym für Dr. Gérard Encausse, aus der Gascogne stammender Arzt und okkultistischer Schriftsteller in Paris, * 1865 + 1916. Er gab eine ganze Reihe kabbalistischer und rosenkreuzerischer Bücher heraus, galt als Autorität auf diesem Gebiet, war Chef der Monatsschrift "L'Initiation", leitete den modernen Martinistenorden, zu dessen Arbeiten auch Freimaurer, die mindestens den XVIII. Grad des A.A.S.R. besaßen, als Besucher zugelassen wurden. Papus schrieb auch verschiedene freimaurerische Bücher; einer regulären Loge gehörte er nicht an. Papus veröffentlichte 1889 das Buch "Le Tarot des Bohemiens - le plus ancien livre du monde".
Weinfurter, Karl, * 1867 Jicine (Böhmen), + 1942 Prag, Prager Okkultist, Mitglied der 1891 in Prag gegr. Theosophischen Gesellschaft - Loge "Loge zum blauen Stern", die meistens in der Wohnung von Gustav Meyrink oder in einem Café tagte.
Wirth, Oswald, * 1860 Brienz, + 1943, freimaurerischer Schriftsteller, Vertreter der streng esoterischen Richtung, Mitglied der Loge "Travail et Vrais Amis fidèles" (Grande Loge de France), Mitglied des Obersten Rates des A.A.S.R., Herausgeber der freimaurerischen Zeitschrift "Le Symbolisme", besonders bekannt durch Titel der französischen Originalausgabe: "Le Tarot des Imagiers du Moyen Age". In Paris war er Bibliothekar und Sekretär von Stanislaus de Guaita und verfaßte zahlreiche esoterische Grundlagenwerke.