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Der Philosoph Karl Christian Friedrich Krause

Die Entwicklungsgesetze

Dr. Siegfried Pflegerl, Breitenfurt

Soweit sich Lebewesen, Gesellschaften usw. verändern, werden und entwerden, folgen sie Entwicklungsgesetzen, die in (28) dargelegt sind. Sie können durch die folgende Zykloide dargestellt werden.


I. Hauptlebensalter (I. HLA): These

Das endliche Wesen, Gesellschaften von Wesen und deren innere Gesellschaftlichkeit sind zeitlich gesetzt und nach ihrer ganzen Selbstheit ungetrennt enthalten in der einen Selbstheit Gottes. Sie sind dabei in ungetrennter Wesensheiteinheit mit Gott und sind sich dessen nicht bewusst. Ihre Selbstheit ist nicht entgegen-gesetzt und noch nicht unterschieden in der unendlichen und unbedingten Selbstheit Gottes. Bildlich ist dies der Zustand im Mutterleib.


II. Hauptlebensalter (II. HLA): Antithese

Das endliche Wesen, Gesellschaften von Wesen und deren innere Gesellschaftlichkeit werden sich ihrer Selbstheit bewusst und zugleich setzen sie ihre Selbstheit jeder anderen Selbstheit unterscheidend entgegen. Sie setzen sich zuerst der unendlichen und unbedingten Selbstheit Gottes entgegen, ihr Eigenleben steht dann in der gegenheitlichen, entgegengesetzten und unterscheidenden Selbstheit. Dies führt zu einer Unterscheidung von allem und jedem nach außen und im Fortschritt des Lebens auch zur vernünftigen Unterscheidung in und von Gott. Bildlich ist dies der Zustand der Geburt und der Kindheit bis zur Pubertät.


III. Hauptlebensalter (III. HLA ): Synthese

In diesem Alter wird die unterscheidende Selbheit und Selbstheit als solche mit der Selbheit und Selbstheit Gottes als Urwesen und dann auch aller endlichen Wesen in Gott vereingesetzt. Die Menschen werden sich der wesenhaften Vereinigung ihres selbständigen Lebens mit dem selbständigen Leben Gottes als Urwesen und aller endlichen Wesen in Gott und durch Gott inne. Sie bemühen sich dann, soweit es in ihrem Vermögen liegt und unter Mitwirkung vor allem Gottes als Urwesen, diese Lebensvereinigung zu verwirklichen. Bildlich ist dies das vollreife Erwachsenenalter.

Jedes dieser HLA ist selbst wieder in drei Phasen gegliedert, die wiederum nach These, Antithese und Synthese bestimmt sind. Für uns von Wichtigkeit ist die Gliederung des II. HLA, in dessen verschiedenen Phasen sich die Menschen, Gesellschaften und inneren Funktionen und Systeme der Gesellschaftlichkeit sowie die Sozialsystemfaktoren derzeit befinden.


1. Phase (II. HLA, 1) - Autorität

Bevormundung oder autoritäre Einbindung des Elementes (z. B. Individuum, Gesellschaft oder Teilaspekt) in andere der gleichen oder einer anderen Art. Keine Selbständigkeit gegenüber anderen Faktoren oder gegenüber anderen Elementen der gleichen Art.


2. Phase (II. HLA, 2) - Emanzipation, Autonomisierung

Es kommt zur Autonomisierung des Faktors gegenüber allen anderen Faktoren und zu zunehmend freier Entfaltung der inneren Mannigfaltigkeit desselben. Innerhalb des gleichen Faktors erfolgt eine zunehmende Differenzierung, Verzweigung, Ausgestaltung, teilweise ohne Rücksicht auf die Nebenglieder der gleichen und anderer Arten. Die autonome Selbstentwicklung geht zumeist mit deutlicher Abgrenzung gegen Elemente der gleichen und anderer Art vor sich.


3. Phase (II. HLA, 3) - Integration

In der Phase der Integration wird versucht, den autonomen Individualismus (die autonome Differenzierung und Pluralsierung) unter zunehmender Berücksichtigung der Nebenglieder der gleichen und anderer Arten zu überwinden. Es kommt zur Bemühung um Abstimmung und Verbindung mit neben- und übergeordneten Elementen. Die Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeiten nimmt zu.


4. Phase (III. HLA) - Allsynthese und Allharmonie

In der 4. Phase erfolgt eine Allsynthese und Allharmonie aller Elemente mit allen Elementen der gleichen Art und aller anderen Arten. Es bildet sich panharmonische Gesellschaftlichkeit gemäß der Struktur und Gliederung der absoluten Essentialität nach der Grundwissenschaft.


Überschneidungen

Zwischen den verschiedenen Phasen gibt es Überschneidungen. Die Eigentümlichkeiten der einen Phase bestehen noch, während sich das Neuere bereits bildet. Es gibt daher zwischen den Phasen Überschneidungen 1. Grades in der obigen Figur.

a ist Überschneidung 1 von Phase 1 und Phase 2 (mit progressiven und reaktiven Kräften),
b ist Überschneidung 2 von Phase 2 und Phase 3 (mit progressiven und reaktiven Kräften),
c ist Überschneidung 3 von Phase 3 und Phase 4 (mit progressiven und reaktiven Kräften).
Im Weiteren gibt es Überschneidungen der Überschneidungen (2. Grad):

a mit b )
b mit c ) jeweils mit progressiven und reaktiven Kräften
a mit c )

Alle Kombinationen aller hierdurch entstehenden Evolutionsniveaus mit allen anderen sind bei einer sorgfältigen Untersuchung zu berücksichtigen.


Spezifizierung der dritten Periode des zweiten Hauptlebensalters

Hinsichtlich dieses Abschnittes, in welchem sich die einzelnen Staaten, Gruppen und Einzelmenschen derzeit überwiegend befinden, schreibt Krause in (42) aus der Sicht seiner Zeit: (Fußnote 1)

"Es beginnt echt wissenschaftliches, öffentliches Streben, darauf gerichtet, die ahnende Erkenntniss des Verhältnisses Gottes zur Welt der zweiten Periode in klares, wissenschaftliches, durchgebildetes Schauen zu verwandeln. Es wird eingesehen, dass Menschheit und Gott-als-Urwesen in einem, nicht bloss, oder vorzüglich durch einen, oder mehrere Menschen der Vorzeit vermittelten Lebenverhältniss stehen. Aber das Verhältniss von Orwesen zu Urwesen und das Verhältniss von Orwesen zu Wesengliedbau wird noch nicht erkannt. (Fußnote 3) Auch insofern erhebt sich diese Periode nicht über den Charakter des zweiten Hauptlebenalters: Entfaltung des Gegenwesentlichen als solchem in dem noch nicht wissenschaftlich erkannten Orwesentlichen. Dies gilt auch von allen neuesten deutschen Wissenschaftsystemen vor und neben dem meinigen. Es beginnt das Streben, Gott, die Welt und das Verhältniss Gottes und der Welt in eigner Einsicht, in wissenschaftlicher Erkenntniss als ewige Wahrheit zu erkennen, und alle Theile der menschlichen Bestimmung im Ganzen zu vollenden. Diese Idee, die des Ganzen im Einen, ist das Vorwaltende dieser Periode, und dabei das Streben nach Vereinigung des coordinativ Entgegengesetzten. Die Menschheit kommt zu der rein ewigen Einsicht in die Ideen und deren Befugniss, im Leben verwirklicht zu werden. Es besteht also die Ahnung der Idee des Organismus, des organischen Ganzen, zunächst in Natur und Menschheit; und dann zuerst Gottes, als in, unter und durch sich der Organismus aller endlichen Wesen seienden Wesens.

Daher wird in dieser Periode auch der erstwesentliche Charakter dieser ganzen Periode, die freie, selbständige Ausbildung alles einzelnen Menschlichen, mit Hinsicht auf das höhere und höchste Ganze, vollendet nach den leitenden Ideen des Rhythmus, der Symmetrie, des Ebenmasses; es werden nach und nach die Ideen aller Synthesen klar und anerkannt, nur fehlt noch, und zwar was das Erstwesentliche ist, die höchste und erste Grundeinsicht, das reine, ganze, gliedbauige Wesenschaun. Daher das Bestreben, alle blinde Autorität, alle auf Satzungen gegründete Gewalt in allen menschlichen Dingen zu vernichten, so im Hauswesen, in der Erziehung, im Staate, im Religionsvereine.

Da aber noch die Idee Wesens als Alles in und durch sich wesenden und lebenden (seienden) Wesens fehlt, also auch das Verhältniss des Lebens in Gott und des Geschichtlichen, Individuellen zum Ewigen und Allgemeinen nicht wissen-schaftlich gliedbaulich erkannt wird, so zeigt sich in dieser Periode ein Ueberschlagen zum Gegentheil mit dem Vorigen. d. i. ein Verkennen des eigenthümlichen Werthes des Geschichtlichen und des Bestehenden. Daher entspringt ein Streit des Idealismus mit dem Positivismus, der, praktisch geführt, Staatsrevolutionen ergiebt, ebenso Revolutionen im Gebiete der Religionsvereine und in allen menschlichen Dingen.

Von der einen Seite zeigt sich reiner Theismus, Kosmopolitismus, Philantropismus, - welche Strebungen alle an sich rein gut sind, aber nachtheilig werden durch Mangel an bestimmter, organischer, synthetischer Gestaltung der Wissenschaft von der einen Seite und von der anderen Seite aus Mangel an Sinn für das Eigenlebliche und an Lebenkunstweisheit. Daher voreiliges, gewaltsames Einreissen und dann ein übereilter Neubau, ohne die wesentlichen Grundlagen. Dawider lehnt sich rückwirkend auf der ebenso einseitige Positivismus, Stabilismus oder Historicismus mit dem Streben der Erhaltung des Bestehenden ja der Wiederherstellung des Abgelebten, gleichsam die Leichen der Vorzeit wieder ins Leben zu wecken, oder die Menschheit rückwärts leben zu lassen, wie nach den Gesetzen der Feenwelt; gleichsam das geborene Kind in den Leib der Mutter zurückweisend. (Fußnote 3)

Im Fortschreiten der menschlichen Bildung hat sich nun auch das Menschengeschlecht nicht nur um die Erde verbreitet, sondern nach dem Gesetze der vorbestimmten Harmonie ist nun auch bei den Völkern, welche die vorwaltenden Träger und Fortbildner der Kultur sind, Kenntnis der ganzen Erde, auch der Völker der Erde auf dem Erdrunde, ausgebildet, die Mittel des leiblichen und geistigen und geistleiblichen Verkehrs sind gefunden, so dass es nun möglich wird, dass die echtmenschliche Bildung sich nach und nach gleichförmig über alle Völker der Erde verbreite.

Nach den Gesetzen der Erdlandbildung aber, im Verein mit den Gesetzen der Völkerverbreitung und -vereinigung, und nach den Gesetzen der dadurch bedingten Kulturwege, ist es wesentlich, dass am Ende dieser Periode die Menschheit des Alterdlandes und deren Pflanzvölker, und unter diesen wiederum die Völker des Vereinerdlandes und deren Pflanzvölker, in der Kultur vorangehen, und dass sie zuerst vorwaltend das Amt führen, das höhere Licht und die höhere Lebenkunst den anderen Geschwistervölkern auf Erden zu überliefern, und zwar, da in dem Anfang dieses Lebenalters, wegen der Einseitigkeit der Bildung, Gewalt noch vorherrscht, anfänglich mit Gewalt, dann immer mehr auf freie und friedliche Weise und da in diesem ganzen Hauptlebenalter bereits die Religion vorwaltet, - so wird die Verbreitung des Lebens dieser Periode auch mit Ausbreitung der Religion des Einen Gottes beginnen und durch dieses Bestreben mitbestimmt sein.

Alle diejenigen, welche anfangen, das Verhältniss von Orwesen zu Urwesen, zum Wesengliedbau und zum Leben zu erkennen, also den Uebergang zu dem dritten Hauptlebenalter machen, werden von den hierzu noch unreifen Anhängern des sogenannten Rationalismus und Liberalismus "als Pantheisten" verleumdet und verfolgt, deren "Lehre" angeblich "mit dem Atheismus einstimme". (So Bouterweck, Jacobi, Schulze u. A. m. gegen Schelling, Hegel u. A.)

Aber der Fortgang auf der in dieser dritten Periode begonnenen Bahn der freien Forschung führt endlich zu der vollendeten Erkenntniss Gottes und der Welt, zu der Idee, dass Gott in und unter sich die Welt als ein Organismus ist; dass auch die Menschheit ein Organismus ist; dass die Bestimmung des Menschen und der Menschheit ein Organismus ist; dass Gott in sich das eine Leben ist, und dass das ganze Leben gottähnlich harmonisch zu bilden ist. - Und mit dieser Einsicht, mit der Einsicht in die höchste Idee, die alle Ideen umfasst, wird das dritte Hauptlebenalter der Menschheit, das harmonische Zeitalter begonnen, welches eben das Alter der Reife, das männliche und frauliche Alter der Menschheit ist. In wem, bez. in denen diese Einsicht zuerst reift, dieser ist, bez. diese sind der persönliche Anfang und Anheber des dritten Hauptlebenalters unter seinem bez. ihrem Volke, in der ganzen Menschheit. Während die Anderen noch lange im Geiste der zweiten Periode fortleben, leben diese Stifter der neuen Zeit schon lange ihr höheres Leben.

Eine Grundhandlung dieser dritten Periode des zweiten Hauptlebenalters ist, dass darin alles Einzelmenschliche auch die selbwesentliche, freie Ausbildung gewinnt und sich der Vormundschaft aller Art entzieht und so der freien Vereinigung nach oben und zur Seite entgegenreift.
Daher sich nun alle Gesellschaftsvereine, zuvörderst der Staat (welche Organisation jetzt in den gebildetsten Völkern der Erde vorwaltet), dem Religionsvereine, als vorwaltendem Obervormunde (was er in der zweiten Periode dieses zweiten Hauptlebenalters war) entziehen" (42, S. 103 f.).

"In Deutschland sind die ersten Andeutungen und Anzeichen des neuen dritten Hauptlebenalters die Systeme der Wissenschaft, welche Gott als das Absolute, als Princip der Wissenschaft setzen, unter denen Spinoza, Leibniz, Kant, Schelling, Fichte und ich, und in meinem System ist zuerst nach Spinoza Gott selbst als Princip der Wissenschaft anerkannt, im Jahre 1803, öffentlich in meiner Grundlage der Sittenlehre vom Jahre 1810, in welchem System zuerst die Idee der Menschheit organisch entwickelt worden ist; vergleiche die bis jetzt allein-stehende Schrift: Urbild der Menschheit" (42, S. 108).


Spezifizierung des Lebensalters der Reife

Für die Überwindung derzeitiger Gesellschaftsformationen in Richtung auf neue Evolutionsstufen sind vor allem die folgenden Charakterisierungen wichtig:

"Reiflebenalter, Reiflebalter, Reifleben:

Das Zeitalter der Reife, der Vollkraft, der Vollendung nach innen und nach aussen, d. h. der organischen Vollwesenheit in sich und in vollständig organischen Lebenverhältnissen nach aussen, in Vernunft, Natur und Menschheit, in und mit Gott. Vollwesentliches (synthetisches) Zeitalter (Weltalter), harmonisches oder vorzugsweise organisches Zeitalter.

1. Charakteristik:

Wenn in dem ersten Hauptlebenalter die Menschheit alle ihre Kräfte und Organe in Vereinheit mit allen höheren Ganzen des Lebens erhielt und bildete; und wenn sie selbige alle im zweiten Hauptlebenalter einzeln entfaltete und ausbildete: so zeigt die Menschheit sich im dritten, harmonischen Hauptlebenalter als ein vollwesentlicher, gleichförmig (symmetrisch und harmonisch) gebildeter Glied-bau, alles früher Entfaltete zusammennehmend, endvollgliedbauig, vollwesent-lich gestaltend als in-unter-durch Orwesen und als vereint mit Urwesen. Sie lebt als die eine, in sich selbst vollendete, gottinnige und gottvereinte Menschheit, gebildet nach der Idee des Organismus in sich, und als ein Theilorganismus mit dem Organismus des Lebens der Welt in Gott verbunden.

Das Reiflebalter (das Reifleben) enthält folgende Theil-Reiflebalter:

a) Ungegenreiflebalter (Orreiflebalter),
b) Gegenreiflebalter,
c) Vereinreiflebalter (die Menschheitlebenreife, das Menschheitreifleben). (...)

Und der Geistlebenanfang (der intellectuelle Anfang) davon ist:

Or  )    
Ant )    
Mäl )    
Om )    
Schaugliedbau oder Wissenschaftsgliedbau oder System der Wissenschaft (als vollwesentliches).

Allgemeinheit und Allumfassung der Kultur, in harmonischer Mitwirkung aller Völker; Gleichförmigkeit und Harmonie der Kultur, bei höchster, reizendschöner, harmonisch-vollständiger Eigenlebenbildung (Individualität, Nationalität).

2. Die leitende Grundeinsicht:

In dem nächstvorigen Unterlebenalter wird erkannt Gott-als-Urwesen und die Welt gedacht als unter-ausser Gott, und zwar als von Gott verursacht, im Dämmerschaun der Grundwesenheit der Ursachlichkeit. Aber nicht Gott-als-Urwesen verursacht die Welt: die Welt ist nicht durch Gott-als-Urwesen, sondern durch Gott selbst, als durch das Eine, selbe ganze Wesen, - durch Wesen, d. i. Orwesen. Im Reiflebenalter der Menschheit wird geschaut: Wesen, aber ausser Wesen nichts, auch nicht die Welt. Also wird auch eingesehen der Grundirrthum: Wesen und (nebenselbzu) Welt, sondern: Wesen! und: Wesen auch in-unter-durch Wesen die Welt; oder: Wesen als auch in-unter-durch-sich Welt wesendes und seiendes Wesen.

Die lebenleitende Grunderkenntniss dieses Hauptlebenalters ist die ganze, selbe Wesenschauung, oder: Erkenntniss Gottes, als des Einen, selben, ganzen Wesens, welches in sich der Gliedbau der Wesen ist. Und der Ausbau der einen Wissenschaft ist ein Grundwerk dieses Hauptlebenalters, und darin Philosophie der Geschichte als Theil der allgemeinen Lebenwissenschaft, daher selbst diese unsere Arbeit nicht nur im Geiste dieses dritten Hauptlebenalters ist, sondern, dieses zu begründen, mitwirkt, - als eine der unentbehrlichen, erstwesentlichen Grundlagen desselben, und zunächst die nur in der Wesenschauung und durch selbige erkennbare Wesenschauung der Menschheit, entfaltet in die Gesammtheit der Wissenschaft von der Menschheit (der Anthropologie), und zwar der gottinnigen, gottvereinten Menschheit. Also die Lehre von der Menschheit, von dem Menschheitleben und von dem Menschheitlebenvereine (dem Urlebenvereine der Menschheit). In der Idee: Wesens, als alle seine Wesen in sich seienden und als mit allen seinen Wesen vereinten Wesens, worin auch die Idee der Lebenver-einigung Gottes und der Menschheit enthalten ist, erhält der noch unbestimmte, unentfaltete Ahngedanke: des Reiches Gottes, welcher die leitende Grundidee der zweiten und der dritten Periode des zweiten Hauptlebenalters ist, seine wissenschaftliche Klarheit und innere Gestaltung.

Es wird nun anschaulich, dass die gottinnige, gottvereinte Menschheit dieser Erde ein einzelner Bürger des Einen Reiches Gottes ist, und darin wiederum jeder Einzelmensch ein organisches Theilwesen, welches ebenfalls inmit Wesen selbwesentlich, unmittelbar wesenheitvereint, auch lebvereint, ist und sein soll.

3. Beginn desselben:

Dieses Hauptlebenalter der Menschheit beginnt, sowie diese Erkenntnisse im Innersten der Wissenschaft gewonnen und gebildet worden sind und von denen, welche zuerst zu dieser Einsicht gelangen, offen verkündet werden:

a) in volkverständlichen Schriften und mündlichen Lehren und
b) in wissenschaftlicher Tiefe und Gestaltung.

4. Geist der Wirksamkeit:

Diejenigen, welche zu diesen Einsichten gelangen, gewinnen reinmenschliche und zugleich gottinnige Gesinnung, Menschheitinnigkeit und Menschheitliebe. Sie finden sich also auch verpflichtet, die leitenden Ideen des dritten Hauptlebenalters offen zu lehren, und Anleitungen zu geben, wie selbige gesellig ins Werk zu setzen sind, und wie denselben gemäss alle menschlichen Dinge

a) zu reinigen und zu veredeln,
b) jede Angelegenheit in sich, nach ihrer Idee, höher zu bilden,
c) alle unter sich in Harmonie zu setzen,
d) wie die noch fehlenden Gesellschaftsvereine gegründet, gebildet und erhalten werden (Menschheitbund, Menschheiturlebenbund, Wissenschaftbund, Kunstbund, Schönheitbund, Tugendbund, vgl. mein Urbild der Menschheit).

Der Geist dieses Wirkens zur harmonischen Vollendung der Menschheit ist:

4.1 Gottinnigkeit, reine, ganze Weseninnigkeit, die auch alle Wesen in Wesen umfasst.

4.2. Reingute und innere Gerechtigkeit, bei reiner, lauterer Offenheit. Alles offen, ohne äussere Zwinggewalt (Verschwinden der Geheimbünde, welche daher, da sie anfangs gemäss dem Gesetze des Uebergreifens der Perioden noch fortdauern, diese Lehrer der Menschheit als ihre Gegner und Feinde betrachten und verfolgen, obschon erst die, welche zu dem Geiste dieses dritten Hauptlebenalters sich aufgeschwungen haben, fähig sind, das Gute dieser Geheimvereine zu verstehen und zu würdigen, wie jene selbst zuvor es nicht vermochten, und den Geheimvereinen erst das wahre Licht über sich selbst zu geben. Dies giebt eine Reaction, die am Ende das Gute fördert;

4.3. mit echter Lebenkunstweisheit; deren Grundsätze sind:

4.3.1. alle menschliche Dinge rein und unmittelbar nach der Idee zu betrachten, zu würdigen, zu gestalten, zunächst jedes nach seiner eigenen Idee, dann in Harmonie zur ganzen Menschheit,

4.3.2. aber nach den Gesetzen der Individualität, der individuellen Lebenkunst, sodass

4.3.2.1. die Bildung stetig bleibe, so viel möglich (aber das Erfassen neuer Ideen hebt diese Stetigkeit nicht auf). Es ist selbst die discrete Stetigkeit der Ideen; nicht eine grossheitliche (quantitative), bloss extensive und intensive Stetigkeit der Kraft. Die Stetigkeit besteht aber darin, dass der ganze Gliedbau der Urbegriffe stufenweis gesetzfolglich (rhythmisch, symmetrisch, proportional und harmonisch) ins Leben eingeführt werde;

4.3.2.2. sich rein im Guten halte und doch das Bestehende, sofern es an sich gut und zeitgemäss (d. h. lebenstandgemäss) ist, beibehalte, es reinigend, veredelnd, erhebend, in Harmonie setzend, es von Stufe zu Stufe höher führend;

4.3.2.3. und dennoch auch das Gute urneu beginne, besonders das, wofür noch gar kein Anfang gemacht worden;

4.3.2.4. alles in echter Freiheit, d. h. in gesetzmässiger, reinsittlicher Thätigkeit für das ganze Gute der Menschheit und dessen ganzen Organismus gewirkt werde, dass im Geiste von Comenius' Panegersie (Allerweckung) Freiheit und Freiwilligkeit, Liebinnigkeit, Friede, reine Güte und Schönheit im ganzen Leben vorwalte, gemäss der in der Wissenschaft erkannten Wahrheit; dass dagegen auf Erden verschwinde:

Zwanggewalt jeder Art und jeden Gebietes, leibliche und geistliche; Leibeigenschaft und Rachestrafen, Abschreckungsstrafen:

blinder Satzungsglaube in jeder Art und in jedem Gebiete; und an die Stelle desselben eigne Einsicht in die Grundwahrheiten trete und den Lebensweg der Menschheit erleuchte, wodurch dann auch alles Gute aller Zeiten und Völker gewürdigt wird;

dass Hehlerei und Geheimsucht in allgemeinmenschlichen Dingen aller Arten und auf jedem Gebiete verschwinde. Wenn bis zur Gründung des dritten Hauptlebenalters geheime Vereine für das Rein- und Allgemeinmenschliche, in beginnender Ahnung der genannten Ideen, sich immer erhielten und neu entstehen mussten, so verlieren sie sich nun nach und nach in den allgemeinen Lebenverein für die ganze Bestimmung der Menschheit, welchen die vom Geiste dieses dritten Hauptlebenalters Ergriffenen, die von Gott und Menschheit Begeisterten, gemäss jenen Ideen stiften.

Ein Grundzug des dritten Hauptlebenalters ist, dass die Menschheit und der Mensch einsehen: dass auch dieses Leben auf Erden (hienieden) an sich Würde, unendlichen Selbstwerth habe und einen immer voller wesentlichen Inhalt angewinnen solle und könne; dass die Menschheit und der Mensch in der Einen, unendlichen Zeit eben die Gottheit eigendarleben solle und könne, indem sie das Wahre und das Göttlich-Gute erkennen und immer tiefer und reicher erforschen, dahin allein, zu Gott und zu dem göttlich Guten, sich in reinem Herzen hinneigen, das so erkannte und ersehnte Gute in einem reinen Willen umfassen und mit besonnener, freier Lebenkunst allaugenblicklich und jeder Zeit das Eigenlebbeste (das Beste) wählen und, in immer steigender, besonnenerer Lebenkunst in ganzem Eifer und treuer, unermüdeter Arbeit in und ausser und invereinausser sich darzuleben, streben; dass der Mensch einsieht, dass er in alle Ewigkeit nichts Anderes und nichts mehr thun kann, als eben dies, was er, im Geiste des dritten Hauptlebenalters, auch auf dieser Erde, bereits und einzig thun kann und soll. Unbenommen bleibt hierdurch, dass dieses Erdenleben auch zugleich Vorbereitung, Prüfung, Mittel höherer, gottwesenheitvollerer Lebenzustände in höheren Theilmenschheiten des Weltalls sei. - Vielmehr wird eben auch dies in der Grund-wahrheit, die die Seele dieses dritten Hauptlebenalters ist, allererst ganz und gründlich eingesehen.

Alles, was die Mysterien der verflossenen beiden Hauptlebenalter und der einzelnen Perioden derselben enthalten haben können und erwiesenermassen enthalten haben, wird von der offenen Lehre der Wissenschaft des harmonischen Zeitalters übertroffen. Freilich muss beim Anfange dieses Lebenalters noch das Innerste der Wissenschaft theilweise esoterisch bleiben, - wie die Lebenkunstweisheit lehrt. Aber, sowie die Lehre von einem Gotte, die zu Anfang der zweiten Periode des zweiten Hauptlebenalters öffentlich wurde, und eben die Lehre von der Oeffentlichkeit der Gotteserkenntniss Alles übertraf, was die Geheimvereine hegten, so auch hinsichts der Idee der gottinnigen, gottvereinten Menschheit und ihres Lebens und Lebenvereines;

4.3.2.5. dass das Gebiet und der weltbeschränkende Einfluss des Zufalls, d. i. des Glückes und Unglückes, verkleinert und verneint werde im Leibleben, im Geistleben und im Menschheitleben.
Dagegen in dem zweiten Hauptlebenalter ergibt sich die Menschheit dem Zufall (Glück oder Unglück)
als Schicksal, das unvermeidlich ist, als Glückspiel (Loosung aller Art),
als Glückspiel, das zu einem dann bescheidenen Glücke führt.
Dahin gehören alle Vorzüge der gesellschaftlichen Angeborenheit, Adel, Mannheit (vorzüglicher als Weibheit) u.s.w.

5. Erfolge:

Die Menschheit verbreitet sich nun wirklich synthetisch und organisch über die Erde; die zurückgebliebenen Völker werden wieder aufgenommen in den grossen Fortgang (Strom) der Kultur; die unterdrückten werden wieder befreit und hergestellt, die Lähmungen und Hemmungen ihres Lebens werden aufgehoben; der Krieg erlischt, sowie echt-völkerrechtliche Verfassung der Völker gewonnen wird. Auch das Leben und die Segnungen der Natur werden gleichförmiger, in allseitigem Austausch, über die ganze Erde verbreitet.

Die Wissenschaft lehrt, dass die Menschheit in diesem Lebenalter schon durch die Tiefe der Wissenschaft, noch mehr aber durch die Würde und Schönheit echtmenschlicher Gesinnung und echtmenschlichen Lebens fähig werde:

wieder aufgenommen zu werden in den innigeren Verein mit der Natur; in Hellsicht;

mittelbar mit höheren Gesellschaftsganzen des Geisterreichs und der Menschheit im Weltall;

in innigeren Eigenlebenverein mit Gott (Fußnote 4) " (42, S. 108 ff.).

* * *


Fußnoten:

  1. Ausführlicher dargestellt in (28).

  2. Vgl. (19, 2. Teil).

  3. So ist etwa festzustellen, dass auch heute die "rechten" Ideologien überwiegend Rückwärtsutopien sind, die für die Zukunft Grundrisse und Gesellschaftsformationen aus der Vergangenheit der Menschheit vorschlagen. Andererseits erkannten die extremen "linken" Utopien keineswegs den Gesamtbau in Gott (überwiegend nur die Natur), wollten gewaltsam das Bestehende einreißen, besaßen keine ausreichend konkreten Sozialentwürfe für eine Neugestaltung und beachteten nicht, dass nur friedliche und gute Mittel zur Veränderung herangezogen werden dürfen.

  4. Bewusstsein aufnehmen werde, sowie selbige in dem Gedächtniss der Menschen, welche früher gelebt haben, und im Schauen höherer Ganzen des Menschheit- und Geisterreiches und zuerst und zuhöchst im unendlichen Gedächniss Gottes aufbewahrt ist.
    Ich enthalte mich der weiteren Schilderung des Lebens der Menschheit in diesem Lebensalter,

    1. weil es eben der Lebenzustand sein wird, den ich oben den Grundzügen nach in der rein-idealen Wissenschaft geschildert habe,
    2. weil, ein gleichförmiges und vollständiges Bild davon zu entwerfen, eine weiter ausgeführte synthetische Grundlage erfordert hätte, als ich sie an sich zu geben vermochte, und als es die hier uns gesetzten Zeitgrenzen gestatten. Doch habe ich Mehreres hierüber in der Schrift: 'Urbild der Menschheit' und im 'Tagblatt des Menschheitlebens' in diesem Geiste geschrieben.
    Aber diejenigen, welche den Geist des dritten Hauptlebenalters in sich belebt haben, leben nicht nur ein Jeder für sich, sondern schliessen auch, diesem Geiste gemäss, den ganzwesentlichen Lebenverein für das ganze Leben des Menschen und der Menschheit, den Ganzlebenverein, den Menschheitbund, und darin zuoberst den Urwesen-Lebenverein (Urlebenverein) für das Leben des Menschen und der Menschheit, welcher über allen Einzelbestrebungen waltet.