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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel XLII



Meine würdigen neu aufgenommenen BBr. Meister! Drei Mal drei Schläge bilden den Schlag des Meisters und eine mögliche symbolische Bedeutung dieses Schlages werden Sie faggen, wenn Sie Ihr maurerisches Wandern und Leben nochmals an der treuen Erinnerung vorübergehen





lassen. Gedenken Sie der Stunde noch, als Sie dereinst in der Kammer des stillen Nachdenkens mit bange schlagendem Herzen und mit noch verbundenen Augen der beginnenden Aufnahme in den Maurerbund entgegenharrten? Es erschallten bald nach Ihrem Eintritte in die Kammer des stillen Nachdenkens die ersten drei maurerischen Schläge zum Zeichen, dass Sie nun die Binde lösen dürfen. Die Binde fiel; neben Ihnen stand das Gerippe des Todes und vor Ihnen lagen, Antwort fordernd, die drei inhaltschweren Fragen:

I.

Glauben Sie an das Dasein eines einigen Gottes, des Schöpfers von Himmel und Erde, der einzigen Grundursache von Allem, an seine Vorsehung. und an die Unsterblichkeit der Seele, und welche Folgerungen ziehen Sie aus diesen Glaubenssätzen?

II.

Was für Begriffe haben Sie von der Tugend und der Moral? Welche Verpflichtungen legt uns die Moral gegen Gott, gegen uns selbst und gegen unsere Mitmenschen auf?

III.

Auf welche Art glauben Sie, dass der Mensch seinen Mitmenschen am nützlichsten werden könne und auf die würdigste Weise den Zweck seiner Bestimmung erreiche?

Diese drei Fragen, gleichsam vom Tode an das Leben gestellt, seien die ersten drei Schläge des neunfachen Schlages des Maurermeisters und je öfter der Schlag ertönet, eine je bessere und lebendigere Antwort ertheilen Sie in Herz, Geist und That auf die drei Fragen. Diese drei Fragen sollen den Maurer unzertrennlich auf seiner Bahn bis zum Grabe begleiten, - ihre Lösung sei seine unausgesetzte Aufgabe, weshalb auch beim Eintritt in die höhern Grade, ja in den höchsten, immer wieder gefragt werden muss, was schon der Lehrling gefragt worden. Nur wer durch sein Leben die drei Fragen genügend be-





antwortet, ist ein wahrer Maurer, mag er die Maurerschüze tragen oder nicht.

Und zum zweiten Male erdröhnten an der Pforte des Tempels drei schwere Schläge mit der Bitte um Einlass für den Fremdling, welcher noch in der Finsterniss wandle, aber das Licht suche und daher in den Freimaurerverbund aufgenommen zu werden wünsche. Der in der Finsterniss wandernde Fremdling durfte in den Tempel eintreten und nach dem Lichte suchen; die drei Schläge hatten ihm die verschlossene Pforte des Tempels geöffnet, "denn," sagt der Lehrlingscatechismus, "begehrt, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan." Endlich rief der Meister vom Stuhle: "Es werde Licht;" die Binde sank von dem begierigen Auge und es strahlten dem Maurerlehrlinge die drei grossen Lichter der Maurerei, die Bibel, das Winkelmass und der Zirkel, d. h. die Symbole der Gottheit, der Tugend und der Menschenliebe entgegen. Die drei grossen Lichter sind die zweiten drei Schläge des neunfachen Schlages der Meister, mit ihnen sollen und können wir allein die drei Fragen beantworten.

Der Mensch erkennt, dass er auf Erden in Dunkelheit und Finsterniss lebe; er verlangt nach dem Himmelslichte, zu der Wahrheit und Reinheit. In diesem Verlangen wendet er sich an die Maurerpforte und ruft: "Ich suche das Licht, ich möchte in den Himmel eingehen; wie find' ich diese?" Er empfängt in dem Maurertempel die Antwort: "Greife zur Bibel, zum Winkelmasse und zum Zirkel, d. h. glaube an Gott, übe die Tugend und liebe den Menschen, dann wirst du das Licht finden und von ihm in den Himmel geleitet werden."

Der Lehrling und der Geselle hat der Stimme vertrauet, - er hat die Bibel, das Winkelmass und den Zirkel sich als Lichter vorleuchten lassen und emsig an dem rohen und kubischen Steine gearbeitet: aber dennoch hat er das gesuchte Licht nicht gefunden und will das Werk sich nicht in Weisheit, Stärke und Schönheit vollenden. Jetzt klopft der Geselle mit verdoppelten Schlägen an die Pforte seiner Loge und bittet um endliche Ertheilung des Lichtes, um Aufnahme unter die Meister. Der Meister vom Stuhl





verspricht, den Wunsch zu erfüllen, und ertheilt dem Maurergesellen drei Schläge auf die Schultern und die Stirne, dass er als Leichnam in den Sarg zurückstürzt und die Grabesnacht ihn umhüllt. Die drei letzten Schläge des neunfaehen Meisterschlages führen zum Tode, aber auch zur Erkenntniss, zum Lichte. Das Licht, welches wir auf Erden suchen, finden wir erst im Tode und durch den Tod; die rechte Antwort auf die drei Fragen, welche in der Kammer des stillen Nachdenkens der Todte dem Lebendigen zu stellen scheint, gibt allein unser Sterben, das Grab, das Jenseits. Wir werden im Grabe das Licht erschauen, wenn wirklich die drei grossen Lichter der Bibel, des Winkelmasses und des Zirkels unser Leben erleuchtet, - wenn wir Gott nicht verlassen haben, wenn wir tugendhaft gewesen sind und liebend die Menschheit umschlungen haben. Das Grab ist das Gericht des Gesellen; dort wird er das Licht erhalten, welches er sich selbst mit der Bibel, mit dem Winkelmasse und dem Zirkel gesucht und gesammelt hat. Nicht der Meister vom Stuhl kann das Licht verleihen, der Maurer muss es sich selbst erringen; er muss durch ein lichtvolles Leben in das Grab hinabsteigen und Gott wird dann aus dem Grabe ihn zu dem Lichte emporrufen. Im Grabe soll die Antwort auf die drei Fragen das ewige Leben, die Wiederauferstehung zu dem Leben sein, welche Denen nicht fehlen werden, die von der Bibel, dem Winkelmasse und dem Zirkel zu Grabe begleitet worden sind. Der neunfache Meisterschlag bedeutet den durch die Bibel, das Winkelmass und den Zirkel in den Tod und das Licht eingehenden Maurer. - Meine würdigen neu aufgenommenen BBr.! Zwei grosse Lehren verkündet der Meisterschlag, möchten dieselben niemals von Ihnen vergessen werden. Er lehret zuerst: Lebe, um zu sterben, d. h. lebe so, dass du den Tod nicht zu fürchten hast, - dass du jeden Augenblick die tödtlichen drei Schläge empfangen und vor dem ewigen Meister erscheinen darfst. Im reichsten Leben gedenken Sie des Todes, damit das Leben sich des Todes nicht zu schämen habe, - damit der Meistertod der Lohn des Lehrlings- und Gesellenlebens sei. Eilen Sie, das Leben zu gebrauchen, sonst könnte der Tod kommen, ehe Sie gelebt haben.





Leben Sie ein unsterbliches Leben, dann wird nur der Leib in Staub und Asche zerfallen.

Der Meisterschlag ruft aber auch: Stirb, um zu leben, d. h. lege alles Unvollkommene und Schlechte ab, wirf zurück das Irdische und Sterbliche, werde Licht und unsterblich. Nur Deponens aliena, ascendit unus! Das wahre Denkmal des Meisters, welches er sich selber setzet, soll sein aus dem Grabe sich erhebender, reiner und unsterblicher Geist sein. Ein indischer Brahmane singt:

Nichts Besseres kann der Mensch hienieden thun als treten
Äus sich und aus der Welt und auf zum Himmel beten.
Es sollen ein Gebet die Worte nicht allein,
Es sollen ein Gebet auch die Gedanken sein.
Es sollen ein Gebet die Werke auch,
Damit das Leben rein aufgeh' in einem Hauch.