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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel XLIV



In dem von Krause als das älteste bezeichneten englischen Lehrlingsfragstücke wird der salomonische Tempel als solcher nur ein einziges Mal symbolisch erwähnt, indem darin in der Antwort auf die 71ste Frage, als der zweite Grund, weshalb drei Mitglieder eine Loge ausmachen, angegeben wird, weil drei grosse Maurer bei dem Baue des salomonischen Tempels waren. Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 200 Anm. 90, folgert hieraus, dass man im Geiste des alten Rituals den salomonischen Tempel nicht als ein maurerisches Grundsymbol anerkennen könne; den Bau der Menschheit als den Bau des salomonischen Tempels vorzustellen, halte die Prüfung der Vernunft und des Schönheitssinnes nicht aus. Dagegen meint Gädicke, Freimaurer-Lexikon unter "Salomonischer Tempel" mit Recht, dieser sei den Freimaurern als Symbol sehr bedeutend, da er zu seiner Zeit für das regelmässigste und prachtvollste Gebäude gegolten habe. Obwohl der hier von Gädicke angegebene Grund nicht historisch zutreffend, bleibt dennoch der salomonische Tempel ein unumgänglich zu erörterndes Symbol theils an und für sich, theils weil er einerseits durch seine Symbolik, wie die beiden Säulen Jakin und Boaz, den 7armigen Leuchter, die Drei- und die Zwölfzahl u. s. w., andererseits durch seinen phönicischen Baumeister Hiram aus dem Stamme Napthali oder nach einer andern Sage Dan und dessen mythische Leidens- und Sterbensgeschichte tief in die maurerische Symbolik hineingreift. In diesem Sinne bemerkt auch Mossdorf in der Encyklopädie unter "Salomo's Tempel", dieser sei ein Hauptgegenstand in den neueren maurerischen Ritualen, weshalb jeder Freimaurer dessen Entstehung, Bauart, Bestimmung u. s. w. genau kennen sollte, um die Allegorie der ihm in dieser Beziehung sich darbietenden Symbole leichter zu erfassen; allerdings sei er in dem altenglischen Rituale kein Symbol, jedoch sei die Vergeistigung desselben in und ausserhalb der Freimaurerbrüderschaft sehr alt, womit dann auch wörtlich Krause,





a. a. O., I. 2. S. 464, übereinstimmt und wofür er Mehreres anführt, sowie S. 138 ff.

Bezüglich der bildlichen Vorstellungen, welche man sich von dem salomonischen Tempelbaue und den darin und dabei angewandten Geräthen macht, muss zunächst auf ältere Ausgaben der Bibel, des alten und des neuen Testamentes, z. B. auf die zu Basel im J. 1729 mit einer Vorrede des zürcherischen Professors Job. Jac. Ulrich, verwiesen werden. Sodann befindet sich in dem Kunstkabinette zu Dresden ein Modell des salomonischen Tempels, aus Cedernholz, welches nach der Beschreibung davon im alten Testamente und in andern berühmten Schriftstellern gemacht ist und 12,000 Kronen gekostet hat. Es stellt die Bundeslade, das Sanctum Sanctorum , die Opferungen und alle andern Gebräuche des mosaischen Gesetzes vor. 1) Unter den neueren Bildwerken möchte besonders Kopp, der Tempel Salomo's, neue Ausgabe Stuttgart 1839, zu empfehlen sein. Neben der architektonischen Vorstellung, die Kopp, gestützt auf die Bibelübersetzung von Augusti und de Wette sich selbst von dem salomonischen Tempel macht, theilt er noch diejenigen von Fr. v. Meyer, 2) Hirt 3) und Stieglitz 4) mit, welche, wie es auch Grüneisen in seiner Revision und Kritik im Kunstblatte zum Morgenblatte für 1831 Nr. 73 ff. ausgeführt hat, von den ältern Tempeldarstellungen allein eine nähere Beachtung verdienen. Neben den allgemeinen hierher gehörigen Werken von Kugler, Schnaase, 5) Braun und Semper ist sodann besonders hervorzuheben und wird im Nachfolgenden vorzüglich berücksichtigt werden: Baehr, der salomonische Tempel, Karlsruhe 1848. Bei Baehr, S. 11 ff., wird die frühere Literatur über den salomonischen Tempel genannt und besprochen. Sehr verdienstlich in architektonischer Beziehung, während Baehr besonders die theologisch-religiöse oder symbolische Seite des salomonischen Tempels




    1) Lenning, Encyklopädie, III. S. 303 Anm.
    2) Der Tempel Salomo's, Berlin 1830.
    3) Der Tempel Salomo's, Berlin 1809.
    4) Geschichte der Baukunst, Nürnberg 1827.
    5) Geschichte der bildenden Künste, I. S. 242 - 246 u. S. 264 - 286.



127 behandelt, ist Keil der Tempel Salomo's, eine archäolo gische Untersuchung, Dorpat 1839, - und Merz, Bemerkungen über den Tempel Salomo's, im Kunstblatt für 1844 Nr. 97 - 102. Endlich ist noch zu nennen die Planographie von Jerusalem von Dr. Titus Tobler, Gotha 1857, und der Plan der Stadt Jerusalem von Van de Velde, Gotha 1858.

Das jüdische Volk hatte, wie nur Einen Gott, so auch nur Ein Gotteshaus, niemals mehrere zugleich. 1) Die sogenannte Stiftahütte war das erste, auf sie folgte der von Salomo erbaute Tempel, hierauf der Serubabel'sche und zuletzt der Herodianische Tempel. Die Stiftshütte war nur ein bewegliches Zeit, wie das aus Aegypten nach dem ihm von Jehova verhiessenen Lande der Väter ausziehende und wandernde Volk der Israeliten noch kein anderes Gotteshaus haben konnte. Salomo zuerst bauete Gott ein festes Haus, was nach der bleibenden Eroberung von fast ganz Kanaan schon König David hatte thun wollen und wozu dieser viele Baumaterialien und einen grossen Schatz zur Bestreitung der Kosten seinem Sohne Salomo hinterlassen haben soll. 2) Der um das J. 1014 begonnene, in sieben Jahren vollendete und aus behauenen oder aus Quadersteinen erbaute salomonische Tempel bestand aus dem eigentlichen Tempel mit dem Allerheiligsten darin als dem Symbole der Wohnung Gottes und den beiden grossen, sich einander umschliessenden Vorhöfen, zunächst dem innern und kleineren Vorhofe für die Priester und sodann dem äussern und grössern Vorhofe für das Volk. Der ganze, mit seinen beiden Vorhöfen die Wohnung Gottes und die Wohnung des Volkes mit seinen Priestern umfassende Tempel war also gleich der frühern Stiftshütte, welche dabei wesentlich und in allen Theilen zum Vorbilde genommen worden war, das Symbol des Bundes zwischen dem einzigen und allmächtigen Jehova und seinem auserwählten Volke Israel, zwischen Gott und der (auserwählten) Menschheit, zwischen Himmel und Erde, zwischen dem Unsichtbaren und Sichtbaren; Jehova sollte




    1) Baehr, S. 1 ff.
    2) Gädicke, a. a. O.; Lenning, Encykl., III, S. 299 u. 301.



bei seinem Volke wohnen, in seine Mitte herabsteigen und das Volk sollte bei Gott wohnen, Jehova allein anbeten und lobpreisen, sich ihm ganz weihen, sich und sein Leben heiligen. Von dem salomonischen Tempel gilt in dieser Hinsicht, was dem Johannes, da er in seiner Vision 21, 3 das himmlische Jerusalem, die neue heilige Stadt erblickt, durch eine starke Stimme aus dem Himmel zugerufen wird: "Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk und er Gott selbst wird bei ihnen sein ihr Gott." - Ebenso spricht Jehova bei Ezechiel 37, 26: "Ich schliesse mit ihnen einen Bund des Friedens, ein ewiger Bund soll mit ihnen sein. Und ich setze sie fest und wahre sie und lasse mein Heiligthum in ihrer Mitte bleiben ewiglich. Und meine Wohnung soll bei ihnen sein und sie sollen mein Volk sein." - Im Buche der Könige I. 6, 13 verheisst Jehova dem David: "Und ich will unter den Kindern Israels wohnen und will mein Volk Israel nicht verlassen." Der salomonische Tempel ist daher das Symbol, das Pfand, das heilige Palladium des Bundes zwischen Gott und dem Volke Israel; er ist bis auf seinen kleinsten Theil der vollkommenste Ausdruck des Gottesbegriffes, der reineren und höheren Gottesanschauung der Israeliten. Das feste Gotteshaus im Gegensatze zu dem beweglichen Zelte der Wanderung ist zugleich ein Dankes- und Ruhmesdenkmal der bewährten Treue und der erfüllten Verheissungen Jehova's, der seinem Volke das Land geschenkt, welches er ihm beim Auszuge aus Aegypten gelobt hatte. Die Israeliten erbauten Gott ein Haus in dem ihnen verliehenen Lande, um dankbar und jubelnd zu bekennen, dass sie an den Einzigen Gott als Führer und Beschützer glauben und unverbrüchlich seine Gebote erfüllen wollen, wie er sein Wort gehalten hatte, weshalb auch die Gebote Gottes, die Tafeln mit den zehn Geboten den einzigen Inhalt der Bundeslade, des Allerheiligsten ausmachten. Die Israeliten sollten und wollten nur in Gott leben, göttlich denken und handeln; der salomonische Tempel sollte die Israeliten auf den Weg und in das Reich Gottes führen und so lange sie auf diesem Wege wandeln, auch ihr Wohl und Glück hienieden begründen und erhalten. Wie bei keinem andern Volke





des Alterthums und der ganzen Erde umfasst und vereinigt der jüdische Tempel das innere und äussere Sein, den Glauben und das Thun, die Grösse und den Untergang, den Himmel und die Hölle des jüdischen Volkes. Die Geschichte des jüdischen Tempels ist nicht allein die Geschichte eines weltgeschichtlichen Volkes, sondern an ihn knüpft sich auch die ganze Geschichte der neuern Menschheit, der Christenheit an, weil von dort und von Jerusalem die Boten und Verkündiger Christi nach allen Ländern hinauszogen und um die Wiedereroberung und den Besitz der heiligen Stadt und des heiligen Landes im Mittelalter Jahrhunderte lang weltgestaltende Kämpfe gekämpft wurden, wie sie vielleicht bald wieder gekämpft werden. Nicht als Kunstwerk, in welcher Beziehung die griechischen und selbst die römischen Göttertempel den salomonischen weit übertreffen, aber als religions-geschichtliches Werk, als Symbol eines erhabenen Gottesbegriffes und Gottesbewusstseins darf der salomonische Tempel das wichtigste und bedeutendste Heiligthum des gesammten vorchristlichen Alterthums genannt werden. In dem salomonischen Tempel culminirt die Idee eines israelischen Gotteshauses und der spätere Serubabel'sche und Herodianische Tempel sind nur unvollkommene Nachbildungen desselben; wie die Stiftshütte nach dem salomonischen Tempel als nach ihrem Ziele hindeutet und hinstrebet, weisen auf ihn der Serubabel'sche und Herodianische Tempel als das vergangene und nicht mehr erreichbare Schönere zurück. 1) Mit seinem Tempel im J. 73 nach Christus stürzte auch das jüdische Volk zusammen und ward in alle Länder und unter alle Völker zerstreut, ohne jemals wieder eine Wohnung Johova's erbauet und gehabt zu haben.

Das salomonische Tempelgebäude lag im Westen von Jerusalem auf dem Berge Moria, Moriah oder Morijah 2)




    1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 411 ff.
    2 ) Vergl. Lenning's Encyklopädie unter Moriah, welches Wort in den höhern Graden der Maurerei ein bedeutendes ist. Nach Comenius soll Moriah das Anschauen Gottes bedeuten, worüber Krause, a. a. O., I. 2. S. 140, zu vergleichen ist. Der Berg Moriah liegt auf der westlichen Seite des Kidronthales und gegenüber den



und hatte nach Keil's ungefährer Berechnung im Ganzen einen Umfang von 900 Quadratellen. Ueber die Grösse der EIle, nach welcher der salomonische Tempel und seine Geräthe gemessen sind, herrschen bis zur Stunde verschiedene Ansichten; jedoch berechtigt die eben so gründliche als scharfsinnige Abhandlung von Thenius über die althebräischen Längen- und Hohlmasse (in den Studien und Kritiken von Ullmann und Umbreit, Heft 1, S. 73 - 114), zu der Annahme, dass die alte sechspalmige Elle der Hebräer 1 Fuss 6 Zoll rhein.- oder 1 Fuss 5 Zoll Pariser Masses betragen habe. 1) Um für das weite Tempelgebäude auf dem Berge Moria die nöthige Fläche zu gewinnen, waren Untermauerungen oder Substructionen erforderlich nach Baehr's Vermuthung, S. 22, aber nur auf der Ostseite, wo eine starke Mauer aufgeführt ward. Nach Lundius, jüdische Heiligthümer, II. Cap. 5, und nach Andern wäre, weil der Berg Moria an drei Seiten, gegen Morgen, Mittag und Mitternacht tiefe Thäler gehabt, derselbe an diesen Seiten mit dicken Mauern und Pfeilern eingefasst worden, so dass der Tempel auf der höchsten Ebene und die Vorhöfe auf den Abhängen des Berges gelegen hätten und man auf Treppen von einem Vorhofe zum andern und aus dem letzten Vorhofe zum Tempel habe aufsteigen müssen. Nach Semper, der Stil, I. S. 399, waren die Substructionen des salomonischen Tempels nach demselben Prinzipe ausgeführt, das wir an den assyrischen Substructionen wahrnehmen; sie waren gleichsam ein Gewebe von Quadermauern, die in Zwischenräumen theils parallel neben einander liefen, theils einander durchkreuzten. Ihre Intervallen waren zur Verstärkung der Masse mit Schutt ausgefüllt mit Ausnahme einiger von ihnen, die als gewölbte unterirdische Passagen oder zu anderen Zwecken offen blieben. Das Ganze habe ein sogenanntes Kästelgemäuer gebildet. Das eigentliche Mauerwerk diente nämlich nur zur Bekleidung und zur Vertheilung des Drucks der Erdmassen, die den Hauptbestandtheil der "moles" bilden; eine tra-




Gräbern Jehoshaphat, Absalon und Zechariah, hart an der heutigen Stadtmauer und in der Nähe des Stephanthores.
    1) Baehr, S. 23, Anm.



ditionelle Constructionsmethode asiatischen Ursprungs, welche die Römer, als die treuen Wahrer und Wiederhersteller asiatischer Technik, bei ihren Quaderwerken stets befolgten.

Was die Gestalt des Tempels in Hinsicht des Baustyls an sich betrifft, so nöthigt nach Kopp der Mangel irgend einer schriftlichen Nachricht oder eines damaligen israelitisehen oder phönicischen Baudenkmals, den Baustyl der Aegypter als dem damaligen allgemeinen Stand der Baukunst überhaupt entsprechend und mit welchem Volke ohnedem die Israeliten früher in Berührung gekommen waren, in Anwendung zu bringen; obwohl hierbei auch die mehr eigenthümliche Bauweise der phönicischen Werk- und Baumeister des Tempels bei den verschiedenen Holz- und Metallbekleidungen eine nähere Berücksichtigung und Anwendung verlange. Hirt legte dem Tempel den klassisch-antiken, griechisch-römischen Charakter bei. Stieglitz betrachtet den salomonischen Tempel als das Product einer Vermischung phönicischer und ägyptischer Architektur. 1) Villalpando (+ 1608) und seine Nachfolger construirten den salomonischen Tempel mit Hülfe des Vitruv als einen ungeheuren Palast im römisch-griechischen Styl mit korinthischen Säulen, dass, wie Baehr, S. 13, sich ausdrückt, das entworfene Bild dem orientalischen Bau so wenig gleicht als die Nacht dem Tage. Nach Gädike soll dann dieser Tempel 1500 Säulen von dem schönsten Marmor und noch zweimal so viel Pfeiler, welche die Altäre, Chöre und Verdecke unterstützten, gehabt haben; zur Erleuchtung seien gegen dritthalbtausend Fenster vorhanden gewesen, diejenigen ungerechnet, die sich auf dem Estrich befanden. ln einem englischen Werke (von Noorthouk) heisst es gar: "Das Ganze schmückten 1453 Säulen von parischem Marmor, die entweder gewunden, oder geschnitzt, oder schneckenförmig ausgehöhlet waren, nebst 2906 mit prachtvollen Capitälen (Knäufen) verzierten Pfeilern und ungefähr doppelt sovielen Fenstern, ohne das zierliche Estrich in Anschlag zu bringen." 2) - Solchen




    1) Stieglitz, Geschichte der Baukunst, S. 125 und S. 136.
    2) Lenning, Encyklopädie, III. S. 302 b.



phantastischen und unsalomonischen Darstellungen gemäss hat z. B. auf der Tempelabbildung in der Basler Bibel der Tempel, welcher ganz aus weissen Marmorsteinen vom Berge Libanon gebauet, eine 120 Ellen hohe, vierstöckige Vorhalle, die obersten Stockwerke mit je zwei Reihen Fenster; ebenso soll über dem Tempel selbst ein grosser Saal mit zwei Reihen von Fenstern sich befunden haben, dass dieses Gebäude kein Mensch für den salomonischen Tempel halten würde, wenn es nicht ausdrücklich sich bemerkt fände. Auch befand sich am ganzen salomonischen Tempel mit Ausnahme der beiden aus Erz gegossenen Säulen Jakin und Boaz nicht Eine Säule. 1) Mit Hinsicht auf den letztern Umstand, ferner auf die Verwendung des Holzes und der Metalle beim salomonischen Tempelbau, sowie überhaupt den ganzen Grundplan desselben, seine Einrichtung und Ausführung hat daher Baehr, S. 239 ff., sich mit Kugler unbedingt dagegen ausgesprochen, dass die ägyptische Architektur bei dem salomonischen Tempelbau irgendwie zum Vorbilde gedient habe, vielmehr sei dieser Tempelbau specifisch davon verschieden und weise auf asiatische Architektur hin. Ebenso erklärt es, S. 260, unten, Baehr für völlig unhaltbar, dass der salomonische Tempel ein Product der phönicischen Tempelarchitektur gewesen sei, da die nur Handel treibenden Phönicier niemals eine grossartige heilige Architektur entwickelt und besessen haben; von dem Volke der Phönicier, welches in der Architektur gegen andere alte Völker, besonders aber gegen die Aegypter, so weit zurückstanden, könne Salomo unmöglich den Plan und Grundriss des Tempels entlehnt haben, der der einzige in Israel war und zugleich ein Denkmal der Grösse und der Herrlichkeit des Reiches sein sollte; die Phönicier erscheinen blos als die geschicktesten Werkmeister und Ausführer des Baues, wozu David oder Salomo den Plan und Grundriss entworfen; so werde insbesondere I. Könige 7, 13 von Hiram gesagt: "Hiram war voll Einsicht und Kunde, zu machen allerlei Werke in Erz. und er kam zu Salomo und machte alle seine (d. i. Salomo's) Werke," wie auch zu dem Sommerpalaste des




    1) Baehr. S. 248.



persischen Königs zu Ekbatana und zu dem grossen Palaste zu Persepolis ägyptische Künstler, Techniker verwandt worden sein sollen, obwohl sich an beiden Palästen sonst Nichts von ägyptischer Architektur finde: der von David dem Salomo überlieferte Plan des Tempels sei kein anderer als derjenige der Stiftshütte gewesen, der nur insoferne eine Abänderung erlitten, als statt des Zeltes nun ein Haus gebauet werden sollte. Braun, Geschichte der Kunsti I. S. 403 ff., glaubt den salomonischen Tempelbau, besonders auch seine Vergoldung und seinen Vorhang mit den Cherubin oder Wunderthieren aus assyrisch-persischen Formen, sollte wohl geschichtlicher heissen assyrisch-phönicischen, erklären zu können. 1)

Der eigentliche Tempel Salomos war ein längliches Viereck und hatte eine Länge von 60 Ellen, eine Breite von 20 Ellen und eine Höhe von vermuthlich gleichfalls 20 Ellen; mit diesen Massen würde sich der salomonische Tempel einfach als die verdoppelte oder in allen Theilen um einmal vergrösserte Stiftshütte darstellen. Einige, wie z. B. Kopp und Schnaase, ertheilen dem ganzen salomonischen Tempel wegen der Stelle im I. Buche der Könige 6, 2 eine Höhe von 30 Ellen, was aber wegen des alsdann über dem Allerheiligsten, wenn dasselbe wirklich mit dem Heiligen gleich hoch und nicht etwa nach Br. Stieglitz und Grüneisen, sowie Braun (I. S. 405) 10 Ellen niedriger als dasselbe gewesen, entstehenden, völlig unbegreiflichen, leeren und überflüssigen Raumes von 10 Ellen nicht gebilligt werden kann. 2) In der erwähnten Basler Bibel wird das Verhältniss des Allerheiligsten zu dem Heiligen, welchen beiden die Höhe von 30 Ellen ertheilt wird, also gedacht: "Die Scheidewand, die zwischen dem Heiligen und Allerheiligsten stand, war 10 Ellen niedriger als die übrigen Wände, und nach 1. Könige 6, 20 nur 20 Ellen hoch und war aus eine Elle dicken, cedernen aneinander gefügten Balken verfertigt, welche Balken durch starke dicke goldene Stangen oder Riegel (l. Könige 6, 21), die mitten durch die Balken gingen, von einem Ende zum an-




    1) Vergl. auch Baehr, S. 108.
    2) Vergl, Baehr, S. 28 ff.



dern, zusammengehalten wurden und übrigens mit Gold überzogen waren wie die andern Wände. Oben über dieser Wand soll nach der Hebräer Anmerkungen zu Il. Chronik, 3, 16 bis an die Decke hinauf ein ganz goldenes Netz-, Gitter- oder Strickwerk, hin und wieder mit Edelsteinen besetzt, gewesen sein, damit der Geruch des Rauchwerks dahin in das Allerheiligste dringen könne." - Aehnlich ist auch die neuere Auffassung von Keil, Hirt und Kopp, sowie mit einer kleinen Abänderung von Schnaase (a. a. O., I. S. 273).

Die Vorderseite oder der Eingang des Tempels war nach Osten gekehrt, so dass das Allerheiligste nach Westen lag, während sonst fast allgemein und namentlich auch in den christlichen Kirchen das Allerheiligste, die Bildnisse der Götter, die Altäre im Osten standen, weil das Licht als aus Osten kommend und die Götter als im Osten wohnend gedacht wurden. Diese etwas auffallende Eigenthümlichkeit des salomonischen Tempels war vielleicht durch die Beschaffenheit des zu dem Tempelbaue benutzten Bergraumes bedingt, welcher zu dem auf der höchsten Bergeshöhe anzulegenden Tempel nur von der östlichen Seite her einen bequemen und natürlichen Zugang dargeboten haben mochte.

Der salomonische Tempel hatte vermuthlich nach der Art des Orients ein flaches Dach, welches aus Cedernbalken bestand und mit Brettern von Cedernholz im Innern verkleidet, aussen aber mit einer Brustwehr versehen war. Andere, wie besonders Br. Stieglitz und Hirt nehmen ein giebelförmiges Dach an, ähnlich wie bei den griechischen Tempeln. Mit Lundius gibt auch die Basler Bibelausgabe sowohl der Vorhalle, als dem eigentlichen Tempel ein giebelförmiges, in der Mitte etwa vier Ellen hohes und überall mit Gold überzogenes Dach, von welchen Dächern das Wasser in einer Röhre abgeflossen sei. Bei Kopp heisst es in dieser Beziehung wörtlich:

"Hinsichtlich der Tempelbedeckung sagt I. Könige 6, 9: "und er wölbete das Haus mit Tafelwerk von Cedern." Wenn nun auch das Wölben hier mehr als eine Redefigur anzunehmen sein dürfte, obwohl den phönicischen Werkmeistern schon vermöge ihrer Kenntnisse im





Schiffbau ein Biegen oder ein wölbeförmiges Zusammensetzen des Holzes im Allgemeinen nicht abzusprechen ist, so lässt sich dagegen wohl eher annehmen, dass diese Bedachung an sich möglichst einfach, selbst, nach jetziger Ansicht, holzverschwendend verbunden und, um dem Gebäude ein morgenländisches, auch ein der Stiftshütte mehr gleichendes Ansehen zu lassen, nicht, wie es Hirt und Stieglitz annimmt, mit einem erhöhten Dach, sondern nach Meyer in ganz flacher Form ausgeführt war. Demnach habe ich die Decke aus Balken an Balken, welche mit Döbeln unter sich verbunden, zusammengesetzt, worauf dann oberhalb andere, nach den Enden zu abgesehrägte Balken, theils zur Verstärkung der Tragkraft der Decke, theils zur Formirung der Dachflächen gelegt und die letztern selbst aus Metallplatten gedacht sind. Bei dieser Construction würde auch der I. Könige 6, 15 mit vorkommende Ausdruck: "bis an die Wände der Decke" in Anwendung treten, weil eine solche Decke, auf dieselbe Weise wie die innern Tempelwände oder die Wände der Stiftshütte verbunden, gleichsam eine liegende Wand bildete und leicht die Anbringung von Schnitzwerk ohne, oder, da selbst der Fussboden mit Gold überzogen war, mit einem Ueberzug von Gold zuliess."

Nicht blos die Decke des Tempels, sondern auch die sämmtlichen innern Wände waren ganz mit Brettern von Cedernholz, auf welchen Cherubim, Palmen und Blumen ausgeschnitten waren, gedeckt oder getäfelt; auch der Fussboden des Tempels war mit Brettern von Cypressenholz belegt und ebenso waren die Thürpfosten und die Thüren von verschiedenartigem, durch seine Härte und Dauerhaftigkeit sich auszeichnendem Holze und gleich den Wänden und der Decke mit Schnitzwerk geziert. Der Salomonische Tempel war mithin im Innern ein durchaus hölzernes Gebäude und nur die äussern Umfassungsmauern dieses Gebäudes waren von Stein oder aus Quadern, von weissem Steine oder Marmor ( 1), um das Holz vor Zerstörung zu schützen. Daher wird




    1) Semper, der Stil, I. S. 402.



auch in dem Buche der Könige I. 6, 18 gesagt: "Inwendig aber war das ganze Haus von Cedern, mit gedrehten Knöpfen und ausgestochenem Blumenwerk, alles war Cedern, also dass man keine Steine sah." Die innern Holzwände mit den Figuren darauf waren sodann sämmtlich mit Goldblech überzogen, durch welchen Goldüberzug die Figuren keineswegs verdeckt waren, vielmehr deutlich hervortraten. 1) Nach der ihn in übertriebener und krankhafter Weise beherrschenden Inkrustationsidee war übrigens gemäss Semper auch das Aeussere des salomonischen Tempels, wie das Innere, mit Holz getäfelt und in Folge dessen mit reichem Goldschmuck geziert, wofür er sich auf I. Könige 6, 29 - 30 und II. Chronik 3, 5 - 6 glaubt berufen zu können und wobei er Kugler tadelt, dass er in seiner Geschichte der Baukunst, I. S. 125 ff., auf die diesfälligen Nachrichten des Josephus gar keine Rücksicht nehme. Dennoch hat Kugler ganz den Kunstgeschmack für sich, wenn er nicht glaubt, dass Salomo einen Tempel von kostbarem Marmor erbauet habe, um diesen herrlichen und natürlichen Schmuck weder im Aeussern noch im Innern den Augen bloszulegen. Uebrigens hatten schon Michaelis, Stieglitz, Grüneisen und Schnaase (l. S. 266 ff.) ähnliche Ansichten wie Semper aufgestellt und vertheidigt, wogegen sich mit aller Entschiedenheit auch Baehr, Seite 25 ff., ausspricht.

Der eigentliche oder innere Tempel zerfiel in zwei Haupttheile, in das Heilige (cella) im östlichen Vordergrunde mit einer Länge von 40 Ellen und in das Allerheiligste (sanctuarium) im westlichen Hintergrunde mit einer Länge von 20 Ellen. Das jedenfalls fensterlose, somit dunkele und verborgene, unsichtbare Allerheiligste bildete, wie schon in der Stiftshütte, einen vollkommenen Cubus, war eine Kaaba oder ein Viereck von gleicher Länge, Höhe und Breite, indem der Cubus das Symbol der Welt, der Loge und des Tempels und die Welt, die Loge, der Tempel die Wohnung Gottes ist. Das Allerheiligste des salomonischen Tempels, der Tempel im eng-




    1) Baehr, S. 24 und S.108 ff.; Kopp, S. 2; I. Könige 6, 21 ff.; Semper, der Stil, I. S. 402.



sten und höchsten Sinne ist nichts Anderes als das sichtbare Symbol und Bild der Schöpfung des unsichtbaren Schöpfers, des Ewigen, - das oder ein Gotteshaus, Bêth'el; der Begriff dieses Gotteshauses, des Allerheiligsten, ist der beherrschende und bestimmende Grundgedanke des salomonischen Tempelbaues, der Grundcubus und das Grundquadrat, von welchem alle übrigen Theile des Gebäudes ausgehen und wohin sie wieder zurückkehren; er ist gleichsam der Mittelpunkt in dem Tempelkreise. Der 60 Ellen lange salomonische Tempel hatte dreimal die Länge des ihm zu Grunde liegenden Cubus, welche Dreizahl ohne allen Zweifel eine symbolische Beziehung hat auf Jehovah oder den Gott, der da ist, da war und da sein wird, - auf Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, durch welche Bedeutung der dreitheilige Tempelbau sich mit dem Symbole der beiden vor dem Tempel aufgestellt gewesenen Säulen Jakin und Boaz berühren würde. Das Heilige, somit der Tempel hatte eine nach Vornen offene, jedoch bedeckte Vorhalle von 20 Ellen Breite (nach der Breite des Hauses), 10 Ellen Tiefe und höchst bestrittener Höhe; möglicher, aber nicht wahrscheinlicher Weise ragte die Vorhalle durch ihre grössere Höhe gleich einem Thurme über den übrigen Tempelbau empor, über das Mass dieses höheren Emporragens jedoch gehen die Meinungen auseinander. Dass die Vorhalle nicht, wie Il. Chronik 3, 3 angegeben wird, die ganz unförmige Höhe von 120 Ellen gehabt habe, darüber sind die Neuern ziemlich allgemein einverstanden, Z. B. Baehr, S. 35, Keil; Hirt, Meyer, Kopp; nur Stieglitz wollte die Halle nach Art der ägyptischen Pylonen in zwei thurmähnlichen Vorbauen sich bis zur Höhe von 60 Ellen erheben lassen, welche zweimal 60 Ellen die 120 Ellen der Chronik ausmachen sollen. Kopp und Schnaase lassen die Vorhalle den Tempel gar nicht überragen. Braun, a. a. O., I. S. 404, glaubt, dass die Vorhalle, dem Uebrigen entsprechend, einige 20 Ellen hoch werden dürfte; nach Baehr vielleicht 30. Diese Vorhalle bestand nach Merz aus einer aus drei Steinschichten aufgeführten, jedenfalls vier Ellen hohen Grundmauer, auf welcher senkrechte Cedernbalken mit einem Dache von





Cedernholz ruhten, 1) welche Ansicht im Wesentlichen auch Baehr, S. 40, theilt. Die Vorhalle war kein wesentlicher Bestandtheil des Tempels, 2) nicht einmal darauf berechnet, denselben besonders noch zu schmücken; vielmehr scheint Kopp die Hinzufügung dieser Vorhalle an die früheren Stiftshüttenräume selbst zunächst von der Nothwendigkeit geboten, den Tempeldienst gegen die nachtheiligen Einwirkungen der Witterung zu schützen; daher theilt auch die Vorhalle nicht den Baustyl des Tempels, ist nicht nach der äusseren Seite ganz von Quadersteinen aufgeführt, sondern ist gleich den Umfassungen der Vorhöfe theilweiser Holzbau. Vor der Vorhalle und nahe bei ihr, mithin auf der östlichen Seite des Tempels standen frei die mehr berührten, beiden ehernen, 23 Ellen hohen Säulen Jakin und Boaz, und zwar rechts Jakin, links Boaz; die Säulenschäfte massen 18 Ellen, ihre Capitäle fünf Ellen, von denen höchst wahrscheinlich drei auf das Lilienwerk kamen. 3) Die Ansicht Einiger, z. B. von Meyer, Grüneisen, Braun (I. S. 404 und 407) und Merz, dass die ehernen Säulen, welche zugleich die einzigen Säulen bei dem ganzen Gebäude waren, das Vordach getragen haben, wird mit allem Grunde von Hirt, Stieglitz, Kopp, Kugler, Romberg, Keil, Schnaase und Baehr (S. 35 ff.) verworfen. Kopp, S. 3, hat noch besonders ausführlich zu begränden gesucht, dass die zwei Säulen eine augenfällige und symbolische Verzierung des Tempels gewesen. Als Hauptgründe hiefür macht Kopp geltend:

  1. dass die Form und die Construction, welche die Säulen urkundlich hatten, gar nicht zum Tragen geeignet war, zu welcher letzten Ansicht auch der Umstand mit leitet, dass

  2. diese Säulen aus Kupfer oder einem ähnlichen Metalle, mithin aus einem zum Tragen von Gebäudetheilen ganz ungewöhnlichen Material gebildet waren, welchen Grund auch Baehr, S. 36, anzieht und womit zusammenhängt, dass die Säulen nicht etwa bei der Beschreibung




    1) Vergl. I. Könige 7, 12.
    2) Merz im Kunstblatt für 1844, S. 406.
    3) Baehr, S. 40; I. Könige 7, 15, 45 und 46.



    des Tempelbaues, sondern bei den Geräthen vorkommen;

  1. dass die den Säulen beigelegte Benennung wenigstens einen symbolischen Werth voraussetzt, wie dieses auch Kugler hervorhebt;

  2. dass zwei Säulen in die Stelle gewöhnlicher Tragestützen gestellt, dem Tempel nur ein mageres, kleinliches Ansehen geben und dass, wenn dem Tempel eine Säulenzierde hätte gegeben werden sollen, eine aus mehreren Reihen Säulen bestehende Vorhalle hinzugefügt worden sein würde, wozu keineswegs die Mittel fehlten, wie ja Salomo auch in solcher Weise sein Haus hergestellt hatte;

  3. dass die Beharrlichkeit der Israeliten in ihren den Cultus betreffenden Angelegenheiten auch eine mögliche Beibehaltung der Räume an sich von der geheiligten Stiftshütte voraussetzt, und überhaupt dem neuen Tempel nur Dasjenige hinzufügen lassen mochte, was dessen Dauerhaftigkeit (massige Umfassungsmauern) oder sonstige Pracht (kostbare Ausschmückung des Innern) erhöhte, oder was ein erweiterter und vor den Einwirkungen der Witterung mehr gesicherter Cultusdienst (Umgänge, verschliessbare Vorhalle) verlangte;

  4. dass der nach dem Texte anzunehmende äussere Thürverschluss der Halle sich nur unbequem mit der Zulässigkeit von Säulen an dieser Stelle vereinbaren lässt.

Diese Gründe und die schon früher gelegentlich beigebrachten sollten wohl jeden ferneren Zweifel über die Natur der Säulen als frei stehender, monumentaler ausschliessen. Schnaase meint in diesem Sinne von den Säulen: "Vielleicht waren sie nichts als gleichsam ein Triumphzeichen, das Salomo nach der Vollendung des Baues errichtete, in Erinnerung der Worte, die David zu ihm gesprochen, nachdem er ihn zum Baue des Gotteshauses ermahnt: "Sei fest und stark und richte es aus." - Auch die älteren Bibelherausgeber zweifelten mit Lundius, a. a. O., Kap. 12, nicht daran, dass die beiden Säulen vor der Halle des salomonischen Tempels gestanden seien.

An den beiden Langseiten des Tempels und bei der Vorhalle beginnend, sowie an der Hinterseite des Tempels zog sich aussen ein Nebenbau von drei Stockwerken hin,





welcher aber nicht die Höhe des Hauptgebäudes erreichte, um die in der Höhe angebrachten Fenster des Heiligen frei zu lassen, und deshalb auch ein flaches Dach hatte. Die Fenster am Hause, über deren Anlage nichts Näheres bemerkt wird, waren nach I. Könige 6, 4 verschlossen. "Nimmt man an," sagt Kopp, S. 2, oben, "dass solche nicht sowohl die Bestimmung haben mochten, in das Innere des Tempels Licht einzubringen, weil nämlich das Heilige mit 70 Lampen erhellt wurde, als vielmehr um frische Luft einzuführen und den Dampf der Lampen und das Räuchern abzuleiten, so entspricht diesem "verschlossen" am geeignetsten die Auslegung des Gesenius: Fenster von geschlossenem Gebälk- oder Gitterwerk. Was die Lage dieser Oeffnungen selbst anbelangt, so konnten solche, wegen der Höhe der äusseren Umgänge, nur in dem oberen Theil der Tempelwände vorhanden sein, wo solche auch ganz für den vorgedachten Zweck entsprechend lagen." Jedes, Stockwerk des äussern Nebengebäudes hatte seine Kammern, worin wahrscheinlich Tempelgeräthe und andere Schätze aufbewahrt wurden. Der ganze Anbau hatte blos einen Eingang auf der Südseite und zwar von Aussen her, mit einer Thüre von Sandelholz. Eine Wendeltreppe führte nach I. Könige 6, 8 auf den mittelsten und dritten Gang. 1) Von Aussen angesehen, erhob sich der Nebenbau ganz senkrecht, nach Innen aber war das zweite Stockwerk eine Elle breiter als das untere, das fünf Ellen mass , und das dritte Stockwerk wieder eine Elle breiter als das zweite, also sieben Ellen. Dies setzt dann voraus, dass der Hauptbau, das Haus, an seinen Aussenseiten Absätze hatte, deren jeder eine Elle breit war; auf diesen Absätzen lagen die Balken auf, die zur Decke jedes Stockwerkes dienten, denn nach der ausdrücklichen Bemerkung des Textes I. Könige 6, 6 sollten diese Balken nicht in die Mauern des Hauses eingreifen. Kopp gibt den drei Stockwerken des Umganges je die Höhe von fünf Ellen; Stieglitz dagegen von je sechs Ellen. Nach Keil's Combination hatte jedes Stockwerk des Nebenbaues auf jeder Langseite 12, auf der Rückseite 6, im Ganzen also 30 Kammern, womit




    1) Kopp, S. 2; Baehr, S. 41 ff.



auch Kopp übereinkommt und welche mit Ausnahme der Eckgemache eine ganz gleichmässige Grösse von vier Ellen Länge gewähren. Da über die Zahl dieser Kammern keinerlei bestimmte Nachrichten gegeben sind und da kein Grund zu so vielen kleinen Kammern vorliegt, im Gegentheil blosse Aufbewahrungsräume möglichst gross angelegt zu werden pflegen, scheint die Combination von Keil und Kopp keinen Beifall zu verdienen; jedoch ist dieser Nebengegenstand völlig gleichgültig und berührt die symbolische Idee des Tempels nicht. - In dem Tempel selbst, in dem Hause Gottes entstand das Allerheiligste und diente nur, um die dahin zu stellende und gestellte Bundeslade, mit der Bundesurkunde, - mit den zehn Geboten auf den zwei steinernen Tafeln, welche Moses bei Horeb darein gelegt hatte, als der Herr mit den Kindern Israels einen Bund machte, da sie aus Aegypten ausgezogen waren , - mit dem Worte Gottes als das Heiligste zu verhüllen, zu verdecken. 1) Das Allerheiligste war daher nur durch eine Bretterwand von Cedernholz, an welcher goldene Ketten zum Zeichen des Abgeschlossen- und Vorborgenseins hingen, 2) von dem Heiligen abgesondert. Die stets offene Flügelthüre von wildem Oelbaumholz, welche aus dem Heiligen in das Allerheiligste geleitete, war wohl nicht ohne symbolische Bedeutung vier Ellen breit, wie schon bei der Stiftshütte der Eingang zu dem Allerheiligsten durch vier mit Gold überzogene Säulen bezeichnet war. 3) Der Eingang zu dem Heiligen war dagegen fünf Ellen breit und darin weniger vollkommen; auch bei der frühern Stiftshütte hatte der Eingang zum Heiligen fünf Säulen. Die drei Grundtheile des Tempels, des Allerheiligsten und des Heiligen, verbunden mit den Säulen oder Thüren ihrer Eingänge, geben die mehrfach bei dem salomonischen Tempel angewandte symbolische Zwölfzahl. Hinter dem Eingange zu dem Allerheiligsten und vor der darin befindlichen Bundeslade hing fortwährend und ganz entsprechend dem Vorbange der Stiftshütte ein Vorhang




    1) Vergl. Baehr, S. 128 ff.
    2) Baehr, S. 142 und 143.
    3) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 392; Baehr, S. 144 ff.



von blauer und rother Seide mit Cherumbildern herab, so dass man aus dem Heiligen selbst die Bundeslade nicht sehen konnte, sondern dieselbe eben verdeckt, verhüllt war. Bei dem Tode Christi zerriss dieser Vorhang zum Zeichen, dass nun der Thron der Gnade nicht mehr verdeckt und verhüllt, sondern der Zugang zu ihm durch den Tod Christi Allen geöffnet sei. Im Evangelium Matthäi 27, 50 und 51 heisst es: "Aber Jesus schrie abermals laut und verschied. Und siehe da, der Vorhang in dem Tempel zerriss in zwei Stücke, von oben bis unten." Nach dem Temple mystique, Paris 1855, Nro. 6, p. 120, wäre der entzweigerissene Schleier in Frankreich auch ein bei der Meisteraufnahme gebräuchliches Symbol und soll die Vollendung der Aufnahme bezeichnen, woran die zerrissene Fessel, die gebrochene Kette (la ehaîne brisée) als Symbol der abgelegten Vorurtheile sich schliesst. Der entzweigerissene Schleier wäre das Symbol der höchsten Weihe und Vollendung () und dürfte noch sinnvoller in der Trauerloge auf den Sarkophag des Dahingegangenen gelegt werden, zum Zeichen, dass nun der Schleier zerrissen und gehoben sei, der bisher das Göttliche, die Ewigkeit verhüllte. - In dem verborgenen Dunkel des Allerheiligsten thronte und wohnte wie in einer Wolke 1) Jehovah der Unsichtbare, in welcher Vorstellung oder in welchem Symbole das beredteste Zeugniss für die hohe und tiefsinnige Gottesanschauung der Israeliten enthalten ist. So erzählt auch das I. Buch der Könige 8, 10 von der Einweihung des Tempels durch Salomo: "Als aber die Priester (nachdem sie die Bundeslade in das Allerheiligste gebracht hatten) aus dem Heiligthum hinausgegangen waren, erfüllte eine Wolke das Haus des Herrn und es konnten die Priester nicht wegen der Wolke dastehen, ihren Dienst zu verrichten; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Häus. Da, sprach Salomo: Der Herr hat also geredet, er wolle im Dunkeln wohnen. So habe ich nun ein'Haus gebauet, dir zur Wohnung; einen Sitz, dass du da wohnest ewiglich." - Gleichmässig wohnten auch die ägyptischen Götter oder standen ihre Bilder im Dunkel, im Verborgenen und Un-




    1) Baehr, S. 132.



nahbaren. 1) Der allmächtige und unendliche Gott wurde natürlich nicht als in dem engen Hause wirklich wohnend gedacht, vielmehr war er hier den Betenden nur besonders nahe und gegenwärtig; nur der Aberglaube konnte den Tempel oder auch das Götterbild () wie vielfach, bei den Griechen und oft bei den Katholiken als den wirklichen Sitz und die Wohnstätte des Gottes betrachten, 2) mit Rücksicht, worauf Aristoteles Metaph. 4, 7 sagte: , oder 8, 6: . 3) Salomo seinen Tempel weihend, spricht in diesem Sinne a. a. O. weiter: "Aber doch sollte Gott wahrhaftig auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen, wie sollte es dieses Haus thun, das ich gebauet habe. Wende dich aber zum Gebete deines Knechts und zu seinem Flehen, o Herr, mein Gott! dass du hörest das Flehen und das Gebet, welches dein Knecht heute vor dir thut. Dass deine Augen Tag und Nacht offen stehen über das Haus, über diesen Ort, wovon du gesagt hast: Mein Name soll daselbst sein. Dass du hören wollest das Gebet, welches dein Knecht an diesem Orte thut. Und wollest das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel erhören, das sie an diesem Orte thun werden: Ja, du wollest es erhören an dem Orte deiner Wohnung im Himmel, und, wenn du es erhörest, gnädig sein. - Wenn auch ein Fremder, der nicht von deinem Volke Israel ist, aus fernem Lande um deines Namens willen kommt (denn sie werden hören von deinem grossen Namen und von deiner mächtigen Hand, und von deinem ausgestreckten Arm); und kommt, dass er in diesem Hause bete: so wollest du hören in deiner Wohnung im Himmel, und thun Alles, um was dich der Fremde anruft, dass alle Völker auf Erden deinen Namen erkennen, dass sie dich auch fürchten, wie dein Volk Israel; und dass sie erfahren, wie dieses Haus, das ich gebauet habe, nach deinem Namen genannt sei."




    1) Braun, I. S.104, 111 und 119, 131 und 133; Baehr, S. 283 und S. 290.
    2) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 121 ff.
    3) Vergl. auch Baehr, S. 271 ff,



in dem Allerheiligsten des salomonischen Tempels standen aufrecht neben der quer oder von Norden nach Süden stehenden 1) Bundoslade zwei kolossale Cherubim mit ausgebreiteten Flügeln. Sie waren von wildem Oelbaumholz geschnitzt und noch wie Alles in dem Allerheiligsten und Heiligen, oder wie die Decke, die Wände und der Fussbaden, mit starkem Goldblech oder mit Goldtafeln überzogen, 2) so dass, wie das Buch der Könige I. 6, 21 ff. sagte das ganze Haus mit Gold überzogen war. Das Gold ist aber hier nur das Symbol des Lichtes; die Wohnung strahlt im Golde, weil Gott im ewigen Lichte wohnt, das ewige Licht ist. Schon nach dem Zendavesta sitzen am Ormuzd und Bahman auf einem goldenen Thron und Bahman hat einen Goldrock. Bei den Indern trägt der vedische Gott Varuna, der Gott des himmlischen Gewässers, des blauen Aethers, ein goldenes Panzer. 3) In der griechischen Mythologie schmückt Zeus den Apollo nach seiner Geburt mit goldener Mitra und Lyra. Die griechische Hera wird die goldthronende () genannt. 4) Auch die christliche Maria trägt als Himmelskönigin eine goldene Krone. Das verhüllte und verschlossene vergoldete Allerheiligste des salomonischen Tempels soll also nur den grossen Gedanken symbolisch ausdrücken, dass Gott das unsichtbare und unnahbare ewige Licht ist. In Uebereinstimmung hiermit steht es, dass Johannes, da er im Geiste den Thron Gottes in dem Himmel erschauet, eigentlich nur ein unendlich strahlendes Licht sieht, welches Licht eben der Thron Gottes, Gott selbst ist. Johannes sagt in seiner Offenbarung: "Und alsbald war ich im Geiste: und siehe, ein Thron stand in dem Himmel; und auf dem Thron sass Einer. Und der darauf sass, war wie der Stein Jaspis und Sardis anzusehen; und ein Regenbogen war rings um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd." - Der salomonische Tempel war durchaus nur eine Verherrlichung Gottes, eine mög-




    1) I. Könige, 8, 8; Baehr, S. 160.
    2) Baehr, S. 110 und 111.
    3) Lassen. indische Alterthumskunde, I. S. 759.
    4) Crenzer, Symbolik, II., S. 566, Anm. 192.



lichst prachtvolle symbolische Darstellung der Wohnung und des Thrones Gottes, ein bleibender herrlicher Lobgesang auf den Ewigen, Allmächtigen und Allbarmherzigen, ähnlich wie Jesaja 49, 13 ruft:

"Jubelt, ihr Himmel, und frohlocke, du Erde,
brecht aus, ihr Berge, in Jubel:
Denn der Ewige tröstet sein Volk,
und seiner Elenden erbarmet er sich.

Jede der beiden kolossalen Cherubimstatuen, welche links und rechts von der Bundeslade standen und über diese ihre Flügel ausbreiteten, hatte eine Höhe von zehn Ellen und nahm, da jeder der zwei ausgebreiteten Flügel fünf Ellen mass, auch in der Breite einen Raum von zehn Ellen ein. Beide Cherubim, deren Gesichter dem Heiligen zugekehrt gewesen, 1) waren so neben einander gestellt, dass sie sich mit den Flügeln gegenseitig berührten 2) und somit den ganzen zwanzig Ellen breiten Raum des Allerheiligsten ausfüllten.

Die Cherubim 3) sind der ägyptischen Sphinx und noch mehr dem assyrischen geflügelten Stiere 4) und dem assyrischen, übrigens auch auf etruskischen Tempeln vorkommenden geflügelten Löwen und ähnlichen orientalischen Wunder- und Fabelthieren verwandt und ohne allen Zweifel nach deren Vorbild unter deren Einfluss entstanden. In dem Tempel des rein geistigen und unvorstellbaren Jehovah erscheinen eigentlich die Cherubim als etwas Fremdartiges und Unzulässiges: allein ganz konnte das Bildliche zum Tempelschmucke nicht entbehrt werden und die Cherubim, wie die zwölf Stiere am ehernen Meere und die vier Stierhörner am Räucheraltare, hatten wohl früher in dem Glauben und der religiösen Symbolik der Hebräer eine bedeutendere Stelle eingenommen, erscheinen mithin an dem




    1) II. Chronik, 3, 13.
    2) 1I Könige 6, 27.
    3) Vergl. Baehr, S. 113 ff. und S. 160 ff.
    4) Braun, I. S. 217. Dass Braun, S. 409, den Cherubim bei der Bundeslade die Höhe von 15 Ellen ertheilt, beruht auf einem Irrthum, wenn nicht auf einern Druckfehler; denn I. Könige 6, 26 wird die Höhe dieser Cherubim ganz bestimmt zu 10 Ellen angegeben.



salomonischen Tempel als ein später mehr und mehr verhallender Nachklang. Der Cherub war ein Symbol des Weltschöpfers und der Weltschöpfung und viergestaltig, welche Vierzahl etwas dunkeler Deutung ist und auf die vier Elemente, auf den ägyptischen viereinigen Gottesbegriff, selbst auf die vier Zeiten des Jahres, die vier Himmelsgegenden und Aehnliches bezogen werden könnte. Stier, Löwe, Adler und Mensch bilden mit einander vereinigt das Wesen und den Körper des Cherubs, der sonach nichts Wirkliches, sondern blos etwas Fingirtes und Mythisches, ein blosses religiöses Symbol ist. Die Zusammensetzungsweise der vier Wesen war keine festbestimmte, sondern eine wandelbare und verschiedenartige; jedoch hatte, ähnlich wie die ägyptische Sphinx und die assyrischen Stiere und Löwen, der Cherub wohl in der Regel oder in seiner vollkommenen Darstellung einen menschlichen Kopf und Oberleib. Namentlich den beiden Cherubim bei der Bundeslade wird allgemein die menschliche Gestalt beigelegt, z. B. von Keil (der Tempel Salomo's, S. 107), von Braun (I. S. 409), von Kopp, in der Basler Bibelausgabe u. s. w. Die Flügel des Cherubs sollten an den Adler erinnern; sein Unterleib war demjenigen des Löwen nachgebildet und seine Füsse waren dem Stiere entlehnt. Von dieser viertheiligen Zusammensetzung des Cherubs sagt die jüdische Theologie: "Vier sind die höchsten in der Schöpfung: der Löwe unter dem Wild, der Stier unter dem Zahmvieh, der Adler unter den Vögeln, der Mensch ist über Alle, Gott aber ist der Allerhöchste." - Der Cherub ist somit der Complex, der Inbegriff der höchsten Geschöpfe, über dem nur Gott als der Schöpfer steht, auf dem er wohnt und thront. Die ganze lebende Schöpfung ist in dem Cherub wie in einer Spitze, in einem einzigen vereinten Wesen zusammengefasst; der Cherub ist das symbolische Geschöpf aller lebenden Geschöpfe, animans animantium, die lebende Welt, die Eine Schöpfung, wie Jehovah nur der Eine Gott und Schöpfer ist. Neben dem Cherub, hat der Mosaismus kein zweites Symbol der Schöpfung und des Schöpfers. Der Cherub als das Symbol der lebenden Schöpfung steht in der Wohnung, in dem Tempel Gottes bei seinem Throne; die Schöpfung ist der untrennbare,





Begleiter, der Verkünder, die Offenbarung und Verherrlichung, die Wohnung und der Thron Gottes, weshalb auch vermuthlich alle inneren Tempelräume mit goldenen Cherubimbildern zwischen Palmen und aufbrechenden Blumen 1) bedeckt waren; Gott, das Licht spiegelte sich gleichsam, strahlte wieder in seiner unendlichen Welt und Schöpfung. Die volle Gottesidee, welche der salomonische Tempel und besonders in seinem Allerheiligsten ausspricht, ist daher, dass Gott das unsichtbare ewige Licht sei, welcher alles Leben und die ganze Welt geschaffen hat, erhält und regiert, - der allein in seiner Schöpfung sich offenbart und erkannt zu werden vermag. Der Cherub ist das Symbol der Schöpfung und Offenbarung Gottes, die individualisirte und personificirte Schöpfung und Offenbarung. Die wahre Bedeutung des Cherub erhellt aus der Offenbarung Johannis, Kap. 4. Johannes erblickt mit ahnendem Geiste den Thron Gottes, und rings um den Thron waren vier Thiere, voll Augen, vorn und hinten. Das erste Thier war gleich einem Löwen, und das zweite war gleich einem Stiere, und das dritte Thier hatte ein Angesicht wie ein Mensch und das vierte Thier war gleich einem fliegenden Adler. Und ein jedes dieser Thiere hatte sechs Flügel rings herum, und inwendig voll Augen; und sie haben keine Ruhe, weder Tags noch Nachts und sprechen: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott, der Allmächtige, der da war, der da ist, und der da kommt." Und wenn die Thiere Dem, der auf dem Throne sitzet und von Ewigkeit zu Ewigkeit lebet, Herrlichkeit und Ehre und Dankbarkeit geben, so fallen die 24 Aeltesten, welche in weissen Kleidern und mit goldenen Kronen auf dem Haupte den Thron Gottes umsitzen, nieder vor Dem, der auf dem Throne sitzet, und beten Den an, der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebet, und werfen ihre Kronen vor den Thron und sprechen: "Herr, du bist würdig, die Herrschaft und die Ehre und die Kraft zu empfangen: denn du hast alle Dinge erschaffen, und durch deinen Willen sind sie und




    1) Ueber das Symbol der Palmen und Blumen vergl. Baehr, S. 120 ff. Nach Baehr ist die Palme im salomonischen Tempel das Symbol der Judaea victrix.



sind erschaffen worden." - Ebenso könnte es als eine Erklärung des Symbols des Cherubs fingesehen werden, wenn der Evangelist Johannes 1, 3 von dem Worte Gottes, von dem ewigen Logos sagt: "Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist." - Das eben so alte als bei der ersten Erscheinung auffallende Symbol der vier christlichen Evangelisten, nämlich ein Engel, Löwe, Stier und Adler sind durchaus nur der auseinander gelegte jüdische Cherub, die vier Thiere der Offenbarung Johannis am Throne Gottes; umgekehrt ist der jüdische Cherub auch die Zusammenfassung der vier Genien des Osiris in ein Wesen, wie bei Gelegenheit der Vierzahl weiter dargelegt werden soll. Die Deutung, welche der heilige Hieronymus dem Symbole der vier Evangelisten gegeben hat, dass Christus von Geburt ein Mensch, sterbend ein Opferstier, Löwe in der Auferstehung, Adler in seiner Himmelfahrt sei, ist eben so ungeschichtlich als verkehrt. Christus mit den vier Evaugelisten ist das das ganze Weltall erfüllende und belebende göttliche Licht, das ewige Licht und Leben, der in seiner Schöpfung sich offenbarende Gott.

Die Bundeslade, welche von Bezaleel aus Akazien- oder Sittimholz für die Stiftshütte angefertigt worden war, behielt Salomo in seinem Tempel unverändert bei. 1) Braun (l. S. 409) lässt dieselbe in der Axenrichtung aufgestellt sein und ihre Tragstangen, für die der Platz nicht hinreichte, in den Raum des Heiligen hinausragen. Die Bundeslade war 2 ½ Ellen lang, 1 ½ Ellen breit und 1 ½ Ellen hoch, inwendig und auswendig mit Gold überzogen; 2) in den vier Ecken derselben waren 4 Ringe angebracht, zum Durchstecken der Tragstangen, die von demselben Holz gemacht und gleichfalls mit Gold überzogen waren. Oben auf der Bundeslade lag eine massiv goldene Platte von gleicher Länge und Breite wie die Lade; aus der Platte heraus an ihren beiden Enden erhoben sich zwei kleinere goldene Cherubimbilder, deren Angesichter gegen einander und auf die Platte selbst gerichtet waren, letztere zugleich mit




    1) I. Könige 8, 3 ff.
    2) Exodus 25, 10 ff.



ihren Flügeln überdeckend. 1) Schon Lancret, deseript. de l' Eg. antiqq. I. p. 26, hatte die von geflügelten goldenen Figuren beschattete Bundeslade aus Akazien-, Sittim- oder Setimholz, welche Leviten in weissen leinenen Kleidern trugen, als ägyptischen Ursprungs erklärt, indem auch in Aegypten bei den Processionen, besonders der Isis, solche Götterbilder und göttliche Heiligthümer umhergetragen wurden; 2) an diese Ansicht von Lancret hat sich neuerlich Braun angeschlossen. Die goldene Platte, über welcher die zwei Cherubim standen und unter der das Gesetz, die zwei steinernen Tafeln mit den zehn Geboten Gottes lagen, 3) wurde symbolisch als der Thron, als der Sitz Gottes gedacht, von welchem herab Gott zwischen den zwei Cherubim zu Moses redet und Israel seine Befehle ertheilt, also sich als König des Volkes erweiset. Im zweiten Buche Mosis 25, 22 und 23 wird gesagt: "Und du sollst den Gnadendeckel oben über die Lade thun, und das Zeugniss, das ich dir geben werde, in die Lade legen. Daselbst will ich zu dir kommen, und mich mit dir besprechen, und mit dir reden, von dem Gnadendeckel herab, zwischen den zwei Cherubim, die auf der Lade des Zeugnisses sein werden, über alles, was ich dir an die Kinder Israels befehlen will." - Gott wohnt und thront über der Bundesurkunde, über seinem Gesetze, oder vielmehr Gott ist in seinem Gesetze, durch sein Wort in der Bundeslade und mit dieser in dem Allerheiligsten wirklich gegenwärtig; aus dem Gesetze, von der Bundeslade herab vernahm das Volk Israels das Wort und Gebot Gottes und Gott wohnte bei ihm, wenn und so lange es dem göttlichen Worte und Gebote getreu blieb und nicht bundesbrüchig wurde. Erst mit dem Gesetze, - mit der Bundeslade, worin das Gesetz liegt, mit dem feierlichen Gelöbniss der Juden, das Gesetz Jehovah's heilig halten und niemals verletzen zu wollen, zieht Jehovah in seinen Tempel ein, wohnt nunmehr bleibend darin, wie bei dem ganzen Volke Israels und bei jedem einzelnen Israeliten. Der wahre Tempel




    1) Baehr, Symbolik des mosaischen Cultus, I. S. 377 ff.
    2) Vergl. auch Creuzer, Symbolik, I. S. 249 ff.
    3) Deut. 4, 13; Exod. 34, 28.



Gottes, der allein unzerstörbare salomonische Tempel ist der Mensch, das Volk und die Menschheit auf Gottes Wegen, in der Erfüllung des göttlichen Gebotes und in der Erstrebung des göttlichen Geistes und Lebens; diesen geistigen salomonischen Tempel, diesen Gottestempel, dessen Bausteine die Völker und die Menschen mit ihren Thaten sind, wollen die Christen und auch die Maurer bauen, wiedererbauen, nachdem der erste wirkliche salomonische Tempel durch Schuld und Abfall zerstört worden ist. Indem Salomo den festen Tempel zur Aufnahme und unwandelbaren Bewahrung der Bundeslade baute und mit dieser feierlich weihete, weihete er und alles jüdische Volk sich dem Dienste Jehovah's, heiligten sich und wurden zu göttlichen Priestern und Dienern. Der Tempel, - der Geist, welcher den Tempel gebauet und geweihet hatte, war die eigentliche und höhere Bundesurkunde, war der Schutzgeist und das Unterpfand des jüdischen Volkes und seines Glückes, - war das lebendige Symbol des jüdischen Reiches und seiner Schicksale. Der salomonische Tempel durch den Geist, dem er dienen sollte, und durch die erhabene Gottesidee, die er verkündet und welche aus allen Stürmen und Verirrungen stets nur reiner und siegreicher sich erhob, ist das weltgeschichtlichste und geistigste Gebäude, welches jemals gebauet worden ist und das eben deshalb auch nicht bleibend gebrochen werden konnte und nimmer kann. Wo die Bundeslade mit dem Gesetze steht, befindet sich das Allerheiligste und wohnt Gott, d. h. der Tempel Gottes steht überall, wo die Menschen und die Völker ihn gläubig verehren und auf seinen Pfaden wandeln. Der salomonische, serubabel'sche und herodianische Tempel liegen seit Jahrhunderten und Jahrtausenden in Trümmern und über diesen Trümmern steht jetzt und seit dem Jahr 686 auf dem Berge Moriah die berühmte Moschee el-Aksa, nächst Mekka der heiligste Ort der Muhammedaner, 1) mit ihrem Garten: aber aus den Trümmern der




    1) Vergl. Braun, 1. S. 402 ff.; Lübke, Geschichte der Architektur, S. 223 und 224. Die Moschee ist in einem Achtecke, wovon Lübke den Grundriss mittheilt, durch byzantinische Baumeister erbauet und im Innern durch zwei concentrische, aus Säulen und



zerstörten jüdischen Tempel und aus dem mit ihnen verbreiteten gereinigten Glauben ist nicht blos die Moschee el-Aksa, sondern sind die Moscheen und die Kirchen aller Länder und Völker, das Christenthum und der Muhamedanismus erbauet worden und so wurde der zerstörte, aber geistig wiedererbaute und wiederzuerbauende salomonische Tempel von selbst zum Symbole des unzerstörbaren Wortes und Geistes Gottes, der Gottheit, der Gottmenschheit. Dem zerstörten Tempel steht die gebrochene Säule gleich und auch der zerstörte Tempel, die gebrochene Säule steht noch unerschütterlich in ihrem Geiste und Grunde (adhuc stat). Auch schliesst sich daran das Quadrat oder vielmehr der Cubus des irdischen und himmlischen Jerusalems oder Gottestempels, der maurerische cubische Stein, von welchem Vitringa erläuternd bemerkt: id (der Cubus) vero mystice figurat ecclesiae firmitatem et statum ejus immotum, enim situm non facile mutant. Ein solcher rechtwinkeliger und wohlbehauener Stein, ein Culus, ein wahrer Gottestempel, ein salomonischer Bau soll, sich selber richtend, behauend und bauend, ein jeder Mensch und Maurer sein, dann werden die Stürme und Leiden des Lebens ihn nicht bewegen, ihn nicht stürzen und brechen. Der cubische Stein ist das Symbol des Makro- und des Mikrokosmus, der grossen Welt und des kleinen Menschen; der Cubus ist der Kosmos, das ewige Gesetz der Schöpfung, die Schöpfung des formenden und gesetzgebenden Winkelmasses oder des Rechten und des Richtenden, weshalb auf dem Cubus das Winkelmass oben aufliegt. Wenn aber die Menschheit und der Mensch, der Tempel in der Menschheit und in jedem einzelnen Menschen die Welt sein soll, müssen sie das All liebend umfassen, allgemein-menschlichen oder weltbürgerlichen Sinnes sein; wie Keil, der Tempel Salomo's, S. 139 - 142 es ausdrückt, hat das in der Welt beflindliche und durch das irdische Heiligthum abgebildete Reich Gottes die Bestimmung, die ganze Welt zu umfassen und in sich aufzunehmen.

Die Bundeslade in der Centralstadt und in dem Central-




Pfeilern gebildete Kreise getheilt. Es ist eine Art byzantinischen Kuppelbaues.



tempel des ganzen jüdischen Volkes, der 12 Stämme Israels, war das sichtbare Symbol, dass Gott bei seinem Volke und dieses in ihm und nach seinem Gesetze wohnen wolle. Der Tempel und alle darin gethanenen Gebete und gebrachten Opfer waren nur das Flehen der 12 Stämme Israels, dass Gott mit ihnen und sie mit Gott sein möchten; der Hohepriester namentlich, der allein der Bundeslade und dem Throne des Unsichtbaren in seinem dunkelen Allerheiligsten sich nahen darf, ist nur der symbolische Vertreter der zwölf Stämme Israels und trägt daher ihren Namen auf seinem Brustschilde. Gott allein soll über Israel herrschen und Israel allein will Gottes Volk sein, ihn nennen und bekennen. Doch Gott ist nicht allein das Gesetz, er ist auch die Liebe und Gnade, welche sühnend und verzeihend hinwegnimmt die Sünden und die Schuld des Volkes Israel, weshalb der Thron Gottes über der Bundeslade und über dem Gesetze im letzten und höchsten Sinne der Gnadendeckel, der Deckel der Sühne und Vergebung, Kapporeth heisst. 1) Der Tempel ist mithin wesentlich auch der Ort, wo Gott um Verzeihung und Gnade für die Sünden angerufen, wo die Sühn- und Bittopfer dargebracht werden; das Allerheiligste aber ist die Stätte der höchsten Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung Gottes, - der Thron Gottes; Gott selbst ist nur die göttliche Gnade und Güte, welche alle Sünden der Menschen hinwegnimmt und tilgt, sobald der Mensch sie bereuet und zu Gott zurückkehrt. An dem, von Israeliten jährlich gefeierten grossen Sühnetag wurde ein dreifacher Sühneact vollzogen: zuerst geschah die Sühne des Heiligthums und seiner Geräthe, dann die Sühne des Hohepriesters und der Priesterfamilie, endlich die Sühne des ganzen Volkes. Jeder dieser drei Sühneacte wurde einzeln vorgenommen und zwar dadurch, dass der Hohepriester die Blutsprengung auf oder vor dem Gnadendeckel, der Kapporeth verriehtete. 2) Aehnlich wurde z. B. auch bei den Griechen in




    1) Umbreit, in den Studien und Kritiken, 1843. II. S. 155; Baehr, S. 165 ff. Theilweise abweichend, jedoch im Sühnegedanken übereinstimmend, sind Hengstenberg, Beiträge III. S. 640 ff., und Keil, der Tempel Salomo's, S. 145 ff.     2) Baehr, S. 170.



alten Tagen an dem Jahresfeste des Apollo (Katharsios) durch ein Sühnopfer die allgemeine Straffälligkeit von den Gemeinden gebüsst; 1) als ein Sühnfest wird selbst die in Delos durch Chöre und Spiele von den Kykladen gefeierte Panegyris aufgefasst.

In dem Heiligen befand sich der Räucheraltar, welcher unmittelbar vor der Bundeslade stand, jedoch getrennt von ihr durch den herabhängenden Vorhang des Allerheiligsten, von Holz mit Gold überzogen, viereckt, mit vier Stierhörnern an den vier Ecken, mit einem Rande an der Oberfläche versehen und mit einem Kranze in der Mitte geschmückt. 2) Das Räucherwerk, das auf ihm angezündet wurde, bestand aus vier zu einem Ganzen gemischten Ingredienzen, war mithin eine Wendung und Beziehung des viergestaltigen Cherub. Links und rechts von dem Räucheraltar standen in dem Heiligen zehn Leuchter, fünf auf jeder Seite, ganz von Gold und inwendig hohl; aus einem Postamente erhob sich der Stock des einzelnen Leuchters, von welchem auf jeder Seite drei Arme oder Zweige ausgingen, in gerader Linie mit dem Stock, so dass der Leuchter sieben Lampen in einer Reihe trug; an Stock und Zweigen waren zur Zierde Mandelblüthenkelche, Knäufe und Blumen angebracht. Die rabbinische Meinung, es seien 11 Leuchter gewesen, nämlich der alte mosaische und zu dessen beiden Seiten je fünf neue, hat Keil, der Tempel Salomos S. 109 , nach Baehr mit Recht als textwidrig zurückgewiesen. Ebenso standen in dem salomonischen Tempel auf jeder Seite des Räucheraltars je fünf oder im Ganzen zehn Tische von Holz mit Gold überzogen, viereckt und zwar nach dem Allerheiligsten wohl vollkommen quadratförmig, mit einem Kranze unterhalb des Tischblattes. Auf jedem Tische lagen in zwei Reihen zwölf ungesäuerte Brode, die sog. Schaubrode. 3) In der zum Vorbilde des salomonischen Tempels gebrauchten Stifts-




    1) Welker, griech. Götterlehre, IL S. 375.
    2) Baehr, S. 178.
    3) Baehr, S. 178 u. 179; II. Chronik 4, 8, welche Angabe des Chronisten Meyer, Hoffmann und Winer ohne Grund für irrig halten wollten.



hütte hatte nur ein siebenarmiger Leuchter und nur ein Schaubrodtisch sich befunden. Die Zehnzahl der Leuchter und der Schaubrodtische, welche Zehnzahl zugleich die architektonische Grundzahl des salomonischen Baues ist, hat zunächst und zugleich symbolischen Bezug auf die zehn göttlichen Gebote der Bundeslade oder der Gesetzestafeln. 1) Die Zehnzahl ist die Grund- und Normalzahl des salomonischen Tempels und seiner Geräthe, wie die zehn Gebote die Unterlage des israelitischen Staates und Volkes bilden. Der Tempel, die Kirche und das Volk, der Staat ruhen auf dem gleichen sichern göttlichen Grunde. Da übrigens die Zwölfzahl der Schaubrode, welche Zwölfzahl uns urkundlich in dem salomonischen Tempel hier zuerst begegnet, d. h. aus der Stiftshütte herübergetragen ist, zuletzt und in ihrem obersten Grunde astronomisch ist, auf die zwölf Theile des Thierkreises und des Jahres sich bezieht, - da ferner auch der siebenarmige Leuchter in seiner astronomischen Grundbedeutung auf die sieben Planeten des Alterthums mit ihren sieben Sphären und mit den sieben Wochentagen hinweiset: muss auch wohl die in dem salomonischen Tempel damit nah verbundene Zehnzahl und Vierzahl eine verwandte astronomische Natur haben und hat sie wirklich, indem die Zehnzahl die Decadenzahl und die Vierzahl die Zahl der vier Haupttheile der Sonnenbahn und des Jahres ist. Selbst die Dreizahl würde hier nur als die Zahl der drei Decaden eines Thierkreisbildes oder Monats erscheinen. Baehr, S. 100, erklärt die Zehnzahl, wie auch schon in seiner Symbolik des mosai. Cultus, I. S. 181, bei den Hebräern als die Zahl der Vollkommenheit; sie sei, weil die allumfassende, auch die vollkommenste. Die Zehnzahl in diesem Sinne gehört der Mathematik und Astronomie an und bildet mit den übrigen sie umgebenden Zahlen ein dem gleichen Boden entsprungenes, nicht zu trennendes Ganze. Die oberste Zahl, die eigentliche Grundzahl, von welcher ausgegangen werden muss und der gegenüber alle übrigen Zahlen nur als abgeleitete erscheinen, ist die Zwölf als die Zahl der Zwölfgetheilten 360gradigen Sonnenbahn, welche 360 Grade der




    1) Vergl. Baehr, S. 99 ff.



155 Sonnenbahn und Tage des Jahres, jedoch mit den fünf Zusatztagen, daher auch in den 365 Glöcklein an dem Rocke des Hohepriesters, wie die Zwölfzahl auf seinem Brustschilde und zugleich in der Zwölfzahl der bei Darbringung eines Opfers regelmässig beschäftigten Priester, auftreten. Die Zwölfzahl ist die volle, die vollkommene und daher auch die höchste göttliche und priesterliche Zahl; die Jahreszahl. Die Fünf- und die Siebenzahl erscheinen hier nur als Theile der Zwölf- oder der Jahreszahl und zwar die Fünfzahl als die Zahl des höchsten Lichts und der höchsten Sonnenkraft und Macht, als die Sommerzahl, weshalb sie auch bei den beiden Cherubim des Allerheiligsten, so wie bei den siebenarmigen Leuchtern und den Schaubrodtischen des Heiligen angewandt ist, denn die Zehnzahl ist ganz deutlich im ganzen salomonischen Tempel, namentlich bei den Leuchtern, Schaubrodtischen und Wasserbecken nur eine Verdoppelung der Fünfzahl, nur zwei Mal fünf, wie selbst die zehn Gebote Gottes nur zwei Fünfgebote auf zwei Tafeln sind. Es ist ein ansprechender Gedanke der Basler Bibelausgabe, dass sie auf ihrer Abbildung des Allerheiligsten dessen drei Wände (die vierte und östliche Wand nahm die Thüre mit dem Vorhänge ein) mit je vier anbetenden Cherubim schmückt, wodurch alsdann die Zwölfzahl gleichmässig mit und über der Fünfzahl in dem Allerheiligsten, Heiligen und in dem Priestervorhofe in den zwölf Cherubim, zwölf Schaubroden und zwölf Stieren dargestellt wäre. Die gleiche Bibelausgabe ertheilt auch den beiden Langwänden des Heiligen auf dem diesfälligen Bilde je sechs anbetende Cherubim. ln der Betrachtung oder vielmehr Beschreibung des Heiligen nimmt die Basler Bibel den Eingang aus dem Heiligen in das Allerheiligste, mit seinen zwei stets offen stehenden und in goldenen Angeln ruhenden Thürflügeln von wildem Oelbaumholz gleich den beiden kolossalen Cherubim, fünfeckig, d. h. lässt ihn mit einem das fünfte Eck über dem Thürvierecke bildenden Thürgiebel versehen sein, und berührt zugleich, dass aus der Vision des Ezechiel 41, 3: "Und er ging inwendig hinein (in das Allerheiligste des visionären Tempels) und mass die Thür zwo Ellen (die Oberschwelle der Thür) und die Thür hatte sechs Ellen, und





die Weite der Thür sieben Ellen." Einige muthmassen, die Thür des Allerheiligsten im salomonischen Tempel sei sechs Ellen hoch und sieben Ellen breit gewesen.

Die Siebenzahl wäre die winterliche Zahl, die Zahl der sieben Winter- und Todesmonate im Gegensatze zur Fünfzahl des Sommers und des Lebens, aber zugleich auch die Wochenzahl, die Zahl der sieben Planeten und Tage. Der siebenmonatliche Winter selbst ist eigentlich nur eine siebentägige Winter- und Trauerwoche. Fünf je siebenarmige brennende Leuchter symbolisiren die Siebenzahl in dem Heiligen und führen die Schöpfung, den Tod in das ewige Licht und Leben, in das Allerheiligste vor den Gnadenthron des Ewigen. Durch die zehn Leuchter erhebt sich die Siebenzahl auf die für den mosaischen Cultus bedeutungsvolle Siebenzigzahl und erinnert namentlich an die 70 Seelen des Hauses Jakob, welche zufolge Genesis 47, 27 nach Aegypten eingewandert sein sollen, - an die 70 Tage, welche die Aegypter nach Genesis 50, 3 um den verstorbenen Jakob weinten, - an die 70 Palmbäumeneben den zwölf Brunnen in Elim nach Exodus 15, 27, - an die 70 Aeltesten Israels, - die 70 Männer Zerub-Baal in Richter 9, 2 und 5, - die 70 Söhne des Ahab in Samaria nach II. Könige 10, 1, - die 70 Wochen bei Daniel 9, 24, nach denen dem Uebertreten gewährt, die Sünde zugesiegelt, die Missethat vergeben und die ewige Gerechtigkeit gebracht und der Allerheiligste gesalbet werden soll u. s. w.

Die Vierzahl ist das Vierteljahr, der vierte Theil des Jahres mit je drei Monaten, welche Viertheile durch das quadratische Viereck wieder zu einem Ganzen, zur vollen Zwölfzahl verbunden werden. Der viergestaltige Cherub im Quadrate und Cubus des Allerheiligsten, die vier Stierhörner am vermuthlich quadratischen Räucheraltar, die quadratischen oder nur viereckten Schaubrodtische mit je zwölf Schaubroden, - die zwölf Stiere des ehernen Meeres, welche ein vierecktes oder auch quadratisches ehernes Untergestell trugen, auf welchem erst das meerähnliche oder kolossale runde oder sonnenförmige Wasserbecken ruhte, - selbst der viereckte Brandopferaltar mit den vier Stierhörnern wären sonach die gleichen Symbole der Vier-





zahl und gewöhnlich zugleich der Zwölfzahl. Quadratisch war auch die Umwallung des alten Babylon und anderer mesopotamisehen Städte, sowie der ägyptischen Städte Sais, Tanis, Heliopolis, Denderah, Ilithyia, Ombos u. s. w. (Braun I. S. 183).

Die Dreissig- und die Dreizahl mit der Zehnzahl sind die Monatszahlen, die drei Decaden oder drei Theile des 30tägigen Monats und des 30gradigen Zeichens des Thierkreißes. Die Zwanzig- und die Sechszigzahl in dem salomonischen Tempel sind blose Verdoppelungen der Zahlen 10 und 30 der vorbildlichen Stiftshütte. Die Dreizahl, welche sonst so leicht mystisch missdeutet und namentlich mit dem christlichen Dreieinigkeitsbegriffe in Zusammenhang gebracht wird, ist mithin eine einfache Theilungszahl, die Zahl, wodurch der 30theilige Sonnenmonat in drei gleiche Theile zerlegt wird. In der Stiftshütte und in dem salomonischen Tempel entspringt Jedem sichtlich die Dreizahl durch die Theilung der Dreissig und ihrer Verdoppelung, der Sechszig. Die Stiftshütte hat die symbolische Länge eines Zeichens des Thierkreises mit 30 Ellen, ist ein Sonnenhaus, eine Wohnung des Sonnengottes, und der salomonische Tempel enthält in seinen 60 Ellen Länge blos das doppelte Mass der Stiftshütte. Von den 30 oder zwei Mal 30 Ellen des Gottes- und Sonnenhauses wird eine Decade für das Allerheiligste, für den symbolischen Thron Gottes auf dem Gesetze oder auf der Bundeslade abgesondert und zu einem Cubus gestaltet, wird die Bundeslade als das Allerheiligste darin verdeckt und verhüllt. Gewiss ist es kein blosser Zufall, dass die zehn Leuchter und zehn Schaubrodtische des Heiligen und die zehn Wasserbecken im Priestervorhofe des salomonischen Tempels drei Decaden und damit in ihrer Vereinigung die Dreissig-, die Monatszahl bilden. Hieran würden sich reihen die zwölf Stiere des ehernen Meeres im Priestervorhofe, die zwölf Schaubrode auf den Tischen des Heiligen und die zwölf Cherubim an den drei Wänden des Allerheiligsten, wenn diese nach der Vermuthung wirklich vorhanden waren, als die drei Mal 12 oder 36 Symbole der 36 Decane der ganzen Sonnenbahn. Diese Verknüpfung ist um so zulässiger, als die Wasserwaschbecken des Priestervorhofes durch die





auf ihnen in halb erhabener Arbeit urkundlich abgebildeten Cherubimbilder von selbst mit den Cherubim des Allerheiligsten in Verbindung treten. So hatte z. B. auch der indische Tempel zu Chalambron 36 Säulen, hinweisend auf die 36 Decane, und der Tempel zu Branbanam zählte 56 Säulen, entsprechend den 56 heiligen Weltregionen, deren die indischen Purana's gedenken. 1)

Ist diese astronomische oder solarische Deutung der Zahlensymbolik des salomonischen Tempels richtig, dann wird auch den beiden Säulen Jakin und Boaz 2) eine ganz bestimmte, gleichfalls astronomiseh-solarische Bedeutung beizulegen sein. Sie sind die Symbole der beiden Sonnenwenden und trugen zugleich gewiss die Symbole des Sommers und des Winters, des Lebens und des Todes, der Fünf- und der Siebenzahl; von der Siebenzahl ist es berichtet, von der Fünfzabl aber steht es zu vermuthen. Nach Baehr S. 197 symbolisiren die beiden starken Säulen in Verbindung mit dem Hause das ewig dauernde feste Verhältniss, in welchem Jehovah zu dem Volke stand, das er sich erkoren und unter dem er sich niedergelassen. Rabbi Levi Ben Gerson will die eine Säule auf die Sostitien, die andern auf die Aequinoctien bezogen wissen. Ghillany bezog die Säulen auf die zeugende und empfangende, männliche und weibliche Naturkraft, den Baal und die Aschera. Nach Vatke waren die beiden Säulen aus dem Heraklestempel zu Tyrus entlehnt. Gerlach hält sie für Symbole der schaffenden und erhaltenden Kraft Gottes u. s. w. Nach dem Temple mystique, Paris 1854, Nr. 1. p. 4, welcher zugleich den König David und Salomo zu Memphis in die ägyptischen Mysterien eingeweiht werden lässt, bot der salomonische Tempel l'image symbolique de l'univers; son système numerique était entièrement lié au culte du grand roi.

Die Anwendbarkeit der versuchten symbolischen Deutung auf die Symbole der Maurerei ergibt sich für jeden kundigen Maurer von selbst. Der Grund, weshalb in dem salomonischen Tempel die Zahlen und Masse so bedeutungs-




    1) Baehr, S. 285.
    2) Vergl. noch darüber Baehr, S. 190 ff.



voll, ist der, dass er ein Abbild der Welt sein sollte, in welcher, wie das Buch der Weisheit 11, 21 sagt, Gott Alles mit Mass, Zahl und Gewicht geordnet hat. Zu Hiob 381 4 ff. spricht der Herr: "Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage mirs, bist so klug. Weissest du, wer ihr das Mass gesetzet hat? Oder wer über sie eine Richtschnur gezogen hat? Oder worauf stehen ihre Füsse versenket?" 1)

Der unter dem doppelten Einflusse der Chaldäer und der Aegypter, der Astronomen des Alterthums, und mehr oder weniger nach dem Vorbilde ihrer Tempel erbaute salomonische Tempel befolgte auch die dabei übliche chaldäisch-ägyptische astronomische Symbolik, wenngleich dieselbe nur David und seinen Priestern, nicht auch dem ganzen jüdischen Volke klar und verständlich sein mochte. Jedenfalls waren die beigezogenen phönicischen Techniker und vor allen Hiram mit dieser astronomischen, auch bei ihnen gebräuchlichen Symbolik, vertraut und ihre Aufgabe war es, dieselbe an den einzelnen passenden Orten, besonders bei den Gussarbeiten, bei den Leuchtern, bei den beiden Säulen, bei dem ehernen Meere und bei den dazu gehörenden Gestühlen mit Wasserbecken anzubringen und anzuwenden, wie es in der That auch geschehen ist. Schwierig ist bisher das Verständniss des Säulenschmuckes, der Säulenknäufe geblieben, wegen der unklaren Beschreibung, welche davon im ersten Buche der Könige 7, 17 ff. gegeben wird; 2) immerhin scheint dabei die Vier- und Siebenzahl angewandt gewesen zu sein. Die beiden Säulen hatten oben ein Ketten- oder Gitterwerk, das aus sieben Ketten geflochten war.

Ueber die symbolische Bedeutung der drei Geräthe des Heiligen werden sehr verschiedene und abweichende Meinungen aufgestellt; 3) sie, dürften etwa dahin zu deuten sein:

Der vor dem Throne Jehovah's, - vor dem Vorhange,




    1) Vergl. oben I. S. 146 und Baehr, S. 148 ff.
    2) Vergl. Braun, I, S. 407 ff; Kopp, S 3.
    3) Vergl. Baehr, S. 179 ff.



welcher über der Zeugnisslade hängt, als das unzweifelhafte Hauptgeräthe des Heiligen stehende Räucheraltar sollte auf seinem Feuer und Rauche die Gebete und Bitten, die Wünsche und Klagen des Volkes Israel zu dem Throne seines Gottes im Himmel emportragen; er war der Altar des zum Himmel betenden und flehenden Volkes der Israeliten. Daher sieht Johannes in seiner Vision 8, 3 einen Engel kommen und sich zum Räucheraltar stellen; "der hatte ein goldenes Rauchfass, und ihm ward viel Rauchwerk gegeben, damit er es den Gebeten aller Heiligen gebe, auf dem goldenen Aftare, der vor dem Throne ist. Und der Rauch des Rauchwerkes mit den Gebeten der Heiligen ist aus des Engels Hand vor Gott gestiegen." - Daran schliesst es sich, dass später 11, 1 dem Johannes von einem Engel ein Rohr gleich einem Stabe gegeben und zu ihm gesagt wird: "Stehe auf, und miss den Tempel Gottes, und den Altar und die darin anbeten." Der Rauchaltar, - das Feuer, welches von dem Rauchaltare aufsteiget, ist der Bote der Menschen zu Gott, der Mittler zwischen der Menschheit und der Gottheit, zwischen der Erde und dem Himmel. In dem gleichen Sinne trägt Agni, das Feuer, als die Gebetzunge (Mantradschiwas) die Wünsche und Gebete der Menschen von den Opferspenden zu den Göttern hinauf und wird zum Mittler zwischen beiden, zum Herold der Götter, der sie zum Opfer zusammenruft, zum Priester unter den Göttern und zum Gotte der Priester. Aehnlich wird noch bei den Katholiken jeder feierliche Gottesdienst mit Räucherungen unter Spendung des Segens durch den Priester begonnen und geschlossen; der Rauch soll das erste und das letzte Gebet der Gläubigen vor den Vater in dem Himmel tragen. Völlig unbegreiflich erscheint wenigstens uns die Ansicht von Baehr, dass der in der Wohnung Jehovah's verbreitete Wohlgeruch den göttlichen Odem bedeute, welcher in Jehovah's Wohnung wohne und ohne welchen kein Licht und kein Leben (Brod) sei, - er sei das eigent-




    1) Exod. 30, 1 - 6 heisst es: "Und stelle ihn (den Altar) vor den Vorhang. welcher über der Lade des Zeugnisses hängt, vor die Kapporeth über dem Zeugniss, wo ich mit dir zusammenkomme."



lich schaffende Princip in Gott, indem Jehovah athme, bezeuge er, dass er sei, - durch sein Athmen gehe von ihm Licht und Leben aus, - weil Jehovah nur Einer sei, stehe auch nur Ein Altar des Odems in der Mitte des Heiligen. Nach Hengstenberg und Keil soll der Räucheraltar den lsraeliten zurufen: "Betet ohne Unterlass!", der Leuchter: "Lasset euer Licht leuchten vor den Menschen!" - Auch Mithra, der Gott des Lichtes überhaupt und des Sonnenlichtes insbesondere, wird von den Baktrern der Mittler genannt, weil alle Segnungen des Ormuzd dem Menschengeschlechte erst durch Vermittelung der Sonne, des Lichtes und der Wärme zukommen; Mithra selbst bedeutet daher den Freund (der Menschen). Ebenso ist auch der im ewigen Wechsel zwischen Licht und Finsterniss, Tag und Nacht sich umschwingende griechische Hermes der Bote des Zeus. 1) - Die Bitten und Gebete, welche von dem Rauchaltare des salomonischen Tempels aufsteigen zu Gott im Himmel um Erhörung, sind das Flehen um das irdische und himmlische Leben und Licht. Darum umstehen den Rauch-, den Gebetsaltar die zwölfbrodigen Schaubrodtische und die siebenarinigen Leuchter, um dadurch anzudeuten, dass Gott der Geber und Spender alles Lebens und alles Lichtes sei. Von den Schaubrodtischen ertönt gleichsam das christliche Gebet: "Gib, o Herr, uns unser tägliches Brod!" Nach Hengstenberg sollen die Schaubrodtische das Volk auffordern, Gott sein tägliches Brod zu geben, und dieser Aufforderung werde genügt, wenn die Gemeinde fleissig in guten Werken Gott Dasjenige darbringe, wozu er Kraft, Segen und Gedeihen gegeben. 2) Zwölf Schaubrode sind es entweder mit Hinsicht auf die zwölf Stämme Israels, welche nach Brod verlangen, oder die zwölf Monate des Jahres, in denen Gott allen Jahressegen verleiht, oder endlich mit Hinsicht auf Beides zugleich. Auf Gott als den Verleiher des Lebens, des Heiles und der Freude, deuten gleiehmässig die goldenen, ewig grünen Palmen




    1) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 345 ff.
    2) Hengstenberg, Beiträge zur Einleitung in das A. T., III. S. 644 - 650; Keil, der Tempel Salomo's, S, 148 - 153.



und die aufblühenden Blumen hin, welche neben den Cherubim die Wände des Tempels Gottes schmückten. Besonders die in jedem Monate neu sprossende Palme war das Symbol des niemals ersterbenden und stets fortdauernden irdischen und himmlischen Lebens, des unzerstörbaren Grüns auf Erden und im Himmel. Wie Gott das tägliche Brod und allen, Segen während der zwölf Monate des Jahres den Kindern Israels verleihet, leuchtet er auch durch die sieben Himmel der Planeten und die sieben Tage der Woche, wie dieses der siebenarmige Leuchter ausspricht. So gehen auch aus dem Munde des indischen Agnis sieben Strahlen als sieben Zungen und er heisst daher der Siebenzungige, Saptaschiwas, und ist zugleich siebenarmig. Der von den alten Arabern unter dem Bilde eines greisen Mannes, Hobal genannt, verehrte Saturn trägt sieben Pfeile in der Hand als Symbol der den sieben Wochentagen vorstehenden sieben Planeten. Ganz ebenso sind die sieben brennenden Lichter auf dem Einen Leuchter der Stiftshütte und des salomonischen Tempels das Alles erleuchtende Licht, das vereinigte siebenfache Licht der sieben Planeten des Einen Lichtgebers und Gottes, die sieben göttlichen Lichter und Augen (vgl. oben I. S. 169). Nach der Offenbarung Johannis 1) trägt Christus in dem Himmel in der rechten Hand sieben Sterne, welche die Engel der sieben christlichen Gemeinden, d. h. der ganzen Christenheit in Asien sind und bedeuten. Christus als dem siegreichen Lamme des Lichts ertheilt Johannes sieben Hörner und sieben Augen, welche die sieben Geister Gottes sein sollen, die auf das ganze Erdreich gesendet sind; dieses geschlachtete Lamm löset durch seinen Tod in der Hand Gottes das Buch des letzten Gerichtes mit den sieben Siegeln. Es gibt kaum eine andere Zahl, welche bei den Israeliten und bei allen übrigen Völkern des Alterthums so häufig symbolisch gebraucht wird, als die Siebenzahl und doch gehört diese Zahl bei den lsraeliten nicht dem reinen Jehovahglauben und Cultus an, sondern ist entweder ein Ueberrest oder eine fremdartige Einmengung aus dem




    1) V. 1, 5 u. 6; VIII, 2 u. 6; XV. 7; I. 4, 11, 12, 13, 16 u. 20.



163 Glauben und Cultus der sieben Planeten, der sieben schöpferischen Grundkräfte, der sieben Kabiren und Patäken. Die von Noah zum zweiten Male ausgesandte Taube kehrt nach der Genesis 8, 10 nach sieben Tagen wieder in die Arche zurück. Zufolge Genesis 7, 10 kam nach sieben Tagen das Gewässer der grossen Fluth auf die Erde. Das mosaische Fünf- oder Zehngebot schreibt den Juden vor, am Passah- oder Osterfeste sieben Tage lang ungesäuertes Brod zu essen. Die mosaischen Urkunden zählen gleichfalls sieben Erzväter. 1) Nach Jesaja 11, 15 schwingt der Ewige seine Hand wider den Strom Euphrat in der Gluth seines Zornes und schlägt ihn zu sieben Bächen, dass man mit Schuhen hindurchgehen kann. In 3, 1 droht Jesaja den Frauen für den Fall der Zerstörung Jerusalems, dass an jenem Tage sieben Weiber Einen Mann haben und sich verzweifelnd unter seinen Schutz stellen werden. Psalm 12 wird Gott angerufen, den Nachbarn der Juden siebenfach in ihrem Busen den Hohn zu vergelten, womit sie Jehovah gehöhnt haben. Das Herbst- oder Laubhüttenfest wurde im siebenten Monat des hebräischen Jahres vom 14. bis zum 21. Tage desselben gefeiert. Die Einweihung zum jüdischen Tempel- und Priesterdienste währte sieben Tage hindurch. Bei dem jährlichen grossen Sühnopfer sollte der Hohepriester mit seinem Finger in das Blut tauchen und sieben Mal damit gegen die Bundeslade oder gegen Jehovah sprengen; sieben Tage dauern die Gebräuche der Priester bei ihrem Füllopfer; sieben Tage währte das Passah- und das Succothfest, das Ostern- und das Hüttenfest; bei der Einweihung des Tempels Salomo's wurde sieben Tage lang geopfert und am siebenten Tage des siebenten Monats im siebenten Jahre nach seinem Beginnen soll der Tempel eingeweiht worden sein; Kain soll sieben Mal, Lamech aber 70 Mal sieben Mal gerochen werden; in der Genesis befiehlt der Herr Noah, aus allem reinen Vieh und den Vögeln des Himmels je sieben und sieben, das Männlein und das Weibchen zu sich zu nehmen; Abraham. gab dem Abimelech sieben Lämmer; bei




    1) Bunsen, Bibelwerk, V. S. 307.



sieben Brunnen (Berseba), welche er gegraben hatte, schliesst Abraham Verträge mit den Kanaanitern; sieben Jahre dient Jakob um die Rahel und sieben andere um die Lea; sieben Mal beugte Jakob vor dem ältern Bruder sich zur Erde; sieben magere und sieben fette Kühe erschienen; eine Frau, welche einen Knaben geboren hatte, blieb sieben Tage und zwei Mal sieben Tage wegen der Geburt eines Mädchens unrein; wer ein Grab und wohl auch einen Todten berührte, sollte nach Numeri 19, 16 für sieben Tage unrein sein; die Samariter, welche als eine jüdische Religionssecte zu betrachten sind, feierten sieben kirchliche Feste und sieben Tage dauerte auch ihr Oster- und Laubhüttenfest; der siebente Monat begann bei ihnen mit dem Neujahrsfeste. "Siebenen," sich bei sieben heiligen Dingen verpflichten, hiess bei den Hebräern schwören. Ebenso wurden bei den alten arabischen Stämmen Bündnisse über sieben Steinen beschworen, indem die Schwörenden sich ihre Hände aufritzten und die Steine mit ihrem Blute bestrichen, was darauf beruht, dass auch sie gleich den übrigen Semiten von den Ariern, von den Chaldäern die Verehrung der sieben Wandelsterne als lebendiger Geister, als Herrscher über die Natur und die Geschicke der Menschen angenommen hatten. - Die sieben noachidischen Gebote der Juden 1) waren: zu meiden Gotteslästerung, den Gestirndienst, die Blutschande sammt der Pedärastie, den Mord, den Raub und Diebstahl, den Ungehorsam und die Widersetzlichkeit gegen die jüdische Obrigkeit und den Genuss lebend ausgeschnittener (noch blutender) Thierstücke. Nach dem Vorbilde dieser sieben noa-




    1) Vergl. auch Grävell, Betrachtungen über die Symbolik der Freimaurerei, Cottbus 1843, S. 134 ff., obwohl dieses Buch, welches die Widerlegung Krause's beabsichtigt und die Geschichte der Freimaurerei auf Grundlage der zweifelhaften Yorker Constitution vorträgt, zwar wenig eigentlichen geschichtlichen Werth hat, jedoch immerhin schätzenswerth ist und in einzelnen Punkten mit Grund Krause widerspricht, z.B. bezüglich des höhern Alters der in allen Mysterien gleichmässig vorkommenden Graden. Die Kölner Urkunde vom J. 1535 hielt Grävell, S. 240 (unten), noch mit Heldmann für ächt, während jetzt ihre Unächtheit kaum von irgend Jemand mehr bezweifelt wird.



chidischen Gebote sind die sieben Todsünden der Christen geschaffen worden. - Sieben Tage trauerte Joseph in Kanaan um seinen Vater Jakob; ebenso trauerten die Einwohner von Jabes und Gilead sieben Tage lang um den Tod des Königs Saul. Sieben Tage dauerte zufolge dem Buche der Richter 14, 12 ff. das Hochzeitsmahl des sieben Haarlocken tragenden Simson im Lande der Philister und am siebten Tage löseten die Philister das von ihm aufgegebene Räthsel:

"Von dem Verzehrenden (von dem durch Simson getödteten Löwen) ging aus Zehrung und aus dem Beissenden (Löwen) kam Süsses (der Honig der Bienen in dem Leichnam des Löwen)"

mit Simsons eigener Auflösung, welches ihnen seine Braut mitgetheilt hatte:

Was ist süsser als Honig?
Und was beisst mehr als Löwe?

Jethro, der Priester von Midian, hatte sieben Töchter, von denen Moses die eine, Zippora, zum Weibe nahm. Nach II. Mosis 21 , 2 soll der hebräische Knecht, welcher verkauft wird, sechs Jahre dienen und im siebten Jahr als Freier ausgehen. Zufolge Moses III. 25, 8 ff. soll nach sieben Mal sieben oder 49 Jahren das 50. Jahr ein Jubeljahr sein und am zehnten Tage des siebten Monats soll die Hallposaune durch das ganze Land ergehen, damit Alle, die im Lande wohnen, ihre Freiheit erhalten und Jeglicher wieder zu seinem Eigenthum und zu seinem Geschlechte komme. Bileam errichtete sieben Altäre und opferte auf jedem Altare Gott einen Farren oder Widder. Oefters wird vorgeschrieben, dem Ewigen sieben- oder vierzehnjährige Lämmer zu opfern. Zehnmal sieben Söhne hatte Gideon. Es wird im Buche Josua, Kap. 6, erzählt, dass auf Befehl Jehovah's das ganze Heer der Hebräer sechs Tage hinter einander gerüstet um die Stadt Jericho gezogen sei, die Lade Jehovah's und sieben Priester mit Jubelposaunen vor derselben mitten im Zuge. Als bei dem Zuge des siebenten Tages, an welchem allein die Stadt umzogen wurde, die sieben Priester in die sieben Jubelposaunen stiessen, seien die Mauern Jericho's ein-





gestürzt und das Volk habg die Stadt eingenommen. - Es waren sieben Sünden, für welche als Strafe der Aussatz eintrat, nämlich Hochmuth, das Vergiessen unschuldigen Blutes, - ein Herz, das auf unrechte Gedanken sinnt, - die Eilfertigkeit zum Bösen, falsches Zeugniss und Ausstreuung von Zwietracht unter Freunden; deshalb wird auch der Genesende, der von der Krankheit und von der Sündenschuld zu Reinigende sieben Mal mit Blut besprengt, worauf er noch sieben Tage sich waschen und reinigen musste und am achten Tage ein Lamm opferte, mit dessen Blut der Priester auf sein rechtes Ohr, auf den Daumen der rechten Hand und des Fusses strich. 1) Von andern Lehrern werden zehn Sünden angegeben, wofür Plagen mit dem Aussatz einzutreffen pflegen. - Nach der grossen Dürre, welche der Ewige unter der Regierung des Königs Ahab zur Strafe verhängt hatte, weil Israel von ihm abgefallen war und Baalen und Astarten dienete, sendet der den Dienst des Ewigen wieder herstellende Prophet Elisa seinein Diener sieben Mal auf die Höhe des Berges Karmel, um nach dem Meere zu schauen, ob kein Regen im Anzuge sei, und bei dem siebten Male sprach der Diener Elisa's: "Siehe, es steiget auf aus dem Meere eine kleine Wolke, wie Mannes Hand," worauf alsbald ein starker Regen niederfiel (Könige I. 13, 41 ff.). Bei der weitern Bestrafung des ungetreuen Israel lässt der Ewige tausend Mal sieben übrig bleiben, nämlich alle Kniee, welche sich nicht gebeugt haben vor dem Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküsset hat (l. Könige 19, 18). - Sieben Tage lang lagern die Heere der Israeliten und Aramäer einander gegenüber; am siebten aber wurden sie handgemein und die Kinder Israel schlugen die Aramäer, 100,000 Mann Fussvolks auf Einen Tag und die Uebriggebliebenen flohen gen Aphek in die Stadt; und die Mauer fiel auf 27,000 Mann, die übrig geblieben waren (I. Könige 20, 29 und 30). - Von dem sie belagernden Nahas, dem Könige der Ammoniter, erbitten sich die Einwohner von Jabes in Gilead eine Frist von sieben Tagen, dass sie Boten senden durch alle Marken Israels; sei dann Niemand, der ihnen helfe,




    1) Weimarisches Jahrbuch, I. S. 430 unten und S. 428.



so wollen sie zu ihm hinausgehen (l. Samuel 11, 3). Da der Richter Samuel den von ihm eben zum König von Israel gesalbten Saul entlässt, spricht er: "Sieben Tage sollst du harren, bis ich zu dir komme und dir kund thue, was du thun sollst (l. Samuel 10, 16)." - Nach den Berechnungen der Rabbinen soll Josua das Land Kanaan diesseits des Jordan in sieben Jahren erobert haben (Bunsen zu Kap. 11 des Buches Josua). - In dem Dankesliede der Mutter Samuels an den Ewigen der Heerschaaren gebiert die bis dahin unfruchtbare Frau sieben Kinder und die Kinderlose welket hin (l. Samuel 2, 5). Der von dem König David mit dem Weibe Urias erzeugte Knabe stirbt zur Strafe am siebten Tage nach seiner Geburt (II. Samuel 12, 15 ff.). David muss zur Versöhnung der Rache der Gibeoniten sieben Kinder und sieben Enkel Sauls hingeben, um sie dem Ewigen zu Gibea Sauls zu hängen (II. Samuel 21, 1 ff.). Als der Prophet Elisa den verstorbenen Knaben der Sunamitin wieder auferweckte, niesete der Knabe sieben Mal; darnach that er seine Augen auf (II. Könige 4, 35). Der Prophet Elisa heilt Naemann, den Feldhauptmann des Königs von Aram, dadurch von dem Aussatze, dass er ihn sieben Mal im Jordan baden lässt (II. Könige 5, 1 ff.). Das Pfingstfest war bei den Juden wie bei den Christen noch heute, das Fest der sieben Wochen. Die reinen Worte Jehovah's werden in den Psalmen I. 12, 7 mit siebenfach geläutertem Silber verglichen: "Die Worte Jehovah's sind reine Worte, Silber, gereinigt von der Erde im Tiegel. Geläutert siebenfach!" Sechs Tage sollst du das Werk thun, aber den siebten sollst da feiern (II. Moses 23, 12). Das Erstlingsschaf soll man sieben Tage bei seiner Mutter lassen und am achten dem Ewigen opfern (II. Moses 22, 30). Der Samstag, der jüdische Sabath von sheba, sieben, nach ägyptisch-chaldäischem Sprachgebrauche, septima dies, lat. septem, griech. 1) war bei den Ursemiten als der dem höchsten Gotte, dem Saturn geweihte Tag der erste Wochetag; Moses jedoch hatte wohl seiner Schöpfungsmythe wegen den alten ersten Wochetag in den siebten umgekehrt, an welchem Gott




    1) Kanne, allgemeine Mythologie, S. 39 und 75.



nach vollbrachter Schöpfung einer höchst menschlichen und kindlichen Vorstellung zufolge gleich einem Menschen von schwerer Arbeit ausruhte. Nunmehr also war der alte Saturntag, der Tag des Herrn, der Sabath, der siebte Tag. Die Auffassung des Saturn als die zusammenfassende und beherrschende Einheit der sieben Planetenwelten bei den Ursemiten beweiset übrigens, dass die Religion aller Semiten, also nicht blos der Juden, eine monotheistische gewesen und erst später durch den baktrisch-chaldäischen und den asiatisch-phönicischen Naturdienst getrübt worden sei. 1) Im Englischen wird der Samstag noch jetzt Saturntag, Saturday genannt, im Westphälischen Söterdag und im Münsterlande, sowie in Ostfriesland und Oldenburg Saterdag. Die Christen haben sodann wieder, um sich von den Juden zu unterscheiden, den alten zweiten Wochetag, den Tag der Sonne, zum Tag des Herrn oder zum siebenten Wochetage gemacht. Der christliche Sonntag muss deshalb als der siebente und nicht als der erste betrachtet werden, weil die Christen die mosaische Schöpfungsmythe angenommen haben und somit der Sonntag der Tag des Ausruhens Gottes oder der siebente Wochetag ist. - Bei Jeremia 15, 9 wird gesagt, dass die Mutter verschmachte, welche sieben Söhne geboren hat. Nach Jeremia 28, 17 stirbt der falsche Prophet Hananja im siebenten Monate des Jahres. Wenn Jeremia wiederholt weissaget, es solle die Gefangenschaft zu Babylon 70 Jahre währen, heisst dieses nur: lange. Zum Zeichen der Wiederherstellung Israels kauft Jeremia einen Acker zu Anathoth um siebenzehn Sekel Silbers, (32, 9).

Was nun die beiden Vorhöfe des salomonischen Tempels endlich noch angeht, war die Form derselben nach Baehr, S. 41, ohne allen Zweifel die viereckte, wie dieses die Analogie der Stiftshütte sowohl als des Ezechielschen Tempels und die überall auch sonst bei dem Heiligthum streng festgehaltene viereckte Form mit sich bringt. Kopp, S. 4, übergeht die Hofräume und die sonstigen Gebäude, die den Tempel umgaben, weil selbst das Wenige,




    1). Movers, die Phönicier, I. S. 314.



169 was der Text hierüber sagt, dunkel ist; es muss überhaupt zugestanden und bemerkt werden, dass wir das Innere und die innere Ausstattung des salomonischen Tempels weit genauer, vollständiger und zuverlässiger aus den darüber vorhandenen urkundlichen Nachrichten kennen als dessen äussere Form und Gestalt oder das Tempelgebäude an sich weshalb eben über das letztere die Ansichten so sehr auseinander gehen oder auch die entgegengesetztesten Ansichten mit dem gleichen Rechte vertheidigt werden können, indem, wo die Urkunden schweigen, den Vermuthungen und blossen Phantasiegebilden der freieste und weiteste Spielraum gelassen ist. Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 26, sagen in dieser Rücksicht nicht ohne Grund: "Man hat häufig versucht, dies merkwürdige Gebäude zu restauriren, ohne dass bis jetzt eine Ansicht zum Vorschein gekommen wäre, die hätte befriedigen können. Dies kann auch nicht anders sein. So wenig man einen Menschen, dessen Geripp in einer ziemlich vollständigen Zeichnung vorliegt, nach diesem Anhaltspunkte so darzustellen vermag, wie er in Fleisch und Blut gelebt hat, eben so wenig wird es je gelingen, einen Bau, auf dessen Baustyl sich nur ungewisse Schlüsse machen lassen, der Wirklichkeit entsprechend darzustellen." In der Note dazu wird beigefügt: "Aus diesem Grunde sehen wir uns auch genöthigt, eine übrigens sehr gelungene Ansicht des Tempels, die uns ein wackerer junger Künstler zuschickte, zu unterdrücken." - Baehr in dem Vorworte, S. IV und V, bemerkt in Bestätigung des hier Gesagten: "Anfangs hatte ich vor, auch Abbildungen beizugeben, nämlich eine Reihe der bildlichen Darstellungen des Tempels, wie sie seit Villatpand versucht wurden, um durch die total verschiedene, ja sich widersprechende und gegenseitig geradezu aufhebende Auffassung darzuthun, dass eine sichere bildliche Darstellung der äusseren Formen des Baues unmöglich sei." - Beide Vorhöfe waren gepflastert. Der äussere und grössere Vorhof des Volkes soll eine Länge von 300 und eine Breite von 250 oder gleichfalls 300 Ellen gehabt haben. Der Priestervorhof oder der innere und unmittelbar vor der östlichen Seite des Tempels gelegene Vorhof scheint etwas höher gelegen gewesen zu





sein, damit das Volk die im innern Priestervorhofe vorgenommenen Verrichtungen der Priester besser beobachten konnte. Die Wand, welche den Priestervorhof von dem äusßeren Volksvorhof schied, war aus drei Reihen Quadersteinen und einer Reihe von Cedernbalken erbaut. 1) Kopp, S. 4, aber verwirft diese Ansicht, welcher auch Stieglitz beigetreten ist, und glaubt vielmehr, ähnlich wie Hirt, dass hier, unbeschadet etwaiger Erhöhung des inneren Tempelhofes gegen den äusseren, der Text I. Könige 6, 36 - mit Beziehung und Vergleichung von I. Könige 7, 12, wo unter dem Ausdruck: "und der Halle des Hauses," nachdem vorher das Haus Jehovah's näher bezeichnet, wohl nur die unter I. Könige 7, 6 erwähnte Säulenhalle an Salomo's Hause zu verstehen sei - mehr sachgemässer Säulengänge, die nach dem Tempel zu aus drei Reihen Steinen (Säulen) und aus einer Rückwand von einer dicht geschlosseuen Reihe Cedernbalken bestanden, zulasse, wo nicht selbst bedinge. - Im Priestervorhofe stand etwas vor den beiden Säulen Jakin und Boaz, jedoch nicht in gerader Linie mit dem Eingang in das Haus, sondern etwas mehr rechts, 2) das sogenannte eherne Meer, ein grosses mit Wasser gefülltes, aus Erz gegossenes und von zwölf ehernen Stieren getragenes Becken mit ausgebogenem Rand und in der Form eines aufgeblüheten Lilienkelchs. Den Rand des ehernen Meeres sollen zwei Reihen Blumenknospen geziert haben, deren je zehn auf eine Elle kamen. Die zwölf Stiere, welche zunächst das Symbol der zwölf Stämme Israels waren, 3) waren so gestellt, dass immer drei mit einander eine Gruppe ausmachten, die nach einer der vier Himmelsgegenden blickte. Auf den Capitälen der beiden Säulen Jakin und Boaz waren in gleicher Weise die ein jedes Capitäl umgebenden zwei Reihen von je hundert Granatäpfeln in vier Gruppen von je vierundzwanzig Aepfeln so abgetheilt, dass jedesmal der fünfundzwanzigste Granatapfel die Gruppe schloss und nach einer




    1) Baehr, S. 44.
    2) II. Chronik 4, 10; Lundius, jüdische Heiligthürner, Il. Kap. 13; Baehr, S. 214 ff.
    3) Baehr, S. 233 ff



Himmelsgegend aussah. Die Höhe des ehernen Meeres betrug fünf Ellen, seine obere Weite oder sein oberer Durchmesser zehn Ellen und der ganze obere runde Umfang ungenau 30 Ellen. 1) Nach Lundius, a. a. O., II. Kap. 13 Nr. 14, soll das eherne Meer unten viereckigt gewesen sein, weil es in dieser Gestalt von den zwölf Stieren am besten und festesten auf ihrem Rücken habe getragen werden können, wie dafür auch allerdings die vier Gruppen, gleichsam das Viereck der Stiere zu sprechen scheint. Abbildungen des ehernen Meeres findet man in jeder ältern mit Kupfern versehenen Bibelausgabe; die genannte Basler Bibelausgabe lässt um den untern Theil des ehernen Meeres in zwei Reihen 32, also acht auf jeder der vier Seiten, Ochsen- und Stierköpfe herumlaufen, aus welchen beständig Wasser geflossen sein soll, was jedoch mit der angeführten jüdischen Tradition in Widerspruch steht. Zufolge Lundius, a. a. O., Nr. 23, und 24, sollen inwendig in den Fässen der Stiere Röhren gewesen sein, durch die aus dem Brunnen Etham Wasser in das eherne Meer geleitet worden sei und dieser ein beständig laufender Brunnen, eine Art Wasserkunst gewesen wäre.

Noch weiter nach der vordern Seite im Priestervorhofe, aber in gerader Richtung mit dem Eingange des Hauses, also auch mit dem Rauchaltare und mit der Bundeslade, stand der zwanzig Ellen lange und breite (mithin ein vollkommenes Quadrat bildende und dadurch an das Allerheiligste erinnernde) und zehn Ellen hohe, aus ehernen Platten zusammengesetzte Brandopferaltar des Volkes Israel mit vier Stierhörnern; die Mitte der den Brandopferaltar bildenden Platten war mit Erde oder wahrscheinlicher mit Steinen ausgefüllt. 2) Rechts und links von dem Brandopferaltar, welcher ohne Zweifel einen Absatz oder sonst eine Vorrichtung zum Hinaufsteigen der Priester hatte, waren je fünf, also im Ganzen zehn eherne, auf mit vier Rädern versehenen und daher beweglichen Gestühlen ruhende Wasserbecken aufgestellt, um darin die Opfertheile des




    1) I. Könige 7, 23; II. Chronik 4, 2 ff.
    2) Baehr, S. 226 ff., vergl. mit S. 213.



zu verbrennenden Opferthieres waschen zu können. 1) Auch von diesen Wasserbecken geben die alten Bibelausgaben Abbildungen. Die Basler Bibelausgabe denkt sich das auf vier Rädern laufende eherne Gestell viereckig und darauf das eherne kesselförmige Wasserbecken ruhend, womit im Wesentlichen auch die Neuern, besonders Grüneisen und Thenius übereinstimmen. Der eherne Kasten oder das Gestell des Wasserbeckens, die Mechona, hatte vier Ellen in der Länge, vier Ellen in der Breite und drei Ellen in der Höhe; die Mechona, der Untersatz, war so eingerichtet, dass in sie das Wasser aus dem darüber befindlichen Becken herabgelassen werden konnte, sobald man darin Etwas waschen wollte. 2) Auf den vier Flächen des Kastens befanden sich in erhabener Arbeit Gebilde von Palmen, Löwen, Stieren, Cherubim und darunter Hängewerk von Kränzen; die vier Kastenwände wurden durch Eckleisten zusammengehalten, welche Eckleisten gleichfalls mit Bildwerk geschmückt waren. Auf dem Bilde der Basler Bibel steht in zwei über einander befindlichen Reihen je zwischen zwei Palmen ein Cherub mit erhobenen Flügeln und mit zum Gebet gefalteten Händen und dem Cherub zur Seite, wieder zwischen zwei Palmen, so dass jede Gruppe vier Palmen zählt, ein Löwe und Stier, oder ein Stier und ein Löwe, auf den Cherub zuschreitend. Gewiss hatten diese Gebilde eine symbolische Bedeutung und der Stier und Löwe sind wohl der Sonnenstier und Sonnenlöwe oder die Sonne im Sternbilde des Stieren und Löwen, welche hier nicht blos als der Bringer und Verleiher alles Naturlebens, sondern besonders auch des Regens und des befruchtenden und reinigenden Wassers gedacht war. Dass Baehr, S. 230, hier den Löwen und den Stier nur als vereinzelte Bestandtheile des Cherubs betrachten will, möchte nicht zu billigen sein; eben so wenig haben, wie er meint, die zwölf Löwen am Throne Salomo's und die zwölf Stiere am ehernen Meer nur Beziehung auf die zwölf Stämme Israels, denn diese zwölf Stämme waren selbst blos ein Symbol oder fallen mit den zwölf




    1) II. Chronik 4, 6; Baehr, S. 218 ff.
    2) Baehr, S. 228.



Löwen und zwölf Stieren zusammen. Diese Symbolik war allerdings in dem Jehovahcultus eine fremdartige, weshalb diese Josephus Antiq. 8, 2, p. 272, auch an Salomo als eine Verirrung und als eine Verletzung des göttlichen Gesetzes tadelt, welchen Tadel Baehr, S. 235, ohne Grund wissbilligt; Josephus war darin ein berufenerer Richter als Baehr.

Das zu den sämmtlichen Geräthen des Priestervorhofes verwandte Metall war das Erz als der irdische Abglanz des in dem Hause. Gottes erscheinenden Goldes. 1) Die drei Hauptgeräthe des ganzen Tempels, die Bundeslade des Allerheiligsten, der Räucheraltar des Heiligen und der Brandopferaltar des Priestervorhofes standen unverkennbar schon durch ihre gleichförmige Lage oder Stellung mit einander in inniger Beziehung. 2) - Auch bei den Griechen befand sich übrigens der Brandopferaltar, welcher gewöhnlich viereckt gestaltet war, vor dem Tempel mit dem Gottesbilde im Freien, jedoch innerhalb des Peribolos oder des abgegrenzten heiligen Tempelraumes. Die Brandopfer wurden bei den Griechen so dargebracht, dass das Bild der Gottheit, der sie bestimmt waren, durch die weit geöffnete Tempelpforte auf den Brandopferaltar hinblicken konnte. Im Innern des Tempels oder der Cella wurden zwar auch mitunter Altäre aufgestellt, aber auf denselben nur unblutige Spenden dargebracht. Auf einem zu Athen aufgefundenen bemalten Thongefäss ist ein Altar dargestellt, auf welchem ein Opfer zu Ehren des Zeus zu brennen scheint. Zu Athen fand Stuart, einen achteckigen Altar, der mit Blumengewinden und Stierschädeln geziert war. Einen runden Altar aus weissem Marmor, der ganz ähnlich verziert ist, fand man zu Delos. Die Abbildung dieser beiden Altäre ist bei Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer nach antiken Bildwerken, Berlin 1860, S. 51 und 52, mitgetheilt.

In der schon angeführten Ausgabe der "Constitutionen" von Noorthouk, S. 24 - 26, wird über die Zahl der bei dem salomonischen Tempelbaue beschäftigt gewesenen Ar-




    1) Baehr, S. 227 vergl. mit S. 155 ff.
    2) Baehr, S. 223 ff.



heiter und ihre Stellung folgendes gesagt: "Um dieses erstaunliche Werk desto gemächlicher und schneller zu betreiben, liess Salomo alle dabei angestellten Zunftgenossen sowohl die inländischen, als die fremden, zählen und in folgende Classen eintheilen:
1)Die Harodim , oberste Vorgesetzte oder Pröbste (provosts)300
2)die Menatzschim, Aufseher, die ihre Untergebenen zur Arbeit* anhielten und erfahrene Meistermaurer waren3,300
3)die Ghiblim, Steinhauer, Polirer und Bildhauer, die Isch Chotzeb, Steinbrecher, und die Benai, Setzer, Leger oder Bauleute, welche geschickte und kunstreiche Gesellen waren80,000
4)die aus den Israeliten zur Arbeit auf dem Libanon ausgehobene Mannschaft, von welcher drei Monate lang 10,000 in jedem Monate unter der Leitung des edlen Adoniram, des jüngern Grossaufsehers arbeiteten30,000

Es waren mithin an dem Tempelbaue, mit Ausnahme der beiden Grossaufseher113,600
Freimaurer angestellt, ausser den Isch Sabbal, oder Lastträgern, die noch von den alten Canaanitern übrig waren, und 70,000 Mann ausmachten, unter die Masonen aber nicht mit cerechnet wurden." 1) Natürlich ist hier das ganze masonische Gewand, in welches besonders die Engländer seit Anderson die Geschichte hineinzwängen, abzustreifen; die Zahl der bis gegen 200,000 ansteigenden Arbeiter ist jedoch richtig, angegeben. Da der salomonische Tempel an und für sich, wie Braun (l. S. 404) sich ausdrückt, kaum unsern mässigsten Kirchen gleichkommt, weiss er diese ausserordentliche Arbeiterzahl nicht anders zu erklären als durch den grossartigen Unterbau der Terrasse, welcher allerdings Menschenkräfte genug in Anspruch möchte genommen haben. Auch ist es möglich, dass der Volksvorhof nicht allein mit sehr weiten Umfassungsmauern zur Aufnahme einer möglichst grossen




    1) Lenning, a. a. O., III. S. 300; L a t o m i a, XIX. S. 32.



Volksmenge, sondern auch mit mancherlei anderweitigen Gebäuden und Einrichtungen für die Bedürfnisse des versammelten Volkes versehen war, wie darüber allerdings Andeutungen erhalten sind. 1) Gädike, Freimaurer-Lexikon, S. 427, lässt den Tempelraum 300,000 Menschen fassen.

Möge dieser Versuch einer Erklärung der symbolischen und historischen Bedeutung des salomonischen Tempelbaues die Kundigen veranlassen, unsern vaterländischen Bauten des gothischen oder deutschen Styls stets grössere Aufmerksamkeit und Beachtung zuzuwenden, indem in ihnen ebenso viel Symbolik als Geschichte niedergelegt ist. So glaubt, um nur Eines zu erwähnen, der bekannte Architekt Heideloff in der nach ihm im Jahre 1325 von 248 Adelichen aus allen deutschen Landen gegründeten deutschen, höchst ausgezeichneten Ritterkapelle unserer lieben Frau und des Ritters St. Georg zu Hassfurt a. M., welche dermalen unter seiner Leitung und nach seinem Plane wiederhergestellt und vollendet wird, das architektonische Denkmal der im J. 1325 erfolgten Versöhnung der beiden deutschen Gegenkaiser, Ludwigs von Baiern und Friedrichs von Oesterreich, entdeckt zu haben, wie er demnächst in einem besondern ausführlichen Werke dem deutschen Vaterlande mit den Abbildungen der 248 Adelswappen, welche das Aeussere und Innere der Kapelle oder vielmehr Kirche schmücken, darlegen wird. 2) Der Berichterstatter über den Wiederherstellungsplan ruft den Deutschen im Süden und Norden, im Osten und Westen mahnend zu:

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr.

O dass des Sängers Worte die deutschen Herzen entflammen und ihre Arme stählen könnten, um sie zu vermögen, dem deutschen Erbfeinde das so schmählich geraubte schönste Denkmal der deutschen Baukunst, den Dom von Strassburg, mit Stadt und Land wieder zu entreissen. Sollten die Deutschen als ein einziges Volk von Brüdern




    1) Baehr, S. 44 unten und S. 149, 158; Kopp, S. 4.
    2) Gartenlaube für 1860, Nr. 48, woselbst auch eine Abbildung der wiederherzustellenden Kirche nach Heideloff gegeben ist.



dieses Werk der strafenden Vergeltung vollbringen, dann mögen sie vor dem Dome zu Strassburg zwei Ruhmessäulen, die Säulen Jakin und Boaz zum Zeichen aufpflanzen, dass das Volk aufgestanden und gesiegt. Strassburg werde wenigstens wieder der Eingang zum herrlichen deutschen Vaterlande, auch einem geistigen Tempel Salomo's! Wie der salomonische Tempel gleichsam das Siegesdenkmal der bleibenden Eroberung Kanaans durch die Juden, das vereinigende Heiligthum des ganzen jüdischen Volkes war, sollte die Wiedereroberung des Erwin'schen Domes das heilige Banner sein, unter dem alle deutschen Bruderstämme sich zum Kriege und zum Siege sammeln.

Von selbst bietet sich hier noch als die Schlussfrage dar, von welchem vorbildlichen Einflusse der salomonische, der jüdische Tempelbau bei und neben dem sonstigen erwiesenen und unbestrittenen weltgeschichtlichen Zusammenhange zwischen dem Judenthum und dem Christenthum gewesen sei. Hierauf kann geantwortet werden, dass zwischen dem salomonischen und überhaupt dem jüdischen Tempelbau und dem christlichen Kirchenbau keinerlei weder äusserer noch innerer Zusammenhang bestehe, da beide wesentlich auf einer ganz verschiedenen Grundidee und einem entgegengesetzten Baustyle, Bauprineipe beruhen.1)

Was zunächst die zu verwirklichende, gestaltende und tragende Grundidee des jüdischeii Tempelbaues und des christlichen Kirchenbaues betrifft, darf das Unterscheidende zwischen jenem und diesem wohl darin gesetzt werden, dass der jüdische Tempel von dem beweglichen Gotteszelte oder der Stiftshütte an bis zu dem festen Hause Salomo's, von welchem der Serubal'sche und Herodianische Tempel nur Nachbildungen und Nachahmungen gewesen, die verschlossene und unnahbare Wohnung und das Haus des Ewigen (Bêth' el), der Thron Jehovah's über seinem in seinem Hause niedergelegten Gesetze, über seinem mit dem Volke Israel abgeschlossenen Bunde gewesen sei, wogegen die christliche Kirche, , domus ecclesiae, welches in der alten Kirche eine ganz gewöhnliche Benennung für das Kirchengebäude ge-




    1) Vergl. Baehr, S. 296 ff.



wesen, 1) - , ecclesia , d. i. nach Baehr , S. 304, Anm. "Kirche," der gemeinsame Versammlungsort der Gemeinde zur Verehrung und zur Anbetung Gottes, sowie zur Feier des liebenden Gedächtnisses seines Sohnes, - das gottesdienstliche Gemeindehaus ist. In dem jüdischen Gotteshause wohnt und thront Jehovah allein und nur in dem Vorhofe desselben versammeln sich seine Priester und sein Volk, um ihm Opfer darzubringen; das dunkele Allerheiligste, worin das Gesetz, der Bund und der Thron des Ewigen sich befindet, darf einzig der Hohepriester betreten und auch dieses nur an dem jährlichen grossen Sühne- oder Versöhnungstage, eingehüllt in eine Rauchwolke. In der Kirche versammelt sieh vor dem in dem hellsten Lichte strahlenden Altare Gottes die ganze christliche Gemeinde, um zu Gott im Himmel oben ihre gemeinsamen Gebete emporzusenden, die Lehre seines ihm zur Rechten sitzenden Sohnes zu hören und dessen Gedächtniss als des Erlösers aller Menschen und des siegreichen Ueberwinders der Sünde und des Todes zu feiern, In diesen völligen Gegensätzen des jüdischen Gotteshauses. des dunkelen und unbetretbaren jüdischen Allerheiligsten, und des christlichen lichten, der ganzen Gemeinde geöffneten Volkshauses verkündet sich zugleich der grosse Gedanke, welcher mit Christus in die Welt gekommen ist und der das Judenthum, wie noch mehr das polytheistische Heidenthum überwunden hat. Gott hat kein enges Haus auf Erden, sein jüdisches Haus mit dem Bunde darin ist gebrochen und zerstört; denn Gott wohnt allein in dem All, in dem Himmel oben, aber dieser grosse Baumeister des Weltalls, Gott im Himmel ist der liebevolle Vater aller Menschen und aller Völker, welche an ihn glauben und nach seinem Gesetze handeln und leben; nicht blos das Volk Israel, sondern die ganze Menschheit ist auserwählt, welche in und mit Gott ist. Die Menschheit in Gott, die in dem göttlichen Geiste und nach dem göttlichen Worte strebende und lebende Menschheit, - die Christenheit in der That und Wahrheit ist der einzige Tempel, welchen Gott auf Erden sich selber bauet und die Menschen mit




    1) Baehr, S. 302, Anm.



ihm bauen sollen; 1) die Menschheit soll sein ein heiliges geistiges oder geistliches Haus Gottes, - ein heiliges Priesterthum zu opfern christliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Paulus in seinem zweiten Briefe an die Corinther 6, 16 - 18 ruft im Gegensatz der alttestamentalisehen Theokratie der christlichen Gemeinde zu: "Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ich will in ihnen wohnen und wandeln, und ich will ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Darum gehet hinweg von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret kein Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr." Gott in der Menschheit und die Menschheit in der Gottheit ist der neue salomonische Tempel, die neue geistige und unsichtbare Gottesstadt, an denen alle Menschen und alle Völker zu bauen berufen sind, ohne den Bau jemals vollenden zu können; Salomo baute mit Steinen, die Christen sollen im Geiste und in der Wahrheit, mit christlichen Opfern und mit christlichen Werken, in göttlicher Menschenliebe dem Gotte der Liebe bauen. Salomo's Tempel als ein Werk von Menschenhänden fiel in Trümmer; der neue salomonische Tempel als ein geistiger und göttlicher wird unzerstörbar stehen. Der erste Märtyrer des Christenthums, Stephanus, erklärte freimüthig dem jüdischen hohen Rath: "Salomo bauete Gott ein Haus; aber der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit Menschen Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht: der Himmel ist mein Stuhl und die Erde meiner Füsse Schemel." 2) - In dem gleichen Sinne schreibt Paulus in seinem zweiten Briefe an die Corinther 5, 1: "Wir wissen aber, so unser irdisch Haus dieser Hütten zerbrochen wird, dass wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel." Die Colosser ermahnt Paulus 2, 6, dass sie in Christus befestigt und erbauet sein und im Glauben nicht wanken möchten, wie sie gelehrt worden seien. End-




    1) Vergl. oben, S. 144 ff.
    2) Apostelgeschichte 7, 447 ff.



lich sprach Paulus nach Apostelgesch., 20, 32 zu den Aeltesten der Gemeinde Ephesus: "Und nun, liebe Brüder, ich befehle euch Gott, und dem Worte seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu erbauen, und zu geben das Erbe unter Allen, die geheiliget werden."

Dem Uebersinnlichen und rein geistigen christlichen Glauben und salomonischen Bauen entspricht nun der Kirchenbau; er ist das steingewordene christliche Suchen des göttlichen Lichtes, das Suchen und Anbeten Gottes in dem Himmel oben, - er strebt vorwärts und aufwärts zum himmlischen Lichte und Vater. Die auszeichnende Eigenthümliebkeit des Kirchenbaues und besonders des gothischen oder französisch-deutschen, ist ein Vorwärtsstreben nach dem gewöhnlich im Osten gelegenen Chore und Altare, verbunden mit dem gleichzeitigen Emporheben bis zu den kühnsten Höhen. Bei den Christen war es seit den frühesten Zeiten Regel, den Kirchen die Richtung nach Osten zu geben, so dass also der Eingang mit der Schmalseite gegen Westen blickte, die das Gebäude abschliessende Koncha oder Apsis, der halbrunde gewölbte Halbkreis und spätere Chor aber gegen Osten. 1) Der lainggestreckte Kirchenbau, das Langschiff mit den niederen Seitenschiffen in der anfänglichen Rund- und späteren Spitzbogenform sind fortwogende Bewegung bis zur Altarnische (Koncha oder Apsis) hin, woselbst erst das betrachtende Auge die Ruhe und das Ziel der sammelnden Betrachtung und Erholung findet. Im Wogendrange wird gleichsam das Schiff als die Kirche Christi, wie man frühzeitig das Langhaus in der doppelten Erinnerung an das Schiff, welches Christus getragen, 2) und an die rettende Arche Noah nannte, dem ewigen Osten, Lichte und Leben sicher und erlösend entgegengetragen. 3) Innig verbunden mit dieser wogenden Fortbewegung der christlichen Kirche nach dem Altare, nach Osten, ist ihr immer höheres und höheres Aufwärtsstreben, ihr Erheben nach Oben und zu dem Himmel in dem Grade, dass die Bewegung nach Oben die




    1) Baehr, S. 311, Anm. 2; oben I. S. 419 ff.
    2) Evangelium Matthäi 8, 24 ff.
    3) Vergl. auch Baehr, S. 312 und 313.



vorherrschende, die Grundbewegung ist, welche den ganzen Kirchenbau bis in seine einzelnen Theile durchdringt und beherrscht. Man betrachte eine einzige grössere und schönere Kirche oder gar einen unserer vielen herrlichen Dome auch nur mit flüchtigem Auge, um von dem in ihm lebenden, ihn beseelenden Streben und Bewegen ergriffen und fortgerissen zu werden. Mit der zweifachen Bewegung des Kirchenbaues nach der Altarnische und nach Oben hängt es ferner zusammen, dass die Kirchen ihr hauptsächlichstes Licht, ihre eigentliche Beleuchtung entweder von Osten her aus dem dort gelegenen Chore mit seinen hohen und zahlreichen Fenstern, oder von Oben herab durch die in dem obern Theile des über die Seitenschiffe emporragenden Mittelschiffes angebrachten Fenster oder in ähnlicher Weise empfingen und empfangen. Am wenigsten hell pflegen die Seitenschiffe, heller das Mittelschiff zu sein und jm hellsten Lichte leuchtet der Chor, worin der Altar steht und nach dem alle Blicke sich betend wenden müssen. So erscheinen die hohen christlichen und nach Osten gerichteten Kirchen als die dem tiefsten Glauben und dem fühlendsten Herzen entsprungenen Symbole, dass Gott das ewige Licht sei, nach welchem die Seele hoffend emporstrebe und in das sie dereinst durch Jesum Christum, durch ein christliches Leben und Sterben eingehen werde. Alle Beschreibungen, welche wir von den ältesten Kirchen haben, sowohl den occidentalischen als orientalischen, heben ausdrücklich ihre "himmelanstrebende" Höhe hervor. 1) Dieser Kirchenbau beginnt und entwickelt sich schon im Anfange des dritten und noch mehr im Anfange des vierten Jahrhunderts in Rom und Griechenland und ist nach diesem seinem Ursprungslande natürlich und nothwendig ein römisch-griechischer, ein romanisch-byzantinischer, der Basiliken-Bau 2) mit dem Grundgedanken des gottesdienstlichen Gemeinde-




    1) Baehr, S. 314; Bunsen, die Basiliken des christlichen Roms, S. 44, 65, 31, 32 und 35, woselbst die Beweisstellen gesammelt sind.
    2) Ueber den altchristlichen Basiliken-Bau vergl. auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 173 ff., woselbst auch einige Grundrisse und Abbildungen von Basiliken mitgetheilt sind.



hauses. Ob der christliche Basiliken-Bau, das christliche gottesdienstliche Gemeindehaus sich neu und selbstständig aus dem Christenthum und seinen Gemeindebedürfnissen herausgebildet habe, wie neuerlich Zestermann und Hübsch zu begründen versuchten, im Wesentlichen auch Messmer und Lübke wollen, oder ob die christlichen Basiliken, die Kirchenbasiliken nach der bisher gewöhnlichen Meinung an die heidnischen Stoen (Säulenhallen) und besonders die Gerichtsbasiliken sich anlehnen,1) mag dahingestellt sein und werden spätere Forschungen entscheiden; möchte aber für die Hauptfrage der Eigenthümlichkeit des christlichen Basilikenbaues, des Kirchenbaues ziemlich gleichgültig sein, denn dieser ist einmal und ist unter allen Umständen von Griechenland und Rom auf Grundlage und mit Hülfe der griechisch-römischen Baukunst und ihrer Hülfskünste ausgegangen. 2) Die griechischen und römischen Christen bauten die ersten Kirchen, die ersten Basiliken und konnten sie nur bauen mit der griechischen und römischen Baukunst und Technik, anfänglich vermuthlich nur durch heidnische Baumeister und Bauleute, wenn auch das christliche Bedürfniss die Bauten in das Leben rief und der christliche Glaube und Geist ihre Einrichtung und Ausführung bestimmte. Sogar theilweise aus den Trümmern und Ueberresten, namentlich mit Säulen des Alterthums wurden die christlichen Kirchen oft und nicht ohne architektonische und technische Mängel erbaut. Durch sein vorherrschendes Prinzip der Bewegung nach Oben tritt der Kirchenbaustyl, zumal der gothische oder französisch-deutsche, in einen entschiedenen Gegensatz zur gesammten antiken Architektur, besonders auch zu dem jüdischen Tempelbau, in welchem die horizontale Richtung überwiegt, und dem das platte Dach, wie dem salomonischen Tempel, oder doch ein niederes Giebeldach, wie den griechischen und römischen Tempeln, angehört, - und er allein schon beurkundet die höhere geistige, die himmlische und göttliche Gesinnung, welche das Christenthum über das Heidenthum




    1) Vergl. z. B. Guhl und Koner, a. a. O., S. 117 und 118.
    2) Baehr, S. 331 ff; Kinkel, Geschichte der bildenden Künste bei den christlichen Völkern, I. S. 14.



und selbst das Judenthum hoch erhebt, - die christliche Sehnsucht und das christliche Streben nach dem Vater im Himmel oben, nach der reinen und über Alles erhabenen Gottheit. Das Aufstreben des Kirchenbaues in die Höhe will die Worte des Apostels gleichsam verwirklichen: "Suchet, was droben ist, da Christus ist sitzend zur Rechten Gottes; trachtet nach Dem, was droben ist, nicht nach Dem, was auf Erden ist." (Paulus an die Col. 3, 1 ff. 1) Noch bewusst symbolischer gestaltete sich der Kirchenbau, nachdem das vor dem Mittelschiffe und den Seitenschiffen gelegene Querschiff, mit dem Altare darin oder später vor dem Altare im Chore und dem Tische des heiligen gemeinschaftlichen Liebesmahles, der Communion, der , sowie mit den beiden Ambonen oder Kanzeln zum Vortrag der Epistel und des Evangeliums, auf das Kreuz als die Grundgestalt der Kirche in Erinnerung an das Kreuz, an welchem Christus den Erlösungstod gestorben und das alle Christen tragen sollen, um von der Sünde und dem Tode erlöset zu werden, schon im 4. Jahrhundert geleitet hatte. 2) Die Kirche in Kreuzesform war nun die eigentlich und wahrhaft christliche, das Symbol der christlichen Kirche und Religion. Zugleich ist allein und in der geschichtlichen Entwicklungsreihe zum ersten Male die christliche Kirche eine im Innern gegliederte, eine zur Aufnahme der verschiedenen.männlichen und weiblichen Theile und Stände der christlichen Gemeinde eingerichtete und abgetheilte, was die heidnischen und der salomonische Tempel nicht waren, da sie blos das Götterbild oder die Bundesurkunde aufzunehmen und zu bewahren hatten und daher mehr nach Aussen sich wandten, nach der Bezeichnung von Kugler nur eine Architektur des Aeussern sind. 3) Erfüllen den salomonischen Tempel nur die Cherubim als die todten Symbole des Lebens, beleben die christlichen Kirchen die Gemeinden als der lebendige Leib Christi und als die lebendige Kirche und der lebendige Tempel Gottes. Was man von einer Dreitheilung, Trichotomie der ältern christlichen Kirchen als dem salo-




    1) Vergl. auch Baehr, S. 313 unten ff.
    2) Baehr, S. 316 ff.
    3) Baehr, S. 321 und 329; Lübke, a. a. O., S. 173 und 177.



monischen Tempel entlehnt und nachgeahmt redet und schreibt, entbehrt jedes Grundes und jeder innern Wahrheit; 1) nicht einmal der salomonische Tempel war wirklich dreigetheilt, sondern allein zweigetheilt in das Allerheiligste und Heilige. Höchstens könnten die Palmen und Palmzweige, welche auf den Deckengemälden im gewölbten Halbkreise der ältesten christlichen Basiliken erscheinen, sowie die vier um den Thron befindlichen , d. i. Lebendigen (nicht Thiere), an den jüdischen Tempel mahnen; 2) die Mosaikgemälde sind übrigens auf kräftig blauem oder auf Goldgrund aufgetragen.

Die gothische oder germanische Baukunst, welche auch die städtische oder bürgerliche Baukunst genannt werden dürfte und womit zugleich die Entwickelung der Zünfte oder vielmehr Zümfte (von zeman, zemen, ziemen, wie Vernunft von vernemen 3) Hand in Hand geht, vollendet den Gegensatz des vertikalen Kirchenbaues zu dem antiken horizontalen Tempelbaue. 4) Man möchte die Erfindung und Ausbildung der germanischen Baukunst das Meisterstück nennen, welches die germanischen Bauleute nach rühmlicher Vollendung der romanischen Wanderschaft, des romanischen Baustyls, abgelegt und verfertigt haben und wie kein zweites Meisterstück je wieder abgelegt und verfertigt werden wird.

Unzweifelhaft nach dem Vorbilde der jüdischen Bundeslade wird auch in den muhammedanischen Moscheen in dem innersten Heiligthum der Halle des Gebetes (Kiblah) der Koran aufbewahrt. Im Uebrigen steht der muhammedanische Moscheenbau in demselben grundsätzlichen Gegensatze zu dem antiken Tempelbaue, wie die christliche Kirchenbaukunst, denn auch der Moscheenbau ist nur eine Art Kirchenbau, Moscheen und Kirchen sind Gemeindehäuser; dort soll das Volk, die Gemeinde zu dem Ewigen beten. 5) Die Grundbedingungen, aus denen die, im wesent-




    1) Baehr, S. 329 und 330.
    2) Baehr, S. 335, unten.
    3) Schade, weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, IV. S. 450.
    4) Vergl. Lübke, a. a. O., S. 377 ff., über den gothischen Styl.
    5) Lübke, S. 213 ff.



lichen an die byzantinische Architektur sich anschliessende Moschee sich aufbauet, sind ein grosser Hof für die von der Andacht vorzunehmenden Waschungen und eine Halle (Mihrah) für die Verrichtung der Gebete. In welcher Lage, in welchem Verhältniss diese Theile zu einander stehen sollen, darüber gibt es keine feste Regel. Nur die eine Vorschrift ist bindend, dass der betende Gläubige sich nach Mekka zu wenden habe, weshalb eine kleinere Halle (Kiblah) zur Bezeichnung dieser Richtung angeordnet ist. In dem Gebäude muss zugleich eine Kanzel (Mimbar) stehen, von welcher herab die Priester zu den Gläubigen reden, und ebenso muss im Aeusseren die Moschee einen schlanken Thurm (Minaret) erhalten, von welchem der Muezzin die Stunden des Gebetes verkündigt. 1) Auf dem. übereinstimmenden Bedürfnisse der Muhammedaner und Christen beruht es auch, dass zu Damaskus die Basilika des heiligen Johannes auf Befehl des Kalifen Omar den Muhammedanern und den Christen zur gemeinschaftlichen Benützung, jenen der östliche und diesen der westliche Theil überwiesen wurde, 2) wie eben aus diesem Grunde auch leicht die justinianische Sophienkirche in eine türkische Moschee umgewandelt werden konnte. 3) Auch ist bekannt, dass der Spitzbogen am frühesten in den arabischen Moscheen in Aegypten auftritt, obwohl die wahre architektonische Anwendung und Ausbildung des Spitzbogens erst der germanischen Baukunst angehört. Den Spitzbogen findet man zu Kairo an der im Jahr 885 gegründeten Moschee Ibn Tulun, ja schon an der im Jahr 643 erbauten Moschee des Amru in Alt-Kairo, obgleich hier der Spitzbogen auch erst im 9. Jahrhundert hinzugekommen sein könnte. 4) Bei den monumentalen indischen muhammedanischen Bauten herrscht der geschweifte Spitzbogen oder der Kielbogen vor. So scheinen die Muhammedaner zwar den Spitzbogen erfunden zu haben: aber sie haben, wie Lübke sich ausspricht, denselben blos als Spielzeug müssiger Laune anzuwenden vermocht. Selbst die Kreuzesform




    1) Lübke, S. 216.
    2) Lübke, S. 215 und 224.
    3) Lübke, S. 240.
    4) Lübke, S. 225, oben.



findet man bei den Moscheen gebraucht, z. B. bei der prachtvollen Moschee des Sultans Hassan vom Jahr 1356 in Aegypten zu Kairo. Umgekehrt wurden auch wieder Moscheen in Kirchen verwandelt, so z. B. die im Jahr 786 begonnene Moschee zu Cordova nach der Eroberung der Stadt im Jahr 1236. 1)

Aus dem griechischen Alterthum könnte mit den christlichen Kirchen und den muhammedanischen Moscheen nur der Einweihungstempel zu Eleusis verglichen werden, indem auch er seinem ganzen Zwecke und seiner Anlage nach ausnahmsweise zur Aufnahme einer grössern Volksmasse, der versammelten Eingeweihten und Einzuweihenden bestimmt war. 2) Nach der Zerstörung des älteren Tempels durch die Perser war der neuere unter Perikles sehr grossartig im dorischen Baustyle durch den berühmten Iktinos, den Baumeister des Parthenon, aufgeführt worden. Er lag mit dem Eingange gegen Osten gerichtet und die Breite der Tempelzelle betrug beinahe 150'; die Länge, wenn man den Pronaos und den Porticus mit einrechnet, 216'; Guhl und Koner geben die Länge des grossen Vierecks zu 212 - 216' und die Breite zu 178' an. Der Peribolos war 387' lang von Norden nach Süden, 328' breit von Osten nach Westen; die Winkel dieser letzteren Seite endigten sich in einer geraden Linie. Sehr merkwürdig ist, dass der Tempel zu Eleusis einen zweifachen, einen äussern und innern Peribolos, je mit besondern Propyläen hatte, welche bei Guhl und Koner durch Abbildungen oder Grundrisse dargestellt sind und wovon wohl jedenfalls die innern Propyläen schon zu den Einweihungsgebräuchen dienten. Den äussern Propyläen zu Eleusis hatten die Propyläen bei der Akropolis zu Athen zum Vorbilde gedient. Diesen äussern und innern Vorhof finden wir auch bei den alten fürstlichen Privatwohnungen, wie dieselben von Ho-




    1) Lübke, S. 227.
    2) Vergl. über den Tempel zu Eleusis: Sainte-Croix, Versuch über die alten Mysterien, übersetzt von Lenz, S. 94 ff.; Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer nach antiken Bildwerken, Berlin 1860, S. 47 ff. und S. 54 ff., woselbst zwei Grundrisse des Tempels und seiner Peribolen gegeben sind.



mer geschildert werden. 1) Auch die Vorhalle des salomonischen Tempels stimmt mit der Vorhalle (Pronaos) der griechischen Tempel und der Vorhalle (Prodomos) der griechischen Privatgebäude zusammen. Lübke, a. a. O.,S. 114, bezeichnet den Tempel zu Eleusis als einen quadratischen Bau von 166' 6'' im Lichten, welcher durch vier Reihen von je sieben dorischen Säulen in fünf Schiffe getheilt war, die auffallender Weise in der Queraxe des Gebäudes sich erstreckten. Koroebos hatte die unteren Säulenstellungen errichtet. Auf ihnen erhoben sich obere Säulenreihen, welche über den Nebenschiffen Galerien bildeten und von Metagenes ausgeführt waren; diese Galerien erinnern an die ähnlichen, den byzantinischen Kirchen eigenthümlichen und für das weibliche Geschlecht bestimmten Galerien, obwohl solche mitunter auch in abendländischen Kirchen vorkommen. Das Mittelschiff bei einer lichten Weite von 60' hatte ein Opaion, welches dem Bau das erforderliche Licht zuführte und bei der beträchtlichen Breite besondere Schwierigkeiten für die Construktion darbieten mochte, die Xenokles, der Baumeister des Daches, jedoch zu lösen wusste. Später um 318 v. Chr. liess Demetrius Phalereus dem Tempel einen Prostylos von zwölf dorischen Säulen hinzufügen, woher der Tempel den Namen Dodekastylos, zwölfsäulig trug, wie ein Tempel mit vier, sechs oder zehn Säulen in der Façade Tetrastylos, Hexastylos und Dekastylos hiess. Der berühmteste Dekastylos des griechischen Alterthums war der zugleich einen Dipteros bildende oder mit einem doppelten Säulengange umgebene ionische Tempel des Apollo Didymaeos zu Milet, welchen nach seiner Zerstörung durch die Perser mit erneuter Pracht die milesischen Baumeister Paeonios und Daphnis wiederhergestellt hatten. 2) Kallistratos endlich baute die grosse Mauer des äussern Peribolos zu Eleusis, die bestimmt war, alle Eingeweihten oder Solche, die auf die Einweihung in die grossen Mysterien Anspruch machten, aufzunehmen, bevor sie zu der Zelle oder im Innern des Tempels zugelassen wurden. Aristides bemerkt mit Nachdruck, dass




    1) Guhl und Koner, a. a. O., S. 73.
    2) Guhl und Koner, a. a. O., S. 39 ff.



unter allen religiösen und politischen Versammlungen Griechenlands allein die Eingeweihten zu Eleusis sich in einem Gebäude versammelt haben.

Volksgebäude in dem hier in Frage stehenden Sinne sind auch die indischen Pagoden, ein Ausdruck, wie es scheint, aus dem indischen Worte Bhagu-wati, d. h. heiliges Haus, entstanden. 1)

Wollte man den Gegensatz zwischen dem jüdischen, griechischen und römischen Tempelcultus und dem Kirchen-, Moscheen- und Pagodendienste der Christen, der Muhammedaner und der Inder kurz zusammenfassen, dürfte vielleicht gesagt werden, dass sich die Juden, Griechen und Römer vor dem Tempel opfernd versammelten und den Blick nach dem Tempel mit dem Götterbilde wandten, während die Christen, Muhammedaner und Inder in den Kirchen, Moscheen und Pagoden zu Gott im Himmel beten.

Zum Schlusse noch die Bemerkung, dass der salomonische Tempelbau in der Freimaurerei, besonders für die höheren Grade, leider zur unerschöpflichen Quelle der Fabeln und Sagen geworden ist, mit denen ganze Bücher gefüllt werden könnten und weshalb wir blos auf den Aufsatz über die schottischen Hochgrade nach Oliver und Laurie in Bd. XIX. S. 32 ff. der Latomia als das Neueste verweisen. Hier werden z. B. die Steinmetzzeichen (marks), dergleichen in den Ruinen von Herculanum, in Aegypten und Griechenland, - auf den Inseln des Zab, eines Nebenflusses des Tigris, aufgefunden worden sind und ebenso an den alten Bauten in Italien, Frankreich, Schottland, England, Irland, Schweden, Portugal und Deutschland sich vorfinden, gleichfalls als eine Anordnung Salomo's bei seinem Tempelbaue dargestellt (S. 34 und 35). Nebenbei ersieht man übrigens aus dieser Abhandlung (z. B. S. 47), dass auch nach den am 28. Dezember 1598 durch eine allgemeine Versammlung aufgestellten, allgemein verbindlichen Statuten in Schottland die Gesellen gehalten waren, ihre Zeichen in Logenbücher eintragen zu lassen. In manchen alten Logen, welche zur grossen Loge von Schottland halten wird die Instruktion des alten Systems der




    1) Lübke, S. 15.



Freimaurer noch gebraucht und werden die Zeichen der Genossen noch in die Listen der Logen eingetragen, wie in der Loge St. John von Glasgow, S. Ninian zu Brechin, Journeymen-Masons zu Edinburg u. s. w. In den alten Urkunden mancher Logen sind diese Zeichen sorgfältig mit dem Datum ihrer Verleihung eingetragen. In der Loge Edinburgs "Mary's Chapel" sind die Namen der Gesellen in den Protokollen eingetragen, wann sie ihre Beiträge entrichtet haben und das Zeichen empfingen. 1) Es bestehen nämlich in Schottland noch jetzt Logen von wirklichen Werkmaurern.




    1) Vergl. auch Latomia, a. a. O., S. 62 ff.; wo ziemlich vollständig die neuere Literatur über die Hausmarke angegeben ist.