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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel LI., Teil 1, Seiten 560-650

Die Zwölfzahl. Thales und Anaximander, Pherekydes und Pythagoras. Die Orphiker und das orphische Gedicht. Das Symbol des Löwen.



Am Grabe Hiram's begegnet uns in den drei Johannisgraden zum ersten Mal die Zwölfzahl, indem drei böse Gesellen den Hiram erschlagen und neun Meister ausgesandt werden, dessen Leichnam aufzusuchen und zurückzubringen. Auch auf dem unteren Theile des Denkmales der Meister erscheint die Zwölfzahl in dem Ausspruche: "ternario formatur, novenario dissolvitur." Ferner befinden sich in der Meisterloge an der östlichen, südlichen und nördlichen Seite der Wandtapete drei Todtenköpfe, umgeben von je neun Thränen, was wieder eine symbolische Beziehung auf die Zwölfzahl neben der Drei- und der Neunzahl hat. Auch die Unterlage des Denkmals der Meister oder vielmehr des Hiram enthält die Zwölfzahl, indem sie ein dreistufiges Dreieck mit je drei Kugeln in jedem der drei Ecke bilden soll. An dieser Zwölfzahl ist sofort Hiram als das blosse Symbol des Jahreslaufes und des Jahresschicksales, als eine symbolische Jahresgottheit zu erkennen, wie es alle Gottheiten des Alterthums sind, deren Attribut die Zwölfzahl ist. Bei den Griechen tritt als eine solche Jahresgottheit besonders Dionysos 2) ent-




    2) Zufolge Rinck, a. a. O., I. S. 169 vergl. mit S. 171, wäre oder Herr von Nysa und mit Adonis verwandt,



gegen und er und sein reinerer Dienst kommt in einzelner Hinsicht überraschend mit Hiram und seinem Dienste überein, so dass er zur Aufklärung und Beleuchtung des letztern wesentlich dienen kann. Wie alles endliche Leben entsteht, besteht und vergeht, dreigestaltig oder dreigetheilt durch Geburt, Leben und Tod ist, kann auch das Jahr und die Jahresgottheit als das Symbol desselben nur dreigestaltig und dreigetheilt sein oder der Jahresgott hat drei Schicksale, drei Lebensabschnitte und Epochen: er wird geboren, er lebt und wirkt, er leidet und stirbt. Die drei Lebensschicksale und Lebensepochen des Hiram sind zu den drei Graden der Maurer geworden und bilden den besondern Gegenstand der Aufnahme in jedem einzelne Grad. Die Lehrlingsaufnahme ist aber dadurch etwas verdunkelt, dass sie blos mit der Geburt sich befasst und nach der Natur der Sache sich befassen kann, während es im Grunde eine Wiedergeburt aus dem Tode ist, die aber erst begriffen und dargestellt zu werden vermag, nachdem Hiram gestorben und dessen Leiden und Sterben an dem Meister vorübergegangen ist. Zugleich folgten die dionysischen Feste der Griechen dem natürlichen Laufe der Jahreszeiten, wie alle ähnlichen Naturfeste der Alten, erhielten also schon durch die Jahreszeit einen bestimmten




indem der Vorschlag A. ausfiel, wie die Saracenen aus Adon in Spanien Don machten, und indem Donysos in Dionysos umgebeugt wurde, um ihn mehr an Zeus (), den Vater der Götter und Menschen, anzuschliessen. Auch soll Adonis der oder der griechischen Kirchenväter, der hebräi. Javoh oder Jehovah, der der Dorier sein, wie die Aegypter ihrem Thoyth iaoeaou und die griechischen Bacchanten auch gesungen und gesagt haben; sogar das Prädikat langmüthig, sei dem griechischen Dionysos nach dem hebräischen Javoh (Javeh) beigelegt worden. Endlich hält Rinck dafür, dass Dionysos und Apollo nur verschiedene Namen eines und desselben ägyptisch-phönicischen Gottes, des Adon Bel seien, wie auch der pelasgische Krios nur der Hebräi. EI, der Starke, der ägyptische Widdergott und der kretische Minotauros oder Sonnenstier sei; Adon sei der schwache sterbende Gott (gleichsam der Johannes) und Bel der starke wiedererstehende, welcher Gedanke d. h. die Einheit beider Götter dadurch sinnig angedeutet werde, dass zu Delphi die Gebeine des Dionysos neben dem goldenen Standbilde des Apollo begraben liegen.



Inhalt und Charakter, in der äussern Natur ihren natürlichen Erklärer und Begleiter, während die maurerischen Feste und Aufnahmen nunmehr ganz von der Natur losgerissen, gar kein Naturdienst mehr, sondern blosse dem alten Naturdienste entlehnte Symbole des Reingeistigen und Reinethischen, daher schwerer verständlich und vieldeutiger sind. Auch bei den Griechen hatte der Naturdienst stets mehr, wenigstens bei den Gebildeten, seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung abgelegt, war als solcher nach und nach vollständig abgeschwächt und abgestorben und durch geistige und ethische Ideen verdrängt worden. Das Christenthum hätte bei den Griechen und Römern, in dem römischen Reiche niemals aufkommen und durchdringen können, wenn nicht bereits die alten eigentlichen Naturreligionen in sich zusammengebrochen und ein neues geistiges und ethisches Reich vorbereitet gewesen wäre. Das Christenthum trat unter den Juden in dem römischen Reiche hervor, als seine Zeit gekommen und vorbereitet war, nur als der letzte kühne und geistigste, vollkommenste und volks- oder vielmehr menschheitsgemässeste Ausspruch und Ausdruck des damaligen Zeit- und Weltgeistes. Geschichtlich wird das Entstehen des Christenthums aber immer in ein gewisses Dunkel eingehüllt bleiben, weil zu seinem Entstehen wesentlich die alten Mysterien mit dem Bunde der Pythagoräer, Essäer und Therapeuten, die eleusinischen Geheimnisse und die Mithramysterien beigetragen hatten und wir von allen diesen Mysterien, weil es eben Mysterien waren, kaum mehr als den Namen und durchaus nur das Aeussere, das Exoterische, keineswegs die innere Lehre, das Esoterische, wissen. Der Dionysosdienst und die Dionysosmythe des Volkes war namentlich dem Pythagoras und den an ihn sich anlehnenden oder von ihm ausgegangenen höhern orphischen Mysterien nur der äussere Anknüpfungspunkt, der förmliche Deckmantel, unter welchem die geistigere und freiere Lehre, besonders auch die Lehre der praktischen Moral verborgen wurde. Nach den sogenannten sieben Weisen, von welchen bei den Griechen die Spruchweisheit geschaffen wurde, war Pythagoras der erste griechische Lehrer der praktischen Moral, der Lebensweisheit,





und aus seiner Lehre in Verbindung mit der späteren platonischen Philosophie und Lehre wurde dann zuerst zu Alexandrien eine Art System der Philosophie, zumal durch den unmittelbar vor Christus hergehenden Juden Philo geschaffen. Philo, welcher nach der wahrscheinlichster Meinung 30 Jahre vor Christus geboren wurde, und schrieb, als Jesus gerade heranwuchs, verdient in der Geschichte der jüdischen Moral eine der ersten Stellen und man lese nur z. B. die Darstellung seiner Moral bei Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu, I. S. 490 ff., um die darauf folgende Morallehre Jesu und seiner Apostel, vorzüglich darunter des grossen Paulus, zu verstehen und gerecht zu würdigen.

Weil nun Dionysos ein Jahresgott war, wurde bei den grossen oder städtischen Dionysien zu Athen der Priesterdienst durch zwölf Frauen von unbescholteneniRufe besorgt, welche in hohem Ansehen standen und die Ehrwürdigen oder Hochwürdigen, Gerairai, genannt wurden. 1) Ein Hauptgegenstand der verschiedenen und über ganz Griechenland verbreiteten Dionysosfeiern, aus welchen neben dem Apollodienste hauptsächlich der Religionscultus der Griechen bestand und die besonders von dem niedern Volke der Gebirge und den Frauen mit vieler wilder und trunkener Leidenschaft, nicht selten mit beklagenswerthen Ausschweifungen gefeiert wurden, 2) war die Geburt und der Tod des zeugenden Früchte- und vorzüglich des feurigen Weingottes. Die Horen als Göttinnen der drei oder vier Jahreszeiten und besonders der Lust, der Freude und des Reichthums des Jahres, des Jahressegens gehörten auch zur Begleitung des Dionysos. Das Leiden und Sterben des Dionysos war an sich nur das Leiden und Sterben der Natur beim herannahenden Sturm des Winters, aber bei den Dionysosfeiern sollte vielfach dieses Leiden und Sterben den Menschen anschaulich in dem Leiden und Sterben eines Menschen oder Thieres dargestellt werden, was




    1) Vollmer, vollständiges Wörterbuch der mythologie, unter Dionysia.
    2) Vergl. darüber Preller, griech. Mythologie, I. S. 412 ff.; Welker, griech, Götterlehre, S. 424 ff.



zu Menschenopfern, zum Zerreissen der Menschen und Thiere und zum Essen wenigstens des rohen Thierfleisches das verirrte Volk führte. Dionysos sollte nicht blos symbolisch oder bildlich ein gequälter, verfolgter und getödteter Gott sein, sondern diese Qualen und Verfolgungen sollte man bis zum Tode mit leiblichen Augen sehen, ungefähr wie man sich zuweilen in den katholischen Kirchen in den erschrecklichen Darstellungen der Leiden und des Todes Christi gefällt. Diese blutigen Feiern und Dienste führten zugleich zu der wilden Aufregung, besonders der Frauen, der Mänaden, welche den Dionysosdienst entstellte und schändete. Zur Andeutung der Leiden, welche im Winter die schöpferische Natur auszustehen hatte, - zur Andeutung der angeblichen Zerreissung des Dionysos durch die wilden Titanen wurden bei den dionysischen Todtenfeiern manche Waldthiere, wie Hirschkälber, junge Wölfe, Böcke u. s. f. zerrissen und ihr rohes Fleisch von den Feiernden gegessen. 1) Anfänglich wurden auch Menschen geopfert und zerrissen, wie noch unter Themistokles drei persische Jünglinge geopfert wurden. Jedoch auch die Wiedererweckung des Gottes, welche man von dem Frühling hoffte, wurde symbolisch angedeutet, auf dem Parnass durch jene allegorische Auferweckung des Dionysos . Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft sehr lebendige Schilderungen, ausser Euripides besonders Aesehylos. Preller sagt daher: "Kurz es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, nur von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings durchleuchtet, dass er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkrift." - Dieses war die höhere und geistige Seite des Dionysosdienstes, an sie knüpfte Pythagoras die orphischen oder die Einweihungsmysterien in seinen Bund an, wie auch sie allein in die Mysterien des Hiram aufgenommen ist.

Wie der keimende und blühende Frühling alle Herzen mit Lust und Freude erfüllt und hoch beseligt, muss




    1) Preller, a. a. O., I. S. 131 und 132; Welker, I. S. 442 ff



das dahinfallende welke Laub des Herbstes, die kalte und starre Eisdecke des Winters auch jedes fühlende Herz zur Trauer und zum Schmerze über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge stimmen und an den eigenen, bald und sicher kommenden Tod mahnen. Die sterbende Natur, der sterbende Dionysos und Hiram soll also den Eingeweihten nur zurufen: "Memento mori, gedenke des Todes!"; denn wer des Todes gedenkt, wird so leben, um den Tod nicht fürchten zu müssen. Unser ganzes Leben ist eigentlich nur ein Sterben, nur der Weg und die Vorbereitung zum Tode; das Grab und der Tod ist das Ziel alles Lebens. Dieses wird auf dem Denkmale der Meister durch den Satz angedeutet: "Novenario dissolvitur", indem die hier berührten neun Monate die gesammten Lebens- und Sterbensmonate der Natur und des Hiram sind. Es liegt in diesem Satze eine tiefe Wahrheit und ernste Mahnung besonders an die Jugend, da auch sie nur dem Tode entgegenwandelt, auch sie des Todes sich erinnern und nicht wähnen soll, dass sie nicht vergehen und zerfallen müsse. Es ist die Jugend die schöne Blume des Feldes, die Rose, die am Morgen blühet, am Mittag schon welket und des Abends verdorrt in den Ofen geworfen wird. Dass Vergänglichkeit und Tod das einzige Loos alles Erdenlebens und Erdenglückes seien, ruft nicht allein der welkende Herbst und der eisige Winter uns zu, sondern noch weit mehr der blühendste und schönste Frühling, Adonis und Hyakinthos. Der Myste, der Eingeweihte soll daher leben, um zu sterben, da hier nicht unseres Bleibens ist, die Erde und unsere irdische Wohnung nach der ägyptischen Vorstellung blos eine Herberge ist, welche wir vorübergehend als Erdenreisende bewohnen. Doch diesem Memento mori fügt die Natur, fügt Hiram auch eine tröstliche Hoffnung, eine göttliche Verheissung bei. Wie die Natur die Decke ihres Grabes durch ihre inwohnende unsterbliche Schöpfungskraft siegreich zerbricht und bald wieder zu neuem schönerem Leben aufblühet, so wird der unsterbliche Menschengeist nach Ablegung der Erdenhülle aus dem Grabe wieder hervor und in das ewige Licht und Leben eingehen. Das Grab ist die Wiege des Lebens, ternario formatur; die Natur, Dionysos und Hiram, der Mensch





schlafen in dem Grabe nur dem Auferstehungsmorgen entgegen. Deshalb steht auf dem Denkmale der Meister über dem Grabe der Auflösung und des Todesschlafes in Flammenschrift geschrieben: "Deponens aliena, ascendit unus! Der Mensch vergeht nur, um zum Leben zu erwachen, - das Grab ist nicht das Ende, sondern der Anfang des wahren Lebens. So wird die klagende Todtenfeier des Dionysos-Hiram zum frohen Wiederauferstehungsfeste, zur wahren Osterfeier, zum himmlischen Mai- oder Frühlingsfeste. Die Zwölfzahl der Dionysospriesterinnen verwandelt sich am Feste der Ostara zum freudigen Osterspiele, zum Schwerttanze, den die zwölf Gesellen des Friedebold aufführen, 1) und die Grabesfahrt ist nur eine Ostfahrt, 2) eine Ostarfahrt, das Eingehen in den ewigen Osten, zur Ostara. Meines Herzens Osterspiel oder Ostertag, welches als Schmeichelwort die höchste Wonne für die Geliebte einst ausdrückte, drückt jetzt im höheren und höchsten Sinne die Hoffnung der Eingeweihten auf die Unsterblichkeit und Wiederauferstehung aus; das Sterben soll nur ein Auferstehungsmorgen, ein Ostertag sein, - die Sterbenden sollen zu Oestlichen werden.

Höchst wahrscheinlich war nach Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, II. S. 595 ff., der pythagoreische Weihedienst ein geläuterter ägyptisch-orphischer Weihedienst, ein Sühn- und Todtencult zur Verehrung des Osiris-Dionysos, ähnlich wie die maurerische Meisteraufnahme. Schon in Phönicien, wohin Pythagoras 3) nach Röth um das Jahr 548 v. Chr. und zwar zunächst nachl Sidon ging, soll er sich in alle bedeutenderen Weihedienste, zu Tyrus, zu Byblus u. s. w. haben aufnehmen lassen. Um in das Priestercollegium zu Theben (Diospolis) aufgenommen zu werden, unterwarf sich Pythagoras der Beschneidung; und er soll der einzige Fremde gewesen sein, welcher jemals aufgenommen wurde, was er einer




    1) Simrok, deutsche Mythol., S. 407.
    2) Simrok, a. a. O., S. 280.
    3) Nach Ritter, Vorhalle, S. 276, welcher den Pythagoras zugleich in die nordischen d. i. altasiatischen, altbuddhistischen Weihen eingeweiht sein lässt und hierbei einer Angabe des Jamblichus folgt, soll Pythagoras seinen Namen von dem Geschlechte getragen und deshalb auch ein Sohn des Apollo, des pythischen geheissen haben.



von Polykrates, dem Tyrannen von Samos, für ihn bei dem Könige Amasis von Aegypten ausgewirkten Empfehlung verdankte. Der Oberprophet Sonchis zu Theben wurde sein Lehrer. Pythagoras soll besonders auf den Rath des zur Zeit, als er mit Pythagoras in Berührung kam, schon 89jährigen Thales von Milet 1) sich nach Aegypten begeben haben, um bei den ägyptischen Priestern, besonders zu Memphis und Diospolis, an der Quelle zu schöpfen, aus welcher auch Thales sein Wissen geschöpft hatte. So weit es, wie die Berichte sagen, sein hohes Alter und seine abnehmenden Körperkräfte zuliessen, hatte Thales dem Pythagoras sein Wissen mitgetheilt. Der Mittelpunkt von des Thales wissenschaftlicher Thätigkeit war die Beobachtung des Himmels, die Ausübung der Sternkunde und neben ihr die Anfänge der aus der schärferen Bestimmung der Himmelserscheinungen hervorgehenden und ihr dienenden mathematischen Forschungen, welche er wie sein ganzes Wissen ebenfalls von den Aegyptern sich angeeignet hatte. Thales war unter den Griechen der erste Pfleger der wissenschaftlichen Sternkunde und ihr verdankte er vorzüglich seinen Ruf.

Von den Aegyptern hatte Thales entlehnt und den Griechen gebracht z. B. die Bestimmung des Jahres zu 365 Tagen, das Sonnenjahr im Gegensatze zu dem bei den Griechen gebräuchlichen Mondsjahre, und die damit zusammenhängende genauere Bestimmung der Tag- und Nachtgleichen und der Sonnenwenden, die Fähigkeit, Sonnenfinsternisse vorauszusagen, u. s. w. Nach Diogenes Laertius und Proclus hatte Thales namentlich die Geometrie bei den Aegyptern erlernt. Thales, sagt Plutarch, lehrte zuerst, dass eine Sonnenfinsterniss eintrete, wenn der Mond in gerader Linie vor der Sonne vorübergehe, da er ein erdähnlicher, kugelförmiger Körper sei; dass ferner der Mond von der Sonne erleuchtet werde, also nicht sein eigenes Licht habe, und dass endlich auch die Sonne und die Sterne erdähnliche, aber feurige, leuchtende Körper seien. Der zweite dieser Sätze ergibt sich unmittelbar aus dem




    1) Ueber Thales vergl. auch Hegel, Geschichte der Philosophie, I. S. 189 ff.



ersten, denn hätte der Mond sein eigenes Licht, so könnte die bei einer Sonnenfinsterniss vor die Sonne tretende Mondscheibe nicht dunkel sein. Auch die Unsterblichkeit der Seele und die Seelenwanderung hat Thales nach den Aegyptern gelehrt. 1) Herodot II, 123 schreibt: Die Aegypter sind es, die auch zuerst gelehrt haben, dass die Seele des Menschen unsterblich sei, und während der Leib verwese, in ein anderes, gerade zur Welt kommendes Geschöpf hineingehe, bis sie alle Land- und Seethiere und Vögel durchwandert habe, und wieder in einen menschlichen Leib zurückkehre; welche Durchwanderung sie in 3000 Jahren vollendete. Diese Lehre haben auch einige der Hellenen angenommen, die Einen früher, die Andern später; deren Namen ich weiss, aber nicht aufschreiben will." - In der Annahme der ägyptischen Unsterblichkeitslehre der Seele folgten dem Thales auch Pherekydes und Pythagoras. Mit Thales hatte Pythagoras nach Röth zu Milet um das Jahr 549 v. Chr. auch dessen Schüler und Freund Anaximander kennen lernen und hatte sich von ihm in seinem Wissenskreise unterrichten lassen.

Anaximander war der Erste, welcher eine astronomische Sphäre zusammensetzte, d. h. eine Himmelskugel, auf welcher die zur Bestimmung der Himmelssphären ersonnenen Linien verzeichnet sind; auch soll er zu Sparta die erste Sonnenuhr aufgestellt haben, wie er überhaupt der Erste gewesen sein soll, welcher zur Messung der Sonnenhöhen Gnonome gebrauchte, um durch deren Schatten die Sonnenwenden, die Tag- und Nachtgleichen u. s. w. zu bestimmen. Endlich machte sich auch Anaximander um die wissensehaftliche Ausbildung der Erdkunde verdient, indem er die ersten Erdtafeln, auf Erzplatten eingegraben, anfertigte. Ebenso war Anaximander mit einer der Ersten, welche die wissenschaftliche Prosa ausbildeten, so dass ihn Röth, a. a. O., II. S. 137, als den ersten eigentlichen philo-




    1) Vergl. auch Welker, a. a. O., II. S. 561 ff., welcher mit Cicero (Tusc. 1, 14) annimmt, Perekydes habe zuerst gesagt und Pythagoras, dessen Schüler, am meisten bestätigt, dass die Seelen immerdauernd seien, und zwar soll Pythagoras unter dem Einflusse eleusinischer Anregungen gelebt und gehandelt haben.



sophischen Schriftsteller betrachten will. Nach Anaximander ist der Ursprung des Vorhandenen das Unendliche d. h. die ägyptische Urgottheit, welche die Welt umfasst und regiert. Anaximander und Thales nehmen mit der mosaischen Urkunde eine Urmaterie, das Urgewässer an, aus welchem der Urgeist die endliche Welt, - die Himmelskugel mit der Erde als ihrem festen Mittelpunkte geschaffen hat. Nach Anaximander entstand die Welt aus dem Flüssigen durch die Wirkung des Feuers.

Der Philosoph Pherekydes, zu welchem sich Pythagoras um 550 vor Chr. nach Lesbos begeben hatte und der sich ganz in ägyptischen Religionsanschauungen bewegte, war der eigentliche Lehrer des Pythagoras und bestimmte dessen eigenthümliche Geistesrichtung. Pherekydes starb nach Röth, a. a. O., II. S. 161 und 63, im Alter von 85 Jahren im Winter von 513 oder 512 v. Chr. und soll sich seines Unterrichtes wegen in den Jahren 575 - 565 v. Chr. in Aegypten aufgehalten haben. Um 560 v. Chr. soll Pherekydes sein Werk: "Die Siebenhallen" veröffentlicht haben. Als Pythagoras in einem Alter von 56 Jahren um das Jahr 513 v. Chr., wie Röth annimmt, nach Samos von seinen langen Reisen zurückkehrte, hatte er die Freude noch seine hochbetagten Eltern und seinen Lehrer Pherekydes am Leben anzutreffen; Thales und Anaximander dagegen waren schon seit über 30 Jahren verstorben. Dem 85 Jahr alten Pherekydes auf Delos schloss Pythagoras die Augen und zwar vermuthlich im Herbst des Jahrs 513 v. Chr. Pherekydes war geboren auf der Insel Syros, einer der Cykladen in der Nähe von Delos, und lebte später zu Delos selbst; er war neben den beiden Geschichtschreibern Hekataeos von Milet, und Kadmos von Milet, der erste griechische Schriftsteller in Prosa. 1) In Folge seiner ägyptischen Bildung lehrte er die Seelenwanderung, soll aber zugleich mit der Weisheit der Phönicier und Chaldäer bekannt gewesen sein.

Pythagoras selbst war nach Röth, a. a. O., II. S. 208, im Jahr 569, nach Andern aber schon im Jahr 584 vor Christo geboren; Lenning, Encyklopädie unter Bund (der




    1) Vergl. auch Peter, Zeittafeln der griech. Geschichte, S. 34.



pythagoreische) setzt sogar die Stiftung des pythagoreischen Bundes um das Jahr 600 v. Chr. an. Pythagoras, dessen Bund auch Gädike, Freimaurerlexikon, S. 399, Gütergemeinschaft zuschreibt, wie Halem, Kreil und Andere die politischen Absichten und Einflüsse, war der Sohn eines sehr wohlhabenden Kaufmanns von Samos und auf einer Reise desselben zu Tyrus geboren; er genoss, gleich Göthe, eine sehr sorgfältige Erziehung, namentlich auch in der Musik. Mit dem 18. Jahre verliess er Samos, wohl weniger wegen der Tyrannei des Polykrates, wie z. B. Peter, Zeittafeln S. 36, behauptet, als um sich wissenschaftlich auszubilden. Nachdem er Jonien und Phönicien durchreist hatte, begab er sich nach Aegypten, woselbst er nach Röth im Jahr 547 v. Chr. ankam und 22 Jahre im Unterrichte der ägyptischen Priester zubrachte. Bei der Einnahme Aegyptens im Jahr 525 v. Chr. durch Kambyses soll Pythagoras mit andern ägyptischen Gefangenen nach BabyIon geführt worden sein und dort zwölf Jahre in Gefangenschaft gelebt haben. In Babylon wurde Pythagoras mit den chaldäischen Magern bekannt und erlernte auch ihre Mathematik, Astronomie und Medicin. Pythagoras soll zu Babylon die drei letzten Jahre der Regierung des Kambyses, die kurze Zwischenherrschaft des falschen Smerdes und die neun ersten Jahre nach der Thronbesteigung des Darius verbracht haben, bis Gillos, ein verbannter Tarentiner ihm im Jahr 515 v. Chr. im 56. Jahre seines Alters die Freilassung von Darius verschaffte. Wie innig Pythagoras mit den ägptischen Priestern verbunden, ja dass er förmlich zu einem der Ihrigen geworden war, beweist am besten der Umstand, dass er mit vielen andern ägyptischen Priestern durch Kambyses nach der alten Politik der assyrischen und bäbylonischen Herrscher aus Aegypten nach Babylon versetzt wurde, welches seit seiner Eroberung durch die Perser zu deren Winterresidenz gemacht worden war oder neben Susa und Ekbatana eine der drei Hauptstädte des persischen Reiches bildete. Die Beschneidung, welcher sich Pythagoras bei den ägyptischen Priestern unterwerfen musste, war bei ihnen uralt und soll nach Herodot von ihnen zu den Hebräern, Syrern, Phönikern und Kolchern gekommen sein, so weit die letz-





tern von den Aegyptern abstammten oder mit ihnen in Verbindung standen. Die mit den Griechen verkehrenden Phöniker hatten die Beschneidung nach den Ansichten der Griechen entweder nicht angenommen oder aufgegeben. Zur Zeit der Geburt des Pythagoras war Samos neben Milet und Aegina die bedeutendste der damaligen griechischen Seestädte und alle drei Städte verkehrten besonders mit Aegypten, hatten zu Naukratis in Aegypten ihre eigenen Niederlassungen.

Nach Samos, welches seit 519 v. Chr. seine Selbstständigkeit verloren hatte und unter persische Herrschaft gefallen war, zurückgekehrt, reisete Pythagoras im Jahr 512 zunächst nach Kreta, wo er sich wahrscheinlich von dem jüngern, durch Plato erwähnten Epimenides in die Mysterien des kretischen Zeus einführen liess, und von da über Sparta nach Elis, um der Feier der olympischen Spiele beizuwohnen. Dann ging Pythagoras zu dem Apolloheiligthum nach Delphi, wo er viel mit den dortigen Priestern und besonders auch mit einer Priesterin Themistoklea verkehrte. Endlich begab sich Pythagoras nach den alttrakischen Libethri, dem Ursitze der jetzt über ganz Griechenland verbreiteten orgiastischen Dionysien, wo er sich durch einen Weihepriester Aglaophamos 1) in die den Orphikern zu zugeschriebenen Mysterien des Dionysos aufnehmen liess. Von Libethri oder Libethra kehrte Pythagoras vielleicht über die Insel Samothrace, dessen Weihedienste er ebenfalls gekannt haben soll, 2) nach Samos zurück. Den blühendsten und mächtigsten Theil Griechenlands bildeten jetzt nicht mehr die ionischen, sondern die unteritalischen und sicilischen Pflanzstädte, die sich über den ganzen untern Fuss Italiens und das dicht daran stossende Dreieck Siciliens in grosser Zahl ausbreiteten und das sogenannte Grossgriechenland, Grosshellas bildeten. Von Samos siedelte nach Röth Pythagoras im Jahr 510 nach Unteritalien über, wo damals die griechischen Pflanz-




    1) Vergl. auch Lobeck, Aglaophanios, Königsberg 1829; Preller, griech. Mythol., I. S. 280.
    2) In die samothracischen Geheimnisse war auch Herodot eingeweiht. Vergl. Röth, a. a. O., II. S. 609.



stätten aus dem 7. und 8. Jahrhundert v. Chr., mit einziger Ausnahme des schon um 1050 v. Chr. von dem damals zur See herrschenden Chalkis in Euböa gegründeten Kyme oder Cumae im spätern Campanien, in höchster Blüthe standen. 1) Die Veranlassung zu dieser Uebersiedelung gab, dass theils Pythagoras mit seiner symbolischen Lehrweise bei den Samiern keinen Beifall fand, theils, dass er keine öffentlichen Aemter begleiten wollte, wie ihm als einem reichen und angesehenen Bürger zugemuthet worden war und zugemuthet werden durfte. Kroton war während der Zeit, die Pythagoras daselbst verlebte, von seiner Ankunft und der bald darauf folgenden Zerstörung von Sybaris 2) bis zum Ausbruch der kylonischen Bürgerfehden, die den Pythagoras von dort vertrieben, von 510 - 490 v. Chr. die erste Stadt Grossgriechenlands, ja Griechenlands überhaupt, in der das Sprichwort entstand: "Der letzte der Krotoniaten sei der erste der Griechen." - Milo aus Kroton, der Ueberwinder von Sybaris, siegte sechs Mal an den olympischen, sechs Mal an den pythischen, zehn Mal an den istmischen und neun Mal an den nemeischen Kampfspielen.

Gegründet in der Glanzperiode Krotons, wird die pythagoreische Schule auch von dessen bürgerlichen Fehden zerrüttet und von der demokratischen Partei als eine aristokratische Stiftung und Einrichtung gebrochen; lebt mit der Glanzzeit Tarents unter Archytas wieder auf, um mit der politischen Selbstständigkeit der unteritalischen Städte fast zugleich zu erIöschen. Denn ihr letzter Vorsteher, Diodoros Aspendios, lebt in den letzten Zeiten der




    1) Nach Diefenbach, Origines Europaeae, S. 104, begannen die Einwanderungen der Griechen nach Unteritalien vermuthlich über ein Jahrtausend v. Chr., so dass daselbst bei der Ankunft des Pythagoras zu Kroton (statt Kreston) die griechische Bildung jedenfalls eine sehr alte war.
    2) Der Name der Stadt Sybaris hängt vielleicht mit der Sanskritwurzel çubh, splendere (Bopp gloss. scr.), wovon cubh-ra, splendidus, und mit Nasalirung der Wurzel çumbh, lucere, splendere. Das ç weist hier auf ein ursprüngliches s zurück, wie ahd. sûb-ar (purus), nhd. saub-er, ags. syf-r und lat. sob-r-iu-s zeigen. Vergl. Hugo Weber, etymologische Studien, I. (Halle 1861) S. 24.



italiotischen Selbstständigkeit (von 330 - 300 v. Chr. ungefähr) als Zeitgenosse des Agathokles in Sicilien, des Demetrios in Athen und des Ptolemaeos in Aegypten; im Jahre 301 v. Chr. mischten sich aber schon die Römer in die italiotischen Händel, und 25 Jahre später waren Kroton, Lokri und Tarent unter römischer Botmässigkeit. Bei der Ankunft des Pythagoras in Italien um 510 v. Chr. waren besonders Sybaris und Kroton durch ihre Ueppigkeit, welche eine Folge ihres grossen Reichthums war, berüchtigt; Justin sagt ausdrücklich, dass die Krotoniaten erst durch Pythagoras ihrer Ueppigkeit entrissen worden seien. Pythagoras, welcher zuerst in Sybaris gelandet war, mochte sich deshalb nach Kroton gewandt haben, weil er dort, wo unter dem Krotoniaden Demokedes, dem gewesenen Leibarzte des persischen Königs Darius, eine sehr angesehene Aerzteschule blühte, für seine Wissenschaft mehr und eher Empfänglichkeit erwarten durfte. Pythagoras war mit Demokedes in der gemeinsamen Gefangenschaft zu Babylon bekannt und befreundet geworden. Zu Kroton verehlichte sich Pythagoras, obgleich schon vorgerückteren Alters, mit der Dichterin und Schriftstellerin Theano, einer Tochter seines Gastfreundes Brontinos, welche ihm sieben Kinder gebar, drei Söhne und vier Töchter, und selbst später auch der Schule ihres Gatten vorstand.

Pythagoras soll seiner Schule in Italien 39 Jahre vorgestanden sein, wovon er 20 Jahre zu Kroton, oder auf seinem Landgute in dem vormaligen sybaritischen Gebiete zubrachte. Nach Plutarch war Pythagoras damals auch in dem angrenzenden Italien so geehrt, dass ihm die Römer ihr Bürgerrecht ertheilt haben sollen. Während dieser Zeit soll seine Schule eine wahre Pflanzstätte orthodoxer aristokratischer Gesinnung gewesen sein; die Schüler müssen stolz und eingebildet gewesen sein, ähnlich wie es die neuern, in den Schullehrerseminarien gebildeten Volksschullehrer oft zu sein pflegen. Neben seinen bekannten Antrittsreden, welche den Einfluss des Pythagoras zu Kroton begründet und gesichert hatten, hielt derselbe auch zu Kroton des Abends vor einem weitern und gemischten Kreise populäre Vorträge, besonders über die Unsterblichkeit der Seele und die Vergeltung nach dem Tode in





der Form der Seelenwanderung. Seinen eigentlichen Schülern, nach Röth , a. a. O., II S. 452, Mathematiker genannt, trug er vorzüglich die Mathesis oder die Grössen- und Zahlenlehre vor, worunter er aber nicht blos die eigentliche Mathematik, sondern auch die theoretische Musik und die Astronomie begriff. Um das Jahr 490 v. Chr. brachen jedoch in Kroton bürgerliche Unruhen aus, welche den Sturz der dort bis dahin herrschenden Aristokratie und der durch sie begünstigten pythagoreischen Schule zur Folge hatten. Das feste und treue Zusammenhalten der pythagoreischen Schüler in politischen Dingen und ihr Stehen an der Spitze der Staatsverwaltung zu Kroton mag den Hass und Neid der Volkspartei und des Volkes zunächst erregt zu haben. Selbst der Aristokratie scheint der pythagoreische Bund durch seine enge Verbindung mit Gütergemeinschaft und durch seine strenge Absonderung vor allen andern verhasst und gefahrdrohend geworden zu sein. Die besonderen Aufwiegler des Volkes gegen die Pythagoräer waren aber die beiden Aristokraten Hippasos und Kylon, von denen der Erstere von den Pythagoräern ausgeschlossen, der Letztere vermuthlich bei seiner Bewerbung um die Aufnahme zurückgewiesen worden war. Diese Ehrenkränkung brachte bei Kylon eine um so grössere Erbitterung hervor, als er nach Jamblichus und Porphyrius nicht blos durch Geschlecht, Ansehen und Reichthum einer der Ersten zu Kroton war, sondern auch von Natur heftig, gewaltthätig, tobsüchtig und tyrannisch, so dass seine durch den verletzten Ehrgeiz aufgestachelte Rachgier, untertützt durch die Macht seines grossen Reichthums und seines zahlreichen Anhanges, eine der bedeutendsten Mitursachen des leidenschaftlichen und langdauernden Kampfes gegen die Pythagoräer gewesen ist. In der wegen des Sturzes der Pythagoräer und trotz ihres Widerstandes dagegen zu Kroton abgehaltenen Volksversammlung wurde zur Aufregung des Volkes besonders eine von Hippasos verfasste falsche "heilige Sage" der Pythagoräer benützt, indem dadurch dieselben als durchaus volksfeindlich und herrschsüchtig dargestellt wurden. Indessen kam es in dieser Volksversammlung noch zu keinem bestimmten Beschlusse, was die pythagoreische Partei





sorglos gemacht zu haben scheint, so dass sie nach einigen Tagen wie gewöhnlich ihr jährliches Musenfest, die Erinnerungsfeier der Ankunft des Pythagoras zu Kroton vor nun 20 Jahren beging. Durch dieses höchst unzeitig und unklug mit allem üblichen Prunke gefeierte Fest kam die Volkswuth zum Ausbruch, indem das Volk die zur Feier des Festes versammelten und darauf gar nicht achtenden Pythagoräer überfiel und aus der Stadt vertrieb, worauf die demokratische Partei die bisherige aristokratische Verfassung aufhob und eine demokratische an ihre Stelle setzte. Vergeblich griffen die zersprengten und wieder versammelten Pythagoräer zu den Waffen, und ein bestochenes Schiedsgericht aus den Städten Tarent, Metapont und Kaulonia verurtheilte sie zuletzt zur Verbannung, worauf die Güter aller nach, und nach ausgetriebenen Aristokraten eingezogen wurden. Die aus Kroton ausgetriebenen Pythagoräer trugen den Streit von da auch in die übrigen Städte und Staaten Grossgriechenlands, indem sie sich hier durch die Stiftung von pythagoreischen Klubs, Hetärien und Synedrien zu stärken und zu halten suchten, bis sie abermals verfolgt und vertrieben wurden. In Folge des Sturzes seiner Partei und seiner Schüler zu Kroton musste auch der 80jährige Pythagoras mit seiner Familie und Schule auswandern und in der Fremde einem ungewissen Schicksale entgegengehen. Nachdem dem Pythagoras zu Kaulonia und Lokri die Aufnahme verweigert worden war, wandte er sich nach Tarent, wo er gastlich aufgenommen wurde. Die Lokrer, so erzählt Dikäarch, schickten ihm einige ihrer Aeltesten bis an die Grenzen ihres Gebietes entgegen, um ihm zu sagen, sie hätten zwar vernommen, was für ein weiser und gewaltiger Mann er wäre; sie seien aber mit ihrer bisherigen Verfassung völlig zufrieden und wollten versuchen, bei ihren jetzigen Zuständen auch fernerhin zu verbleiben; er möge also lieber anders wohin gehen; sie wollten ihn mit Allem versehen, was er etwa gerade nöthig habe. Die Aufnahme zu Tarent verdankte Pythagoras seinen dortigen Schülern und Anhängern; Pythagoras konnte jetzt seinen Aufenthaltsort nicht nach Neigung wählen, sonst würde er schwerlich dazu das durch seine damalige Ueppigkeit berüchtigte Tarent gewählt haben.





Nicht des Pythagoras Mahnung noch seine schweigenden Jahre
Hemmten des Tarentiners Oebalius üppigen Luxus,

sagt Claudian. Zu Tarent soll Pythagoras noch eine langwierige und mühsame gelehrte Arbeit, eine geographische Tafel der damals bekannten Erde auf Erz vollendet haben, wie solche geographische Erztafeln oder Landcharten seit Anaximander in Griechenland aufkamen und verbreitet wurden. Durch seine weiten Reisen und selbst gemachten Erfahrungen war Pythagoras zu einer solchen Arbeit besonders befähigt. Mit der pythagoreischen Schule war Tarent auch der Sitz der griechischen Wissenschaft geworden, zumal zu Kroton mit der pythagoreischen Schule auch die ärztliche Schule des Demokedes, welcher als Haupt der Aristokratie gegolten und gekämpft hatte und gefallen war, zertrümmert worden war. In Kroton errichtete nun der von den Pythagoräern ausgestossene Hippasos, welcher blosser Akusmatiker oder Zuhörer des Pythagoras gewesen, eine neue Schule, welche nicht ohne sehr bedeutenden Einfluss auf die griechische Bildung blieb. Hippasos machte durch seine Schule besonders die mathematischen Wissenschaften Allen zugänglich, während Pythagoras dieselben als strenges Geheimniss seiner Schüler und Eingeweihten bewahren wollte. Erst die Schule des Hippasos war eine wahrhaft öffentliche Unterrichtsanstalt, eine Schule in unserem Sinne, bei welcher jeder Lernbegierige ohne Weihen Zutritt hatte; die Schule des Pythagoras war aristokratisch und geheim, diejenige des Hippasos demokratisch und öffentlich, zugleich war jene in ihrem Glauben und in ihrer Gotteslehre ägyptisch, diese zarathustrisch. Hippasos lehrte sein mathematisches Wissen nicht blos allgemein, sondern veröffentlichte es auch in Schriften, welche natürlich Aufsehen machten und begierig ergriffen wurden. Ueber die Veröffentlichung, über den Bruch des Geheimnisses durch Hippasos waren begreiflich die Pythagoriker ausserordentlich erbittert und erklärten sein späteres Ertrinken in dem Meere als die gerechte und verdiente Strafe des Verrathes. Zu den berühmten Schülern des Hippasos gehörten die Mathematiker und Philosophen, oder vielmehr die mathematischen Philosophen Philolaos und Heraklit. Mit dieser Schule des Hippasos,





d. h. mit der von ihm veröffentlichten Wissenschaft des Pythagoras hängen durch Philolaos und Heraklit auch Archytas, Timäus, Plato und Speusippus zusammen, indem sie es sind, welche den eigentlich speculativ-methaphysischen Ideenkreis ausgebildet haben, den dann Aristoteles in so grosser Vollendung darstellt; während die engere pythagoreische Schule, durch die Schranken ihrer Organisation verhindert, an dieser Richtung nicht Theil nahm. Von dem universalhistorischen oder humanistischen Standpunkte war daher der schnelle Sturz der pythagoreischen Schule durchaus nothwendig und wohlthätig; das ägyptische Geheimniss, die dunkele Hieroglyphe durfte in dem schönen, freien und lichten Griechenland keine Stätte finden; in Griechenland war der Gott ein Mensch und jeder Mensch ein Priester Gottes. Der Zauber, die Höhe, das Unerreichbare und ewig Verlorene des griechischen Lebens besteht in seiner innigen Vereinigung und gegenseitigen Durchdringung des Göttlichen und des Menschlichen, des Geistes und der Natur, des Himmels und der Erde; die griechischen Götter stiegen zu der Erde herab, um sich mit den Menschen zu verbinden, und die Menschen wurden von der Erde in den Himmel erhoben.

Neben Tarent und Kroton als geheimen und öffentlichen Sitzen der Wissenschaft erhob sich EIea an der italischen Küste als dritter, höchst wirksamer Sitz der Wissenschaft und zwar durch zwei verbannte Pythagoräer, Aminias und Diochätes, welche dem sie beschützenden Freunde Parmenides, der von dem gleichfalls ägyptisch gebildeten Xenophanes seine ersten wissenschaftlichen Anregungen empfangen hatte, die Weihen in den pythagoreischen Bund, in das pythagoreische Wissen ertheilten, worauf sodann Zeno und Melissus, des Parmenides Schüler und jüngern Freunde, weiter bauten. Den wissenschaftlichen ägyptisch-pythagoreischen Geheimschulen und Geheimbünden sind auch anzureihen die griechischen rein priesterlichen Asklepiadenorden, welche von Aegypten aus gegründet worden waren und ihr ärztliches Wissen als ein heiliges Priestergeheimniss bewahrten und übten. Das berühmte, noch in seinen Grundzügen bei den medicinischen Doctorpromotionen heute gebräuchliche jusjurandum





Hippocratis ist eigentlich der Mysterieneid der Asklepiaden, der priesterlichen Aerzte des ägyptisch-griechisch-römischen Alterthums. 1) Wie die Asklepiaden die Arzneikunde als Priestergeheimniss besassen und bewahrten, so die Bauleute die Baukunst mit ihren Hülfskünsten, und die Geschichte der Wissenschaften und Künste ist recht eigentlich ursprünglich und lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte der Mysterien, der Religionen und ihrer Priester. Was den Bauleuten als Symbol das ewige Licht war und ist, das war den Asklepiaden die heilige Schlange, welche zu Epidauros in der Mutterloge sich befand und woher die Töchterlogen, z. B. in Rom auf der Tiberinsel, die ihrige erhielten. Auf den Inseln des Archipelagus sind die Mönche des heiligen Cosmas und Damianus noch jetzt Aerzte und Nachfolger der Asklepiaden. 2)

Pythagoras hat sich wohl zu Tarent vom Jahr 490 bis 474 v. Chr. aufgehalten. In dem letzten Jahre wurde auch zu Tarent die Aristokratie durch die Demokratie niedergeworfen; die Pythagoräer aber, welche der Umwandlung entgegengetreten waren, wurden verbannt und mussten mit dem 96jährigen Pythagoras auswandern. Das nahe gelegene Metapont nahm sie gastlich auf, da hier sich gleichfalls viele Schüler des Pythagoras befanden. Auch Hiero, welcher im Jahr 478 v. Chr. seinem Bruder Gelo in der Herrschaft von Syrakus nachgefolgt war, soll dem Pythagoras eine Zufluchtstätte angeboten haben, welche aber Pythagoras ablehnte. Auch zu Metapont erregten die aristokratischen Pythagoräer den Hass des Volkes und im Jahr 471 v. Chr. wurde dort in einem Volksauflaufe das Versammlungshaus der Pythagoräer überfallen und niedergebrannt, wobei gegen 40 im Feuer den Tod fanden und nur zwei jüngere Leute, Lysis und Archippus (Hipparch?) sich retten konnten. Obwohl auch Pythagoras durch die heldenmüthige Aufopferung seiner Schüler entgangen war, so zog er sich nach Dikäarch durch den Gram und Kummer über den Verlust seiner Freunde im 99. Jahre seines Lebens kurz darauf den Tod zu. Sei-




    1) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 100 ff.
    2) Böttiger, a. a. O., I. S. 122 Anm. *.



nen Schillern soll er noch auf seinem Sterbebette die Fortsetzung der von ihm gepflegten wissenschaftlichen Forschungen, besonders seines Lieblingstudiums, der mathematischen Musik, an das Herz gelegt haben. Bei dem Tode des Pythagoras sollen die Metapontiner Theilnahme und Trauer bezeigt haben, und später wenigstens weihten sie sein Haus zu einem Heiligthum der Demeter und nannten den Platz, worauf es stand, das Museum. Noch Cicero suchte bei seiner Durchreise durch Metapont die ehemalige Wohnung des Pythagoras auf. Die Familie des Pythagoras scheint nach seinem Tode das griechische Gebiet von Unteritalien ganz verlassen zu haben und nach Rhegion übergesiedelt zu sein, wo auch die Mehrzahl der übrigen Pythagoräer sich zusammenfand und die Schule zunächst unter Theano, der Wittwe des Pythagoras, und dann unter eigenen Vorstehern, bis zur spätern Zurückberufung der Schule nach Kroton, sich fortsetzte.

An das durch Pythagoras und seine Schüler in Griechenland geweckte und verbreitete wissenschaftliche Leben schliesst sich innigst die weitere Thatsache an, dass zur Zeit des Pythagoras die ersten öffentlichen Bibliotheken angelegt wurden und zwar zu Samos durch Polykrates und zu Athen durch die Pisistratiden. Sobald nach dem Tode Alexanders des Grossen Aegypten unter die Herrschaft der Ptolemäer kam und diese Alexandrien, ihre Residenz, zu einem Mittelpunkte griechischer Bildung und Gelehrsamkeit machten, legte der Stifter der neuen Dynastie, Ptolemäus Lagi, den Grund zu der berühmten Bibliothek von Alexandrien, welche schon unter seinem Nachfolger, Ptolemäus Philadelphus, 100,000 Bände stark war und später bei der Einnahme Alexandriens durch Caesar, nach Eusebius einen Umfang von 700,000 Bänden erreicht hatte.

Pythagoras war wesentlich ein gelehrter griechisch-ägyptischer Priester und seine Schule, sein Bund war die getreue, den Verhältnissen mit den nöthigen Abänderungen angepasste Uebertragung der ägyptischen Priesterschulen in das Griechische. Pythagoras war ein griechisch-ägyptischer Oberpriester, ein Prophet, ein Papst, dessen Wort untrüglich und die letzte und höchste Entscheidung war, und seine Schüler sollten griechisch-ägyptische Priester sein.





Der ägyptische Priester war zugleich der einzig Wissende und deshalb mit Recht der Berather des Königs und der Leiter, Verwalter und Richter des Staates, des Volkes; auch die Pythagoräer wollten wissen und regieren. Das ausschliessliche Wissen war das Mittel zum ausschliesslichen Regieren, daher musste jenes auf die Bevorrechteten beschränkt bleiben, d. h. durfte den Nichtberechtigten nicht mitgetheilt werden, war für sie ein Geheimniss. Die Aufnahme in den Stand und Bund der Priester, der Wissenden und Regenten, - der chaldäisch-persischen Mager, der griechischen Pythagoräer, der gallischen Druiden, war eine Priesterweihe, von den Pythagoräern die orphische Weihe genannt, weil der Thracier Orpheus, nach Aristoteles keine historische, sondern eine blos mythische Person, 1) der Gründer und Stifter des zur Zeit des Auftretens des Pythagoras in Griechenland vorherrschenden Dionysoskultus und der dionysischen Mysterien sein sollte, und hieran Pyth. mit politischer Einsicht und Absicht seine priesterlichen Weihen anlehnte. Wollte Pyth. in Griechenland mit seinem ägyptischen Wissen und Streben Eingang gewinnen, musste er sich und seine Lehre und Schule in die griechische Sprache, Form und Begriffe einkleiden, und um dieses thun zu können, hatte der Aegypter Pythagoras nachträglich und kurz vor dem Antritte seines Lehramtes, seines Prophetenamtes sich noch zu Kreta und Libethri, sowie vermuthlieh auch zu Samothrace einweihen lassen, gleichsam die griechische Sprache und Religionsübung erlernt. Der Name und die Form, Dionysos, ist griechisch, aber der lnhalt ist ägyptisch, ist Osiris, ist die ägyptische Kosmogonie, Theologie, Philosophie, Moral und Symbolik. Je tiefer man durch das sorgfältigste Studium in die pythagoreische Geschichte eindringen wird, um so mehr wird man diese einfachen Sätze, diese Grundsätze bestätigt und bewahrheitet finden; der pythagoreische Bund fiel und wurde zerstört, weil und insofern er ägyptisch, ausländisch, fremdartig war; der Geist aber, der aus der




    1) Vergl. die diesfällige Literatur bei Beck, Anleitung zur genauern Kenntniss der Welt- und Völkergeschichte, I. 1. S. 802.



fremden Gestalt, selbst in deren Feinde eindrang, blieb das fruchtbare Gemeingut der Griechen und der spätern Menschheit. Mag das Haus, die Form zerfallen, der Geist lebt in uns Allen; der pytbagoreische Bund überlebte seinen Stifter nicht, das Wort und der Geist des Pythagoras sind unsterblich gleich dem himmlischen oder göttlichen Geiste und Aether; das Aetherische, das Göttliche ist unzerstörbar und ewig, wie Pythagoras selbst lehrte. In dem orphischen Gedichte, dessen Abfassung Röth dem Pyth. selbst zuschreibt und das von Pyth. schon in Aegypten nach unmittelbaren ägyptischen Quellen entworfen sein könnte, wird der Begriff des Einen Gottes also ausgedrückt:

Eine Macht ist, Ein Gott der gewaltige Urgrund des Weltalls;
Einer Er, sein selbst Quell; aus dem Einen stammt alles Geschaffene.
Darin tritt er hervor; denn ihn selbst ist der Sterblichen Keiner
Anzuschauen im Stand; Er ist in Dunkel gehüllet,
Und wir Sterbliche haben nur blöde sterbliche Augen,
Zu schwach ihn zu erblicken, den Gott der Alles regieret.
Denn auf das eherne Gewölbe des Himmels hat er errichtet
Seinen goldenen Thron, und die Erde liegt ihm zu Füssen. 1)

Wie die Aegypter und nach ihnen Moses in der Genesis, noch mehr Salomo in seinem Tempel, fasste auch Pythagoras die Urgottheit als eine unsichtbare oder verborgene, Amun daher bei den Aegyptern genannt. Nach der Vorstellung der Aegypter hat nämlich die Urgottheit ausserhalb der Weltkugel, oder ausserhalb des ehernen und undurchsichtigen Fixsterngewölbes in dem denselben umgebenden unendlichen Raume ihren Sitz und wird also durch das Himmelsgewölbe verdeckt, verborgen, verhüllt, unsichtbar gemacht, zum Symbole welcher Verhüllung und Unsichtbarkeit wohl auch in dem salomonischen Tempel die Bundeslade mit dem Throne Gottes, das Allerbeiligste mit dem Ewigen, die Wohnung Gottes stets verhüllt war und nicht gesehen oder betreten werden durfte. Diese im undurchdringlichen Dunkel, im unendlichen Raume jenseits des ehernen Himmelsgewölbes und auf diesem wohnende und thronende Urgottheit nannte Pythagoras in seiner




    1) Röth, a. a. O., II.. S. 637 und 638.



Schule Zeus, um sie den gangbaren Religionsbegriffen und religiösen Vorstellungen der Griechen anzupassen. Bei der Aufnahme zum Pythagoriker, zum Orphiker durch die orphische Weihe, - bei der Weihe zu einem weissgekleideten pythagoreischen Priester mit allen weitern Verpflichtungen des diesfälligen priesterlichen Lebens wurde namentlich und wesentlich von Pythagoras dem Eingeweihten der wahre und reine Gottesbegriff, die letzte und höchste Lehre als das heiligste und wichtigste Geheimniss mitgetheilt und dieses Geheimniss haben auch seine Schüler bis nach dem gänzlichen Untergange des Bundes wirklich treu bewahrt, so dass noch Dikäarch gestehen musste : "Was Pythagoras seinen vertrauten Schülern gelehrt, könne nicht ein einziger mit Sicherheit sagen, denn ihre Verschwiegenheit sei nicht die alltägliche." Die Mittheilung des Gottesbegriffes war das Ziel der ganzen pythagoreischen Erziehung, der Lohn des würdigen und bewährten Schülers des Pythagoras. Mit dem Gottesbegriffe war die Unsterblichkeitslehre innigst verbunden, denn die Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit ist nur eine Eigenschaft, die Natur und das Wesen des in dem Menschen lebenden göttlichen Geistes, alles Göttlichen. Der Dionysoscultus mit seinen Gebräuchen des wiedergeborenen Naturgottes, der stets sich verjüngenden und unsterblichen Naturkraft, war durchaus geeignet, die pythagoreische oder ägyptische Unsterblichkeitslehre in sich aufzunehmen, da ja nur die Wiedergeburt der Natur auf die Wiedergeburt des Geistes übertragen, jene zum Symbole der letztern gemacht werden durfte. 1) Wie Pythagoras verfuhr auch später die christliche Kirche, indem sie das alte Osterfest, das blosse Fest der Wiederauferstehung der Natur zugleich zum Feste der Wiederauferstehung des Geistes machte, den Glauben an die Unsterblichkeit des Geistes und dessen Wiederaufer-




    1) Vergl. auch Döllinger, Heidenthum und Judenthum, Seite 131 ff. Gerhard in einer der preuss. Akademie der Wissenschaften neuerlich vorgetragenen Abhandlung über Orpheus und die Orphiker (in dem Monatsbericht für Januar 1861, S. 1 ff.) will dagegen den orphischen Unsterblichkeitsglauben der Griechen von den Thraciern und den Geten ableiten.



stehung aus dem Tode auf die Thatsache der steten Wiedererneuerung des Naturlebens stützte. Die orphischen Lehren sind die ägyptischen Lehren über Gott, die Welt und den Menschen, welche Pythagoras mit aus Aegypten nach Griechenland gebracht und auf den griechischen Boden verpflanzt hat; die Orphiker aber sind die Schüler des Pythagoras, die sogenannten Pythagoriker, welche nach vorausgegangener Mysterienweihe diese Lehren von Pythagoras nach und nach mitgetheilt erhielten. Herodot nimmt daher Orphiker und Pythagoriker als durchaus gleichbedeutende Bezeichnungen derselben Schule oder Klasse und ebenso muss orphisch im engern oder geistigen Sinne, man dürfte sagen im schöneren griechischen und nicht tracischen oder böotischen Sinne, als gleichbedeutend mit pythagoreisch-ägyptisch genommen werden. Pythagoras hatte seine religiöse Grundlehre, seine Gotteslehre, seine Dogmatik oder sein theologisches System, wie sie bei den Einweihungen und für die Eingeweihten vorgetragen werden sollte und wurde, in einem epischen Gedichte in Hexametern schriftlich niedergelegt, welches Gedicht im Alterthume allgemein fälschlich dem Orpheus beigelegt wurde, während es nur ein Gedicht des Pythagoras für seine Vertrauten oder Schüler, die Orphiker war. 2) Die alexandrinische Schule anerkannte vollständig den Pythagoras als den Verfasser des orphischen Gedichtes, der orphischen Hymnen oder Epen. Das Gedicht bestand nach Suidas Angabe aus 24 Gesängen oder Rapsodien, war also eine förmliche Epopäe, von dem Umfange der Ilias und Odyssee. Das im Alterthume im höchsten Ansehen stehende, als ein heiliges Buch und als eine Art göttliche Offenbarung geltende Gedicht hiess die "orphische Theologie" oder auch "die orphische Epopöe und Theologie' und ihr Verfasser selbst der Theologe. Natürlich wurde bei der Aufnahme zum Orphiker oder Pythagoriker nicht das ganze Gedicht vorgelesen, sondern das Gedicht bildete gleichsam das heilige Buch, den Katechismus, des




    1) Röth, a. a. O., II. S. 611 ff.; Schoemann, II. S. 330 ff.: "Orphiker und Orpheotelesten."
    2) Röth, a. a. O., II. S. 623 ff.



Orphikers, welches er vermuthlich auswendig zu lernen hatte und worüber Pythagoras gewiss erläuternde Vorträge hielt, wie Jeder weiss, der einige Kenntniss des Mysterienwesens besitzt. Das Gedicht begann mit der Lehre von der Urgottheit und der Weltentstehung, und schloss mit einer Lehre von den letzten Dingen, einer Darstellung von von Unterwelt und des Lebens nach dem Tode. Namentlich. muss man daher das orphische Gedicht nicht etwa als gleichbedeutend mit der heiligen Sage des Dionysos, mit der Hirammythe betrachten, welche bei der orphischen Weihe selbst vorgetragen wurde und einen Bestandtheil des ganz unentbehrlichen Aufnahmerituals bildete; wenn das orphische Gedicht auch den Namen der heiligen Sage, , erhält, ist dieses in weiterem Sinne als die Religionslehre, heilige Lehre des Pythagoras zu verstehen, wovon sodann die Dionysosmythe wieder einen Theil ausmacht, - der , der heilige Vortrag, der Mysterienvortrag, das Mysterium im eigentlichen und engern Sinne ist. 1) Das orphische Gedicht war die Grundlage, das Textbuch für den gesammten religiösen Unterricht der Orphiker, der Pythagoriker, gerade wie es die Bibel für die Christen und der Koran für die Mahommedaner sind. Für die Aufnahmsweihe dagegen hatte aller Wahrscheinlichkeit nach, ja durchaus nothwendig, Pythagoras, nach ägyptischem Vorbilde bestimmte und wohl kurze, wenn auch feierliche Rituale entworfen; kurz mussten diese Rituale deshalb sein, weil zur Zeit seiner Blüthe der pythagoreische Bund verhältnissmässig viele Mitglieder zählte und daher auch sehr oft Aufnahmen erfolgten, die nicht zu lange währen durften, wenn sie die für den eigentlichen Unterricht so nöthige und theure Zeit nicht nutzlos rauben sollten. Auch darf die Vermuthung ausgesprochen werden, dass die Aufnahme in den pythagoreischen Bund, in die pythagoreische Schule nicht einzeln, sondern als Promotion der ganzen tüchtig erfundenen Klasse, wenigstens in der Regel stattgehabt haben werde. Nach der Versprengung des eigentlichen pythagoreischen oder orphischen Bundes erlitten die Orphiker, die orphischen Weihen,




    1) Vergl. auch Schoemann, II. S. 332.



das orphische Gedicht und die orphischen Lehren die vorschiedensten und missbräuchlichsten Umgestaltungen und Zusätze, welche nicht auf Rechnung des Pythagoras zu setzen, aber schwer von dem ächten Pythagoras und seinen Lehren und Einrichtungen zu unterscheiden sind, gerade wie in die Freimaurerei und ihre Formen im Laufe des 18. Jahrhunderts und bis herab auf die Gegenwart auch unendlich viel Fremdartiges und Unwahres hineingetragen worden ist. Es gibt eine wahre Maurerei (die pythagorische oder orphische ), aber viele falsche Maurer (Orpheotelesten) und ungerechte und unvollkommene Logen trotz ihrer entgegengesetzten Selbstbezeichnung.

Die orphische Weihe war ein gereinigter und veredelter Todtencult des Osiris-Dionysos-Hiram, wobei also das Leiden und der Tod mit der darauf folgenden Wiederauferstehung des Dionysos theils in wirklichem Bilde, theils in blosser eingeflochtener erläuternder und ergänzender Erzählung dargestellt wurde, der Einzuweihende selbst durch einen symbolischen Tod hindurchging, um aus dem Tode neu, wiedergeboren zu werden, als ein gereinigter und geweihter Mensch zu erstehen. Die orpbische Weihe () war wesentlich eine Neugeburt, eine Reinigung und Sühnung () des Einzuweihenden, eine Art christlicher Konfirmation des gereiften Schülers. 1) Bei Jambl. de vit. Pyth. S. 151 heisst es: "Pythagoras soll ganz und gar ein Nacheiferer der orphischen Anordnung und Auslegung (der Dionysien nämlich) gewesen sein, und den Gottesdienst auf ganz gleiche Weise, wie Orpheus ein gerichtet haben." Möglicher Weise war die Weihe eine nächtliche, eine Weihnacht (), wie nach Plutarch, de Isid. et Osirid. c. 35, eine solche Weihnacht, Nacht der Weihe, einen Hauptbestandtheil der trieterischen oder dreijährigen Dionysien ausmachte; jedenfalls aber fand der Todteneult in einem dunkelen Raum mit künstlicher Beleuchtung statt, wie ebenso der Todtencult des Hiram gefeiert wird und durchaus nicht anders gefeiert werden kann. Röth, a. a. O., II. S. 598 ff., beschreibt die orphische Weihe also:




    1) Röth, a. a. O., II., S. 395.



Wie die trieterischen Orphika zerfielen daher auch die pythagoreischen Weihen in zwei einander ungleiche Theile, in einen ernsten und düstern Nachtdienst, der den Tod des Gottes betrauerte, und in einen heitern und freudigen Tagdienst, der dessen glückliche Wiederauferweckung feierte. Jenes war eine förmliche Todtenklage. Sie begann in nachahmender Darstellung mit der Verfolgung des Gottes durch die in Hirschfelle vermummten Titanen; - woher die Verhüllung der Feiernden in Felle von Rehen und Hirschkälbern. Sie ging dann zur Tödtung, Zerstücklung und Verzehrung des Gottes durch seine Feinde über, worauf sich offenbar der im Folgenden vorkommende symbolische Gebrauch bezog: das Rohessen eines Stückes Opferfleisches (), der auch in den Trieterien vor kam 1) und der noch in dem katholischen Messopfer dunkel nachklingt, da nach der strengen Lehre die Katholiken glauben sollen, wirklich den Leib des Herrn in dem Brode zu essen und in dem Wein sein Blut zu trinken. Es ist dieses die Lehre von der Umwandelung oder Transsubstantiation, worüber so viel gestritten und so viel Menschenblut geflossen ist. So wenig man die Maurerei mit ihren Symbolen, Gebräuchen und Lehren anders als aus dem heidnischen Alterthume zu erklären und zu begreifen vermag, ebenso und vielleicht noch weit mehr das Christenthum. Das gemeinschaftliche Essen des Opfers sollte die Opfernden mit dem sterbenden Gotte selbst in Gemeinschaft setzen, seiner und seiner Unsterblichkeit theilhaftig machen, was auch Welker, II. Seite 631,




    1) So zerfleischten die Kreter (alle als Isodäten) mit den Zähnen einen lebendigen (lebendig in Stücke zerrissenen) Stier (Stierkalb), wie in Tenedos im grausamen jährlichen Festmahl. Vergl. Welker, II. S. 639, und Schoemann, II. S. 445. Anderwärts wurden anstatt der Stiere Böcke noch schreiend mit blutigen Zähnen zerrissen (Rinck, II. S. 407). Rinck hält eine Ideenverbindung zwischen dem Mithrasstier der Perser, der Zerstückelung des Osiris der Aegypter und des Dionysosstieres der Hellenen für unverkennbar. Das Zerreissen des Stieres, das Grab des Dionysos bedeute, dass ein göttliches Leben in der Natur ist, welches in Folge der Zersplitterung des Gottes und seiner Lebensfülle in dem Prisma der mancherlei organischen Wesen sich offenbart, wenn die kräftiger werdende Sonne das Himmelszeiehen des Stiers mit ihren Strahlen verdeckt.



Anm. 172, für den Kern des Zerreissens und Essens des dionysischen Opfers ansieht. Wohl auch nur im Sinne der Unsterblichkeit, der Wiederauferstehung waren die zerrissenen Glieder des Dionysos in einem Sarge () bei dem Dreifusse des Apollo, bei dem goldenen Apollo zu Delphi beigesetzt. Das Fest der Wiederauferstehung, der Wiedergeburt des Wiegenkindes oder Liknites wurde jährlich zu Delphi von den fünf Hosiern und der Oberpriesterin als eine Art Christ- oder Osterfest gefeiert, worüber auch Welker, II. S. 632 ff., zu vergleichen ist.

Unmöglich kann man Gladisch, das Mysterium, S. 46 zustimmen, das Zerreissen des Osiris (und des Dionysos) durch Typhon und das Sammeln seiner Glieder durch die Isis svmbolisire das Zerrissenwerden der Gottheit aus der Einheit in die Vielheit und die Rückkehr derselben aus der Vielheit in die Einheit. Solche abstracte Philosopheme einer spätern Zeit waren der alten Naturreligion des Volkes bei den Aegyptern und bei den Griechen, so wie bei den Römern, so weit diese Culte bei ihnen Eingang gefunden hatten, gewiss völlig fremd, ganz abgesehen von dem philosophischen Satze an und für sich. Der ägyptische Gott mit den erst zusammengewachsenen und dann getrennten Gliedern drückt nach Gladisch S. 45 denselben philosophischen Gedanken aus und die uralten oder bis in die Mitte des vierten Jahrtausends v. Chr. hinaufreichenden Pyramiden auf der viereckten Grundfläche mit dem Zusammenlaufen der vier Seitenflächen in die Pyramidenspitze und die Obelisken mit den Pyramiden darauf drücken nur das Mysterium aus des Auseinandergehens der Einheit in die Vierheit (d. h. in die vier Elemente und in die aus den vier Elementen bestehenden Körper) und das Zusammengehen der Vierheit in die Einheit (S. 39 und 49). Nur wenn Jahrtausende unberücksichtigt bleiben, kann man sich in derartigen Philosophemen und philosophischen Träumen ergehen. Das Zerreissen des Osiris durch Typhon, des Dionysos durch die Titanen und des Dionysos-Zagreus auf Kreta durch dieselben Titanen, 1) das Erschlagen des Hiram durch die drei feindlichen Ge-




    1) Furtwängler, a. a. O., S. 331.



sellen, das Tödten des Adonis 1) durch den wilden Eber des Mars, das Zerreissen des Knaben Linos zur Zeit der Hundstage durch die Hunde, 2) das Todtwerfen des Jünglings Narkissos mit dem Diskos durch Apollo 3) u. s. w. drücken alle zunächst blos aus, dass das blühende Erdleben, die Blumen des Feldes entweder von der versengenden Gluth des Sommers oder von den kalten Stürmen des Herbstes und des Winters getödtet, entblättert und zerrissen werden. Das Sammeln der Glieder des Osiris durch die Isis, die Erde, das Land Aegypten, und das Sammeln der Glieder des zerrissenen Dionysos-Zagreus 4) durch Apollo, damit er, nach Clemens Alexandrinus, dieselben auf dem Parnass bestatte, - das Aufsuchen der entführten Kore durch die klagende Mutter Demeter, - das Aufsuchen des Leichnams des Hiram und die Beerdigung seines aufgefundenen Leichnams, - das Beweinen und Suchen des entschwundenen Odhin durch die liebende und goldene Thränen weinende Gattin Freyja, 5) wel-




    1) Hinsichtlich des Adonis, in Syrien und bei den Juden, überhaupt bei den Semiten Tamûz genannt, welcher Name auch auf den Sommersonnenwendemonat übertragen war, hat neuerlich Chwolson, Tamûtz und die Menschenverehrung bei den alten Babyloniern, Petersburg 1860, die gewiss nicht haltbare Behauptung zu begründen versucht, dass Tamûz kein Gott, sondern ein bei den Babyloniern göttlich verehrter Mensch, ein alter babylonischer Heiliger gewesen sei. Es hängt diese Behauptung mit seiner frühern vermeintlichen Entdeckung über das hohe Alter des babylonischen Buches von der nabathäischen Landwirthschaft zusammen, worüber er in den Mémoir. des Sav. étrang. der kaiserl. Akad. der Wissensch. in St, Petersburg, B. VIII., S. 330 - 526 unter dem Titel: "Ueber die Ueberreste der altbabylonischen Literatur in arabischen Uebersetzungen" gehandelt hat, wogegen aber besonders Ewald und Renan, also die beiden grössten Kenner der semitischen Sprachwissenschaft, sich erklärt haben, sowie neuerlich noch Gutschmid in d. d. in. Z. XV. S. 1 ff.
    2) PreIIer, Demeter und Persephone, S. 257.
    3) Preller, a. a. O., S. 258 ff.
    4) Zagreus bezeichnet den Tod oder Todesgott als den grossen Jäger, welcher Alles erlegt und verschlingt. Vergl. auch Welker, a. a. O., II. S. 630 ff. Es ist ein verfehlter Gedanke, dass Böttiger, Ideen zur Kunstmyth., I. S. 24 ff., das Zerreissen des Dionysos-Zagreus, des Orpheus und die Erschlagung des Meister Hiram auf stattgehabte Religions- und Priesterkämpfe deuten will.
    5) Grimm, Mythol., S. 282.



cher zugleich ihr köstlicher Halsschmuck Brinsingamen (das Halsband der phönicischen Harmonia) durch die eisigen Riesen geraubt wird, 1) wie die goldenen Aepfel Idhunns im Winter durch den Riesen Thjassi geraubt werden 2) und der haarschönen Sif, der Gemahlin Thôrrs, im Winter von dem bösen Loki die Goldhaare, die Sonnenstrahlen oder auch die goldenen Blitze, abgeschnitten werden, - das Weinen und Suchen der Frau Hulla nach dem entschwundenen Gatten u. s. f. ist nur das Symbol, dass die wiederbelebende Kraft, der ewige Lebenskeim, das verlorene Meisterwort im Schosse der Erde und im Berge der Wolken geborgen werde, um im neuen Jahre daraus verjüngt wieder zu erstehen. Durch den Blitz und das Licht, den in Schlangengestalt zu der in der dunkelen Höhle der Wolken verborgenen Persephone eindringenden Zeus, - durch den in der Gestalt des Goldregens den dunklen Thurm der Erd- und Wolkengöttin Danae sich öffnenden Zeus, - durch den in Schwanengestalt der Wolkennacht, der Leda nahenden Zeus, - durch den als Schlange des Lebens und des Blitzes in den Wolkenberg der Gunnlöd einschlüpfenden und den köstlichen Med Odhrörir trinkenden Odhin 3) u. s. f., wird die belebende Naturkraft, Dionysos-Zagreus, Perseus u. s. w. d. i. Zeus selbst wiedergeboren, das verlorene Meisterwort wiedergefunden, die Freyja wieder mit dem Halsbande und die Sif wieder mit dem goldenen Haare geschmückt, erhält Idhunn die goldenen Aepfel wieder und kehrt das Blumenmädchen Kore zurück, - die Mutter, hat die Tochter und die Gattin den Gatten wieder in den Armen, es herrscht die Liebe, die Lust und das Gold, der Blitz und das Licht. Die Uebereinstimmung des griechischen Zeus mit dem deutschen Odhin, welche beide als die Blitzesschlange in das Wolkendunkel eindringen und durch den alsdann strömenden Regen die Erde befruchten, schmücken und trösten, beweisen die aus dem asiatischen Ursitze stam-




    1) Mannhardt, die Götterwelt, I. S. 309 und 310.
    2) Mannhardt, a. a. O., S. 313.
    3) Menzel, Odin, S. 50 ff. vergl. mit dem daselbst S. 56 ff. über die Oda Gesagten; Kuhn, die Herabkunft des Feuers, S. 149 ff.



mende gemeinsame Naturanschauung. Die neun heumähenden Knechte des Baugi, welche der auf den Raub des Odlirörir ausziehende Odhin trifft und denen er einen Wetzstein, den Blitzstein gibt, um ihre Sicheln zu schärfen, worauf sich diese im Streite um den Wetzstein alle selbst mit ihren Sicheln die Hälse abschneiden, müssen auf die neun Lebensmonate des ablaufenden Jahres um so unzweifelhafter bezogen werden, als drei Nächte, die drei Tage oder Monate des Grabes, Odhin bei der Gunnlöd ruht und er in drei Zügen den in drei Gefässen in der Tiefe verborgenen Meth austrinkt. Die neun sich selbst tödtenden Knechte des Baugi sind der im Herbste sterbende Sonnengott Odhin selbst und stehen dem sich selbst verbrennenden Herakles gleich. Eine andere Gestalt des Odhrörir, des Himmels- und Unsterblichkeitstrankes, welchen auch Zeus als Nektar trinket, sind die die Gabe der Unsterblichkeit verleihenden Aepfel der Idhunn. Selbst das noch zuckende Herz des Dionysos-Zagreus, nach Rinck, I. S. 238 der Natur im Spätherbst, welches die Artemis den Titanen entreissen und in den Olymp zu Zeus, dem ewigen Erhalter, emportragen kann, ist hierher zu beziehen; denn auch dieses gerettete Herz bezeichnet die unsterbliche Lebenskraft und die Zerstörung ist der Same einer neuen Welt, der Tod die Geburt eines neuen Lebens. In dem gleichen Sinne wird nach einer andern Sage das Zeugungsglied, die Zeugungskraft des getödteten Dionysos in einer Kiste oder in einem Sarge, d. h. im Schosse der Erde geborgen. 1)

Dem Zerreissen des Osiris durch Typhon und des Dionysos durch die Titanen ist verwandt, dass nach der korinthischen Mythe auch Glaukos-Poseidon, ein Bild des leuchtenden und blauen himmlischen (Wolken-) und irdischen Meeres, die männliche Seite der Athene Glaukopis, 2) von seinen eigenen rasend gewordenen Rossen (d. i. von den wilden Wolken- und Meereswogen), von seinen aus dem




    1) Rinck, I. S. 238 ff.
    2) Vergl. darüber Alpina für 1860, S. 267 ; Vischer, Bellerophon S. 90; Hugo Weber, etymologische Untersuchungen, S. 91, ff. ist der mit den grauweissen, silberfarbenen, glänzenden und schimmernden Augen von der Wurzel = glänzen, leuchten.



Flecken Potniae in Böotien, welcher im Alterthum durch seine Pferdezucht berühmt war, stammenden Rossen zerrissen und verzehrt wird. 1) Das Schicksal dieses Glaukos hatte Aeschylos in seinem Trauerspiele , besungen, von welchem nur wenige Fragmente auf uns gekommen sind, die aber noch durch einige darauf bezügliche Anspielungen beim Aristophanes ergänzt werden. Auch Demeter und Proserpina führten den Beinamen der potnischen Göttinnen, 2) d. h. wurden zugleich unter dem Bilde des Meeres oder als das Meer gedacht, und es war ihnen zu Potniae ein Brunnen heilig, der die Kraft hatte, die Trinkenden rasend zu machen, und aus welchem eben, die Pferde des Glaukos getrunken haben sollten. 3) Dieser potnische Brunnen ist das Wolken- und Erdmeer, welches im Herbst und besonders zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche heftig zu stürmen, zu rasen beginnt, und dieses brausenden Wolken und Wogen, die Aequinoktialstürme, die rasenden Rosse und wilden Titanen zerreissen den Glaukos 4) und den Dionysos, den Himmel, das Meer und die Erde, - führen das Leben zum Tode, machen die überweltliche Aphrodite zur unterweltlichen Proserpina oder Persephone, - rauben der Mutter Erde die blühende Tochter und den Sohn (Hiram). So treten Osiris, Dionysos, Glaukos und Hiram in die innigste Verwandtschaft und sind alle nur Bilder des den Herbststürmen unterliegenden Naturlebens. Der sich selbst in seiner Raserei, in den Herbststürmen in das Meer stürzende und dort unsterblich fortlebende Glaukos steht gleichfalls wieder dem auf dem Scheiterhaufen sich selbst verbrennenden Herakles oder dem in seinem eigenen Neste verbrannten Vogel Phönix 5) zur Seite. Preller, griech. Mythol., II. S. 53, vergleicht treffend den von seinen Rossen zerrissenen Glau-




    1) Gaedechens, Glaukos, S. 198 ff.
    2) Preller, Demeter und Persephone, S. 194 Anm. 24.
    3) Funke, Real-Schullexikon unter Potniae deae; Gaedechens, a. a. O., S. 201 Anm. 2.
    4) Ueber den bakchischen Charakter des Glaukos vergl. Gaedechens, S. 113 ff.
5) Kanne, allgemeine Mythol., S. 292; Dunker, Geschichte des Alterthms, I. S. 58.



kos noch mit dem von seinen eigenen Hunden zerfleischten Aktäon. Glaukos ist auch wieder das stürmende, die Rosse erschreckende Meer selbst und wird daher , der die Pferde Erschreckende und Scheuchende genannt. Endlich gehört auch hierher Diomedes, der Sohn des Atlas und der Asterie, welchen seine eigenen Rosse getödtet haben sollen. 1)

In dem Dionysosdienste folgte auf die Zerreissung des Dionysos die eigentliche Leichenklage, ganz in ägyp tisch-orientalischer Weise (besonders von Frauen) begangen mit Jammern und Wehrufen, auf dem Boden sitzend und die Gesichter mit Lehm und Kleien beschmiert; offenbar auch zugleich eine sinnbildliche Darstellung des eigenen befleckten und sündhaften Zustandes. Sie endigte, da eine Leichenfeier nach orientalischen Begriffen verunreinigt, mit Sühnungen und Reinigungen durch Gebete und Waschungen oder Räucherungen. "Ich entrann dem Uebel und fand das Bessere," riefen nun die Gesühnten und Gereinigten, unverkennbar mit Hinsicht auf den jetzigen Zustand eines Geweihten und dem Schutze und der Obhut des Todtenbeherrschers Untergegebenen in Vergleich zu dem früheren unheiligen und Bündhaften Zustand eines Uneingeweihten. Ohne Zweifel hatte die Formel neben dem religiösen auch noch einen moralischen Sinn: vom Beginne eines besseren, sittlich reineren Lebens, das "nach Vollendung so langjähriger Reinigungen von den im Gemüthe haftenden Schmutzflecken jetzt endlich eintrat," wie sich Lysis in einem Briefe ausdrückt, indem er von den Vorbereitungen und Vorweihen spricht, welche die Schüler des Pythagoras zu durchgehen hatten, ehe sie durch die Orphica in den Kreis der inneren Schule aufgenommen wurden. Den Schluss bildeten wohl die nachahmenden Gebräuche eines Leichenmahles: das hochheilige Mahl (), das nach feierlichen Weinspenden (), Libationen für den verstorbenen Gott, den Geber des Weines, der Hauptsache nach im Kosten eines rohen Stückes




    1) Funke, a. a. O., unter Diomedes; Gaedechens, S. 200. Vollmer, vollständiges Wörterbuch der Mythol. unter Diomedes; Preller, griech. Mythol., II. S. 140.



Fleisch von dem zerrissenen Opferthiere () und eines Opfergerichtes aus Bohnen - des üblichen Leichenopfers - bestanden haben muss. Dabei wurde, als sinnbildliche Mahnung an jene künftige Speisung und Tränkung durch Dyonisos-Osiris nach dem Todtengerichte in der Unterwelt, auch noch ein Opferkuchen oder das Brod gebrochen und Wein gereicht. 1) Auf diese Weise lässt sich begreifen, warum die in die Orphica Aufgenommenen aus frommer Scheu vor den heiligen Bräuehen ihrer Weihe sich aller dieser Dinge: des Essens der Bohnen, des Genusses der Fleischspeisen, des Brodbrechens und Weintrinkens im gewöhnlichen Leben fortan enthielten. Das Brodbrechen und Weintrinken war übrigens auch ein Gebrauch bei den jüdischen Todtenfeierlichkeiten, da Jeremia 16, 7 sagt:

Und man bricht nicht ihretwegen Brod bei der Trauer,
Einen zu trösten über den Todten:
Noch gibt man Einem den Trostbecher zu trinken
Ueber seinen Vater und seine Mutter.

Der Name des Bakchos ist vermuthlich aus dem Phönicischen abzuleiten und bedeutet weinen, wehklagen. 2) Der als zweiter Theil des Kultes auf diese nächtliche Feier folgende Tagdienst war nun fröhlicher Art, denn er knüpfte sich an die Wiederauferweckung des Gottes und seine jetzige Herrschaft in der Unterwelt, wo er dem Todtengerichte, der davon abhängigen Belohnung und Bestrafung der Seelen und ihrer endlichen Erlösung vorstand. Fröhlich aber war dieser Theil des Kultes offenbar auch mit Bezug auf die Hoffnungen einer künftigen Seligkeit, die man nach der Angabe der Alten ausdrücklich als das glückliche Loos der Eingeweihten in der Unterwelt betrachtete. Als nunmehr geheiligte Dionysosdiener ( ) mit Weisspappel und Fenchel bekränzt, während. die begleitende Menge Nartheken und Kistoszweige




    1) Vergl. auch Röth, a. a. O., II. S. 500,
    2) Rinck, I. S. 241.



(wir würden sagen Palmzweige) in den Händen trug: - "Viel der Narthenträger und wenig geweihte Bakchen," wie es in dem orphischen Verse heisst, versammelten sich nun die Eingeweihten, und unter dem Jubelrufen: "Hyes Attes, Attes Hyes" "Es lebt der Vermisste (Dionysos nämlich), der Vermisste lebt," begaben sie sich in Festzügen zu den Tempeln, um Dankopfer darzubringen; wie ein solches ja auch von den "Heiligen" in Delphi an demselben Tag verrichtet wurde, wo die Thyiaden das Auferweckungsfest des Liknites, des Dionysoskindes begingen.

Mag auch gegen die Richtigkeit dieser Darstellung des leider der Wissenschaft durch frühzeitigen Tod entrissenen Röth in einzelnen Theilen gerechter Zweifel erhoben werden, im Ganzen und Wesentlichen darf dieselbe dennoch auf historische Wahrheit Anspruch machen. 1) Die höchste Beachtung unter den Gebräuchen der orphischen Weihe verdient das Brechen des Brodes und das Trinken des Weines, welches uns als ein ähnlicher religiöser Gebrauch schon mehrmals, namentlich in den Mithramysterien und bei den heutigen Parsenpriestern begegnet ist. Das christliche Abendmahl in einer oder in zwei Gestalten gehört wohl in seinem letzten Ursprunge den alten Todtenculten, besonders dem Kulte des Osiris-Dionysos an und wäre nur das Symbol der einstigen Befriedigung unserer verlangenden Seele, der nach der himmlischen Speise gleichsam hungernden und dürstenden Seele durch das ewige Licht, durch das Reich Gottes nach überstandenem Tode und letztem Gerichte; es wäre die Speisung der Seele mit den Früchten von dem Baume des ewigen Lebens, wie dieselbe auf ägyptischen Mumienbildern, zumal auf dem Deckel eines Mumienkastens zu Wien erscheint. Höchst merkwürdig ist, dass auch die alten Peruaner an dem Feste, welches sie im Monat Juni dem Pachacamac, dem Vater des Feuers und des Lichtes und dem Schöpfer aller Dinge, als dessen Hauptfest feierten, ein heiliges Brod, das einzige, welches in Peru gegessen wurde, assen und das hier wohl, wie die Schaubrote in dem salomoni-




    1) Vergl. auch noch Lenning's Encyklopädie unter Pythagoras; Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. S. 35 ff.



schen Tempel, die Bedeutung hatte, dass Gott der Spender und Verleiher alles Brodes und Lebens sei. Für die Ynkas oder für den König und die übrigen Mitglieder des königlichen Geschlechtes wurde das heilige Brod durch die Sonnenjungfrauen, die peruanischen Vestalinen zubereitet. 1) Das in den Mysterien gegessene Brod und der getrunkene Wein sind, noch tiefer aufgefasst, das Symbol der Erlösung von dem Büssungszustande, von der Seelenwanderung durch den milden Spruch des Todtenrichters und der damit verbundenen Wiederaufnahme in das Reich der Seligen, in die alte Heimath. In diesem erlösenden Sinne wird auch in der christlichen Kirche das Brod gegessen und der Wein getrunken. Die Erlösungs- und Unsterblichkeitslehre, die Lehre von einer Vergeltung nach dem Tode ist durchaus ägyptisch und Osiris ist der erste Erlöser und Heiland. Alle erlösenden und unterweltlichen richtenden Gottheiten der Griechen sind nur Nach- und Umbildungen des Osiris; vorzüglich aber gilt dieses von Dionysos und aus ihm ist wohl auch unter der Hand der alexandrinischen Judenchristen oder jüdisch-christlichen Gelehrten die Mythe von dem Tode, der Wiederauferstehung und der Himmelfahrt Jesu hervorgegangen, da bekanntlich die älteren Schriften des alten Testamentes, besonders die mosaischen, die Lehre der Unsterblichkeit und von der Vergeltung nach demTode noch nicht kennen. 2) Nicht genug kann der Einfluss beachtet werden, den die alexandrinischen Gelehrten schon vor Christus auf das Judenthum und die jüdischen Secten der Pharisäer, Saducäer und Essäer und unmittelbar nach Christus auf das Christenthum und besonders auf die Ausbildung der christlichen Mythengeschichte aus griechisch-ägyptischen Quellen und nach deren Vorbildern ausgeübt haben. Nach dem Berichte des Justin sagten die Griechen




    1) Apostelgeschichte des Geistes, II. S. 29.
    2) Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu, I. S. 153 ff., S. 273, 277, 280, 402; Gladisch, das Mysterium, S. 19 Anm. unten. Gladisch vergleicht diese trostlose Ansicht der alten heiligen Urkunden der Israeliten vom Jenseits mit der Philosophie des Anaxagoras. Ferner ist noch nachzusehen Polak, Geschichte der Urreligion, S. 187 ff.; Böttiger, Kunstmythol., II. S. 476 ff.



namentlich von Dîonysos, dem Sohne der Semele und des Zeus, dem Erfinder des Weines, er sei zwar von den Titanen zerrissen worden, aber nach seinem Tode wieder auferstanden () und in den Himmel wieder ernporgestiegen ( 1)) und dieses wurde wohl in Alexandrien in veränderter Form auf Christus übertragen und seinem Lebensschicksale angepasst. Der Demeter, Persophone und dem Dionysos, den erlösenden Gottheiten () der Griechen steht bei den Christen gegenüber der erlösende Christus und die erlösende Maria; die Maria gleichet der Demeter, und ist wie Persephone Erlöserin (). Die Beinamen des Dionysos unser Herr (), der Erlöser () - der Heiland, der Erretter () sind zu Beinamen Christi geworden und er und Maria thronen und richten im christlichen Todtenreiche, wie Demeter, Persephone und Dionysos im griechischen. Darauf bezieht es sich auch, wenn die Christen in dem Vaterunser beten: "Herr, erlöse uns von dem Uebel, Amen" und in dem Ave Maria: "Heilige Maria, Mutter der Gnaden, bitt' für uns arme Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes, Amen." Aehnlich sagt auch ein orphisches oder pythagoreisches Fragment von dem Schicksale der Seele:

"Niemand vermag es zu ändern, als nur die erlösenden Götter,
Denen auch Zeus auftrug, in Wanderungen buntesten Wechsels
Und im Kreislauf der Noth umherzutreiben die Seelen." -

Nur sie können die Seelen vom:

"Kreislauf wieder entbinden und Ausspann gönnen vom Elend." 2)

In einem andern orphischen Fragmente heisst es von Dionysos

"Dir wird das Menschengeschlecht vollkommene Festhekatomben
Weihen durch alle Zeiten in wiederkehrenden Jahren,
Und Sühnfeier begehen, von der Ahnen Frevel Erlösung
Suchend. Und über sie hast du die Macht, du wirst sie, wenn Du es
Willst, aus drückender Pein und unendlichem Jammer erlösen." 3)




    1) Röth, a. a. O., II. S. 711.
    2) Röth, a. a. O., II. S. 713.
    3) Röth, a. a. O., II. S. 714.



Ein alexaradrinischer Dichter aus der ptolemäischen Zeit redet den Dionysos an: "Erretter Bakchos aus bestandener Noth und Pein." Jesus und Maria sind auch dem Osiris und der Isis der Aegypter, als den Göttern der Todtenwelt, des unterirdischen Reiches, des letzten Gerichtes, zu vergleichen. Die ägyptische Vorstellung von einer Unterwelt, von dem Todtenreiche hatte Moses sich angeeignet, indessen davon in seiner Morallehre oder zu moralischen Triebfedern keinen weitern Gebrauch gemacht. Nach der ägyptisch-orphischen oder pythagoräischen Lehre ist unser Leben hier nur ein Leben der Strafe und der Busse für die in dem frühern Leben begangenen Unthaten (ob scelera suscepta in vita superiore poenarum luendarum causa nati sumus, sagt Cicero) und hat nur den Zweck der Läuterung, um als dann geläutert und gereinigt in den Himmel zurückzukehren und an der Gemeinschaft der Götter wieder Theil zu nehmen, 1) wie auch Plato lehrte, welcher gleichfalls zu Heliopolis in die ägyptischen Mysterien sich hatte einweihen lassen. Drei der schönsten Dialogen des Pfote sind der Unsterblichkeit gewidmet, indem der Phädrus die Präexistenz der Seele, das Gastmahl den Einfluss der Unsterblichkeit auf die Verhältnisse des gegenwärtigen Lebens, der Phädon den Tod als den Vermittler einer seligen Zukunft darstellt. Das gegenwärtige Leben ist nach Plato zugleich nicht nur die Frucht eines frühern, sondern auch der Keim eines spätern Lebens und wie das jetzige Schicksal des Menschen durch sein vorausgegangenes Leben, so ist auch sein künftiges Loos bestimmt durch sein gegenwärtiges Vorhalten. Seinem höhern oder religiösen Bestreben zufolge war der orphisch-pythagoreische Bund eine Erziehungsanstalt zur Unsterblichkeit, zur Seelenreinigung, zum tugendhaften Leben, weshalb auch der oberste Satz der pythagoreischen Erziehungslehre war, sich selbst zu erkennen, d. h. durch Selbsterkenntniss sich von seinen Fehlern und Gebrechen zu reinigen. Ob die religiösen Brüderschaften, welche in Griechenland, wie z. B. die




    1) Röth, a. a. O., II. S. 712.



Deliasten, 1) vorkommen, mit den Mysterien zusammenhängen, ist unermittelt. Durch ein Gottesmahl, die , und die unausprechlichen Opfer, , scheinen bei den Pythagoräern, bei den Oluntiern auf Kreta, und zu Athen diese Brüderschaften gefeiert und besiegelt worden zu sein. , auch (lat. fratria, sodalitas) hiess bei den Griechen ein zu Ehren einer bestimmten Gottheit gestifteter Verein, um gemeinsam dieser Gottheit, besonders dem Bakchos, Opfer darzubringen und andere Festlichkeiten zu feiern; der Name wurde dann auch auf das zu Ehren der Gottheit gehaltene Mahl, den getanzten Reigen und das ganze festliche Gefolge ausgedehnt, wie namentlich das schwärmende Gefolge des Bakchos genannt wurde. hiess das Mitglied eines solchen religiösen Vereines, einer soIchen religiösen Brüderschaft. 2) Diese Brüderschaften sollen von den Griechen über Grossgriechenland, über Unteritalien und Sicilien, nach Wassenaer zu den Römern gedrungen und ihnen die mittelalterlichen geistlichen Brüderschaften nachgebildet sein. L. 4 D. de collegiis et corporibus (47, 22) stellt nach einem solonischen Gesetze die , die (die Mitglieder einer fratria), die u. s. w. den sodalibus gleich, qui ejusdem collegii sunt, quam Graeei vocant, und ertheilt diesen Collegiengliedern das Recht, sich selbst einzurichten, wenn nur ihre Einrichtungen nicht dem öffentlichen Rechte zuwiderlaufen. Die frommen Brüderschaften des Mittelalters werden in englischen Königsurkunden Gilda und Fraternitas genannt, z. B. eine solche von Brüdern und Schwestern des heiligen Georg des Martyrers zu Norwich, eine solche zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit zu Bristol u. s. w. 3) Noch jetzt bestehen zu Rom ähnliche Confraternitäten oder Archiconfraternitäten. In Frankreich hiess eine Stiftung der Art Confrairie, Confraternitas; in der Kirche St. Barthelemy zu Paris waren drei Confrairies, eine der heiligen Katharina, eine des heiligen Sebastian und heiligen Rochus, und eine dritte des heiligen




    1) Welker, Götterlehre, II. S. 34 oben und S. 636.
    2) Krause, II. 2. S. 365 ff.; Schoemann, II. S. 480 ff.
    3) Krause, II. 2. S. 383 ff.



Sacraments. In der Stadt Orleans war eine Confrairie des heiligen Namens Jesu. Die Mitglieder einer Gilde in England hiessen gewöhnlich Brüder oder Mitbrüder (fratres, confratres). Durch die griechischen Opfermahle () sollte die religiöse Gemeinschaft der Menschen mit Gott vermittelt werden, insofern die Opfernden alle von dem selben Fleisch, von welchem die Erstlinge der Gottheit verbrannten, und von demselben Weine tranken, wovon man den Unsterblichen libirte. 1) Dass die christliche Communion mit diesen Opfermahlen in Zusammenhang stehe, bedarf kaum bemerkt zu werden. Durch das gemeinschaftliche Essen und Trinken, durch die Communion wurde bei den, Griechen und wird noch heute bei den Christen der Bund der Brüder unter sich und zugleich mit der Gottheit bekräftigt und erneuert. Man sagte daher z. B. im Panionium mitopfern (), anstatt zur ionischen Gemeinschaft oder Brüderschaft gehören. Auch die Hebräer hatten bei ihren Dankopfern solche Familienmahlzeiten. Bei den Opfermahlzeiten an dem Feste des Poseidon auf der Insel Aegina musste Stillschweigen beobachtet werden und die Theilnehmer mussten sich selbst unter einander bedienen, da die Knechte entfernt gehalten wurden. 2)

Dionysos ist wesentlich die zeugende und früchtebringende Natur- und Sonnenkraft, der Gott der Früchte und besonders des begeisternden, aber auch berauschenden Weines; der Gott des Herbstes, der Gott der Ackerbauer und besonders der Weinbauern, weshalb dem Dionisoskultus auch etwas Sinnliches, Geniessendes und Bäurisches, Berauschtes und Ueberschweifendes mehr oder weniger stets anklebte. Wie die Feiernden, so die Feier und die weiblichen Feiernden, die Ernteschnitterinnen und Herbstwinzerinnen mit ihren poetischen oder unpoetischen Freiheiten leben noch heute, während der mythologische Dionysos vor dem christlichen Lichte fast erbleichet ist. Seiner Natur nach berührte sich Dionysos innigst mit der Aphrodite oder Kore, der Frühlingsblumengöttin, und




    1) Rinck, II. S. 20 und 21.
    2) Schoemann, II. S. 455.



mit ihrer Mutter Demeter, der Erntegöttin, so dass diese drei Blumen und Früchte bringenden, zeugenden Naturgottheiten in dem eleusinischen Dienste gleichsam zur dreieinigen Naturgottheit, Blumen- und Früchtegottheit vereint waren. Nach einer ganz andern Seite wird die Sonnen- und Naturkraft, der Jahresgott in Herakles bei den Griechen gefasst und unter, hier wenigstens allgemein zugestandener, orientalischer, beziehungsweise phönicisch-assyrischer Einwirkung, dargestellt. Herakles ist die streitende und ringende, die die Naturübel bekämpfende und besiegende Naturkraft, der Sonnenkämpfer und Sonnenheld, der löwenstarke und löwenmuthige Keulenträger und Führer. Herakles ist der Sonnenlöwe im Gegensatze zum Stiere des Dionysos. Herakles ist somit der Gott der Ringer und Streiter, der Helden oder Heroen, der göttlichen Menschen und menschlichen Götter. Wie die Kore, Demeter und Dionysos, - der Frühling, Sommer und Herbst, - die Gärtner, die Fruchtbauern und Weinbauern eine Dreiheit der Götter und Menschen bilden, so auch Dionysos, Herakles und Apollo (deren weibliche Seiten wieder Demeter, Athene und Artemis sind) als Götter des Nähr-, Wehr- und Lehrstandes, - der Landleute, Krieger oder Helden, Sänger und Weisen, - des Epheu und der Rebe, der Keule und der Lyra. Apollo und sein Kultus ist der höchste und der im schönsten Sinne griechische, sowie zugleich geschichtlich der letzte. Zuerst liessen die Hirten sich nieder und bebauten das Land, anfangs an den Küsten und in den Ebenen, und später an den Hügeln und Bergen, wo der Weinstock gedieh; dann rangen die Land- und Rebenbesitzenden, die Fürsten und Helden mit einander, bis Orpheus und Apollo in die Leyer schlugen und durch ihren Gesang, durch den Geist Thiere, Bauern und selbst die Helden bezwangen. Dionysos, Herakles und Apollo, - der pflügende Stier, der streitende Löwe und der singende Schwan sind die drei griechischen Kasten, wie die Baktrer, Inder, Aegypter, die Kelten und Germanen ihre drei Kasten oder Stände haben. Der Streit des Apollo und des Herakles um den Dreifuss zu Delphi, 1)




    1) Preller, griech. Mythol., II. S. 108.



worüber so verschiedene Aufklärungen und Auslegungen versucht worden, ist ein Symbol des auch in Griechenland wie in Aegypten, Indien, bei den Germanen u. s. w., zwischen dem Krieger- und dem Priesterstande gekämpften Kampfes, ob die rohe Gewalt oder die Einsicht gebieten und herrschen solle; die rohe Gewalt unterliegt und muss den Zwecken der Einsicht dienen, was man mythologisch so ausdrückt, dass Herakles und Apollo zuerst mit einander streiten und dann befreundet werden. Herakles ist der fahrende Ritter des frühesten griechischen Mittelalters, der Gott und Ahnherr der griechischen Helden- und Fürstengesehlechter, besonders der dorischen Herakliden. Als eine feste Staatsordnung eintrat, als durch den Apollocultus und die apollinischen Orakel höhere Bildung und Weisheit Einfluss zu gewinnen begann, mussten die ritterlichen Kriegsfahrten und Faustkämpfe aufhören und nicht Herakles, sondern der schwächliche Eurystheus erhält die Herrschaft über Argos und nach dem Ausspruche des Orakels zu Delphi muss diesem zur Sühne seiner Gewaltthaten, seiner Verbrechen Herakles eine Enneateris, neun Jahre, die mythischen neun Monate dienen. 1) Athena als Göttin auch des Krieges, des Ritterthums ist die schützende Freundin des ritterlichen Herakles, aber die gesetzliche Hera ist seine unversöhnliche Feindin. Die Heraklessage 2) oder vielmehr die Heraklessagen sind deshalb bei den Griechen stets umfassender und ausgedehnter geworden, weil der zum irdischen Ritter und Streiter verkörperte Sonnengott die Gesammtgeschichte der griechischen Sagenhelden in sich aufnehmen, seine Sage zur Sage der Sagen und er selbst zum Helden der Helden, der ritterlichen Herrgeschlechter und Städte werden musste. Die Heraklesmythe ist die Sammlung der verschiedenen Heldensagen der Griechen und selbst des Auslandes, besonders der asiatischen Helden, 3)




    1) Preller, a. a. O., II. S. 105 und 110 S. 126.
    2) Vergl. Böttiger, Kunstmythol., II. S. 389 ff.
    3) Vergl. auch Preller, a.a. O., II. S. 116; Welker, a. a. O., II. S. 749 ff., welcher letztere den Herakles besonders mit dem parsischen Rustem vergleicht, wie namentlich auch Rustem die Streitkeule führe und wie in den rumänischen Liedern die Walachen und in der Ilias Nestor von einem Keulenmann, , reden.



gewissermassen eine Universalheldensage. Welchem Zeitalter des griechischen Volkes und der griechischen Geschichte, beziehungsweise des menschlichen Geschlechtes und der menschlichen Geschichte, der ursprüngliche Herakles angehöre, ist aus seiner Kleidung in eine blosse Löwenhaut und aus der Keule oder auch dem Bogen mit den Pfeilen als seinen Waffen zu erkennen. 1) Diese Kleidung und Bewaffnung behielt Herakles bei den Ackerbau und Weinbau treibenden und Städte bewohnenden griechischen Kriegern und Rittern bei; die jagenden Krieger kämpften gegen die wilden Thiere des Feldes und des Waldes und wurden durch deren Erlegung und Ausrottung die Wohlthäter und Retter des Landes. Auch die (urweltlichen) Riesen der deutschen Mythe und Sagen tragen keine ritterlichen Waffen, sondern ein junger Fichtenstamm und Steine dienen ihnen zur Vertheidigung. 2) Ebenso trägt der indische Bala-Rama oder Bala-Patren nicht allein die Keule, sondern auch die Löwenhaut und Pfeil und Bogen 3) und stellt sich auch in seinen Eigenschaften und Thätigkeiten sonst dem griechischen Herakles gleich, ohne dass man jedoch den Bala-Rama (nach Sonnerat die siebente Incarnation Wischnu's) mit Müller und Andern als das Vorbild des Herakles betrachten dürfte; beide Götterbilder sind nicht nach einander, sondern neben einander aus der allgemeinen Anschauung des Alterthums und der Indogermanen entstanden. Ebenso führt Schrirama oder Parassurama, nach Sonnerat die achte Wischnuincarnation, ein Blitzfeuer- und Sonnenfeuerheld, zufolge Müller ein Theseus-Perseus, die Keule, Pfeil und Bogen. Ferner wird die Stierkeule im Zendavesta und im Schahnameh als Attribut dem Mithra zugetheilt. 4) Die alten Parsenkönige erschienen bei grossen Jahres- oder Reichsfesten auf einem Stier oder einer Kuh, auf dem Haupte die Sonnenkrone.




    1) vergl. auch Preller, II. S. 129.
    2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 186 und 187.
    1) Müller, a. a. O., Taf. I. Fig. 168 vergl. mit Taf. IIII, Fig. 150 und den Bernerkungen dazu S. 599.
    4) Müller, Mithras, S. 65 ff.



Im Jesht-Mithra heisst es: "Er hat die Keule in der Hand, die Goldkeule des Verstandes." - Im Neaisch des Mittags wird gesagt: "Ich erhebe hoch Mithras mächtige Keule," und an einer andern Stelle: "Mit der trefflichen ewigen Keule schlägt der stets wache, ewige Mithra die Diwe (bösen Geister)." Der Zendavesta preist dreimal die Keule als Mithras Waffe; des Dolches, der Lanze und des Pfeilbogens geschieht nur einmal Erwähnung. Nach Diefenbach, Origines Europaeae, S. 117, verflochten die Griechen die von den ligurischen Völkern um Massilia vernommenen Stammsagen in ihre eigenen, vorzüglich in die von Herakles; vergl. Aeschylos (und Posidonios) bei Strab. IV. p. 183 und bei Dion. Hal. I. 41, welcher die Sage auf die Kämpfe der Ligyen gegen die eindringenden Hellenen deutet. Der Schauplatz der Sage ist in der Nähe von Arles zu suchen, auf dem Steinfelde, das noch jetzt den keltischen Namen la Crau (aus crag, lapis, rupes) führt. In den Sagen bei Amm. Marc. XV, 9 tritt an die Stelle des Eponymos Ligys ein Tauriscus, der uns an die Ligyrisker als Synonymen der Taurisker erinnert; ein von dem lat. taurus verschiedener Stamm Taur kommt öfters auf ligurischem, sodann auf illyrischem oder kleinasiatischem Gebiete vor. Mit der Heraklessage verbanden sich auch etymologische Ableitungen ligurischer Völker, worüber z. B. Plinius , H. nat. III. c. 17. 20, zu vergleichen ist. Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 129 ff., sieht den Herakles für den Melkarth der Tyrier und Karthager an und glaubt, dass Herakles, den ursprünglichen Begriff der Sonne festhaltend, mit dem griechischen Hyperion als dem Herumwandelnden gleichbedeutend sei; aus dem ursprünglichen Eigenschaftswort habe der Polytheismus einen eigenen Gott gebildet und denselben dem Zeus untergeordnet. Die Hesperiden pflücken nach Rinck die drei Aepfel als die Symbole der drei Jahreszeiten von dem Baume der Zeit und des Lebens, bringen die Zeit zur Erscheinung und überreichen sie opfernd und huldigend dem Herakles als dem Herrn der Zeit. Auf einem Vasengemälde habe der von der Schlange umwundene Baum nur drei Aepfel und Herakles, den man auf der Kehrseite als Himmelsträger erblicke, werde von einer Hesperide vor dem





Baume bewillkommt. Daher habe Herakles den Beinamen und , in welcher Eigenschaft er auf ägyptischen Münzen, auf einer Grablampe und auf einer alten Himmelskugel als Hercules Ingeniculus einen Zweig mit drei Aepfeln in der Hand habe und in Böotien durch ein Opfer von Aepfeln geehrt worden sei. Auch der dunkle Ausdruck: Zeus , welchen man am Eingang einer Felsengrotte auf einem Berggipfel auf Naxos geschrieben gefunden, sei daher zu erklären. Auf einer Vase von Pästum und einer ändern verwandten sei der Begriff der Jahreszeiten auf vier Hesperiden vertheilt und also eine Erweiterung des Fabelkreises ersichtlich; auf beiden Vasen werde die Lebenschlange aus einer Patera, auf der ersten durch die Okeanine Kalypso, auf der andern durch die Hesperide als Frühling gefüttert, da das Leben neue Nahrung gewinne, weshalb auch neben ihr eine Pflanze aufschiesset; auf der ersten Vase ist die Frühlingshesperide durch Bänder in den Haaren ausgezeichnet, und durch einen Spiegel in der Linken als Sinnbild der sich verjüngenden Schöpfung. Frucht hat sie noch keine in der Hand. Beigeschrieben ist der Name , welcher an die sicilische , Gattin des Helios und Mutter der zwei Hüterinnen der Sonnenheerden in Sicilien, erinnere. Ueber ihr ist der Kopf der Athene, Vorsteherin dieser Jahreszeit, mit dem Diadem und dem Namen . Der Sommer pflücket auf beiden Vasen Aepfel von dem Baume; das Gewand dieser Hesperide ist auf der zweiten Vase offen, ihr Haar fliegend und sie allein unbeschuhet. Neben ihr steht auf der ersten Vase der Schwan und ihr Name , von dem Vorsteher ihrer Jahreszeit, Hermes genommen, dessen bekränztes Haupt mit dem Schlangenstab über ihr abgebildet ist. In der Mitte der Neäsa und Hermesa steht auf der ersten Vase Herakles als jugendlicher Gott mit Diadem, Keule, Köcher und Bogen und der Löwenhaut, in der Hand einen Apfel und mit dem rechten Fuss auf der Weltkugel. Auf der andern Seite des Bechers stehen die beiden andern Hesperiden. Der Herbst wird auf der zweiten Vase durch viele Aepfel, die er in sein Gewand sammelt, auf der ersten durch die mystische Binde in der Rechten zur Erinnerung an die My-





sierien in dieser Jahreszeit, durch einen Apfel in der Linken, durch den Namen und durch den verhüllten Kopf der Here, genannt, ausgezeichnet. Der Winter endlich ist auf beiden Denkmalen verschleiert, um die düstere Herrschaft des Nachtreiches zu bezeichnen. Auf dem zweiten Denkmale bewahrt diese Hesperide die Aepfel in einem Mysterienkästehen auf, um anzudeuten, dass die Natur im Winter in sich verschlossen den Samen sammle, gleichsam in einem Kasten niederlege und zum nächsten Jahressegen verwabre. Es gab aber Mysterien des Herakles (wobei die Männer in Frauentracht erschienen, wie bei der Festfeier des Hermes und der Aphrodite) und die Hesperidenäpfel werden unter den geheimen Zeichen in den Mysterienkästchen genannt. Auf der ersten Vase ist diese Hesperide mit Namen die hagerste, im Zustande der Schwachheit auf die vorige Schwester gestützt, ohne Apfel und allein ohne Halsschmuck: ihre herabfallende Locke erinnert an Harpocrates. Ueber ihr ist Pan mit Bockshörnern, das Sternbild des Steinbocks bezeichnend. - Der mit der Schlange umwundene Baum kommt häufig auf italienischen Grabesdenkmalen als Sinnbild des wechselvollen Lebens vor mit Hinweisung auf die Fortdauer der allgemeinen Lebenskraft. Uns berühren in der Heraklessage bloss ihre Verwandtschaften und Uebereinstimmungen mit der Hirammythe.

Gleich Hiram wird auch Herakles ternario oder in drei Nächten, d. h. in den drei Wintermonaten erzeugt 1) (und geboren), weshalb er den Beinamen des 2) des in der Dreinacht erzeugten Löwen erhält. Diese Dreinacht und der Zeitraum von neun Jahren, welchen Herakles dem Eurystheus dienet, beurkunden den




    1) Preller, a. a. O., II , S. 121.
    2) Ueber die verschiedenen Beinamen des Herakles vergl. Vogel in der Encykl. von Ersch und Gruber, II. Bd. VI. S. 41. Auch verdient Beachtung Buttmann, über den Mythos des Herakles im Mythologus, I (Berlin 1828) S. 246 ff. Buttmann erblickt in Herakles das poetische Ideal menschlicher Vollkommenheit im Sinne des heroischen Zeitalters, geweiht dem Dienste und Heile der Mensehen. Herakles ist der vom Weibe, von einer Sterblichen geborene Sohn des höchsten Gottes, ein Gottmensch, ein Heiland (Alexikakos).



zwölfmonatlichen Jahresgott, den Sohn des Zeus, den Zeus selbst und stehen gleich den drei bösen und neun treuen Gesellen des Hiram, den drei Todesmonaten und neun Lebensmonaten des Sonnengottes. Der dreimonatliche Winterschlaf, Todesschlaf ist die Zeugung und Wiedererzeugung des Natur- und Sonnengottes. - Herakles ist, noch genauer und im engsten Sinne betrachtet, die Sonnenkraft im Sternbilde des Löwen, der Sonnenlöwe, - die stärkste und höchste Kraft, welche zur Zeit der ersten Einführung des Thierkreises die Sonne im Sternbilde des Löwen erreichte. 1) So ist auch der Löwenmonat, Shinamasa von Sinha, Löwe, in Indien die heisseste Sommerzeit, die letzte Julihälfte und erste Augusthälfte. 2) Der Löwe ist daher das uralte chaldäisch-ägyptische, zu Sardes, wie in Assyrien und im Dienste des Melkart vorkommende, - nach Welker, griechische Götterlehre II. S. 621 erst später aus Lydien in Griechenland eingeführte Symbol der zeugenden Natur- und Sonnenkraft der zeugenden Natur- und Sonnengötter und Göttinnen des höchsten und stärksten schaffenden Lichtes des starken Gottes und Schöpfers. Als der starke junge Sonnengott erwürgt Herakles gleich nach seiner Geburt die ihn bedrohenden Drachen oder Schlangen, wie der neugeborene Apollo den Drachen Python erlegt, d. h. das siegreiche Sonnenlicht zerstreuet oder erschlägt auch mit dem Blitze die schwarzen Gewitterwolken, und trocknet zugleich die Sümpfe aus, worin auf der Erde (der Mutter Hera) die Schlangen und Drachen hausen, 4) weshalb Herakles und Apollo 5) auch gleichmässig den




    1) Creuzer, Symbolik, I. S. 323 Anm. 67, S. 345 Anm. 68 und S. 502 Anm. 284.
    2) Müller, Mithras, S. 122.
    3) Preller, griech. Mythol., II. S. 121 Anm. ++, vergl. mit I. S. 155 unten.
    4) Schoemann, II. S. 278.
    5) Unter den reichen Geschenken des Krösos an das apollinische Orakel zu Delphi befand sich oben darauf ein zehn Talente schwerer goldener Löwe (Welker, griech. Götterlehre, II. S. 12 Anm. 9). Rinck, a. a. O., I. S. 175 und 176, will gewiss unpassend die von Apollo erlegte Schlange Python auf die schlangenanbetenden Ureinwohner von Pytho deuten, welche von den Anhängern des neuen Gottes theils verjagt, theils getödtet worden seien.



Bogen mit den Pfeilen führen oder die Sonnenstrahlen senden und die Blitze schleudern. Ebenso tödten Apollo und Herakles als die Sonnengluth, als die versengende Sonnenhitze den Sänger Linos, d. i. das Frühlingslied und die Frühlingsblume, 1) und berühren sich hierin mit dem Eber des Mars, der den schönen Adonis, den Liebling der Aphrodite oder Mutter Erde tödtet. Ueberhaupt gehören der Jahresgott Mars, welchem als Gott und Bringer des Frühlings der den Frühling verkündende Specht geheiligt war, 2) mit seinen zwölfgliederigen Priestercollegien, den palatinischen Saliern und den agonalischen oder collinischen Saliern, und mit den zwölf Ancilien, 3) sowie Janus mit seinen zwölf Altären 4) ganz in den hier besprochenen Vorstellungskreis; ferner der römische Consul und Dictator mit den vorausgehenden zwölf und vierundzwanzig Lictoren, die zwölf Tafelgesetze, die zwölf Begleiter des Königs Numa, - die zwölf Geier, denen Romulus das Königthum verdankte und die mit dem Aufgange der Sonne geflogen kamen, - die zwölf Mitglieder der Priestercollegien der Luperci Fabiani und Quintiliani 5) u. s. w. Die Sage von dem böotischen Herakles, dass er seine eigenen Kinder in Geistesverwirrung, in der Raserei getödtet habe, ist ein uns schon bekanntes Bild und soll nur ausdrücken, dass das ablaufende Jahr, die Zeit, seine eigenen Kinder tödte und verschlinge, indem die Gegenwart die Vergangenheit, begräbt, um wieder selbst vergehend die Zukunft zu erzeugen, wie Herakles auch auf einem Scheiterhaufen des Oeta sich selbst verbrennt, um gleich dem Phönix aus seiner Asche verjüngt und als unsterblicher Gott wieder zu erstehen. 6) Auf den Münzen der phönicischen Colo-




    1) Preller, a. a. O., II. S. 122 und I, S. 310.
    2) Ueber den Specht, als Frühlingsvogel und den heiligen Vogel des Mars, vergl. Ausland für 1860, S. 166 ff. Auch die finnischen Wotjäken verehrten den baumhackenden Specht, das Symbol des Donnergottes Tharapita oder dieser selbst, damit er ihren Wäldern nicht schade, wie aus Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythol., IV. 1. S. 198 zu ersehen ist.
    3) Preller, röm. Mythol., S. 314 ff.
    4) Preller, a. a. O., S. 159.
    5) Preller, a. a. O., S. 343.
    6) Böttiger, kleine Schriften, III. S. 19.



nienstadt Tarsos, wo jährlich ein grosser Scheiterhaufen erbauet und die Selbstverbrennung des Herakles vorgestellt wurde, steigt von dem Scheiterhaufen ein Adler einpor. Der kindertötende rasende Herakles, - der sich selbst verbrennende Herakles auf dem Oeta, zu Tyrus, Tarsos und Sardes, 1) - die Selbstentmannung des Attes-Sabacius oder Korybas in Phrygien und des Kabiren Esmun in Phönicien, das Tödten des Osiris durch die 72 Gesellen des Typhon und des Dionysos durch die Titanen, sowie des Hiram durch die drei ungetreuen Gesellen u. s. w. sind blos verschiedene Wendungen, verschiedene Ausdrücke der gleichen Sache, desselben Jahresereignisses, des Sterbens und Vergehens der alten Natur und des alten Jahres. Das mit dem Samen und dem Blute des von ihm mit den Sonnenpfeilen getödteten Kentauren Nessos (der durch die Sonnenkraft zerstreuten dunkelen Wolke) getränkte Gewand, welches den Herakles zu verzweifelnder Wuth bringt und ihm den Tod bereitet, sind die herbstlichen Dünste und Nebel, die endlich die Sonne nicht mehr zu überwinden vermag und die den heitern Himmel in ein düsteres Gewand hüllen. Da im Grunde auch diese herbstlichen Dünste und Nebel durch die Sonne selbst hervorgelockt und erzeugt werden, ist es die eigene Gattin Deïaneira , welche dem Herakles das vergiftete und tödtliche Gewand darreicht. Schon im Frühling oder Sommer wollte die Wolke, der Kentauer Nessos die Sonne verdunkeln, der Deïaneira Gewalt anthun, 2) gleich wie Ixion der Hera und Orion der Artemis: alle in damals war die Sonne noch stark und siegreich und Herakles tödtet daher mit seinem Pfeile, mit seinen Strahlen am ätolischen Flusse Euenos, am Wolkenhimmel den FrevIer Nessos. Nessos ist seinem Namen nach vermuthlich nur der Wolkenfluss, das Wolkennass und knüpfet sich an sanskr. nada m. und nadî f. Fluss (vom rauschen, nad), oder an holl. nat (das Nass, allerhand Flüssigkeiten, z. B. Brühe), nat = ahd. naz (madidus, humidus), goth. natjan (irrigare) und ahd. nazjan,




    1) Preller, griech. Mythol., II. S. 112.
    2) Vergl. Schwartz. a. a. O., S. 82 und 83.



nässen, netzen. 1) - Nessos berühren sich auch Nestor, Neleus, die Athene Nedousia und der Fluss Nedon in Messenien, Nereus und seine 50 Töchter, die Nereiden mit der Aphrodite als Herrin und Chorführerin an der Spitze (, Aeschyl.), sowie an dere ähnlich benannte Flüsse und Wolkengottheiten. An die 50 Nereiden mahnen die Centimanen Kottus, Briareus und Gyges, die wachenden Diener des Zeus, mit je 50 Köpfen auf dem Haupte und 100 Armen. 2) Ferner gehört hierher die Sage, dass Herakles in einer Nacht (einem Jahre) die 50 Töchter des Thestius befruchtet habe; einer andern Erzählung zufolge befruchtete er 49 derselben und machte die widerstrebende 50ste zu seiner Priesterin. 3) Endymion, König von Elis, sollte mit Selene 50 Töchter erzeugt haben. Hesiod (Theog. 312) gibt dem Kerberos 50 und Horaz (Od. II. 13, 34) 100 Köpfe. Die zwölf Arbeiten, welche der argivische Herakles im Dienste des Eurystheus verrichtet und die am Zeustempel zu Olympia dargestellt, sind keine zufällige, durch Pisander aufgekommene Zahl, wie Preller (a. a. O., II. S. 118 und 129, vergl. mit I. S. 74) zu meinen scheint, sondern beruhen auf der Natur des Herakles als des zwölfmonatlichen Jahresgottes. Diese zwölf Arbeiten des griechischen Herakles waren wohl eine Nachbildung der zwölf Arbeiten des phönicischen MeIkart, die z. B. auf den Thüren des Tempels desselben zu Gades dargestellt waren. Aus dem phönicischen Melkart ist bei den Griechen auch Melikertes-Palaemon geworden und Melikertes ist der junge Frühlingsgott, ähnlich dem römischen Mars, und seine Mutter Ino-Leucothea ist die Frühlingsgöttin; 4 ) das Meer aber, in welches die verfolgte Mutter mit dem Kinde sich rettet, ist das Frühlingsgewitter, das Wolekenmeer des Frühlingshimmels. 5) Deshalb wird auch in der böotischen Sage Ino-Leucothea




    1) Studien zur griechischen Mythologie, S. 313 und 314
    2) Rinck, a. a. O., I. S. 197.     3) Rinck, II. S. 195.
    4) Vergl. Preller, I. S. 377; Furtwängler, die Idee des Todes, S. 189 Anm. 4.
    5) Vergl. auch Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 198.



zur Pflegerin des jungen Bakehoskindes und hat Melikertes den gleichen Klage- und Freudendienst wie Bakchos oder Dionysos. Auch mit dem phönicischen Glaukos-Poseidon berührt sich Melikertes 1) und ebenso müssen hierher bezogen worden die Mythe von der Danae mit dem Perseuskinde und von der Auge mit ihrem von Herakles geborenen Kinde Telephos, 2) d. i. fernhin leuchtend, indem diese ebenfalls dem Meere übergeben werden; dem Meere aber steht wieder gleich der Wald, der Wolkenwald, wohin z. B. das Kind der Auge und der ihr verwandten deutschen Genoveta geborgen oder geflüchtet und dort von einer Hirschkuh als dem Symbole der Wolke gesäugt und genährt wird. Preller deutet die gehörnte Hirschkuh auf den Mond, d. i. die Mutter Auge, die Strahlende selbst; dann ist aber auch der Sohn Telephos wieder der in die Ferne leuchtende und strahlende Mond. Ebenso gehört hierher Tales oder Kalos, der Verwandte und Schüler des Dädalos, welcher von diesem aus Neid von der Akropolis herabgestürzt wird; der alte auch in den deutschen Sagen wiederkehrende Zug von dem (himmlischen) Schmied oder Baumeister, der seinen Lehrjungen aus Neid (im Blitze) herabstürzt oder erschlägt, dem analog dann auf Kreta (der glänzenden oder weissen - lnsel - von den Kreidefelsen oder der Kreide 3)) erzählt wurde, dass Kres (der Glänzende wie der Karier), der Vater des Talos, der Erzieher und Lehrmeister des Zeus gewesen, aber von diesem in der Hitze getödtet worden sei. 4) Alle diese Sagen sind nur sehr alte Bilder der Gewitterkämpfe, der Wolken- und Himmelserscheinungen, besonders im Frühjahre und Herbste, und ein eben solches, nur in der gegenseitigen Stellung der Personen umgekehrtes, Bild ist auch der von drei Gesellen erschlagene oder herabgestürzte Baumeister Hiram, sowie der vom Himmel herabgeschleu-




    1) Gaedechens, Glaukos der Meergott, Göttingen 1860, Seite 211 ff.
    2) Preller, II. S. 167 ff.; Pott, Studien zur griech. Mythol., S. 331.
    3) Hugo Weber, etym. Untersuchungen, S. 21.
    4) Schwartz, S. 109 Anm.



derte Hephaestos. Auch Dionysos selbst taucht vor dem Lykurgos in das Meer, wo ihn die Thetis aufnimmt, wie den Hephästos. 1) Die Brasier erdichteten, dass Dionysos in einem Kasten mit der Mutter Semele bei ihnen angekommen und hier begraben worden sei. 2) Das Wolkenmeer ist das winterliche Grab, die Bergungsstätte der Natur- und Wolkengötter, woraus sie im Frühlinge wieder erstehen und das wärmende Sonnenlicht und die befruchtenden Gewitter mit den Blitzen, die Blumen und die Früchte wiederbringen. Den goldenen Thron, welchen der erzürnte Hephästos aus der Wohnung der Thetis seiner Mutter Hera zusendet und der sie mit unsichtbaren Fesseln festhält, deutet Welker, II. S. 687, auf die im Winterfroste, wenn die Wärme entfernt ist und gleichsam zürnt, erstarrte Erde; der Frühlingsgott Dionysos, der Frühling bringt endlich den Löser der Bande zurück, indem die Wärme die Eisdecke sprengt und schmelzt; als ein Seitenstüek dieser gefesselten Hera betrachtet Welker die in Zorn und Trauer auf dem Stein des Nichtlachens sitzende und die zurückkehrende Kore erwartende Demeter. Hephästos oder Dädalos ist zugleich das ewige Feuer, welche im Tempel der Demeter und der Kora zu Mantinea brannte, 3) - das ewige und niemals erlöschende Licht. - Steinthal, Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 28 und 163, indem er mit allem Grunde darauf hinweist, dass mit dem Leben Moses Mythen von einem Sonnengotte verknüpft seien, bezeichnet als solche (Wolken-) Mythen namentlich, dass Moses gleich nach der Geburt in einer Kiste auf das Wasser gesetzt werde und das Moses über das Meer seine Hand mit dem Stabe ausstrecke und es spalte, dass die Wasser zu beiden Seiten wie Mauern stehen. Darin dürfte jedoch Steinthal (S. 167) zuweit gehen, dass er selbst den Abraham mit Movers nur für eine rein mythische Persönlichkeit, für El, den alten Stammgott der Semiten, und dessen Enkel Israel für den semitischen Herakles Palaimon ansehen will; das Letztere




    1) Schwartz, S. 121 unten.
    2) Welker, a. a. O., II. S. 584 oben.
    3) Welker, II. S. 689.



kann zugegeben werden, aber Abraham ist eine geschichtliche Person, wie dieses namentlich auch Bunsen annimmt.

Mit den zwölf Arbeiten und Leiden des phönicischen Melkart hängen wohl auch zunächst die zwölf Prüfungen zusammen, welche man auf Mithrasdenkmalen, z. B. auf einem tyrolischen, 1) dargestellt findet, denen sich die in die verschiedenen Grade Einzuweihenden zu unterwerfen hatten und woraus auch die zwölf mittelalterlichen, noch jetzt an dem Fronleichnamsfeste mit zwölf Altären bei den Katholiken vielfach zur Anwendung kommenden zwölf Leidensstationen Christi auf den Calvarienberg hervorgegangen zu sein scheinen. Bei den Katholiken pflegen auf den Bergen zwölf Kapellen mit zwölf Leidensscenen aus der Leidensgeschichte Christi erbauet zu werden, wie z. B. solche zwölf Kapellen auf dem Berge bei Kissingen noch heute stehen; am Fronleichnamstage werden dann bei den zwölf Kapellen unter Laubzweigen und Blumen-, besonders Rosenkränzen zwölf Altäre errichtet und die auf den Berg hinaufziehende feierliche Procession hält bei jedem einzelnen Altare an, um dort zu beten und den Segen zu empfangen. N. Müller, Mithras, S. 11, glaubt, dass die zwölf Bilder, welche mehrere Mithrasdenkmale, auch das bekannte priscellische Herakleum umranden, entweder zwölf Mystengrade oder zwölf Arbeiten des Sonnenhelden vorstellen. Jedenfalls treten die zwölf Leiden und Arbeiten von Herakles, Mithra und Christus in die innigste Berührung mit den zwölf Altären des Janus und der griechischen Götter, mit den zwölf Ancilien oder Schilden des Mars u. s. w. Der älteste bekannte bei den Griechen den zwölf Göttern gesetzte Altar ist der in Athen, welchen nach Thukydides 6, 54 der jüngere Pisistratus, unter Hippias dem Nachfolger des ältern, als Archon in der Agora errichtete und das Volk später durch Anbau erweiterte. Den zwölf Göttern des Solon aber weiht eine Inschrift von Salamis, aus der Nähe des Hafens eine Mauer, und es scheint daher, dass von diesem in Athen jene Satzung




    1) Hormayr, Geschichte von Tyrol, I. S..127; Creuzer, Symbolik, I. S. 764; Müller, Mithras, Fig. 2 vergl. mit S. 10 und 103 ff.



ausgegangen war. In dem heiligen Heine zu Olympia standen sechs angeblich von Herakles errichtete Doppelaltäre, das sogenannte Dodekatheon, von welchen der erste dem Zeus und Poseidon, der zweite der Hera und Athene, der dritte dem Apollo und Hermes, der vierte dem Dionysos und den Charitinnen, der fünfte der Artemis und dem Alpheos, der sechste dem Kronos und der Rhea geweiht waren. 1) - Das Heer Alexanders des Grossen war in zwölf Phalangen eingetheilt und als er auf dem Feldzuge nach Indien wegen des Unmuthes und Widerstandes des Heeres die Umkehr hatte beschliessen müssen, liess er nach Diodor 17, 19 zum Andenken seiner Thaten, gleichsam seiner zwölf herakleischen Arbeiten, zwölf hohe, thurmähnliche Altäre aus Quadersteinen, von jeder der zwölf Phalangen einen errichten. An die zwölf indischen Altäre Alexanders erinnern auch die zwölf Steine, welche Josua (nach Josua, Kap. 4) zum Andenken des Ueberganges über den Jordan bei der Eroberung des gelobten Landes im Jordan soll haben errichten lassen und die zur Zeit der Abfassung des Buches Josua noch gestanden haben sollen. Ebenso riehtete Josua zwölf Steine zu Gilgal auf. - Auf das berühmte mantuanische Gefäss oder auf die im herzoglichen Museum zu Braunschweig aufbewahrte grosse Onyxvase sind zwölf Figuren als Cameo erhaben geschnitten, welche sich auf die Feier der Eleusinien beziehen. 2) - Auch der japanische Sonnengott hat die Natur und die Ungeheuer zu bekämpfen, welche Kämpfe in der Umgebung des Tempels des Sonnengottes in zwölf Bildern geschildert sind. Ebenso gehören hierher die zwölf Göttersysteme der Inder (und vielleicht auch der Baktrer), der Aegypter, der Griechen und Römer, der Germanen, der Amerikaner u. s. w.; die indischen zwölf Sonnengötter, möglicher Weise auch die Amchaspands und Daëvas der Baktrer, 3) die zwölf Götter zweiter Ordnung bei den Aegyptern, die zwölf




    1) Vergl. über die griechischen zwölf Götter Welker, griech. Götterlehre, II. S. 163 ff.; Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 41 und 42, 181.
    2) Böttiger, kleine Schriften, II. S. 306.
    3) Kruger, Geschichte der Assyrier iind Iranier, S. 414.



Titanen und die zwölf olympischen (sechs männliche und sechs weibliche) Götter bei den Griechen, die Consentes Dii oder Complices, d. i. die zwölf obersten Gottheiten der Etrurier und Römer, welche nach Varro und Suetonius den Rath Jupiters bildeten, 1) - das zwölf Fuss hohe Standbild, welches zu Sparta vor dem Ausbruche des zweiten messenischen Krieges dem Zeus geweiht wurde, 2) - die 12 Altäre zu Pompeji, die 12 Asen und Asinnen der Germanen u. s. w. sind alle nur der eine und in 12 Monats- oder Zodiakalgötter, in zwölf Eigenschaften oder Thätigkeiten und Arbeiten auseinander gegangene und zerlegte Sonnen- und Jahresgott. Die verschiedenen Dodekalogieen und Trilogieen der nordischen und der deutschen Mythologie finden sich zusammengestellt bei Simrok, deutsche Mythologie, S. 189 ff. und S. 108. Selbst die Juden scheinen in uralter Zeit und vor ihrem Herabsteigen in die Ebene des Euphrat und Tigris und in das Jordanland zwölf Zodiakal- und Monatsgötter verehrt zu haben, wovon die zwölf Stämme, die zwölf Steine des Brustschildes des Hohepriesters, die zwölf Schaubrode und die zwölf Stiere am ehernen Meer des salomonischen Tempels, die zwölf Arbeiten des Simson u. s. w. noch ein Nachklang waren. Die Schiiten in Persien verehren in zwölf Gebeten zwölf Imane. 3) Der dänische Held Svend Faeling, welchen Grimm als den deutschen Sonnenhelden Siegfried nachgewiesen hat, gewinnt aus dem Wolkentrunke die Stärke von zwölf Männern, 4) was an die grosse Trinklust des Indra, des deutschen Thôrr und an die Ess- und Trinklust des Herakles mahnt, wodurch blos symbolisch angedeutet worden soll, dass diese Gewitter- und Regengötter das Wolkennass in dem reichsten Masse in sich aufnehmen müssen, um ihre göttlichen Thaten vollbringen, um die befruchtenden Gewitter und Regen zur Erde niederströmen lassen zu können. Die Grimhilde, d. i. die verborgene, die verlarvte, die in der Unterwelt




    1) Vergl. Welker, a. a. O., II. S. 177 Anm, 41; Rinck, I. S. 264.
    2) Welker, II. S. 180 unten.
    3) Zeitschrift d. d. m. Gesellschaft, II. S. 74 ff.
    4) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 203.



befindliche Hilde, Hilda, Hulda, Holla, 1) kann in dem gleichen Sinne auch nur von dem Helden Siegfried befreiet und als die leuchtende und strahlende Frühlingsgöttin, als die schöne und liebliche Freyja siegreich zurückgebracht werden. Die zwölf Katzen, welche nach einer Sage in der alten Harzburg hausen (oben I. S. 131), sind nur ein mythischer Nachklang der zwölf Asinnen, welche unter der Freyja oder Frigg standen, und Freyja selbst ist die weibliche Seite des Odhin mit seinen zwölf Asen, die zwölf monatliche Sonnen- und Erdgöttin und wird deshalb als Grimhilde in dem bekannten Gedichte vom grossen Rosengarten in diesem Garten bei Worms von zwölf Helden bewacht. Der Rosengarten ist nur die Unterwelt, in welcher die Freyja abwesend ist und woher sie bald wiederkehren wird. Den zwölf Katzen verwandt sind die zwölf Reiterinnen, welche in der nordischen Helgimythe bei Nacht Helgi erblickt. 2) Zu Metz zündete man früher jedes Jahr auf der Esplanade das Johannisfeuer an, wobei sechs Katzen auf dem Holzstoss verbrannt wurden, ohne Zweifel zu Ehren der vor der Einführung des Christenthums hier verehrten Freyja, indem ihr die Katzen geheiligt waren, 3) wie in Aegypten der Bubastis, einer besondern Gestalt der Isis. Schon durch die Katze, wie auch zwei Katzen ihren Wagen ziehen, 4) stellt stelt die Freyja als die Göttin des Hauses und der Hausfrauen dar, weshalb wer die Katzen liebt, auch Glück in der Liebe und bei den Weibern haben soll. In baierischen Sagen tanzen zwölf Katzen Ringa Reiha. Nach einer Sage bei Perz, monumenta VI. S. 761, soll der Welfenherzog Eticho mit zwölf Mannen in den Berg, in den Wolkenberg, in die Unterwelt gegangen sein und Hocker, Stammsagen, S. 48, glaubt annehmen zu dürfen, dass sich der Name der zwölf Welfen, Wölfe, Hunde von ihrer Beziehung zur




    1) Hocker, Stammsagen, S. 62.
    2) Menzel, Odin, S. 287.
    3) Hocker, Stammsagen, S. 46; Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 244; Rochholz, Schweizersagen, II. S. 288 Anm.
    4) Mannhardt, die Götterwelt, I. S. 309.



Unterwelt ableite. Die Katzen der Freyja, Frouwa, HoIda, stehen gleich den Wölfen und Hunden Odhins und gehen selbst in diese über. In der Saga Harald des Schönhaarigen geht König Herlaug mit zwölf Mannen in den Hügel, weil er sich der Alleinherrschaft Haralds nicht unterwerfen will. 1) In den Berg oder in den Hügel gehen, heisst im Norden sterben, ähnlich wie das Gehen in den Rosengarten. In der Tiroler Sage hat König Oswald zwölf Goldschmiede bei sich, welche den Zauberhirsch, auch ein unterweltliches Thier, mit Gold belegen, und zum Wirthe von Glurns kommen am Martiniabend zwölf Reiter, welche Bocksfüsse haben und deren Rosse sich in Böcke verwandeln. Zwölf schwarze Männer kommen zu dem ruchlosen Wirth von Altenmarkt gefahren und im Untersberge sitzt der Zwergkönig, umgeben von zwölf bewaffneten Zwergen. Zwölf Spieler finden sich im Ochsenkopf, zwölf Geistermäher auf der Geissenwiese bei Waldthurm, zwölf Geister auf der Flossenburg, zwölf geisternde Brautpaare in österreichischen Sagen u. s. f.

Ein armer Schuster findet im Zauberhause im Walde 12 Herren, welche über die Vorgänge in der Welt berathschlagen und Vorwitzige bestrafen. 2) 12 Stühle werden beim Coronagebet, um in Geldnoth Hülfe zu erlangen, um den frischgedechten Tisch gestellt. 3) Nach uraltem Gebrauche müssen die 36 Hofbesitzer in der Jachenau in Baiern jährlich wechselweise zu Ostern einen Widder zum Besten geben, welcher mit einem Kranze von Buchs geziert und an den Hörnern vergoldet wird. 4) Das Schiff der deutschen Erd- und Wolkengöttin Nehalennia, (- Nerthus, Holda) wurde in den Niederlanden im J. 1133 durch die Weber 12 Tage lang im Lande herumgezogen. 5) Die 12 Hauptbalken im Upsalatompel deutete man gleichfalls auf die 12 Äsen. 6) Die Burgfrau von Milow (Freyja) mit ihren 11 Töchtern erscheint in der Sage als eine Sau




    1) Simrok, Mythologie, S. 366.
    2) Zingerle, Tirol. Märchen, Nro. 13.
    3) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 14
    4) Quitzmann, a. a. O., S. 246.
    5) Rochholz, Schweizersagen, I. S. 52 oben.
    6) Rochholz, a. a. O., I. 74 Anm.



mit 11 Perkeln; 1) in einer Sage bei Rochholz (Nr. 85) ein Mutterschwein, die Moor Moritz, mit ihren 10 Ferkeln; das Mutterschwein und die Ferkel sind schwarz und weiss von Farbe. 2) Mit dem Namen nâwerschop, gew. naâverschaft, ags. neawest, wird in Einbeck ein eigenthümliches Volksfest bezeichnet, welches im J. 1838 zuletzt gefeiert wurde; zu dem Ende war die Stadt in 12 Nachbarschaften eingeteilt und in jeder dauerten die Festlichkeiten drei Tage; dabei wurde folgender Vers gesprochen:

"Dat is mãl wat! Wër Einbeek noch nicht kennt, -
Dâ hebbet se en fest, Dat nâwerschaft sek nennt.
Dâ gelt nich vedder un frû wâse;
Wër dâ nich nâver segt, Mot in de büssen blâsen." 3)

Eine Recension des Rosengartenliedes legt dem Siegfried 12 Schwerter bei, wovon eines Balmunc genannt wird, welche Recension Grimm als richtig bezweifelt, Wackernagel dagegen zulässt. 4) - Auf der Universität zu Altorf studiriten auf Kosten der Stadt Nürnberg 12 arme Studenten, die bei dem Universitätsgottesdienste singen mussten. 5) - An der Weihnacht oder am Altjahrsabend (Sylvester) legt man in 12 Zwiebelschälchen Salz und sieht daraus, welche Monate feucht oder tröcken sein werden. 6) Das alte Stadtgericht zu Prag, das Gericht der vier Bänke, sass auf vier Bänken und wurde von dem Richter mit 12 Schöffen gebildet. 7)

Die symbolische Bedeutung des Löwen 8) ist eine




    1) Kuhn, märkische Sagen, Nro. 58.
    2) Vergl. auch Jahn, der Kanton Bern, S. 328. Anm. **, woselbst die dem Grindelwaldthale gehende Sage von der Muttersau Rochelmore als aus dem keltischen Religionsglauben entsprungen vermuthet wird.
    3) Schambach, Wörterbuch der niederdeutschen Mundart, S. 143.
    4) Haupt's Zeitschrift für deutsches Alterthum, II. S. 540.
    5) Weimarisches Jahrbuch, VI. S. 331.
    6) Runge, derBerchtoldstag in der Schweiz, Zürich 1857, S.11.
    7)Rössler, das altprager Stadtrecht aus dem XIV. Jahrhundert, Prag 1845, S. LV.
    8) Vergl. auch Böttiger, kleine Schriften, II. S. 40 ff.: "Die ägyptischen Löwen." Böttiger unterscheidet vier Arten der mythologischen oder symbolischen Löwen: 1) den dienenden Löwen,



doppelte und ganz entgegengesetzte, eine göttliche und wohlthätige und eine dämonische und verderbliche, welche beide Bedeutungen genau und scharf getrennt werden müssen und in der Heraklessage in Griechenland unter dem doppelten Einflusse der Phönicier und Aegypter einerseits und der Assyrier und Babylonier, wie der Kleinasiaten andererseits sich offenbar allmählig vermengt oder zu einem Mythenganzen gestaltet haben. In Aegypten war der Löwe blos ein göttliches Symbol, das Symbol des Sonnenlöwen, des Himmelskönigs und der Himmelskönigin, des Osiris-Ra und der Isis, der höchsten göttlichen Macht und Kraft, des stärksten und überwindenden Sonnenlichtes. Die in Aegypten noch heute sich zahlreich vorfindenden Löwensphinxe, welche häufig die Zugänge zu den Tempeln bewachten, sind Symbole des Sonnengottes Ra, des Osiris als Ra, und deshalb wurden nach Aelian XII, 7 in den Propyläen des Sonnengottes zu Heliopolis sogar lebendige Löwen gehalten, denen man prophetische Gaben zuschrieb 1) und die nichts Anderes als die heiligen Thiere des Sonnengottes waren, wie sonst besonders der Stier dem Osiris und die Kuh der Isis, - dem Erzeuger, dem Vater und der Gebärerin, der Mutter Erde gewidmet wurden. Als Himmelskönigin, als Göttin der Unterwelt wurde die Isis auch zuweilen selbst löwenköpfig 2) gleich der Urgöttin Pascht, der grossen Herrin des Feuers zu Senem, dargestellt. Die Löwen auf der linken Wand des libyschen Ammontempels zu Umebeda bezieht Rink, a. a. O., I. S. 180, auf die gute Göttin Rhea, welche dort neben ihrem Gemahle Kronos erscheinen soll. Die Isis als Unterweltsgöttin hatte siegreich den Tod überwunden und die Pascht als das Urfeuer die Urfinsterniss. In diesem




d. i. den zum Tempeldienst geheiligten, auf allen vier Tatzen liegenden altägyptischen, in der Sphinxhieroglyphe fortgebildet; 2) den bewachenden Löwen, mit aufstehenden Vorderfüssen, griechisch (so schon am Cyclopenthore von Mycenae, die ägyptische Hieroglyphe hellenisirt); 3) den fortschreitenden Löwen, vorzüglich im Dienste der carthagischen Urania, dessen schönstes Vorbild der Barberinische ist; 4) den kämpfenden in der bekannten Gruppe auf dem Capitol und in mehreren Bruchstücken.
    1) Uhlemann, ägypt. Alterthumsk., II. S. 169.
    2) Uhlemann, a. a. O., unten.



gleichen überwindenden Sinne trug daher bei den Aegyptern auch die Todtenbahre, wie zahlreiche Mumiengemälde, namentlich auch die Gemälde auf dem Mumiensargdeckel im Antikenkabinet zu Wien 1) bezeugen, gewöhnlich die Gestalt eines Löwen, um symbolisch anzudeuten, dass der Verstorbene zur Wiedervereinigung mit Osiris hinübergegangen, gleichsam selbst ein Sonnenlöwe geworden und in das hellste Licht eingezogen sei. Dass die Tempelschlüssel in Aegypten Löwenköpfe trugen, wenn die Sonne in ihrem Hause, in dem Sternbilde des Löwen stand, kann wohl blos die Bedeutung gehabt haben, dass man nur durch Verehrung der Götter, durch ein gottgefälliges Leben, durch die königliche Kunst (ars boni et aequi) in das Himmelreich, in die Wohnung Gottes einzugehen vormöge, - dass man im Tempel Gottes auf Erden sich den Tempel Gottes im Himmel öffnen müsse. Die Tempelschlüssel mit den Löwenköpfen, woran sich die noch später weiter zu berührenden und am besten von Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 247 ff., unter Mittheilung zahlreicher Abbildungen besprochenen, symbolischen Schlüssel auch des römischen Janus und des christlichen Petrus anschliessen, in ihrer letzten und höchsten Bedeutung sind ein Attribut des Löwengottes, des Osiris selbst als des Beherrschers des Todtenreiches, als des Eröffners und Schliessers der Wohnung der Todten und der Seligen. So wird gleich dem Aïdes 2) auch die griechische Hekate dargestellt als Göttin der Unterwelt mit einem oder mit mehreren Schlüsseln 3) und ganz dieselbe Bedeutung neben der eigentlichen Blitzbedeutung 4) hat ursprünglich der Gebund Schlüssel, der goldene Schlüssel, welchen in den deutschen Mythen und Sagen so oft die weissen Frauen tragen und die die Volkssage auf die von den weissen Frauen bewachten und bewahrten Schätze später bezog. 5)




    1) Apostelgesch. des Geistes, I. S. 114.
    2) Preller, griech. Mythol., I. S. 361.
    3) Gaedechens, Glaukos, S. 92.
    4) Bei Aeschylos Eumen. 817 ff. sagt Athene: "Ich allein unter den Göttern kenne die Schlüssel zu den Wohnungen, worin der Blitzstrahl versiegelt ist," d. h. sie allein hat den Schlüssel, welcher der Blitz selbst ist.
    5) Hocker, Stammsagen, S. 11, 12, 13, 17 und 19.



Wenn im Frühjahre die weisse Frau die Unterwelt, den Wolkenberg mit ihrem Blitze öffnet, strömen in den Regen auch ihre Schätze zu der Erde nieder, was z. B. eine Sage bei Baader, Volkssagen 71, 80 dahin wendet, dass der Brunnen zu Vörenbach entsprungen sei, als eine heilige Märtyrerjungfrau sieben goldene Schlüssel zur Erde geworfen. Auch die ägyptischen Götter und besonders die Isis mit dem Schlüssel, dem gehenkelten Kreuze, crux ansata in den Händen, sind solche Schlüssel- und Blitzgottheiten, welche gleichmässig den Nil und das Leben strömen lassen, aber auch das Licht und das Todtenreich verschliessen. Viele Statuen der ägyptischen Schlüsseljungfrau aus sog. ägyptischem Basalt mit dem Horus auf dem Schoosse wurden nach Einführung des Christenthums im römischen Reiche in Marienbilder, Vierges noires umgewandelt. 1) Mit der Vorstellung des eröffnenden Blitzes hängt auch noch zusammen der Volksglaube, dass der Donnerkeil mit dem einschlagenden Blitze tief in die Erde hineinfahre, aber dann wieder zur Oberfläche aufsteige, bis er dieselbe nach sieben Jahren (den sieben Wintermonaten) erreiche, d. h. der Blitz, der Donnergott, Thôrr, Odhin und Apollo schlafen sieben Monate, sind sieben Monate abwesend und der blitzenden Kraft beraubt, dann kehren sie zurück. Sehr ansprechend sind auch die Sagen, welche Rochholz, Schweizersagen unter Nro. 167 von der Schlüsseljungfrau (Holda oder Berchta) von Tegerfelden gesammelt hat und in denen neben dem schätzebergenden grossen Goldschlüssel und dem Schlüsselbunde, so wie neben dem Strausse von Weidenröschen, die bis in die Stiele hinein wie mit einem rothen Hauche überzogen waren, auch ein Paar neue Schuhe erscheinen, mit deren Durchlaufung die Jungfrau zu wandern aufhören wird. Auffallend und vermuthlich keltischen Ursprungs sind in diesen Sagen der Rosenstock mit 19 blühenden weissen Rosen und das Brandmal von 19 grossen Hausschlüsseln; auch umreitet die Jungfrau auf einem schneeweissen Edelhirsche 19 Mal auf allen Trümmern im Kreise das Schloss. Diese symbolische Neunzehnzahl erscheint im keltischen




    1) Böttiger, kleine Schriften, III. S. 271, Anm. *.



Helvetien sehr oft, z. B, auf einem in der Gegend von Thun aufgefundenen Ringe und auf zwei glatten, radförmig durchbrochenen Scheibchen mit 16 Speichen, deren je zwei immer näher beisammen stehen. 1) In einer belgischen Sage begleitet ein Löwe den König Ottavian, den er erzogen hat, 19 Jahre lang als sein treuer Beschützer. 2) Die Stadt Metz theilte sich im Mittelalter in 19 Parochieen, welche später zugleich politische Bedeutung erhielten, 3) Jene Jungfrau von Tegerfelden mit den Gänsefüssen, die sich mit dem Goldkamme das Lockenhaar scheitelt und es mit Erlenhonig bestreicht, betrachtet sich auch im Spiegel 4) des mondhellen Wassers, wie weit die Haare




    1) Jahn, der Kanton Bern, S. 249 und 258.
    2) Eckermann, a. a. O, III. 2. S. 266.
    3) Heusler, Verfassungsgesch. der Stadt Basel, S. 467.
    4) Diesen Spiegel hält ein indisches Brahmbild (bei Müller, a. a. O., Tafel I. Fig. 157 b) als den Spiegel unbefleckter Klarheit in der Mitte eines Siegesbogens in der Rechten. Auf einem indischen Symbolbilde der Menschenschöpfung erscheint diese Schöpfung als das Bild der darin sich spiegelnden Brahmasonne mit dem heiligen Dreiecke in der Mitte (Müller, Taf. IV. Fig. 31): dem goldenen Brahmspiegel gegenüber reicht eine Brahmahand eine in einen männlichen und weiblichen Theil gespaltene Erbse, als Symbol des Mannes und des Weibes, einer aus den Wolken hinaufreichenden Brahmahand herab. Die beiden Hände tragen, gewiss nicht ohne symbolische Bedeutung, unten am Arme ein Armband mit einer Perlenschnur darauf. Die zwei die Menschenschöpfung umfassenden Hände sind wohl als die schaffende Hand des Himmels und der Erde in der letzten Bedeutung aufzufassen, welche sich zur Schöpfung und in dem Wesen des Menschen vereinigen, da der Mensch mit dem Geiste dem Himmel und mit dem Körper der Erde angehört. Auf einem Brahm-Schekirbilde, d. i. einem Bilde der aus Brahm und Maja, aus Himmel und Erde, Geist und Materie, Unvergänglichkeit und Vergänglichkeit gemischten Welt, verschlingen sich zu beiden Seiten des kreisförmigen Bildes in dem sternenerfüllten Weltraume je die Hand des Brahm mit der Hand der Maja (Müller, Taf. IV. Fig. 33) und verkünden so die eigentliche Bedeutung des uralten Symbols der zwei verschlungenen Hände. Ueber dem Bilde leuchten die Sonne und der Mond, auch gleichsam zwei verschlungene Hände, das Symbol des Feuers und des Wassers. In der Mitte des Bildes steht der mythische Weltberg Meru, in dessen Gipfel die männlicher Feuerflammen emporschlagen und aus dem weiter unten die weiblichen Urgewässer in drei Strömen sich herabgiessen. Am Fusse des Berges stehen zwei blühende Lotos, welche von selbst an die



den Rücken hinabwallen. Tief bedeutungsvoll ist dabei auch die Schicksalserle, welche zur Wiege eines Kindes umgehauen werden muss, damit die Jungfrau erlöset werde. Der Spiegel kommt auch vor in der Sage vom Sennenzwerge zu Muri, 1) indem der Sennendienste verrichtende Zwerg nicht mehr Senn sein will, nachdem er in einem ihm hingelegten neuen Sennenkleide sich in einem dazu gestellten Spiegelein betrachtet hat. Der Stolz und die Eitelkeit entfremdet ihn der gewohnten Arbeit, ist der Sinn dieses Zuges der Sage. - In dem alten Petinesea arn Bieler See im Kanton Bern fand man auch einen 4'' 6''' langen eisernen Schlüssel mit sechskantigem bronzenen Griffe, der sich in einen Löwenkopf




beiden salomonischen Säulen mahnen, sowie an die beiden Dioskuren vor den Thüren oder auch bei der Mündung des Hafens in Griechenland (Welker, griech. Götterl., II. S. 430). Das ganze Bild in der letztern Rücksicht betrachtet Müller, S. 600, als das Symbol der Trimurti in elementarischer Offenbarung. Endlich trägt auch Wischnu auf Trimurtibildern in einer seiner vier Händen einen Spiegel, z. B. bei Müller, Taf. IV. Fig. 41. Die Spiegel, welche z. B. auch in den griechischen Felsgräbern gefunden werden, sind von Bronce oder waren blankpolirte Metallspiegel (vergl. z. B. Guhl und Kohner, a. a. O., S. 91 oben und S. 199). Ebenso erscheint der Spiegel auf der Darstellung einer Amphora (Guhl und Koner, S. 155). Dionysos hatte sein Bild in einem Spiegel gesehen, es verfolgt und sich so in dem Weltall zerstreut; des Schöpfers Bild ist somit in unendlicher Strahlenbrechung in der Schöpfung abgespiegelt. Dieses ist der Weltspiegel (Rinck, Religion der Hellenen, Zürich 1855, II. S. 373, vergl. mit I. S. 237) und die Welt wurde wie ein Bild des sich spiegelnden Gottes aufgefasst, wie auch die einzelne Seele sich in ihrem Körper als in ihrer Welt spiegelte. Die schöne Mythe von Eros und Psyche scheint nur eine andere Gestalt der in der Sinnenwelt sich spiegelnden Seele zu sein (vergl. Rinck, I. S. 245). - Auch die Badaga's (Nordleute) auf dem Hochlande der Nilagiris oder blauen Berge, im südwestlichen Vorderindien, welche Verehrer giwa's sind, verehren unter Anderm einen Spiegel heilig, - wie Graul, Reise in Ostindien, I. S. 290, meint, sogar als Götzen oder Fetisch. Nach Müller, Mithras (Wiesbaden 1833), S. 35, sollen auf dem reinindishen Thierkreise die Dekane des Monats September durch den von dem Affenkönig Hanuman gehaltenen grossen Weltspiegel, die der See entsteigende Lotus und durch die nächtliche Spinnerin des Schicksalfadens (Ilithyia, Proserpina, Maja) bezeichnet werden.
    1) Rochholz, Nro. 201.



endigt. 1) Ueber die weitere Bestimmung dieses in dem Löwenmotive jedenfalls symbolischen Schlüssels kann natürlich nicht einmal eine Vermuthung aufgestellt werden, jedoch verdient beigefügt zu werden, dass im J. 1749 auf dem Schlosshügel zu Burgdorf im Kanton Bern ein in Stein gearbeiteter Isiskopf aufgefunden worden ist. 2) Dass im römischen Helvetien neben dem Mithrasdienste 3) und manchen andern von den Römern angenommenen ausländischen Kulten auch derjenige der ägyptischen Isis im Schwange gewesen sei, ist eine unbestreitbare historische Thatsache. Sogar auf dem grossen St. Bernhard oder Mont Joux in dem Kantone Wallis wurde an der dortigen Römerstrasse eine Isis mit dem Modius bedeckt im etruskischen Style aufgefunden. 4) Runge, der Berchtoldstag in der Schweiz, S. 21 oben, hält es für möglich, dass der am 2. Januar gefeierte Tag der Perchta mit dem Isiseultus in Verbindung stehe, - der Tag der Isis sei.

Verwandt mit der Löwengestalt der Bahre ist die Löwengestalt des Königsthrones zum Symbole, dass der König das höchste Licht und die höchste Macht der Erde sei. So hat in dem Vorgemache einer der Pyramiden am Berge Barkal in Neu-Dongola der Thron des Königs, welche Sculptur vermuthlich ein äthiopisches Werk ist, die Gestalt eines Löwen. 5) Ueberhaupt nahmen die ägyptischen Könige, welche ihre Abstammung auf Osiris, den Sonnen- und Löwengott zurückführten und sich die Söhne der Sonne, des Osiris und seines Sohnes Horus nannten, auch deren Symbole und besonders den Löwen als das Symbol der Stärke, des Muthes und des Sieges an und der Löwe ist das königliche Thier, das königliche Symbol, die königliche Hieroglyphe des Himmels und der Erde, der Himmels- und der Erdengötter. Löwen umlagern oder tragen den Thron des Himmels- wie des Erdenfürsten, z. B. bei dem berühmten Bilde des Zeus




    1) Jahn, a. a. O., S. 47.
    2) Jahn, S. 427, vergl. mit S. 476 Anm.
    3) Jahn, S. 63 und 500, sowie 507.
    4) Mittheilungen der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, Bd. XIII., über die römischen Alpenstrassen, S. 10 und Taf. Il. Fig. 5.
    5) Braun, Gesch. der Kunst, I. S. 118.



von Phidias zu Olympia, beim Apollo zu Patara, am Throne der Dea Phasiana, in deren Heiligthum an der Mündung des Phasis bei den Kolchiern, 1) beim Throne Salomos u. s. w. Wie zu Heliopolis oder in On, der Sonnenstadt, lebendige Löwen als göttliche Thiere erscheinen, wurden ähnlich an den orientalischen Höfen, besonders in Indien, Mesopotamien und Kleinasien Löwen gehalten, wie sogar noch in unsern Tagen Napoleon III. bei seiner Landung aus England in Frankreich bei Boulogne einen lebendigen Adler in einem Kasten auf dem Schiffe mit sich führte als Symbol seines künftigen, aber auch gleich dem Adler sterblichen Glückes. Bei einer feierlichen Audienz an dem Hofe eines arabischen Fürsten zu Bagdad waren einstens 100 Löwen mit ihren Wächtern beim Throne aufgestellt. 2) In Aegypten waren der Löwenkopf und die Löwenfüsse, die Löwengestalt, ein später sehr beliebtes Motiv zu den kirchlichen und häuslichen Geräthen, weshalb blos auf die von Wilkinson gegebenen Abbildungen verwiesen werden darf. Als Motiv zu den Geräthen ist der Löwe auch bei den Assyriern verwandt worden, da man zu Khorsabad bei Niniveh z. B. Trinkgefässe in der Gestalt eines hohlen Löwen aufgefunden hat, wie solche auch in Griechenland und Etrurien vorkommen. 3) Die von Layard zu Nimrud und Khorsabad bei Niniveh gemachten Ausgrabungen ergeben die vollkommene Uebereinstimmung der ägyptischen und assyrischen Löwengeräthe, wenn dieser Ausdruck statthaft ist, besonders der Throne, Armstühle, Fussschemel u. s. w. 4) Es ist dieses in aller und jeder Hinsicht eine höchst wichtige und folgenreiche geschichtliche Thatsache und öffnet einen tiefen Blick in die Geschichte der gegenseitigen Verhältnisse zwischen Babylonien mit Assyrien und zwischen Aegypten. Es darf nämlich mit vieler Gewissheit angenommen werden, dass das Löwenmotiv, d. h. das Sternbild des Löwen und




    1) Ritter, Vorhalle, S. 202, und derselbe, Erdkunde, II. S. 914.
    2) Braun, a. a. O., I. S. 147.
    3) Braun, I. S. 195.
    4) Vergl. Layard's populärer Bericht über die Ausgrabungen zu Niniveh, von Meissner, Leipzig 1852, S. 68 und 113, sowie Fig. 34, 36. 37 und 38.



die Löwengottheiten. Götter und Göttinnen, woraus diese hervorgegangen sind und worauf sie nur anspielen, den Aegyptern von den Babyloniern und den Assyriern, von den Chaldäern in uralter Zeit zugekommen seien und nicht umgekehrt dieselben die letzteren von den ersteren entlehnt haben. Was von dem Löwen gilt, gilt auch von dem Stiere und den Stiergottheiten u. s. w., überhaupt von dem ganzen Thierkreise mit allen seinen Zeichen und Bildern und allem sich Anreihenden, wie schon in der ersten Abhandlung der Thierkreis für chaldäisch und zugleich für uralt erklärt wurde. Man werfe nur einen oberflächlichen Blick auf die Thiersymbolik der ägyptischen Gottheiten und der Tempel- und Hausgeräthschaften in den Abbildungen der Steingebilde bei Wilkinson und auf die bei Niniveh durch Botta und Layard gemachten Ausgrabungen, um zu wissen, woher die Thiersymbolik in Aegypten abzuleiten und wie alt dieselbe dort sei. 1) Wenn der chaldäische Thierkreis nicht schon in sehr alten Zeiten vor Chr. in Aegypten eingeführt und allgemein bekannt war, ist die ganze ägyptische Mythologie mit ihren Thiersymbolen und besonders mit den Widder-, Stier- und Löwengottheiten rein unbegreiflich. Alle diese Gottheiten bezeichnen dieselbe Jahressonne, blos in einem andern Sternbilde und daher auch unter einem andern Thierbilde. Zur Zeit der Einführung des Thierkreises in Babylonien oder Chaldäa, war der Stier das Zeichen des Frühlings, der Frühlingstag- und Nachtgleiche, und der Löwe des höchsten Standes der Sonne, der Sommersonnenwende, wovon gleichmässig für die asiatisehe und ägyptische Mythologie ausgegangen werden muss. 2) Die ägyptische Frühlings- oder Stiergottheit war die Nephthys oder Hathor, Isis, - der Sonnengott, der Löwengott, der Sonnenlöwe Amon-Ra, Osiris und Horus. 3) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 70 und 84 ff., datirt den




    1) Vergl. auch Knötel. Cheops der Pyramidenerbauer, Leipzig 1861, S. 97 ff., obwohl die Hauptansicht von Knötel über die Pyramidenerbauer gewiss falsch ist.
    2) Vergl. auch Lajard, recherches, S. 187, Anm. 2; Uhlemann, a. a. O., II. S. 164 ff.
    3) Uhlemann, II. S. 176 und 177.



ägyptischen Kalender mit dem Jahre von 365 Tagen (und mit den grossen chronologischen Ausgleichungscyclen 1) nach Ideler aus dem Jahre 2782 vor Chr., was doch unmöglich ohne die genauesten astronomischen Beobachtungen und Berechnungen, beziehungsweise ohne den Thierkreis festgestellt werden konnte. Auf einem in den Gräbern der Könige gefundenen Relief finden sich als Thierzeichen ein Stier, ein Löwe und ein Skorpion, und auf einer im J. 1855 veröffentlichten altägyptischen Kupferplatte, welche eine Constellation aus dem J. 1573 v. Chr. enthalten soll, stehen deutlich das Zeichen der Fische, des Steinbocks und die im Wasser wachsende Lothusblüthe, um das Zeichen des Wassermanns anzudeuten. 2) Junker, Untersuchungen über die ägyptischen Sothisperioden, Leipzig 1859, S. 1 glaubt, dass schon wohl 3000 Jahre v. Chr. den Aegyptern ein geordnetes Jahr von 365 Tagen bekannt gewesen sei; es habe dasselbe aus zwölf Monaten zu 30 Tagen und aus fünf Ergänzungstagen (Epagomenen) bestanden und sei in drei Tetramenien oder Jahreszeiten zu je vier Monaten oder 120 Tagen eingetheilt worden, die Zeit der blühenden Flur, die Zeit trockner Hitze und diejenige der Ueberschwemmung; die Reihenfolge der Monate sei gewesen: Thoth, Paophi, Athyr oder Hathor, Choiak, Tybi oder Tobi, Mechir, Phamenoth, Pharmuthi, Pachon, Payni oder Paôni, Epiphi und Mesori. 3) Als Fixpunkt und zugleich als erster Tag des Jahres galt der Frühaufgang des Sirius oder Hundssternes am 20. Juli zu Heliopolis oder On, dem Hauptsitze der priesterlichen Astronomen. Lepsius, Chronologie, S. 64, ist sogar der Ansicht, dass die fünf Zusatztage zur Zeit der vier grossen Pyramiden, also bald nach dem J. 3400 v. Chr. nach seiner Zeitrechnung, in den ägyptischen Kalender aufgenommen worden seien. Bunsen endlich erklärt den ägyptischen Kalender für älter als die Pyramiden, also noch über 3400 Jahre v. Chr. hinaufreichend. Den chaldäischen




    1) Uhlemann, II. S. 240 ff.; derselbe, Thoth, S. 223.
    2) Uhlemann, a. a. O., II. S. 239.
    3) Vergl. auch Uhlemann, Thoth, S. 223 ff.; Bunsen, Aegyptens Stelle, IV. S. 43 ff.



siebentägigen Wochencyklus jedoch haben die Aegypter erst später bei sich eingeführt und derselbe wird jedenfalls schon im ersten Kapitel des Todtenbuches erwähnt. 1) Ausserdem ist die früheste wohlbeglaubte Erwähnung des Wochencyklus aus dem J. 63 v. Chr., indem in diesem Jahre Pompejus bei der Einnahme Jerusalems die Woche bei den Juden im Gebrauche fand.

Selbst in den von den Römern eroberten Ländern wird das Löwenmotiv bei den Gerathschaften sehr häufig gefunden. So sind z. B. bei Muri im Kanton Bern aus dem zweiten Jahrhundert nach Chr. oder aus der römisch-helvetischen Zeit Fussgestelle zu Göttererzstatuetten mit Löwenfüssen ausgegraben worden. 2) Eine Münze Antonins des Frommen enthält einen umstrahlten Löwen. 3) Auf dem grossen St. Bernhard oder Mont Joux an der über denselben führenden alten Römerstrasse sind kleine Thierfiguren von Löwen und Hunden gefunden worden. 4) Heute noch ist der Löwenkopf, der Löwenrachen und der Löwenfuss, ja der Löwe selbst in der Architektur, Skulptur und Technik das gleich angewandte und beliebte Motivi nicht mehr Symbol. Dagegen ist der Löwe allerdings noch ein bedeutendes symbolisches und mythisches Wappenthier; man dürfte fast behaupten, das Wappen enthalte die Mythe, die Stammsage.

Auch bei der asiatischen Himmelskönigin und Erdmutter, z. B. bei der phrygischen und lydischen Kybele (eigentlich Agdistis, Agdestis, Argidestis), 5) der phönicischen Astarte, ist der Löwe mit dem Stiere, der stiertödtende () Löwe 6) als Symbol beigegeben und zwar nach Lajard, recherches sur le culte du cyprès




    1) Uhlemann. Thoth, S. 224; derselbe, ägypt. Alterthumskunde, II, S. 82.
    2) Jahn, der Kanton Bern, S. 390.
    3) Welker, griech. Götterl., II. S. 621 Anm.
    4) Mittheilungen der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, Bd. XIII., über die römischen Alpenstrassen, S. 10.
    5) Böttiger, K. M., I. S. 288 ff.
    6) Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 48. In Aegypten hat man beide Symbole mit einander verschmolzen, da man in Oberägypten in den Ueberresten eines Tempels zwei Löwen mit Stierköpfen fand, die nach England gebracht wurden.



pyramidal, der Löwe als Symbol der Sonne und des zeugenden Feuers, der Stier als Symbol des Mondes und des empfangenden und gebärenden Wassers. Dass bei den Griechen und Römern die Flussgötter Stierform hatten, ist bekannt und es bezieht sich dieses Symbol ausdrücklich auf die Fruchtbarkeit des Wassers. 1) Auch der zeugende Dionysos wurde als Stier gedacht und als solcher zerrissen. So beteten namentlich die Frauen in Elis: "Komm, o Herr, in deinen Tempel zu Elis, komm mit den Chariten in deinen heiligen Tempel, tobend mit dem Stierfusse!" 2) Auch in einer baierischen Sage erscheint Donar unter der Gestalt eines Stieres und gibt der Wöchnerin einen Hammer, mit dem sie auf sein Geheiss Felsen erschüttert. 3) Ebenso ist mit Apollon als Frühlingsgott auf Münzen von Phokis ein Ochsenkopf verbunden. 4) Dionysos, welcher bei den Argeiern den Beinamen der , der Stier- oder Wassergeborne, hatte oder auch unter dem Symbole des Phallus gleich Hermes 5) verehrt wurde, hiess auch Anthios, Antheus und Dendrites, indem er als Frühlingsgott die Blume bringt und die Bäume blühen macht, 6) wie mit dem aus dem Grabe wiedererstehenden Hiram die blühende Akazie wiederkehrt. Daran reiht sich der Frühlingsstier, mit den sieben Hyaden darüber, der die drei Chariten auf den Hörnern trägt. Der Baumgott () wird bei den Böotiern auch genannt. Auf dem Kasten der Kypselos trägt er Apfel- und Granatzweige mit Früchten und Theocrit nennt die Hesperidenäpfel des Dionysos. Steinthal, Zeitschrift für Völkerspychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 26 oben, vergleicht den neugebornen () Dionysos mit dem neugebornen Agni (Feuerfunken), dessen Wiege das Holz bilde, dem durch den Bohrer der Feuerfunken und das Feuer reibend entlockt werde. Aehnlich erblickt N. Müller,




    1) Menzel, Odin. S. 130.
    2) Preller, griech. Mythol., I. S. 432; Schoemann, II. S. 443.
    3) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 233 oben.
    4) Welker, a. a. O., II. S. 598 oben.
    5) Schoemann, II. S. 160.
    6) Welker, II. S. 598 ff.



Mithras, S. 37. und 49, in dem felsgebornen Mithra, in dem Mithra als dem Sohne des Steines, nur die Personification des dem Kieselsteine entlockten Feuerfunkens. In dessen ist im letzten Sinne der neugeborne Frühlingsgott Dionysos und Agni der Blitz, den die Frühlingswolken und Frühlingsgewitter, gleichsam die Wiegen der Frühlingsgötter, mit dem befruchtenden Regen und mit den Blumen und Früchten wiederbringen und womit der Stab (der Blitz) des mythischen Moses sich berühren, mit dem er die Quelle aus dem Wolkenfelsen sprudeln macht, so wie der quellenerzeugende Hufschlag des griechischen Blitz- und Donnerrosses oder der Dreizack des Poseidon Petraios, womit er das Ross Areion aus dem (Wolken-) Felsen herausschlägt. 1) In gewissem Sinne gehört auch Hephästos, der vom Himmel gefallene und von diesem Falle lahm oder hinkend gewordene Blitz, der indische Kyavana (der Herabgefallene) 2) hierher. Böttiger fasst den quellenauffindenden Stab und den damit verwandten Dreizack des Poseidon oder eigentlich , d. i. Quellengabe, nur als unsere Wasserruthe, deren Ursprung schon auf den ältesten Bergbau der Phönicier zurückgeführt werden könne und die die Griechen von den Phöniciern empfangen haben. Dagegen schreibt das Schlüsselwesen und das Sehlosserhandwerk Böttiger wohl mit Recht den Phöniciern zu, obwohl auch hier frühzeitig die ägyptische Cultur Einfluss gewann. Zur Unterstützung seiner Ansicht führt Böttiger jene zuerst von Segouin veröffentlichte Münze von Thessalonich an mit einer Figur, die einen Hammer in der Linken, einen Schlüssel in der Rechten und die Unterschrift: hat. Die ursprünglichsten Kabiren, die grossen und mächtigen Götter, sind Sonne und Mond, denen sich sodann noch die fünf andern Planeten anschlossen. 3)

Auch Indra wird in den Veden häufig als Stier angerufen:




    1) Preller, griech. Mythol., I. S. 369; Steinthal, a. a. O., II. S. 28 und 29; Böttiger, Kunstmythol., I. S. 269, Anm, 3 und S. 271, Anm. 11.
    2) Steinthal, II. S. 10 und 27.
    3) Vergl. auch Böttiger, a. a. O., I. S, 394, Anm. 23.



Wahrhaftig ja da bist der Stier,
Du bist der stierstürmische Hort!

Der Stier ist das Sinnbild der Stärke, der befruchtenden und erzeugenden Lebenskraft. - Die pythischen Spiele wurden zu Delphi in dem Monat Bukatios, d. i. Monat der Stieropfer gefeiert, dessen Jahreszeit aber sehr streitig ist und den Schoemann, a. a. O., II. S. 61 oben, mit Andern in den Spätsommer oder in den Anfang des Herbstes verlegen will. Auch Mithra wird als der Sonnenstier und Sonnenlöwe aufgefasst und stier- und löwenhauptig in der spätern Abraxenzeit dargestellt, 1) wie Dionysos vielfältig mit Stierhörnern oder auch ganz in Stiergestalt gebildet wurde. 2)

Klemm, Handbuch der germanischen Alterthumskunde, S. 209 und 364, glaubt, dass das Stiergespann eine Auszeichnung der germanischen Könige gewesen sei, wie ja auch die Göttermutter auf einem mit Kühen bespannten Wagen bei ihrem Jahresfeste umhergefahren worden. Dadurch werde auch der kleine goldene Stierkopf 3) erklärt, der in dem Grabe Childerichs zu Tournay gefunden worden sei, indem dieser wahrscheinlich ein Sinnbild der königlichen Würde gewesen. Die Cimbern und Teutonen haben Stierbilder als Feldzeichen nach ägyptischer Weise geführt. Preller, a. a. O., I. S. 411, deutet bei der Kybele oder Rhea den Löwen, der den Stier bezwingt, auf die herrschende Obmacht der Göttin über alles Wilde und Unbändige, namentlich über zerstörende Fluthen, von denen man in Kleinasien viel erzählte. Der Löwe der Erdgöttin ist aber die obsiegende, die siegreich streitende höchste Natur- und Sonnenkraft, der Sonnenlöwe, wie der griechische Herakles und der tyrische Melkart es ist; dort ist die Kraft nur zur Göttin und hier zum Gotte gestaltet. Auch auf Münzen von Sardes findet sich der Löwe, den Stier würgend; 4) auf Münzen von Samos und Messana stehen die Köpfe von Löwe und Stier. Kybele, Astarte,




    1) Müller, Mithras, S. 67.
    2) Schoemann, II. S. 158.
    3) Abgebildet bei Klemm, Taf. XXII.
    4) Welker, II. S, 622, Anm. 147.



Mithra, Melkart, Herakles, Dionysos, Bakchos und Osiris sind alle die gleichen erobernden, löwenstarken Wohlthäter der Erde und der Menschen; sie gründen den Ackerbau, den Weinbau und die Städte, indem sie deren Naturfeinde bezwingen und besiegen; ihre Wanderungen über die ganze Erde, die zwölf Arbeiten des Herakles sind die Wanderungen der Sonne durch die zwölf Sternbilder des Himmels mit den sie begleitenden wohlthätigen Wirkungen für das Natur- und Erd-, für das Menselienleben. Daher trägt z. B. auch die Kybele die Mauerkrone, die Stadtkrone und ihr gewöhnlicher Beiname ist mater turrita oder turrigera. 1) Der phrygischen und lydischen Kybele entspricht ganz die indische Durgâ Gaurî, die Gemahlin des Çiva, wovon Wollheim da Fonseca, Mythol. des alten Indien, Berlin 1856, als Titelkupfer nach einer Statue des Hamburger ethnographishen Museums eine sehr schöne Abbildung gegeben hat. Die weissgekrönte und mit von der Rechten zur Linken laufender weisser Binde geschmückte gelbe und vierarmige Durgâ sitzt im rothen Oberkleide auf einem weissen Löwen, welcher letztere selbst wieder von einem liegenden falben oder braunen Elephanten mit gerötheten Augen und Ohren und mit geröthetem Rüssel getragen wird. Es ist hier eine wahre Häufung der Thier- und Farbensymbolik, um die höchste Sonnen- und Erdenkraft, Zeugungskraft auszudrücken. Die zwölf Sonnengötter, den zwölfmonatlichen zeugenden Sonnengott verehrten die alten Inder auch in der Gestalt von zwölf Lingams, wie die zeugende und empfangende, die männliche und weibliche Kraft überhaupt in der Gestalt der vereinigten männlichen und weiblichen Geschlechtstheile. Der indische Skanda, das Bild der göttlichen Siegeskraft über das sittliche Böse und über rohe Naturgewalten, ein göttlicher Licht- und Sonnenheld, trägt die siegreichen Waffen in seinen zwölf Armen und ihm zur Seite steht die Erde in zwei Hemisphären, zwei Weiber geschmückt mit der Lotusblume. 2) Auch gehört hierher die auf ihrem himm-




    1) Preller, a. a. O., I. S. 404 und 411.
    2) Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, S. 431.



lischen Löwen den Moisasur in Gestalt eines Büffels mit einem Schlangenschwanze siegreich bekämpfende Durgâ. 1) Ebenso reiten die Bhawani und Prithiwi, die Hertha - Kybele, mit einer Thurmkrone geschmückt, auf einem Löwen, oder auch wilden Stiere und Tiger. 2)

Sehr verwandt mit der Darstellung der indischen Durgâ in der vorgehenden Beschreibung ist die ägyptische Göttin Atesch oder Satesch, Venus-Hathor, Venus-Mylitta, Venus-Astarte, d. h. Isis, welche nach einer ägyptischen Kalksteinstele im Museum des Louvre zu Paris Lajard, recherches, Taf. XI., zum ersten Mal in der Originalgrösse herausgegeben hat. Die nackte röthliche Göttin, mit röthlichen Kuhhörnern auf dem Haupte, zwischen denen die röthliche Mondscheibe (nach Lajard, S. 172) ruht, steht auf einem nach der linken Seite gewandten Löwen mit röthlicher Mähne. Lajard hält die Göttin wegen des Mondes auf dem Haupte und wegen des sie tragenden Sonnenlöwen für eine androgyne oder doppelgeschlechtige Göttin, für eine Monds- und Sonnengöttin, was zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, jedoch nach den sonstigen Götterdarstellungen der Aegypter schon nicht sehr wahrscheinlich, hier aber deshalb ganz unglaublich ist, weil der Göttin auf dem Löwen zwei männliche Götter zur Seite stehen. Offenbar ist hier der mit der empfangenden und gebärenden Erde sich vereinigende Himmelsgott, die Verehelichung des Osiris mit der Isis, des Zeus mit der Hera und ihre Zeugung durch eine Götterdreiheit dargestellt und die Gruppe ist wohl: der ityphallische Osiris, Amon-Ra, mit der dreifachen Geissel in der erhobenen Rechten und mit einer blühenden Lotusblume zwischen zwei kleineren Cypressen auf einem Altare neben ihm, als dem wiederholten Symbole des dreieinigen Schöpfers und der Schöpfung, zur rechten Seite des von ihm ausgehenden Sonnen- und Zeugungslöwen; Horus, Renpou nach Rougé, mit einer Lanze, vermuthlich als dem Symbole des Lichtes, in der Rechten und dem Henkelkreuze als dem Symbole des göttlichen Lebens in der Linken; zwischen Osiris und




    1) Müller, a. a. O., Taf. II. Fig. 59.
    2) Müller, Taf. II. Fig. 137.



Horus sehr bezeichnend die Gattin und Mutter Isis. Die Scheibe zwischen den Kuh- oder Mondshörnern der Isis ist die Sonnenscheibe und deshalb röthlich, wie die Mähne des Sonnenlöwen und wie der Körper der von der Sonne erleuchteten und befruchteten Erde. Auch steht oben über dem ganzen thürgestaltigen Bilde eine grosse Scheibe, die Sonnenscheibe, und am Fusse des Bildes knieen zwei anbetende weibliche Figuren mit erhobenen Händen. Die Göttin trägt weiter in der ausgestreckten rechten Hand eine dreifache Lotusblume mit zwei Knospen daran und hält mit dem ausgestreckten linken Arme, dessen obern Theil ein dreifacher Ring umgibt, eine Schlange. Die nackte Göttin trägt um die Lenden einen schmalen gemalten Gürtel mit einem kleinen verhüllenden dreieckigen Schurze daran, welchen Gürtel sonderbarer Weise Lajard mit dem Kosti der Parsen, dem der Griechen und dem cestus der Latiner vergleicht, obgleich der Kosti ein Brust- und kein Schamgürtel war, welches letztere er hier allein ist. Rougé, Director des Museums des Louvre, in einem von Lajard, S. 174 ff., mitgetheilten Briefe hält diese ägyptische Göttin für eine ursprünglich asiatische, welche in Folge der Eroberungszüge der 18. Königsdynastie nach Aegypten verpflanzt worden sei. Nach Rougé steht bei dem Haupte der Göttin hieroglyphisch geschrieben: "Atesch (oder Satesch), Herrin des Himmels, Beherrscherin aller Götter."

Eine ähnliche Stele wie im Louvre zu Paris befindet sich im britischen Museum zu London; nur steht hier die bekleidete Isis oder Hathor auf einer Löwin 1) und hält in der linken Hand zwei Schlangen; Amon und Renpou oder Osiris und Horus sind dieselben. Auf der britischen Stele befindet sich sodann noch eine zweite Darstellung, worin die Isis zur förmlichen Kriegsgöttin wird, indem sie in der linken Hand eine Lanze und in der rechten eine Streitaxt trägt und Anta genannt wird, wodurch sie mit den ähnlichen asiatischen Kriegsgöttinnen und Kriegsgöttern, mit der Omphale und Semiramis, mit Sandon, Sardanapal und Melkart zusammentrifft. - Eine dritte solche Stele




    1) Lajard, a. a. O., S. 179.



befindet sich zu Turin aus der Zeit der 19. Dynastie und von Theben herrührend. 1) Die Namen Atesch und Anta, welche der Göttin beigelegt werden, sind nach Rougé von asiatischen Städten entlehnt, die auf ihren Kriegszügen die Aegypter berührt hatten und wo die Göttin, die Erdgöttin und Himmelsherrscherin, besonders verehrt worden zu sein scheint. Lajard, S. 182, folgert aus diesen drei Stelen, dass die ägyptische Venus, Isis oder Hathor, nur eine sehr frühe oder alte Nachbildung der assyrischen und phönicischen Venus sei. Auch die Isis mit einem Kuhkopfe auf dem Haupte und dem kleinen Horus auf dem Schosse (Vollmer, allgemeines Wörterbuch, Taf. LIII) ist nur die ägyptische Umbildung der asiatischen Aphrodite in der Gestalt einer Kuh, welche ein Kalb säugt.

Zu Theben in einem der Säle des Palastes von Ramses II. sind auf einem Basrelief der Decke die zwölf Monatsgötter des Jahres dargestellt; ebenso auf verschiedenen Gemälden in einem Tempel zu Edfu. 2) Der Frühlingsmonat, der Monat der Tag- und Nachtgleiche, der Monat des Amon-Horus oder der Tobi nach Champollion, ist auf dem Gemälde zu Theben durch einen ityphallischen Gott und zwei Cypressen über einem Altare, von welchen letztern Lajard Taf. X, Fig. 3 eine Abbildung gibt, angedeutet. Auf den zwei entsprechenden Gemälden im Tempel zu Edfu wird derselbe Gedanke durch einen Gott ausgedrückt, welcher in der rechten Hand eine Cypresse und in der linken Hand ein Henkelkreuz, zwei gleiche Symbole des Lebens trägt. 3) Diese Cypressen stehen gleich dem blühenden Akazienzweige auf dem Sarge des Hiram, denn auch er ist nur das Symbol des wiedererstehenden Naturlebens, der Wiederauferstehung des Natur- und Son-




    1) Lajard, a. a. O., S. 180.
    2) Lajard, a. a. O., S. 183.
    3) Lajard, a. a. O., Taf. X., Fig.4 und 5. Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 248, erblickt in dem Krummstabe des Osiris und in dem gehenkelten Kreuze, der crux ansata oder dem Tau der lsis, ursprünglich einen Schlüssel als Symbol der Herrschaft über Himmel und Erde, über die Ober- und Unterwelt, über den Aufgang und Niedergang. Vergl. auch Böttiger, kleine Schriften, III. S. 264 Anm. ** und 270 Anm. +



nengottes Hiram, des mit dem Frühlinge neu beginnenden Jahres.

Die zwölf Löwen, welche nach dem I. Buche der Könige 10, 20 auf den sechs Stufen des salomonischen Thrones standen: "Und zwölf Löwen standen auf den zwölf Staffeln, auf beiden Seiten. Solches ist niemals in einigen Königreichen gemacht worden," waren durchaus das Symbol der zwölf Jahresmonate, der zwölf Zodiakalgottheiten, und die goldenen Trinkgeschirre im Hause des Waldes Libanon, deren die angeführte Stelle des Buches der Könige gleichfalls gedenkt, waren gewiss nach dem Löwenmotive gebildet, vielleicht hohle Löwenköpfe, wie die ähnlichen Trinkgefässe der Assyrier und Aegypter und wie auch zwei Löwen an den Lehnen des salomonischen Thrones standen. Löwen- und Stiergottheiten gleich denjenigen der vorberührten ägyptischen Stelen hat Layard in den Felsen des christlichen Dorfes Malthaijah bei Niniveh eingehauen gefunden. 1)

Die Juno Caelestis oder Virgo Caelistis von Karthago, die alte Burggöttin Dido, die phönicische Astarte, welche im dritten punischen Kriege evocirt und nach Rom übertragen wurde, thront auf einem laufenden Löwen. 2) Der Erd- und Wassergöttin oder auch Mondsgöttin Astarte, der paphischen Aphrodite war als Frühlingsvogel und als Frühlingsbote zugleich die Taube geheiligt. Die wilden Tauben sind Zugvögel; sie ziehen in der rauhen Jahreszeit nach Africa hinüber, und wenn sie wiederkehren, fliegt eine schöne rothe Taube an der Spitze, den Zug zu führen. Die rothe Taube, welche den holden Frühling, den goldenen Jahresmorgen zurückbringt, ist die Aphrodite selbst, die heilige Beschützerin des Vogels (, ) 3). Die kleinasiatische Kybele fährt auf einem von zwei Löwen gezogenen Wagen mit einer Mauerkrone auf dem Haupte, einem Zweige in der rechten und einer Handtrommel, welche sie erfunden haben sollte, in der linken Hand, wie die von Creuzer, Symbolik Taf. II, und von Voll-




    1) Meissner, a. a. O., S.112 und Fig.23; Lajard, S.168 Anm.6.
    2) Preller, röm. Mythol., S. 753; Eckermann, a. a. O., I. 1. S. 105 ff.; Böttiger, Kunstmythol., II., S. 217 ff.
    3) Eckermann, I. 1. S. 116.



mer, vollständiges Wörterbuch der Myth. Taf. XIX, gegebene Abbildung zeigt. Auch soll die neugeborene und ausgesetzte Kybele von Panthern und Löwen, welche sich hier mit der Hirschkuh berühren, im Gebirge ernährt worden sein. Ebenso erscheint Dionysos häufig auf einem Löwen oder Panther reitend oder diese wilden Thiere folgen sonst bezähmt seinem Triumphzuge. Der kleine Amor, welcher blos eine andere Seite seiner Mutter Aphrodite, der blühenden Erdgöttin ist, erscheint auf einem Löwen reitend (Vollmer Taf. III, Fig. 2) oder wird von einern Widder getragen (Lajard Taf. III, Fig. 2). Auf einer berühmten antiken Gemme fährt die Demeter auf einem von zwei Elephanten gezogenen Wagen, in der linken Hand ein Füllhorn haltend (Vollmer, Taf. XXIV), was gleiehmässig an die indische Durgâ und an die phrygisch-lydische Kybele erinnert und überhaupt nur eine asiatische Vorstellung ist. Auch Indra reitet auf einem Elephanten (Vollmer Taf. L) und Agni auf einem Widder; 1) in Rig-Vedra wird Indra noch gewaltiger Stier genannt und häufig selbst als Stier angerufen. Hekate, um ihre Herrschaft über den Himmel, das Meer und die Erde anzudeuten, wurde dargestellt mit dem Kopfe eines Hundes, eines Pferdes und eines Löwen. 2) Wenn Demeter auch auf einem von zwei Drachen geführten Wagen erscheint (Vollmer, Taf. XXII) oder auch mit diesem Drachengespanne und mit der ganzen Kunst der Landwirthschaft den Triptolemos, den Sohn des Königs Keleos zu Eleusis, beschenkt, 3) ist in dieser Mythe die Sonne, der Blitz gedacht als die Gewitterdrachen überwindend und dadurch den Anbau und die Fruchtbarkeit der Erde bereitend. Ueberhaupt sind alle die Ungeheuer von Löwen, Drachen, Schlangen u. s. w., welche Apollo, Herakles, Perseus, Dellerophon u. s. f. bekämpfen und besiegen, zunächst und ursprünglich Gewitter- und Wolkendämone und erst die spätere Sage localisirte




    1) Lajard, a. a. O., S. 32 Anm. 3.
    2) Gaedechens, Glaukos, S. 90 und 91; Furtwängler, a. a. O., S. 314.
    3) Vollmer, Taf. CIV und Creuzer Taf. XIII; Furtwängler, Taf. VI; Preller, Demeter und Persephone, S. 310 ff.; Guhl und Koner, a. a. O., S. 155.



dieselben auf der Erde, womit auch ihre Bekämpfer und Besieger zur Erde herabsteigen mussten. Pott, Studien zur griechischen Mythologie S. 301 unten, sieht als die Grundidee des Triptolemos an den Wechsel der drei alten griechischen Jahreszeiten und der Menschen Kampf () mit ihm. Preller, a. a. O., S. 286, erklärt mit Welker, a. a. O. , II. S. 211 ff., 1) dagegen den Triptolemos für den Dreimalpflüger und leitet die Schlangen an dem Wagen der Demeter und des Triptolemos davon ab, dass sie das gewöhnliche Symbol der chtonischen oder unterirdischen Götter gewesen seien; die Schlangen seien gleichsam die Kinder der Erde, . Für unsere Deutung spricht noch der Umstand, dass in der Kunst bald der Wagen, bald das Schlangenpaar geflügelt, somit Demeter und Triptolemos als in der Höhe oder in den Lüften wirkend dargestellt werden. Die Gewitterdrachen und Schlangen werden der Demeter und dem Triptolemos dienstbar gemacht; müssen gleichsam ihren Wagen, die Pflugschaar, ziehen und die Erde anbauen und befruchten. Auf dem archaisirenden Relief der Ara Colonna trägt sogar Triptolemos selbst Flügel an den Füssen wie Hermes und Perseus, d. h. als Blitzesgott. - Auch die Rhea, nur eine andere Gestalt der Kybele, reitet auf einem Löwen, in der rechten Hand eine Lanze und vor der Spitze desselben das Neumondsviertel, in der linken Hand aber eine Handtrommel (Vollmer, Taf. XCIII). Die (asiatische) Artemis auf dem Kasten des Kypselos, die mit Flügeln an den Schultern dargestellt war, hielt einen Panther in der rechten und einen Löwen in der linken Hand. 2) Das Standbild der allernährenden, vielbrüstigen (, polymammia) Mutter Artemis zu Ephesus trug zum Symbole ihrer Unüberwindlichkeit und Unsterblichkeit auf beiden Schultern je zwei Löwen und über dem Krebse, der im Krebse rückwärts schreitenden Sonne, auf ihrer Brust zwei Siegesgöttinnen mit einem Kranze. 3)




    1) Welker leitet Triptoloinos ab von , da ihm Krieg, selbst in seiner spätern Stellung unter den Heroen von Eleusis fremd sei.
    2) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 390.
    3) Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 105.



Eine ganz eigenthümliche und wenig beachtete symbolische Bedeutung hat der Löwe bei den Aegyptern noch dadurch erhalten, dass die für Aegypten so wichtigen, ja ihm das Leben und die Nahrung verleihenden Nilüberschwemmungen regelmässig um die Zeit der alten Sonnenwende, um die Zeit begannen und eintraten, wenn die Sonne in dem Sternbilde des Löwen kulminirte, so dass dem Aegypter der Löwe auch zum Symbole der reinigenden und nährenden Nilfluth, des irdischen Lebenswassers wurde, wie Osiris die Sonne und der Nil, Isis der Mond und das Land Aegypten, die Erde ist. Creuzer, I. S. 502 Anm. 284, spricht daher die Vermuthung aus, dass der Löwe in den Mithrasmysterien und in den Mysterien der Griechen das reinigende und weihende Wasser, das Weihwasser, und den Labetrank auch für die Todten symbolisirt habe. Anlehnend an Creuzer, glaubt Jäger in dem ersten Jahreshprichte des historischen Vereins der Pfalz, S. 63, dass eine jetzt in dem Antiquarium zu Speyer aufbewahrte römische Grablampe in Form eines liegenden Stiers, auf dem ein kleiner Löwe schreitet, den Sieg der Psyche über das Leibliche ebenso andeute, wie das in dem Bilde des aus der Raupe sich loswindenden Schmetterlings geschehe. Dieser Vermuthung möchte nicht zugestimmt werden können, weil der ägyptische Sonnen- und Nillöwe ein dem Lande Aegypten durchaus eigenthümlicher, ein rein localer ist und die Grundbedeutung des Löwen, namentlich in seinem asiatischen Vaterlande, immer die Licht- und Sonnenkraft im natürlichen und ethischen Sinne, die Kraft und die Stärke, der Muth und die Tapferkeit waren, welche Grundbedeutung der Löwe auch in den Mysterien und besonders des Mithra und des Hiram beibehielt, wie selbst Jäger jene Grablampe mit dem nach den Rheinlanden gedrungenen Mithrasdienst in Verbindung bringt. Immerhin aber ist es eine scheinbar auffallende und für die Ansicht Creuzer's allerdings sprechende Thatsache, dass der Löwe nicht blos bei den Aegyptern, sondern auch bei den Griechen und Römern, bei den Arabern in Spanien und wohl auch in andern Ländern, bei den Germanen seit den Zeiten des Mittelalters bis auf die Gegenwart herab als das eigentliche Brunnen- und Wasserthier erscheint, indem sehr





häufig Löwen den Brunnenstock krönen oder als Träger des Brunnens und Brunnenbeckens angebracht sind, - aus Löwenrachen das Wasser strömt, 1) - Löwenköpfe als Schmuck beigefügt sind u. s. w. Indessen ist auch hier der Löwe nur der starke Spender und Wächter des himmlischen und irdischen Wassers, der Oeffner und Beschliesser der Wasserquellen, wie ganz in dem gleichen Sinne der Löwe auch auf Thoren und Thüren der Städte, Burgen, Schlösser und Pitvatwohnungen, Gärten u. s. w. vorkommt. Dass selbst den Aegyptern der Löwe wesentlich nur das Symbol des Muthes und der Stärke, des starken Muthes und der muthigen Stärke, der Menschheit gewesen sei, beweiset die ägyptische Bilderschrift oder Hieroglyphik, womit zugleich die Bilderschriften der übrigen Völker zusammentreffen, 2) indem nach Horapollo oder Horus Apollo die ältesten Aegypter durch das Bild eines Löwen den Zorn und den Muth, die Stärke durch eine Löwenbrust und die Wachsamkeit durch einen Löwenkopf ausgedrückt haben sollen. 3) Das Gegentheil dieser Löwen- und Tapferkeitssymbolik war bei den Aegyptern schon der Hase, da er die besiegten Feinde, die feige Flucht u. s. w. bezeichnete. 4) Die ganze Thiersymbolik gehört in ihrem letzten Ursprunge den Hirtenvölkern mit dem beginnenden Landbaue an und je natürlicher und einfacher, je volksgemässer alle Thiersymbole verstanden und ausgelegt worden, um so näher wird man der geschichtlichen Wahrheit stehen. Philosophische Sätze und Speculationen sind in dieser Thiersymbolik und auch noch in der natürlich späteren Thierfabel ausgeschlossen. Wie in der Abhandlung von dem Symbole des Schwertes versucht wurde, die Götter in drei Klassen einzureihen, könnte dieses auch hinsichtlich der göttlichen Symbole geschehen, indem die Thiersymbole den friedlichen Hirten und Acker-




    1) Vergl. auch Furtwängler, a. a. O., Taf. V.
    2) Vergl. Meiners, Geschichte der hieroglyphischen Schrift, in Meiners und Spittler, göttingisches historisches Magazin, Bd III. S. 456 ff.
    3) Meiners und Spittler, a, a. O., S. 476.
    4) Uhlemann, Agypt. Alterthumskunde, I. S. 35 oben.



bauern, die Waffensymbole den wilden Jägern und Kriegern, und die architektonischen und astronomischen Symbole den städtebewohnenden Architekten und Astronomen, den Erbauern der Städte und des Himmels oder der Welt angehören. Dem Hirten und Landmann folgen dieThiere mit dem treibenden und wachenden Hunde, - der Jäger und Krieger tragen, führen und schleudern das tödtliche Geschoss, die niederschmetternde Waffe - und der Hammer, der Maurer bauet den Tempel und die Städte, die Erden- und die Himmelsstadt, in welcher der Hirte mit seinen Heerden und der kriegerische Jäger mit seinen Waffen geschützt und schützend wohnen und Gott verehren, selbst den Göttern gleichen können und sollen.

Endlich spricht für den Herakles, äg. Chonsu, Chunsu, gr. Chôns, als den Löwengott auch noch der Umstand, dass nach ihm bei der sehr alten Einrichtung und Einführung des ägyptischen Kalenders der Monat Juli, der heisseste Jahresmonat Pachôn, Pachôns, Paschôns genannt wurde. 1)

Dem Löwen in der bisher erörterten Bedeutung ähnlich, wenngleich nicht dem Kreise der vierfüssigen Thiere entlehnt, ist der Adler, 2) welcher sich unter allen Vögeln am höchsten bis zur Sonne erhebt, auch an Stärke unter den Vögeln hervorragt, wie der Löwe oder der Elephant unter den vierfüssigen Thieren, so dass auch der Adler zum passenden Symbole des Höchsten im Himmel und auf Erden, des himmlischen und irdischen Herrschers und Königs sich darbot. So ist z. B. auf dem capitolinischen Altare zu Rom aus Palmyra in Syrien dem Bel, Malachbel, Soli sanctissimo, dem Himmelskönig , 3) - bei den Assyriern dem Nisroch, - bei den Phöniciern dem Melkart , - bei den Griechen dem Zeus und bei den Römern dem Jupiter, bei den Germanen dem Odhin als dem Gotte der Windstürme 4) u. s. f. der Adler geheiligt. Wie Herakles der




    1) Bunsen, Aegyptens Stelle, IV. S. 45 Anm.
    2) Vergl. über die Aëtolatrie oder Adleranbetung überhaupt Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie, II. S. 31 ff.
    3) Lajard, recherches Taf. I.
    4) Hocker, Stammsagen, S. 79.



Löwengott ist, ist Aias der Adlerheld von , der Adler. 1) Auch die Himjariten im südlichen Arabien verehrten die Sonne in Gestalt eines Adlers, den Gott Nasr. 2) Der Adler auf ägyptischen Lagidenmünzen ist nicht Symbol eines Gottes, sondern der Lagidenkönige, 3) wie denn in den Kriegszeichen, Waffen und Wappen der spätern Fürsten und Adlichen der Adler sehr oft vorkommt. 4) Dass der Adler auch in die maurerische Symbolik übergegangen sei, ist schon berührt worden. 5) Der Adler war das hieroglyphische Sinnbild der Städte Heliopolis, Emesus, Antiochien und Tyrus und unter den Attributen des Königthums, welche die Etrurier einst den Römern übersandten, befand sieh auch ein Scepter von Elfenbein mit einem Adler darauf, woher der Adler zum bleibenden Attribute des römischen Reiches geworden und es selbst unter den Kaisern geblieben ist. Der goldene Adler als Heerzeichen kommt zuerst bei den Persern vor, jedoch soll bei den Juden auch schon der Stamm Dan einen Adler, wie der Stamm Juda einen Löwen, der Stamm Ephraim einen Stier und der Stamm Ruben einen Menschen zum Heerzeichen geführt haben. Dem Amun-Ra, welchem auch die Obelisken vorzugsweise geheiligt gewesen, dem lichtblauen Himmelsgotte soll zu Theben ein heiliger Adler gehalten worden sein. 6) Zwei goldene Adler standen zu Delphi bei dem Omphalos, den als den Mittelpunkt zwei von Zeus von Osten und Westen zugleich ausgeflogenen Adler bestimmt hatten. 7) Bei den Römern war der Adler anfänglich von Holz, sodann von Silber mit goldenem Blitzstrahl, unter Caesar und seinen Nachfolgern aber ganz von Gold, jedoch ohne Blitzstrahl. Der doppelköpfige Adler war zuerst bei den Kaisern des Orients üblich, welche damit ihren Anspruch auf das morgen- und abendländische Reich




    1) Preller, griech. Mythol., I. S. 162.
    2) Dunker, Gesch. des Alterthums, I. S. 143.
    3) Uhlemann, a a. O., II. S. 89.
    4) Vergl. Rotteck's Staatslexikon unter Adler.
    5) Vergl. Ragon, nouveau rituel de Kadosch, Paris 1861, S. 166 ff.
    6) Knötel, Cheops, S. 116.
    7) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 13 unten.



bezeichneten; 1) vom Orient kam er auf den occidentalischen Kaiser und an Oesterreich. Unter den Ritterorden machte ihn der deutsche, der älteste von allen, zu seiner Decoration; seitdem folgten viele andern, wie der schwarze und rothe Adlerorden in Preussen, der weisse und St. Stanislaus-Orden in Polen, der St. Andreas- und St. Alexander-Orden in Russland, der Cincinnatus-Orden in Nordamerika, der französische Orden der Ehrenlegion (Adler mit dem Donnerkeil).

Nach Pindar Pyth. 1, 10 sitzt auf des Königs Scepter ein Adler, wie auch Phidias ihn auf den Scepter seines Olympiers stellte, und ebenso war bei den Franken auf dei Spitze des Speeres ein sitzender Falke angebracht, welcher urthefocal, orthofocal, ordfocal, der Speervogel hiess. 2) In ihrem Tempel zu Argos war Hera dargestellt, sitzend auf einem (goldenen) Throne mit einem Scepter, worauf ein Kukuk (als Bringer des Frühlings) angebracht war, und in der andern Hand einen Granatapfel (als Samenbehälter 3)). Auch war der Pfau mit seiner stolzen Farbenpracht der Hera geheiligt. Zufolge Porphyrius heissen in den Mithrasmysterien die Diener Raben und auf sie bezieht Windischmann, Mithra, S. 70, die auf den Mithrasdenkmalen vorkommenden Raben. Auf einem indischen Brahmbilde bei Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, Taf. I. Fig. 6, senkt sich ein Adler auf einen Löwen, die Allsicht auf die Allmacht Gottes herab. Der blitzetragende Adler ist der in der Gestalt eines Vogels und besonders eines Adlers und Falken von dem Himmel zur Erde niederfliegende Blitz, welcher Vogel (bei den Indern Agni) an dem Himmel auf dem Wolken- und Wetterbaume sitzt. 4) Da nach dem Ausspruche des Dichters

dehein creatiure lebet âne meisterschaft,




    1) Vergl. Besoldi thesaurus practicus, I. p. 16 s. v. Adler.
    2) Grimm in der Vorrede zu Merkel , lex Salica, Berlin 1850, S. XXIV.
    3) Rinck, I., S. 203.
    4) Steinthal, Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. 21 ff.



ist in der Poesie und besonders in der Thierfabel auch die ganze Thierwelt monarchisch eingerichtet und Königen unterstellt worden: die Bienen einer Königin, die Ameisen einem Burgherrn, die Vögel dem Adler () und die gesammte Thierwelt dem Löwen, wie die Rose die Königin der Blumen und die stolze Ceder des Libanon die Königin der Bäume ist. 1) Auch die majestätische Lerche erscheint als Königin und ein Zaunkönig, küneclin, roitelet, regulus. In der indischen Sage vertritt der Vogel, das Reitthier (garudha) des Wischnu die Stelle des Adlers. Die Araber sollen Albasil, eine Benennung des Löwen, aus dem gr. geschöpft haben. Mehrere Stellen machen es wahrscheinlich, dass in Deutschland an dem Platze des ausländischen Löwen ursprünglich dem Bären das Thierkönigthum zugestanden habe. Der Löwe gibt dem Bären den Namen: Herr Bruder, biax doz frere. 2) Den Ostjaken ist der Bär heilig und sie schwören feierlich, indem sie auf eine Bärenhaut knieen; die Lappen rechnen den Bären nicht unter die Thiere, sondern legen ihm menschliche Natur bei, - sie nennen ihn Gottes Hund und glauben, dass in ihm die Stärke von 10, der Verstand von 12 Männern wohne. 3) Bei den Griechen ist der Adler, der vollkommenste oder der König der Vögel, auch des Götterkönigs schicksalverkündender Bote. 4) Im Uebrigen sind noch zu vergleichen:

  • W. Grimm, Thierfabeln bei den Meistersängern, Berl. 1855.
  • Weber, über den Zusammenhang indischer Fabeln mit griechischen, Berlin 1855, welche kritische Abhandlung aus Webers indischen Studien, III. 2 und 3, besonders abgedruckt ist.
  • H. Jaede, die Thiere im Leben des Menschen, Leipzig



    1) Grimm, Reinhart Fuchs. S. XLIII ff.
    2) Grimm, a. a. O., S. XLVII. Mit dem Bären berührt sich als Symbol des Muthes und der Tapferkeit der Wolf, von welchern deshalb auch viele tapfere Männer und Geschlechter bei den germanischen Volksstämmen den Namen tragen; die Wölfin ist die Mutter schon des Romulus und Remus, wie vieler deutschen Helden. Vergl. W. Grimm, die mythische Bedeutung des Wolfes, in Haupt's Zeitschrift für das deutsche Alterth., XII. S. 203 ff.
    3) Grimm, a. a. O., Nachträge zu S. LVI.
    4) Schoemann, II. S. 252 und 53.



    1861, worin bis jetzt die Ziege, der Steinbock, das Schwein, der Esel, das Maulthier, das Schaf, der Affe, der Bär, das Kameel, der Löwe und der Elephant volksthümlich historisch behandelt sind.

Auf den Münzen von Chili erschien der Condor, als Symbol der Kraft, gleich nach der ersten Erklärung der politischen Unabhängigkeit des Landes. 1)

Noch eine ganz andere, nicht astronomische und naturreligiöse Bedeutung erhielt das Symbol des Löwen besonders bei den Assyriern unter dem Einflusse der zarathustrischen Religionsreformation mit ihrem doppelten Principe des Lichtes und der Finsterniss, des Guten und des Bösen, und mit der daraus für den Ormuzdiener hervorgehenden Verpflichtung, die Mächte und die Wesen der Finsterniss und des Bösen, des Ahriman, in der Natur- und Geisteswelt zu bekämpfen und zu vernichten.

Der Löwe wurde nämlich gleichfalls zu einem Thiere des Ahriman, zum Symbole des zu bekämpfenden und zu vernichtenden Finstern und Bösen, weshalb bei den Assyriern sehr viele bildliche Darstellungen sich finden, auf denen, besonders von dem Könige als dem Vorbilde der irdischen Streiter, ein Löwe entweder mit dem Dolche getödtet, oder auch in den Armen erdrückt und erwürgt wird. Dieser Löwe der Assyrier ist ganz dasselbe mythische Bild wie die biblische Schlange, welcher von dem Menschen der Kopf zertreten werden soll, oder wie die Drachen, welche von den christlichen Lichthelden und Heiligen siegreich überwunden werden und wogegen auch bei den Griechen besonders Herakles kämpfet. Bei Meissner, a. a. O., Fig. 28, wird auch aus dem britischen Museum das Fragment eines lykischen Monumentes mitgetheilt, auf dem ein solcher Löwe durch einen Dolchstoss in den Bauch, wie es scheint, getödtet wird. Auf einem bei Heddernheim im Herzogthum Nassau aufgefundenen mithrischen Denkmale, welches Müller, Mithras, S. 39 ff., als einen Löwenträger beschreibt, wird von einem Menschen in der gewölmlichen Mithraskleidung, mit Kappe und wallender Glamys, ein nach unten gekehrter Löwe rückwärts nach-




    1) Humboldt, Ansichten der Natur, II. S. 55.



geschleppt. Das Bild ist vielleicht ein Symbol der Einweihung in den zweiten der sieben Grade der Mithrasmysterien, welcher der Löwengrad, Leontica hiess und worin der Eingeweihte muthig und stark selbst den Löwen des Bösen zu überwinden lernen sollte; kaum aber ist mit Müller daran zu denken, dass der in den zweiten Grad Einzuweihende durch einen wirklichen oder auch nur bildlichen Löwenkampf geprüft worden sei. Jedoch nicht blos mit Löwen, sondern auch mit andern Thierungeheuern kämpfen auf den Mithrasdenkmalen die Lichthelden, wie es die Abbildungen bei Lajard, Taf. XVI, Nr. 5, Taf. XVIII, Nr. 1 und 3 zeigen. Auf dem Bilde Nr. 3, Taf. XVIII kämpft ein Krieger zu Fuss, mit einer Lanze bewaffnet und von einem Hunde unterstützt, gegen einen ungeheuren Eber, was nach Lajard, S. 284, vielleicht den Kampf des Meleager gegen den kaledonischen Eber darstellt; Taf. XVI, Nr. 5, kämpft ein Reiter gegen einen Eber und Taf. XVIII, Nr. 1, ein Reiter gegen einen Löwen und einen Wolf. Der so gefrässige und verschlingende Eber soll nach Furtwängler, Idee des Todes, S. 286, in den ältesten Zeiten ein nicht ungewöhnliches Symbol des verschlingenden Todes gewesen sein; jedenfalls kommt er so bei den Baktrern vor. 1) Die Kämpfe oder Arbeiten () des Herakles, besonders derjenige mit dem nemeischen Löwen, 2) scheinen ursprünglich ebenfalls nur solche orientalische, zarathustrische oder assyrische, physisch-ethische Kämpfe gewesen zu sein, aus denen jedoch das Ethische bei den Griechen mehr in den Hintergrund getreten oder auch selbst ganz weggefallen ist. Dass Heralkles den nemeischen Löwen in seinen Armen erwürgt, ist nicht griechisch, sondern assyrisch. 3) Herakles trägt die Löwenhaut ursprünglich nicht von dem nemeischen Löwen, sondern er überwindet diesen, weil er selbst der löwenstarke oder der Sonnenlöwe ist. Preller deutet den neme-




    1) Vergl. oben, I. S. 43, Vers 127.
    2) Preller, griech. Mythol., II. S. 131 ff. und S. 163; Furtwängler, a. a. O., S. 284 ff., sowie besonders auch der von Furtwängler angeführte Raoul-Rochette.
    3) Vergl. die Abbildung bei Vollmer, Taf. XLI und bei Weiss, Kostümkunde.



sischen Löwen auf die Gluthhitze. Die neunköpfige lernäische Schlange 1) mit einem unsterblichen Haupte darunter, ist wohl nur die dunkele und böse Jahresseite in den neun Dienst- und Lebensmonaten; das Gute und das Böse des Jahres, des menschlichen Lebens sind gleich unsterblich, erneuern sich mit jedem Jahre, weshalb die abgeschlagenen Köpfe der Schlange auch stets wieder durch neue ersetzt werden. Schwartz, a. a. O., S. 81, sieht die lernäische Hydra nur als den Gewitterdrachen und ihre abgeschlagenen Häupter als Gewitterwolken an. Auch die gewöhnlichen pierischen neun Musen des Apollo, sowohl nach Homer als nach Hesiod, 2) treten in diesen Kreis, indem sie in ihrer Neunzahl vermuthlich nur die neun, das Gute und Schöne, den begeisterten Gesang der Natur und der Menschheit wirkenden Lebensmonate des Jahres bedeuten. Die fünfzig Köpfe der lernäischen Schlange, von welchen Simonides redet, wären in einer geraden Zahl die 50 Wochen des Mondjahres 3) nach ihrer bösen Seite. Den Stall des Augeias, des reinen und leuchtenden Himmels, der 12 Sonnenstiere, der 12 dem Helios geweihten glänzend weissen Stiere 4) oder der 12 Theile der Sonnenbahn, reinigt Herakles in einem Tage, d. h. in einem Jahre oder das ganze Jahr hindurch, indem er als die siegreiche Sonne die dunkelen Wolken vertreibt und ableitet. Aehnlich läuft Herakles als die Tagessonne das Jahr hindurch der gehörnten und gleich dem Hirsche schnellen Mondskuh vergeblich oder ohne sie zu erreichen nach. 5) Das Letztere ist nur eine andere Wendung und Ausdehnung der kretischen Sage, dass Minos (die Sonne) neun Monate der Britomartis, der kretischen Artemis, dem Monde erfolglos nachjage, oder neun Monate (Jahre) in der Höhle (im lichten Himmelsgewölbe) des Zeus weile, worauf er nach uralter orientalischer Vorstellung in den drei Wintermonaten schläft, todt oder gebunden ist. 6)




    1) Preller, a. a. O.. II. S. 133 ff.
    2) Preller, II. S. 284.
    ?1) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 405.
    4) Preller, II. S. 138.
    5) Preller, I. S. 136.
    6) R. Rochette, mémoires sur l'Hercule Assyrien et Phénicien,



Wir begegnen hier einer der uranfänglichsten und kindlichsten Vorstellungen der weidenden Urmenschheit. Den täglichen Untergang der Gestirne und besonders der Sonne und des Mondes, so wie vorzüglich die vorübergehenden Verfinsterungen der Sonne und des Mondes wusste man sich nicht anders zu erklären, als dass sie am Himmel beständig ein grosser Wolf oder auch Hund und Drache verfolge und zu verschlingen drohe, aber doch niemals ganz erreichen könne. Wo in der Edda von der Sonnenfinsterniss die Rede ist, heisst es: "dass der Riesenwolf Skold, welcher der Sonne nachstrebe, um sie zu verschlingen, der scheinenden Gottheit in die dämmernde Fluth folge." - Nach einer oberpfälzischen Sage flicht im Monde ein altes Weib einen Korb, während neben ihr ein grosser Hund (der Mânagarmr oder Mondwolf der nordischen Mythologie) lauert, bis er fertig wird, um über ihn herzufallen; dies gibt Mondsverfinsterung; zerreisst er ihn aber gänzlich, geht die Welt unter. 1) - Ferner gehört hierher das Sprichwort: "ehe der Wolf die Sonne auffrisst." Nachdem Kärtner Volksglauben entsteht die Sonnenfinsterniss dadurch, dass ein Drache - der Teufel - mit der Sonne rauft; verschlingt er sie, so ist das Weltende da. 2) In ähnlicher Weise sieht man auf alten Kalendern die Verfinsterung der Gestirne dadurch angezeigt, dass Drachen die Sonne oder den Mond im Rachen haben. Bei den Letten kam der Priester Dietrich blos deshalb in Lebensgefahr, weil sie glaubten, er habe die Sonne verschlungen. Auch die Sinesen glauben noch, dass bei den Sonnenfinsternissen ein Drache die Sonne ganz oder theilweise verschlinge und rühren daher dabei




Paris 1848 Creuzer, a a. O., IV. S. 99 Anm. 171. Auch gehört hierher, dass Penelope, die Weberin, drei Jahre lang das Leichengewand wob und des Nachts wieder auflösete. Vergl. Welker, II. S. 657. Diese Penelope ist die ewige Weberin Natur, wie auch Göthe sie nennt, welche das neunmonatliche Kleid des Lebens webt und wieder zerreisst, wie sie das dreimonatliche Kleid des Todes, des Winters webt und auch wieder auflöset zum neuen Lebenskleide. Ebenso reiht sich an der hinkende () oder der krummbeinige () Hephaestos des Hesiod (Rinck, a. a. O., I. S. 104).
    1) Vergl. auch Grimm, Mythol., S. 224 und 25.
    2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 199. Vergl. auch Panzer, bayerische Sagen, II. S. 331 ff.



in allen Tempeln die Gongs, Pauken und Glocken, um den Drachen dadurch zu erschrecken und zu verscheuchen. 1) Die Nondsfinsternisse und die Kometen werden aus dem gleichen Gesichtspunkte betrachtet. Derartige abergläubische Volksgebräuche wie in Sina bestanden oder bestehen noch auch bei andern Völkern, z. B. bei den Indern 2) und Tibetanern, bei dem Zendvolke 3) und bei den Aegyptern, 4 ) bei den Griechen und Römern. Die Welt geht somit unter, wenn der verfolgende und grimmige Wolf, bei den Germanen der Wolf Fenrir, wirklich sein Ziel erreicht und die Sonne in seinen ungeheuren Rachen, welcher von der Erde bis zum Himmel reicht, verschlingt. 5) Die drei Ketten, von welchen erst die dritte, aus sechserlei Dingen bereitete Kette den Fenrir fesselt und bindet, dürfte ein dem Jahreslaufe entlehnter Mythus sein und ausdrücken, dass erst in den drei Wintermonaten Alles, der Verfolgte und Verfolger ruhe, oder durch die neun Lebensmonate des Jahres der Fenrir allein gebunden und der Ruhe, dem Grabe zugeführt werden könne. Die Neunzahl ist das Wesentliche und die drei Ketten und sechs Mittel sind poetische Ausschmückung. Damit muss in Verbindung gebracht werden der gewiss aus der vorchristlichen Zeit stammende und nur christlich umgebildete hessische Gebrauch, wornach am Gründonnerstage jede sorgsame Hausfrau wo möglich ein Gemüse von neunerlei grünen Kräutern kocht und wornach auch ein stärkender Kräutertrank aus neunerlei Frühlingskräutern bereitet wird; welches Letztere auch bei den Bauern in Liefland geschieht. 6) Vielleicht war das Gemüse einst ein den Frühlings- und Jahresgottheiten dargebrachtes Opfer; das neunfache grüne Gemüse und der neunfache heilende Kräutertrank sind ein Symbol des wiedergekehrten und wieder neu ergrünenden neunmonatlichen Erd- und Naturlebens. In den Fürstenthümern Göttingen und Gruben-




    1) Apostelgeschichte des Geistes, I. S. 207.
    2) Grimm, Mythol., S. 669 und 70.
    3) Rhode, die heilige Sage, S. 365.
    4) Schwartz, a. a. O., S. 78 und 79.
    5) Simrok, Mythol., S. 120.
    6) Pott, Studien zu griechischen Mythologie, S. 322.



hagen heisst der aus neun verschiedenen Pflanzen gekochte Kohl nêgensterke und nach Seemans Bonplandia sind es folgende neun Pflanzen: 1) Taube Nessel, 2) Spinat, 3) Körbel, 4) Pinipinelle, 5) Geschel, 6) Sauerrampfer, 7) Brauner Kohl, 8) Kuhblume und 9) Porre. 1) In den gleichen Herzogthümern wird das Gemüse des grünen Donnerstags auch als sêbensterke gegessen, d. h. blos aus sieben Pflanzen zubereitet. 2 ) Daran mag angefügt werden, dass dort der letzte von sieben einer Familie geborenen Knaben sêbenpfûster heisst und die Gabe besitzen soll, ein krankes Auge durch Anblasen mit dem Munde wieder gesund zu machen. In einem verwandten Sinne mit dem neunfachen Gemüse des grünenden Frühlings hat der nordische Heimdallr neun Mütter, die neun um den Hiram geweinten mütterlichen Thränen, und wird auch der Johanniskranz aus neunerlei Blumen gewunden. Verfehlt möchte es sicherlich sein, dass Mülhause, die Urreligion des deutschen Volkes, S. 140, hier die Neunzahl auf neun Welten deuten will, an welche die Germanen geglaubt haben. Im germanischen Volksglauben waren niemals neun, sondern blos drei Himmel angenommen und die neun Himmel, welche Skaldskaparmal Cap. 75 aufzählt, hält Simrok, Myth, S. 51, mit allem Rechte nur für dichterische Bezeichnungen, denen mythischer Gehalt abgeht. Werden aber auch die neun Welten von den neun Himmeln unterschieden, wie dies Simrok, S. 43 ff., zu thun versucht hat, sind die neun Welten so überaus künstliche Begriffe und Dinge, dass dieselben als solche niemals dem Volksglauben angehört haben können. Die Vorstellung und auch die Mythen des zwölfmonatlichen Jahres waren dagegen volksmässige. Die zwölf Himmelsburgen oder Götterwohnungen, welche Grimnismal nennt, beziehen sich jedenfalls gleich den zwölf Asen auf die zwölf Monate des Jahres, sind das Wohnen des Sonnengottes in den zwölf einzelnen Monaten, in den zwölf Theilen der Sonnenbahn und vielleicht in den zwölf Bildern und Häusern des Thierkreises, wie schon Finn Magnusen richtig erkannt und




    1) Vergl. Schambach, Wörterbuch der niederdeutschen Mundart, Hannover 1858, S. 144.
    2) Schambach, a. a. O. 188.



wofür auch Simrok, S. 51, Einiges angeführt hat. Aber wie alt sind diese zwölf Himmelsburgen und Sonnenhäuser und sind dieselben von den Germanen aus dem asiatischen Ursitze mitgebracht? Vermuthlich und gewiss, weil daher auch die zwölf Asen und ihre zwölf Richterstühle gebracht sind. Nach dem Raube ihrer Tochter Kore durch Aïdoneus sucht auch die wehklagende Mutter Demeter dieselbe neun Tage lang durch alle Länder mit leuchtender Fackel, ohne Speise, ohne Trank, ohne zu baden, bis am zehnten Tage ihr Hekate begegnet und sie erinnert, Helios werde Auskunft geben können. Preller, Demeter und Persephone, S. 89, verrnuthet, das neuntägige Suchen beziehe sich auf die neuntägigen Vorbereitungen bei den grossen Eleusinien, welchen durch den Genuss des sogenannten Kykeon (des Mischtrankes) ein Ende gemacht wurde, welche Vermuthung aber jedenfalls falsch ist, weil sie die Folge in den Grund umkehrt oder diesen aus jener ableitet. In Erinnerung an das neuntägige Suchen der Demeter mussten die in ihre Mysterien Einzuweihenden sich auch neuntägigen Vorbereitungen unterwerfen, gleichsam auch neun Tage lang suchen, wie die Neunzahl, zumal der Reisen des Meisters (der Wanderungen des Herakles und der Jo, der Sonne und des Mondes), in den Mysterien des Hiram durch die neun guten Gesellen, durch seine neun Lebensmonate oder seine, neunmonatliche Wanderung bedingt ist. 1) Der Mischtrank der eleusinischen Geheimnisse, welcher bei den Oschophorien aus Wein, Honig, Mehl, Wasser und Käse bestand, also ein fünffach gemischter war, schliesst sich übrigens ganz an das gemischte Gemüse und den gemischten Trank des grünen Donnerstags an und erinnert weiter an den Haomatrank der Parsen, den Saomatrank der Inder, den der ägyptischen Mysterien, den Meth der Germanen u. s. w. Die Fackeln, mit denen Demeter und Hekate, obwohl es Tag ist, umherirren, sind gleichfalls symbolisch, ein Cultsymbol, das Symbol des in den Eleusinien gefeierten Todtencultus, der nächtlichen Festfeier, wie darauf auch die Lichter und der gestirnte Himmel der Maurer hinweisen. Die Fackeln sind das nicht erlöschende




    1) Vergl. auch oben, I. S. 117 ff.