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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel II



Wenngleich das eigentliche Griechenland von Aegypten sich wesentlich darin unterscheidet, dass jenes in eine Anzahl bald grösserer, bald kleinerer Volksherrschaften zerfiel, während hier ein priesterliches Königreich mit strenger Kastenverfassung bestand, kommen doch wieder insoferne Griechenland und Aegypten mit einander überein, dass auch in Griechenland zu allen Zeiten die technischen Gewerbe und Künste Vereine der gleichen Berufsgenossen bildeten, eine Vereins- oder Innungsverfassung hatten. Es ist bestritten und wird kaum jemals mit historischer Gewissheit verneint oder bejaht werden können, ob Griechenland nicht auch ursprünglich und in den ältesten vorgeschichtlichen Zeiten eine der ägyptischen und indischen ähnliche Verfassung erblicher Kasten mit einer erblichen Priesterschaft als der ersten und leitenden Kaste gehabt habe, weshalb nur verwiesen werden mag auf:

  • Tittmann, Darstellung der griechischen Staatsverfassungen, S. 567 ff., vergl. mit S. 81 ff.
  • Hermann, Lehrbuch der griechischen Staatsalterthümer, §. 5 und §. 91 ff.
  • Schoemann, griech. Alterthümer, I. 317 ff. und 363 ff.

Die dem Theseus zugeschriebene Eintheilung und Gliederung des attischen Volkes in 4 Phylen oder Stämme und 12 Phratrien, von denen je drei eine Phyle bildeten, wie jede einzelne Phratrie wieder aus 30 Geschlechtern, das gesammte attische Volk aus 360 Geschlechtern somit bestand, war zwar zunächst eine geographische (oder nach





dem Ausdrucke Tittmanns, S. 634, eine willkührliche), weshalb auch die 12 Phratrien oder Bezirke 12 Bezirkshauptstädte hatten: aber die hier erscheinenden Vereine hatten eine noch ältere religiöse und vielleicht auch politische Unterlage. Die Stämme, Phratrien und Geschlechter hatten je ihre besondern Schutzgötter mit einem eigenen Kultus derselben, was Theseus nicht neu einführte, sondem schon vorfand und nur fortbestehen liess. Die ionischen oder pelasgischen Stämme, welche seit Theseus den attischen Gesammtstaat ausmachten, waren nach Attika in älteren Zeiten eingewandert und brachten aus ihren früheren Sitzen ihre Familien- und Volksgottheiten mit, deren Verehrung sie heilig bewahrten. Vor Theseus war nun der attische Staat wohl nur ein Völker- und Städtebund, 1) ein Fürstenbund, bestehend aus 4 Volksstämmen mit je 3 Bundesstädten und Bundesfürsten. Theseus verwandelte den Stämme- und Städtebund in einen Staat, welcher die frühern selbständigen Bundesglieder als die Theile des einen und untheilbaren attischen Staates umfasste, obwohl ihnen ihre angestammten Gottheiten und besondern Gottesdienste noch belassen wurden. Die 12 ursprünglichen Bundesstädte und jetzigen 12 Staatsbezirke waren vielleicht ursprünglich 12 kleinere Völkerschaften, besondere Volksstämme oder grössere Geschlechter, welche nicht allein in religiösem, sondern auch in militärischem Verbande mit einander standen, 12 Heeresabtheilungen waren, welche erobernd nach Attika einzogen, dort sich niederliessen und 12 Städte und Staaten gründeten. Die einzelnen Stämme zerfielen natürlich in eine Anzahl von verwandten Geschlechtern, welche erblich gewisse Beschäftigungen, die Viehzucht, den Ackerbau und die Gewerbe betrieben haben mögen, auch den Ureinwohnern, soweit sie dieselben nicht verdrängt hatten, gewiss feindlich gegenüber standen. Theseus bestimmte die Zahl der Geschlechter einer jeden Phratrie auf 30 und vertheilte in diese Anzahl alle Bewohner einer bestimmten Gegend, mochten sie auch nicht gerade verwandt zusammen sein, oder nicht denselben Beruf betreiben. Die Volkseintheilung des




    1) Hermann, §. 98.



Theseus war eine politische, eine rein staatliche und sollte und musste alle Staatsbürger in den einzelnen Theilen unterbringen, wie in den spätern deutschen Städten auch alle Stadtbürger oft in eine Anzahl von Zünften vertheilt wurden, wenngleich Viele zu der ihnen bestimmten (politischen) Zunft durch ihre Beschäftigung nicht gehören mochten. Innerhalb und unbeschadet der politischen Eintheilung und Verbindung konnten die Geschlechter und Phratrieen auch ihre gewerblichen Interessen versehen und wahren, weshalb man den Gewerbsgenossenschaften auch bei der politischen Eintheilung schon dadurch möglichst Rechnung getragen hatte, dass man einen Gewerbsverein in die neue politische Eintheilung einfügte und einpasste, wo dieses nur immer anging. Daher würde es sich dann einfach erklären, dass die politischen Phratrieen und Geschlechter gewerbliche Namen tragen, Hatte Attika in der ältesten Zeit erbliche Kasten, war die bewusste Aufgabe und Absicht der Gesetzgebung des Theseus, die Auflösung der alten Zustände und die Umschmelzung derselben in einen einheitlichen Staat. Die Mitglieder in den einzelnen Geschlechtern und Phratrieen konnten blos politisch verbunden sein, waren aber vielfach zugleich durch Verwandtschaft und das gleiche Gewerbe verbunden; theilten sich also in Vollgenossen und blos politische Genossen. Die Eintheilung in Geschlechter und Phratrieen scheint aber vorzüglich der religiösen oder kirchlichen Verfassung, dem Kirchen- und Schulwesen zur Unterlage gedient zu haben und behielt diese Bedeutung auch dann unverändert bei, als durch Klisthenes um das Jahr 509 vor Chr. 1) eine neue politische Volkseintheilung in 100 Demen mit 10 Phylen von je 10 Demen aufkam, 2) Mit der Demenverfassung 3) des Klisthenes wurde in Attika gewissermassen das Politische und Bürgerliche von dem Religiösen und Kirchlichen getrennt, indem das Erstere auf den neuen Demen, das Letztere auf den alten Gesehlechtern und Phratrieen beruhte. Die Phratrieen oder




    1) Peter, Zeittafeln, S. 37.
    2) Schoemann, I. S. 367.
    3) Ueber den Namen der Demen vgl. meine Symbolik. II. S. 690.



ihre Vorsteher führten die Bürgerregister, oder genannt, weshalb die Aufnahme und die Einschreibung in die Phratrie für den Neugebornen, den Herangewachsenen und den Neuvermählten gleich wichtig war und mit gewissen Feierlichkeiten und Opfern erfolgte. 1) Auch das Vormundschaftswesen, die Mündigerklarung scheint den Phratrieen übergeben gewesen zu sein. 2) Aller Wahrscheinlichkeit nach waren alle atheniensischen Bürger, auch die von Klisthenes aufgenommenen Neubürger, einer der 12 Phratrieen oder grössern Cultgenossenschaften, gleichsam Kirchgemeinden zugetheilt. Neben den auf diese Weise dem öffentlichen Rechte, dem Kirchenrechte angehörenden Phratrieen bestanden die alten Geschlechter seit des Klisthenes Neuerungen wohl als reine Privatcultgenossenschaften 3) fort, welche ihre eignen Priester, Heiligthümer, auch wohl Grundstücke und eine Kasse unter Verwaltung eines Seckelmeisters, sogar Leschen oder Versammlungshäuser hatten. Auch diese Geschlechter führten ihre Register und die Aufnahme und Eintragung in dieselben geschah in ähnlicher Weise und zu denselben Zeiten, wie in die Phratrieen. Die Neubürger schlossen sich zu neuen Privatcultgenossenschaften zusammen mit demselben Zwecke und mit derselben Verfassung gleich den Cultgenossenschaften der ältern Geschlechter; jedoch nannten sich jene nicht Genneten, wie diese, sondern Orgeonen, mit welchem Namen freilich auch noch andere Cultgenossenschaften bezeichnet wurden. 4) Wie die Phratrieen mit den daran sich anschliessenden Verbindungen der Genneten und Orgeonen das religiöse Leben umfassten, so die Demen, deren Zahl in Attika zuletzt auf 174 anstieg, 5) mit den zehn darüber stehenden Phylen das politische, obwohl aber auch die einzelnen Demen ihre besondern Gottheiten und Cultus, nur weniger eingreifend, hatten. Die Demen waren die eigentlichen bürgerlichen




    1) Schoemann, I. S. 365; Hermann, §. 100.
    2) Schoemann, I. S. 360.
    3) Hermann, §. 101.
    4) Vergl. Hermann, §. 99, Anm. 10.
    5) Schoemann, I. S.368. Peter, S.37, Anm.96, schreibt dem Kleisthenes schon die Eintheilung in 174 Demen zu.



Versammlungen und führten gleichfalls sorgfältige Bürgerverzeichnisse, in welche die jungen Bürger nach ihrer Aufnahme, gewöhnlich nach zurückgelegtem 18. Jahre eingetragen wurden. Ihre politischen Rechte übten die Demen in den Versammlungen der durch Klisthenes von 4 auf 10 vermehrten Phylen, welche zu Athen stattfanden; die Demen wie die Phylen hatten neben dem oder den Vorstehern, dort Demarchen, hier Epimeleten genannt, besonders ihre ökonomischen Beamten; die Phylen, zugleich noch ihre Cultusbeamte zur Besorgung des besonderen Gottesdienstes.

Die Handwerker wie die Künstler waren in den älteren Phratrieen und Geschlechtern, oder in den neuern Demen und neuern Geschlechtsvereinigungen enthalten, je nachdem sie schon in den älteren Zeiten bestanden, oder erst späterhin aufgekommen waren. Die Ausübung des Handwerkes wie der Kunst war gewiss im Allgemeinen unter den göttlichen Schutz gestellt, indem die alten und neuen Geschlechter, die Phratrieen und Demen jene Götter und jene Heroen zu ihren besondern Schutzgottheiten erwählten und ihnen eigene Gottesdienste widmeten, welche mit ihrem Handwerke oder ihrer Kunst in einer nähern Beziehung standen, als die Erfinder und Einführer derselben galten u. s. w. Das genossenschaftlich-religiöse Leben, das ganze Sein und Leben der Griechen erscheint in dieser Weise höchst natürlich und zweckmässig, aber doch auch wieder mit tiefem Gefühle gestaltet. Der Lebensberuf war dem Vater wie dem Sohne, dem ganzen Geschlechte und dem Geschlechtervereine, der Phratrie oder dem Demos ein heiliger und höherer, weil ihre Götter selbst darüber beschützend wachten und ihnen durch alle Lebenslagen folgten; die Götter waren recht eigentlich mit dem Volke und dessen Bedürfnissen und Leben verwachsen; der Gottesdienst war ein wesentlich volksthümlicher und durch die Geschlechter, Phratrieen und Demen gepflegter und getragener. Der Religion, dem Cultus liegt als seine wesentlichste Aufgabe ob, das Volksleben, die Leiden und Freuden des Volkes, seine Beschäftigungen und Bestrebungen zu heiligen und zu vergöttlichen, und diese Aufgabe hatten die so feinfühlenden und künstlerischen Griechen sicher gelöset, wes-





halb allen ihren Verbindunoen ein religiöses Gewand um geworfen ist, dieselben mit eigenen Gottheiten und Gottes diensten verknüpft waren. 1) Was die Griechen vielleicht ohne klares Bewusstsein der Absicht im blossen richtigen Naturgefühle geübt haben, sollten unsere Gewerbsgesetz gebungen nunmehr mit der ernstlichsten Absicht thun und das Gewerbs- und Volksleben auf eine sinnreiche Weise mit dem Gottesdienste, mit den besonderen Jahresfesten der einzelnen Volkstheile in Zusammenhang bringen. Wenn z. B. noch heute die ?Akademien und Universitäten die Stiftungstage und ihre Stifter feiern, sind diese Feiern doch in der Zeit verschieden von dem Dienste der 100 Heroen der attischen Demen 2) von dem Dienste der gewerblichen oder künstlerischen Schutzgottheit eines einzelnen Geschlechts oder auch eines ganzen Geschlechtervereins. Bei den Griechen standen die Gemeinds- und Gewerbsgenossen zugleich in einer wirklichen religiösen Gemeinschaft, - alle Staatsvereine, Staats- und Volksabtheilungen waren zugleich religiöse oder gottesdienstliche; auf demselben Grundsatze ruhten die Genossenschaften, die Collegien, also auch die Gewerbsgenossenschaften bei den Römern und diese Grundlage behielten auch die daraus hervorgegangenen oder doch daran sich anschliessenden germanischen mittelalterlichen Genossen schaften bei. Der Neugeborene, der Herangewachsene und sich Verehlichende wurde durch eine angemessene Feier in die bürgerlich-religiöse Verbindung des Geschlechtes, der Phratrie und des Demos eingeführt und aufgenommen, wie gewiss auch sein Unglück, seine Krankheit und sein Tod nicht theilnahmlos vorübergingen. Diese Vereine und ihre Theilnahme daran waren gesetzliche, nothwendige, öffentliche oder staatliche; daneben waren aber die freiwilligen Vereine, Hetärien, zu dem Zwecke gemeinsamer Freuden, gemeinsamer Unterstützung und Gottesverehrung, Freundschafts- und Liebesbünde, - Bruderschaften jeder Art ebenso erlaubt wie üblich. 3) Thiasoi wurden




    1) Schoemann, I. S. 369.
    2) Schoemann, I. S. 368.
    3) Symbolik, II. S. 598.



die Hetärien genannt, wenn der Verein an eine besondere Gottheit, ihre Opfer und Opferschmausereien angelehnt war, und Eranoi die wechselseitigen Unterstützungsgesellschaften, obwohl auch bei ihnen Lustbarkeiten und Schmausereien nicht ausgeschlossen waren. 1) Diese freiwilligen Hetärien können aber unmöglich jene Festigkeit, jene Innigkeit und jenen Wirksamkeitsumfang gehabt haben, wie die Phratrieen und Demen und die unter ihnen stehenden Geschlechtsverbindungen, weil in diesen eben sehr viele wirkliche Blutsverwandte, Geschlechtsverwandte bleibend verbunden waren, so dass die Mitgliedschaft in ihnen sich förmlich vererbte und man daher Mitglied des angestammten Demos 2) und wohl mehr noch der Phratrie und der Geschlechtsverbindung blieb, auch wenn man dort nicht mehr wohnte oder Güter hatte. Die Phratrieen und noch mehr die Geschlechtsvereine sind in ihrem letzten Ursprunge reine Familienvereine und haben sich erst allmählig und später theils aus sich selbst, theils durch Neuangekommene zu allgemeinen örtlichen Vereinen erweitert. 3) Es möchte daher nicht zu bezweifeln sein, dass in den Phratrieen, in den Bruderschaften die Mitglieder sich Brüder () genannt und davon die Verbindungen selbst den Namen erhalten haben. Die kleinern Staaten sind selbst in ihrem geschichtlichen Ursprunge nicht selten nur grosse Familien. Ist diese Vermuthung bezüglich der griechischen Phratrieen gerechtfertigt, dann wird es auch gewisser, was vielfach bezweifelt werden wollte, dass ebenso die Mitglieder der römischen Gewerbscollegien Brüder sich genannt haben.

Betrachtet man die Eintheilung des attischen Volkes vor Klisthenes in 4 Phylen, 12 Phratrieen, 360 Geschlechter und 10,800 Familienväter (da jedes Geschlecht aus 30 Familenvätern oder vielmehr 30 Hausbesitzern bestanen haben Soll 4) noch näher, möchte man darin die miliärische Gliederung eines Volkes oder Volksstammes er-




    1) Schoemann, I. S. 364; Hermann, §. 146 Anm. 9.
    2) Schoemann, I. S. 368.
    3) Hermann, §. 99.
    4) Hermann, §. 99 Anm. 4.



blicken, der Attika erobernd besetzte und das Land unter sich nach der Heeresordnung vertheilte. Der attische Staat wäre somit auf Grundbesitz, wenn auch nicht gerade ausschliesslich auf Ackerbau gegründet gewesen, wie darauf in der That von Solon seine Verfassung gegründet wurde 1) und schon vor ihm Lykurg den Staat der Spartiaten auf eine unangreifbare oder unveränderbare Ackervertheilung gestützt hatte. 2) Die ursprüngliche Grundvertheilung scheint schon eine ungleiche gewesen zu sein, indem wohl ältere, höher stehende oder sonst aus irgend einem Grunde bevorzugte Geschlechter einen grösseren Grundbesitz erhielten; jedenfalls verarmten bis auf Solon sehr viele kleinere Grundeigenthümer und es erzeugte sich eine stets grössere, aristokratischere Ungleichheit des Vermögens, der Gewalt und der Rechte, welche Solon zwar beschränkte, jedoch nicht gewaltsam verdrängte. Die Eupatriden, welche bis auf Solon die regimentsfähigen Geschlechter der vier Phylen in Attika ausmachten, sind vermuthlich der älteste Grundadel. 3) Offenbar ist in der obigen Volkseintheilung ganz unvermittelt und äusserlich das (ältere) Duodecimalsystem mit dem Decimalsystem verbunden. Den Mittelpunkt der Eintheilung bilden die 12 Phratrieen, d. h. die 12 Monate des Jahres mit je 30 Tagen, welche letztere hier als 30 Geschlechter erscheinen. Die 12 Monate oder 12 Phratrieen vereinigen sich je zu drei zu den 4 Phylen und diese gleichen damit den 4 Zeiten des Jahres mit je 3 Jahresmonaten. Die 30 Hausbesitzer oder eigentlich 30 Häuser, welche ein Geschlecht umfasst, 4) sind aus dem Missversstande der Dreissigzahl der Geschlechter einer Phratrie entstanden; denn hätte man diese noch als eine Analogie der Dreissigzahl der Monatstage gefasst, würde man am nächsten dazu gelangt sein, ein Geschlecht aus 24 Hausbesitzern, als analog den 24 Stunden eines Tages und noch analoger dem Duodecimalsysteme, zusammenzu-




    1) Schoemann, I. S. 329 ff.; Peter, S. 32.Anm. 68; Hermann, §. 108.
    2) Peter, S. 20, Anm. 20.
    3) Hermann, §. 96; Schoemann, I. S. 322.
    4) Peter, S. 32. Anm. 68.



setzen; statt dessen wird die Dreissigzahl wiederholt und damit in das hier ungeeignete Decimalsystem hineingegriffen. Nach dem Duodecimalsysteme wurde in der That jede der 4 Phylen später in 12 Naukrarien getheilt, welche 48 Naukrarien, von denen je 4 wieder in nordischer Weise zu einer Trittye verbunden waren, 1) die Verpflichtung hatten, je ein Kriegsschiff zur Flotte zu stellen, und darnach die Benennung hatten. Auch musste jede Naukrarie zwei Reiter zum Heere stellen. 2) Diese Anknüpfung der Naukrarien an die Phylenverfassung beweiset zugleich, dass die letztere ursprünglich eine militärische gewesen. Klisthenes verliess das Duodecimalsystem, welches sich gerade dadurch als das frühere darstellt, aber ganz und wählte das Decimalsystem für die Phylenverfassung, was auch die Zehnzahl für viele Staatscollegien, die Hundertzahl (10 x 10) der Demen, die Fünfzigzahl der Naukrarien (5 x 10) und die Fünfhundertzahl (10 x 50 aus jeder Phyle) für den obersten Rath zur Folge hatte. 3) Aus der Bestimmung des atheniensischen Freistaates, dass zu Bürgeraufnahmen, bei Beschlüssen gegen eine bestimmte Person, wie namentlich bei dem von Klisthenes eingeführten Ostracismus, in der Volksversammlung mindestens 6000 Zustimmende vorhanden sein mussten, 4) darf vielleicht vermuthet werden, es seien als volle Zahl der Volksversammlung und damit auch der wehrhaften Männer 12,000 vorausgesetzt. Die 12 Phratrieen wären sonach die 12 Abtheilungen des jüdischen und macedonischen Heeres, die 12 Stämme des atheniensischen Volkes. Die Phratrie wäre ursprünglich gleichbedeutend mit einem grossen Tausend oder 12 Hundertschatten, welche in 30 Geschlechter aus mythischem Grunde eingetheilt und nur als kleines Tausend angenommen werden, so dass auf jedes Geschlecht ungenau oder ungleich 33 oder 34 Mann fallen würden, wofür man die runde Zahl 30 gesetzt hat.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich in Attika und anderen griechischen Staaten die Demokratie, das freie




    1) Schoemann, I. S. 373; meine Symbolik, II. S. 674.
    2) Schoemann, I. S. 328.
    3) Schoemann, I. S. 338 und 372; Hermann, §. 111 u.153ff.
    4) Hermann, §. 130, Anm. 6; Schoemann, I. S. 357.



Bürgerthum, der dritte Stand ganz in derselben Weise ausgebildet und den alten Kriegs- und Grundadel, die alten Eupatriden, die Ritter der solonischen Gesetzgebung, 1) gestürzt oder verjagt habe, wie dieses in den spätern mittelalterlichen Städten geschehen, nämlich in Folge des Aufblühens der Schifffahrt und des Handels, der städtischen Gewerbe und Künste, wodurch der Seedienst und das Geldvermögen das Uebergewicht gewann. Die Entwickelung des Griechenthums, - der griechischen Volksfreiheit, Kunst und Wissenschaft, - des griechischen geistigen und materiellen Reichthums sind innigst verschwistert oder nur verschiedene Erscheinungsformen des allseitig erwachten Volksgeistes, welcher zur See und zu Lande, in der Heimath wie in den Colonien, in der Stadt wie auf dem Lande, in der Kunst wie in der Wissenschaft sich gleich mächtig und schaffend regte. Die Perserkriege entflammten die Griechen zur höchsten und schönsten Kraftanstrengung, eröffneten ihnen das Feld der herrlichsten Thaten, aber auch des baldigen Wiedersinkens indem es den Menschen und den Völkern leichter ist, die Höhe zu ersteigen, als sich darauf zu erhalten. Wenigstens seit der solonischen Gesetzgebung scheinen die Genossenschaften, die Hetärien, die Bruderschaften bei den Griechen in demselben Umfange und mit demselben Erfolge zu politischen Zwecken und zu politischen Verbindungen gebraucht worden zu sein, wie später in den germanischen Staaten des Mittelalters. Nach Schoemann, I. S. 364, wird der Name Hetärie vorzüglich im politischen Sinne für geheime und unerlaubte Verbindungen gegen die bestehende Staatsordnung gebraucht, wäre somit gleichbedeutend mit den in den fränkischen Capitularien, den Concilienbeschlüssen und Beschlüssen der deutschen Kaiser verbotenen Schwurgenossenschaften, Gilden, Conjurationes, wovon unten an seinem Orte ausführlicher die Rede sein wird. Von den solonischen Gesetzen über die Genossenschaften sprach Caius im Buch IV. zum Zwölftafelgesetze und nach ihm L. 4 D. de collegiis et corporibus (XLVII. 22), welche Stelle Schoemann, I. S. 363 ff., gleichfalls




    1) Schoemann, S. 331.



commentirt. Caius erwähnt, dass Genossen (sodales) Diejenigen genannt werden, welche zu demselben Collegium, im Griechischen zu derselben Hetärie gehören. Diesen Genossen gestatte das Gesetz, pactionem, quam velint, sibi ferre, dum ne quid ex publica lege corrumpant, was einem solonischen Gesetze entlehnt zu sein scheine. Der Inhalt des solonischen Gesetzes wird, wenn anders unsere Auffassung richtig ist, dahin gegeben, dass die Demen oder Phratrien (, im Lateinischen übersetzt: plebs vel fratres), die Cultgenossenschaften (, sacrorum sacramentales), die Schiffergesellschaften, die Tischgenossenschaften, die Begräbnissvereine (, qui in eodem sepulcro sepeliuntur), die Opfermahlgenossenschaften , sodales), (nach Schoemann ) , vel ad praedam abeuntes (die Kapereivereine zufolge Schoemann) und die Handelsgesellschaften sich beliebig einrichten dürfen (quidquid horum disponant inter se, firmum sit), wenn nicht einem bestimmten verbietenden Gesetze entgegengehandelt werde (nisi hoc publicae leges prohibuerint). Diese Verordnungen griechischer und römischer Kaiser gegen die unerlaubten Genossenschaften (illicita collegia) haben aber so wenig geholfen, als später die Reichsgesetze und die Kirchengesetze, indem die unerlaubten Verbindungen ja nur einen erlaubten und besonders heiligen Deckmantel vorzunehmen hatten. Daher bestimmt L. 1, §. 1 D. de coll. et corp.: "Sed religionis causa coire non prohibentur, dum tamen per hoc non fiat contra senatus consultum, quo illicita collegia arcentur." Eine kaiserliche Verordnung hatte auch vorgeschrieben, dass Niemand mehrerer Collegien Mitglied zugleich sein könne, sondern sich auf ein Collegium beschränken müsse, welche Vorschrift aus nahe liegenden Gründen sehr nachtheilig und hemmend für die Verkehrs- und Gewerbsfreiheit war. Jedenfalls aber gab es zu Athen in seiner demokratischen Zeit keine von ihrem Betriebe ausschliessende Gewerbsinnungen oder Vereine, indem den Schutzverwandten oder Beisassen, den in Athen wohnenden und niedergelassenen Nichtathenern () gegen die jährliche Abgabe von nur 12 Drachmen für die Familie die Betreibung aller bürgerlichen Gewerbe und Handthierungen unter dem Schutze





der Gesetze gestattet wurde. 1) Nach. Schoemann, I. S. 355, hätten die Fremden neben den 12 Drachmen, gleichsam einer Kopfabgabe, noch eine besondere Gewerbssteuer bezahlen müssen. Indessen berechtigt diese humane Niederlassungs- und Gewerbsfreiheit des atheniensischen Freistaates nicht zu dem Schlusse, dass es sich stets so verhalten habe und unter den Königen und während der aristokratischen Herrschaft keine andere gesetzlichen Einrichtungen bestanden haben. Was zu Athen und im freien Griechenland die Ausbildung eigentlicher Gewerbsinnungen verhinderte oder sehr beschränkte war der Umstand, dass die reicheren Bürger die Handwerke und Gewerbe, namentlieh aber den Bergbau, durch Sklaven betreiben liessen. 2) Selbst der atheniensische Staat liess in der Münze durch Staatssklaven arbeiten. 3) Ein gewisser Diophantes hatte den nicht ausgeführten Vorschlag gemacht, dass der Staat zur Beschaffung aller Handwerksarbeiten für öffentliche Zwecke Sklaven verwenden sollte.

Nach Schoemann, II. S. 374, standen bei den Griechen gewiss die Familien und Zünfte der Baukünstler und bildenden Künstler, die ja vorzugsweise im Dienste der Religion arbeiteten, in einer nähern Beziehung zu den Tempeln und Priesterschaften, obgleich sie, wenigstens in den spätern Zeiten, keineswegs eigentliche Tempeldiener, noch weniger aber "priesterliche Personen" zu nennen sein dürften. Thiersch, Epochen, S. 36, theilt mit Böttiger die Ansicht, dass in Aegypten und in Griechenland die ganze Rangordnung und Stellung der einzelnen Künste, welche vereint nur den Göttern und ihrem Dienste dienten, in beiden Ländern dieselbe sei: "In beiden Ländern herrscht die Baukunst; ihrem Dienst zugeordnet ist die Sculptur, bestimmt mit ausgemeisselten und eingehauenen Bildern die Werke von jenen zu schmücken. Dieser wieder als Dienerin zugegeben ist die Malerei, deren ganzes Geschäft sich darauf beschränkte, mit den 4 heiligen Farben die Gestalten und Sinnbilder anzustreichen, die unter dem




    1) Hermann, §. 115, Anm. 6; §. 126, Anm. 9.
    2) Schoemann, I. S. 350.
    3) Schoemann, I. S. 353.



Meissel von jenen hervorgingen." Dass die ägyptische Kastenverfassung mit einer vorherrschenden übermächtigen Priesterschaft, welche in einer überraschenden, noch unerklärten Uebereinstimmung auch in Indien besteht, in Griechenland in der geschichtlichen Zeit wenig oder gar nicht hervortritt, hat wohl darin seinen Grund, dass bei den Hellenen und den Pelasgern auf den langen Zügen und Wanderungen des Kampfes aus Asien um das schwarze Meer herum bis in das heutige Griechenland die Krieger, die Heroengeschlechter an die Spitze der Volksstämme getreten waren, welche dann in dem eigenen Rechte und in der eigenen Macht zugleich die Freiheit des Volkes vor einer Priesterherrschaft bewahrten. Griechenland hat daher ein Heroenzeitalter und das Epos, welche den frühe in dem Nilthale niedergelassenen und dem Acker- und Städtebau zugewandten Aegyptern unter ihrer Priesterschaft und dem priesterlichen Königthume fehlen. Ebenso war Griechenland mit den weiten vielgetheilten Meeresküsten und den zahlreichen , über das ganze Mittelmeer ausgebreiteten Inseln durch die Natur schon jegen die ägyptische Abgeschlossenheit und Erstarrung geschützt und dem regsten Völker-, Handels- und Geistesverkehre geöffnet; die freie griechische Kunst und Bildung ist das schönste und höchste Erzeugniss des gesegneten und ewig heitern griechischen Bodens. Die Wiege des jungen griechischen Künstlers, der griechischen Kunst umstehen die Völker des Mttelmeeres, besonders die Aegypter und Phönicier mit ihren reichen Geschenken der Handwerke, des Metallgusses und Bergbaues, der Schifffahrt und des Schiffbaues, der Webkunst und der Kunst der Stickereien, des Steinbaues u. s. w., weshalb auch schon in den ersten geschichtlichen Anfängen und vorzüglich in den Zeiten Homers 1) die griechische Kunst eine höhere Stufe einnimmt, namentlich aber mit den zu bearbeitenden Stoffen nicht mehr zu kämpfen hat. Der cubische Stein 2) mit dem darauf liegenden Winkelmasse, welches dirigit




    1) Vergl. Thiersch, Epochen, S. 9, Anm. 9 , u S. 42, Anm.
    2) Vergl. Lenning, Encyklopädie unter Cubik-Stein; Ragon, rituel du grade de cornpagnon, Paris 1860, S. 36 ff.



obliqua, könnte das uralte ägyptisch-griechische Symbol der dankbaren Erinnerung sein, dass der Mensch die rohen Steine zu behauen und zu formen gelernt habe, wie die gleiche Dankbarkeit in den eleusinischen Geheimnissen die Erfindung und Einführung des Ackerbaues feierte. Der Hammerschlag, welchen die Maurer noch heute bei ihrer Weihe symbolisch erlernen müssen und der mit den Graden sich steigert, soll nur an den mühevollen Werth erinnern, welchen dieser Hammerschlag, der überwindende und glättende Hammer für die erste Menschheit hatte. Der Grieche als Schüler der Aegypter ist der Dädalos, der am Anfange der geselligen Bildung steht und nach Plinius, hist. nat. VII. 57 die Säge, 1) die Axt, das Bleiloth, den Leim und Kitt, und, wir dürfen beifügen, den Hammer erfunden und gefunden hat. Es ist ganz undenkbar, dass ein so phantasie-, kunst- und geistvolles Volk, als die Griechen gewesen, nicht auch die Erfindung der Baukunst, der ersten und nützlichsten aller menschlichen Künste, durch religiöse Symbole und Feiern, durch Mysterien sollten verherrlicht haben, und es erscheinen uns demnach der Hammer und Ilammerschlag, der rohe und cubische Stein, das Winkelmass und der Winkel, der Zirkel und der Kreis nebst den darin befindlichen Vielecken, das Bleiloth u. s. w. als uralte, als unbestreitbar ägyptisch-griechische Symbole. Der geöffnete Zirkel ist z. B. auf einem Steine des Berliner Museums 2) dem Atlas als Astronomen beigegeben, andeutend, dass er mit dem Zirkel die Bahnen der Sterne messe. Schnur und Hammer erscheinen namentlich auch als die Attribute des Menschenbildners Prometheus. 3) Diejenigen, welche die Alterthümlichkeit dieser Symbole stets bezweifeln und bestreiten, sollten doch nur einmal durch die That beweisen, dass die Erfindung und die Einführung sinnvoller und geschichtlicher Symbole so leicht sei; es ist viel leichter, eine Urkunde zu zerreissen als zu verfassen und




    1) Vergl. Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9 a, Anm. ***
    2) Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 829.
    3) Wieseler, Il. Nr. 835 ff.



niederzuschreiben. Ist es doch auch schon schwer genug, von den erhaltenen Symbolen nur eine passende Deutung und Erklärung zu geben, dass man deren Erfindung nicht weniger schwer glauben sollte. Die Franzosen lassen den cubischen Stein nach eigener Erfindung auf seiner obern Fläche in eine Pyramide endigen, wie Ragon erklärt, um die heiligen Zahlen darauf zu schreiben (dans le but d'y inserire les nombres saerés). In den Gesellenkatechismen der deutschen (schottischen) und besonders der französischen Logen wird weiter gelehrt, dass der cubische Stein den Gesellen diene, um ihre Werkzeuge daran zu schleifen und zu schärfen (pour aiguiser leurs outils), was kaum in einem andern als ethischen Sinne und dahin gefasst werden könnte, dass an dem behauenen Steine die Gesellen den rohen Stein zu behauen lernen sollen.

Dass die Griechen in dem Heroenzeitalter mit dem ägyptischen Steinbau und den sich daran anschliessenden Künsten bekannt geworden seien, d. h. dass die erobernden und sich fest niederlassenden Griechen in Griechenland zuerst nach ägyptischem Style und mit ägyptischen Mitteln gebauet haben, möchten die so merkwürdigen und in das höchste griechische Alterthum hinaufreichenden Schatzhäuser im Peloponnese und in Böotien erweisen. 1) Der Erzschmuck, den diese Schatzhäuser im Innern gehabt zu haben scheinen, möchte zunächst den Phöniciern angehören und erinnert an das vergoldete Innere des salomonischen Tempels. 2) Aus dem so lange Jahrhunderte sich kaum bemerklich verändernden und bis auf die fünfzigste Olympiade oder bis gegen die Zeiten der Perserkriege fortdauernden Kunst- und insbesondere Sculpturstyl, welcher oft z. B. von Thiersch als der heilige oder hieratische bezeichnet wird, darf vielleicht geschlossen werden, dass der Kunst, sei es durch die Priester unmittelbar, sei es durch bestimmte Satzungen der geschlossenen Künstlerinnungen selbst, gewisse religiöse Schranken gesetzt und bestimmte bleibende Vorschriften über bild-




    1) Vergl. darüber Thiersch, Epochen, S. 10, Anm.
    2) Symbolik. II. S. 144.



liche Darstellungen gegeben gewesen seien, wodurch die Kunst ihren heiligen festen und unveränderlichen Charakter erhielt. Indessen könnte jene lange scheinbare Unveränderlichkeit und Unbeweglichkeit der alten griechischen heiligen oder religiösen Kunst auch blos eine Wirkung des gesammten künstlerischen Stilllebens und Stillstehens während jener Zeiten sein; jedoch ist dieses unwahrscheinlich. K. O. Müller, um bei dem altgriechischen oder hieratischen Kunststyle ägytische Einflüsse nicht zugeben zu müssen. nennt ihn das freiwillige Anschliessen aller Künstler an anerkannt grosse Muster; abgesehen davon, dass es damals noch keine grosse Muster gab und geben konnte, müsste doch der Grund des freiwilligen Anschliessens Aller noch dargelegt werden. Das Glaublichste möchte sein, dass die Anfertigung der Kultbilder die erbliche Beschäftigung gewisser Handwerks- und Künstlerinnungen, oder auch ursprünglich priesterlicher, mit den Priestern zusammenhängender Geschlechter gewesen sei und in die sen sich die altväterliche Verfertigungsweise, welche zugleich mit den alten religiösen Anschauungen zusammentraf, Jahrhunderte gleichmässig vererbte; erst als mit dem allgemeinen Aufblühen der freien griechischen Städte und Staaten die alten Zunfteinrichtungen allmählig zusammenbrachen und stets vollkommenere Freiheit der Gewerbe und der Künste eingeführt wurde, entwickelte sich ein freierer, der neue Kunststyl, indem sich zugleich die eigentlichen Künste und Künstler mehr abtrennten von den blossen Handwerken () und Handwerkern (). Thierseh S. 28 Anm. und S. 122 ff. glaubt, es sei zu Athen eine aus Aegypten mit dem Dienste des Hephästos (Phthas), der Athene (Isis oder Neith) und des Apollo Patroos herübergebrachte Werkstätte, an deren Spitze die Sage den Dädalos stellte, die älteste Kunstwerkstätte, die altattische () gewesen, indem durch die Ankömmlinge und das aus ihnen entsprungene Geschlecht der Erechthiden mit den Göttern und ihrem Dienste auch Behandlung der




    1) Vergl. Thiersch, S. 92 ff.
    2) Vergl. darüber auchl Thiersch, S. 100 ff.



Stoffe, besonders der Metalle gelehrt worden sei. In der ältesten Stammeintheilung von Athen erscheint auch eine Zunft der Dädaliden vom Stamme der Argaden oder Gewerbtreibenden, in welcher wie in den andern Zünften auch nach der Ansicht von Thiersch die Kunst sich ununterbrochen vom Vater auf den Sohn forterbte, was freilich z. B. Tittmann, 8. 617, widerspricht und nur an Schulen denken will. Indessen ist diese Erblichkeit eigentlich schon die natürliche Folge des Nichtvoranschreitens oder Nichtsichveränderns aller Völker im Anfange ihrer Geschichte, wie Völker Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende hindurch blosse Jäger oder auch Hirtenvölker waren. Es sind keine Schulen, die in der Urzeit der Völker ein Unding sind, sondern jedenfalls Geschlechts- und Stammgenossenschaften, wie wir diese auch bei den Germanen finden. 1) Den verschiedenen Berichten nach arbeiteten die Dadaliden vorzüglich in Holz, Elfenbein und Gold, in Erz, Thon und gebrannter Erde, in Stein und Marmor und waren also Bildschnitzer, Bildgiesser und Bildhauer, Steinmetzen (), wie auch Sokrates ein solcher attischer Dädalide oder Bildhauer gewesen war.Die Zunft der Dädaliden bestand ursprünglich mit allen übrigen Zünften aus den näher und entfernter verwandten Geschlechtsgenossen, welche noch dazu sieh regelmässig nur in der Sippschaft verehelichten und gemeinsame Opfer, einen gemeinsamen Gottesdienst hatten oder eine religiöse Bruderschaft zugleich waren; sie blieben daher stets durch die Interessen des erblichen Handwerks wie des eigenen Gottesdienstes in engster Freundschaft verbunden, auch nachdem Nichtgeschlechtsgenossen durch Heirath, Adoption oder auf andere Weise unter ihnen Zugang gefunden hatten. Wir hätten also hier wenigstens die älteste und Jahrhunderte blühende Bildhauer-, Steinhauerhütte, obwohl Thiersch gegen Hemsterhius den Namen der Steinmetzen nicht gelten lassen will (S. 126 Anm.). Einzelne sich auszeichnende Künstler scheinen den Namen Dädalos erhalten zu haben, weshalb so viele Werke, und aus ganz




    1) Vergl.. Maurer, Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadt-Verfassung, München 1854; S. 5 ff., S. 13 ff.



?verschiedenen Zeiten und Orten, des Dädalos genannt werden; nach Thiersch (S. 36 Anm. 28) werden alle Künstler vor Phidias unter dem Namen des Dädalos zusammengefasst. Ohne Zweifel waren diese Künstler auch Baukünstler und Baumeister, die Werkstätte zugleich eine Bauhütte, wie es auch Thiersch, S. 135, anzusehen scheint.

Auch die Kunstschule auf Kreta , 1) die schon in den frühesten Zeiten in der Erzarbeit sich auszeichnenden und berühmten Kureten und Daktylen, war eine ägyptische Gründung mit der attischen, und beide Kunstschulen werden mit einander durch Dädalos in Verbindung gebracht. Die kretischen Mysterien, die Mysterien der Kureten und Daktylen, gestatten zugleich die Vermuthung, dass die Kunstwerkstätten in Griechenland von den ägyptischen Priestern und Einwanderern ursprünglich als Mysterienanstalten wie in Aegypten eingerichtet worden seien. Dass die kretische Kunstschule namentlich auch eine Bauhütte gewesen, erhellt aus der Nachricht bei Vitruvius de Architect. VIII in Prooem., gegen den Anfang der Olympiaden sei aus Knosos, dem Hauptsitz der Dädaliden, Chersiphron nach Asien gezogen und habe dort mit Metagenes, seinem Sohne, den ionischen Tempel der Diana zu Ephesus erbauet. In Knosos erscheinen wieder die dortigen Mysterien 2) neben der Kunstwerkstätte oder vielmehr diese in jenen. - Zu Sikyon im Peloponnese, dem alten Mekone, wo Prometheus die Götter betrog, befand sich wohl ebenfalls schon im höchsten Alterthume eine priesterliche Werk- und Kunststätte, welche zu Prometheus in demselben Verhältniss stand, wie die attische, kretische und knossische zu Dädalos. 3) Wandernde Priester brachten, wenn nicht überall, doch meistens, mit dem Kultus auch die Anfänge aller Bildung, - der Gewerbe, Künste und Wissenschaften, so in Indien die Brahmanen und in Asien überhaupt die Buddhisten, bei den Germanen die Klostergeistlichen und bei den Griechen die ägyptischen Priester. Anfänglich ist Alles in der Hand und in dem Schatze der priesterlichen Stifter und Lehrer vereint und auch die




    1) Thiersch, S. 136.
    2) Symbolik, II. S. 501.
    3) Thiersch, S. 140 ff.



Arbeits- und Kunstschulen tragen ein priesterliches Gewand, bis im Laufe der Zeiten und bei vergrösserten Verhältnissen eine stets weitere Trennung und Sonderung und namentlich auch Verweltlichung erfolgt. Immerhin aber ist die Relligionsgeschichte, die Geschichte des Kultus und der Kultanstalten auch die Geschichte der Bildung und der Schulen, der Gewerbs- und der Kunstschulen, in denen anfänglich auch noch eine ungetrennte Vereinigung vorwaltet. - Aus der alten berühmten Werkstätte zu Argos, 1) an deren Spitze der mythische Epeios, der Verfertiger des kollossalen trojanischen Pferdes, stand und die mit dem Dienste und Tempel der Hera zusammenhing, sind gebildet durch den dortigen vorzüglichen Künstler Ageladas, die drei grössten Meister der zu ihrer Vollendung sich erhebenden griechischen Kunst hervorgegangen, Myron 2) aus Eleutherae, Phidias aus Athen und Polykletos 3) aus Argos. Hieraus ist abzunehmen, dass die sich auszeichnenden Kunstwerkstätten zugleich allgemein besuchte Bildungsschulen gewesen seien, wie auch solche Werkgtätten nur an den Orten aufblühten und sich erhielten, wo sich eine vielbesuchte Kultstatte, besonders mit Orakeln oder mit Spielen, befand, um an die frommen Besucher die Kultbilde, das hauptsächlichste Erzeugniss der damaligen Kunst und Künstler absetzen zu können. Bei den Griechen war ursprünglich und bis zur höchsten Entwickelung die Kunst Tempelkunst, wie die spätere germamsche Kirchenkunst; bei den Griechen und bei den Germanen war alle wahre Kunst eine heilige, eine dem Gottesdienste oder den Göttern geweihte. Die ältesten geschichtlichen Künstler aus Argos sind Eutelidas und Chrysothemis, welche um Olymp. 65 oder 529 v. Chr. die Bildsäule des olympischen Siegers Demaratos aus Heräa und die seines Sohnes Theopompos gossen. Das Epigramm darauf enthielt die Namen der beiden Künstler mit der Angabe, dass sie die Kunst von ihren Vorfahren erhalten haben ( heisst es nach




    1) Thiersch, S. 157 ff.
    2) Thiersch, S. 212 ff.
    3) Thiersch, S. 203 ff.



Pausanias 6, 10. §. 2) Die letztere Bemerkung des Epigrammes sollte wohl empfehlend und rühmend ausdrücken, dass die Künstler einem alten Künstlergeschlechte, einer alten Kunstschule angehören, - ächte Ahnen haben. - Ebenso besass Korinth, von wo der edlere Styl dorischer Bauart und die Erfindung erhabener Arbeit in Thon ausgegangen, eine alte und berühmte Kunstwerkstätte. 1) Hier war der bekannte viereckige Prunkkasten aus Cedernholz, aus heiligem Holze 2) mit eingelegtem Gold und Elfenbein verfertiget worden, welchen zum Andenken an die darin erfolgte wunderbare Erretttung ihres Ahnherrn aus Mordgefahr die Nachkommen des Königs Kypselos als ein Weihgeschenk zu Olympia auf gestellt hatten. 3) Selbst bei den Lahedämoniern und zu Sparta bestand in den ältern Zeiten eine nicht unrühmliche Kunstwerkstätte. 4) Bei der Eroberung und Zerstörung von Magnesia in Kleinasien durch die Kimmerier war von da eine Genossenschaft bildender Künstler, an ihrer Spitze Bathykles nach dem Peloponnes gekommen und hatte bei den Lakedämoniern Aufhahme und Arbeit gefunden. Bathykles baute hier mit den ihn begleitenden Künstlern für das 30 alte Ellen hohe Standbild des amykIäischen Apollo den kolossalen Thron, welchen Pausanias ausführlich beschrieben hat. An diesem Berichte über die von Bathykles geführte, wandernde Künstlergesellschaft ist zu entnehmen, dass schon im alten Griechenland sich die Künstlergenossenschaften wie im spätern Mittelalter verhalten haben, indem sie der Kunst und Arbeit nachwanderten. - Auch auf Rhodos wurde die Kunst schon in vorhellenischen Zeiten zunftmässig und in den Geschlechtern abgeschlossen betrieben; die Kunst war nach Rhodos durch die, ägyptischen oder doch phönicischen Priester, die Telchinen wahrscheinlich gebracht worden. 5) Aehnlichen Ursprungs, aber berühmter ist die Kunstschule auf Samos, wo gegen den Anfang der Olympiaden zu-




    1) Thiersch, S. 164 ff.
    2) Symbolik, I. S. 153.
    3) Pausanias, 5, 17 ff.
    4) Thiersch, S. 170 ff.
    5) Thiersch, S. 179, Anm. 85.



folge Thiersch, S. 180 und S. 219, Rhökos den Bau des Tempels der Hera, nach Herodot des grössten Tempels in ganz Griechenland, begann und mit seinem Sohne Theodoros, dem ägyptischen Künstlerzöglinge, 1) den Erzguss erfand. Noch berühmter aber, besonders auch durch Vervollkommnung des auf Samos erfundenen Erzgusses ist die äginetische Kunstschule. 2) Zu den hervorragenderen Künstlern der Schule zu Aegina gehören in der ältern Zeit Kallon, dessen Alter nach den sichersten Berechnungen in Olymp. 66 hinaufrückt, sodann Synnoon, Glaukias, Simon und Anaxagoras; am Schlusse der äginetischen Kunst steht Onatas, Sohn des Mikon aus Aegina, zugleich Maler und Erzgiesser. Gemäss Thiersch, S. 251 Anm., waren wahrscheinlich von Kallon die berühmten, jetzt zu München befindlichen äginetischen Bildsäulen um 65. Olymp. verfertigt. - Auf der Insel Chios blühte nach der Meldung von Plinius eine in der eigentlichen Bildhauerei oder in der Bearbeitung des Marmors sich auszeichnende Künstlerfamilie, welche im Anfange der Olymp. von Malas gestiftet sein sollte und bis auf die 60. Olymp. herab, zuletzt in Bupalos und Athenis, den Söhnen des Anthermos, blühte.

Die bisher aufgezählten alten und ältesten Kunstwerkstätten Griechenlands und der griechischen Inseln tragen in den wesentlichsten Beziehungen einen gemeinsamen Charakter. Als ihre letzte Heimath weisen sie auf Aegypten hin durch ihre Abgeschlossenheit und durch ihre Anlehnung an die einzelnen grossen Tempel, an den Gottesund Priesterdienst, - durch die erbliche Betreibung der Künste in den ursprünglich priesterlichen und ägyptischen Geschlechtern. Die strenge ägyptische Erblichkeit, die eigentliche Kastenverfassung konnte in Griechenland keine Wurzel fassen, weil sie an schon mehr entwickelte Volkszustande von Aussen hinzutrat; für Griechenland bewährte diese Kasten- und Geschlechterverfassung der Handwerke und Künste nur ihre wohlthätigen Wirkungen, indem sie die Erhaltung der einmal erworbenen Kunstfertigkeiten




    1) Symbolik Il. S. 493.
    2) Thiersch, S. 194 ff.



sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu





unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. - Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen- und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere





stets unvollkommen und mangelhaft sein wird, wie man sich in den farb- und tonlosen protestantischen Kirchen der Schweiz überzeugen kann. Das ausgemalte oder mit Gemälden geschmückte Gemeindehaus mit der gemeinsam zu dem einigen Gotte in der Höhe betenden und singenden Gemeinde sind die Eigenthümlichkeit und der Fortschritt der christlich-germanischen Völker gegenüber den Griechen, welche nur gemeinsame Opfer mit Gesang und Tanz, und Kampfspiele zur Feier ihrer Götter kannten und diese ausserhalb der Tempel daher begehen mussten. Nachdem in Griechenland und bei den mittelalterlichen christlich-germanischen Völkern die Künste geworden waren, die Künste zu ihrer Höhe sich emporgeschwungen hatten, waren sie damit von den Handwerken nunmehr innerlich verschieden und getrennt, welche Trennung deshalb bald auch äusserlich vollzogen wurde. In der revidirten gemeinen deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563 wie auch schon in der Steinmetzordnung von 1464 ist die Verbindung zwischen Kunst und Handwerk nur noch eine in der letzten Auflösung begriffene, nur noch eine freiwillige von Seiten der Künstler, indem Art. 2 verordnet, dass derselben unterworfen sein sollen die Meister, "die köstliche Beuw und solch werck machen können, da sie auff gefryget sind und mit keinem Handwerk dienent, sie woltend es denn gerne thun." 1) Die Bauhütte, die volle und ungetheilte Künstlerwerkstätte theilte und trennte sich immer mehr, indem namentlich die einzelnen Handwerke, besonders der Maurer, den Städten als besondere Zünfte einverleibt wurden und diesen Handwerkerzünften beliebig auch die Künstler beitraten, ohne jedoch ihre Verbindung mit der ältern Bauhütte aufzugeben. 2) Die allgemeinen Bau- und Künstlerhütten sanken zu blossen städtischen Steinmetz- und Handwerkerzünften herab. Die gemeinen deutschen Steinmetzordnungen sind nur die letzten Lebensregungen, die erfolglosen Wiederbelebungsversuche der schon sinkenden deutschen Bauhütten und deutschen Baukunst, denn




    1) Krause, II. 1. S. 295; Heideloff, Bauhütte, S. 61.
    2) Krause, II. 1. S. 271, Anm. 7.



eine andere und neue, eine kunstlose Zeit nahte und begann.

Die geschlossenen griechischen Kunstwerkstätten, die geschlossenen Handwerker- und Künstlerverbindungen, die Geschleehtergenossenschaften waren nicht blos den Nichtgenossen verschlossen, sondern auch ihre technischen Kenntnisse und Fertigkeiten bewahrten sie als ihr ursprüngliches Familiengeheimniss und Familiengut, um es als solches ihren Nachkommen zu überliefern, wie sie es von ihren Vorfahren empfangen hatten. Wenn späterhin diese Genossenschaften sich auch mehr öffneten und eigentliche Fremde als Mitglieder zuliessen und aufnahmen, blieben sie doch immerhin noch geschlossene und waren nur leichter zugänglich. Eben deshalb war gewiss die Aufnahme in die Genossenschaft stets eine feierliche, auf die Einschärfung des zu bewahrenden Geheimnisses berechnete und vermuthlich auch eine gradweise, jedoch fehlen alle näheren und bestimmten Nachrichten darüber. Da die hierher gehörenden Handwerke dem Hephistos, Dädalos oder der Athene, also Feuer- oder Lichtgottheiten gewidmet waren und da zu Athen die Aufnahme in die Familie und den Familienverein der Phratrie als eine Mittheilung des heiligen Feuers bei dem jährlich im October gefeierten Feste der Apaturien erfolgte, 1) dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Aufnahme in die Handwerksgenossenschaft, zum Mitglied einer Kunstwerkstätte eine weihende Lichtertheilung, eine Mysterienaufnahme im Wesentlichen gewesen sei, wodurch aber Verschiedenheiten nach Orten und Gegenden nicht ausgeschlossen werden, wie dieses die Einrichtungen der Daktylen, Korybanten und Telchinen, soweit dieselben bekannt sind, bestätigen. Verschiedenen Kunstwerkstätten als Genosse anzugehören, in verschiedene Mysterien eingeweiht sein, hatte im Alterthum ungefähr denselben Sinn, wie wenn wir von dem Besuche mehrerer Bauschulen, Kunstakademien oder Hochschulen reden. In dem Kunststyle der verschiedenen alten Kunstwerkstätten und in ihrer Kunsthöhe bestand nach Thiersch, S. 246 ff., kein




    1) Symbolik, II. S. 274.



wesentlicher Unterschied, ihre Kunst soll eine und dieselbe gewesen sein, was aber als wahr nicht zu billigen sein möchte, da nothwendig das grössere Geschick und höhere Talent der einzelnen Werkstätten und ihrer ausgezeichneteren Meister einen innern Unterschied der Werke erzeugen musste, wenn sie auch wegen des zu beobachtenden heiligen Canon, wegen der bestehenden priesterlichen Vorschriften eine gewisse äussere Gleichförmigkeit an sich trugen; waren ja in den verschiedenen griechischen Städten und Staaten auch verschiedene Gottesdienste und verschiedene Götter eingeführt. Die Bezeichnungen der Arbeiten der einzelnen Werkstätten bei den Griechen und Römern durch Buchstaben oder auf andere Weise, durch Fabrikzeichen, Töpfernamen, Steinmeizzeichen u.s.w., kannen nur die Absicht der Empfehlung der Arbeit gehaben. Ganz neuerlich wurden z. B. in dem Theater des Herodes Atticus zu Athen aus dem 2. Jahrh. nach Chr. steinharte Ziegel aus Thon aufgefunden, welche griechische Buchstaben als Bezeichnung tragen und womit alle solche Ziegeln bezeichnet gewesen zu sein scheinen. 1) Es dürfte daher auch die Ansicht Heideloffs, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, S. 18, nicht begründet sein, dass die Steinmetzzeichen oder Monogramme, welche einem jeden Steinmetzgesellen als sein eigenthümliches Zeichen zur Bezeichnung seiner Arbeiten verleihen und in dem Gesellenbuche neben seinem Namen eingetragen wurden, erst im 15. Jahrhundert in Deutschland gebräuchlich geworden seien. 2) Diese Steinmetzzeichen, Arbeitsbezeichnungen der einzelnen Werkstätte oder auch der einzelnen Werkmeister, finden sich als ein Nothwendiges und Unentbehrliebes zu allen Zeiten und in allen Ländern, wie z. B. auch Capitän Spratt und Professor Torbes , Reisen in Lydien (London 1847), Steinmetzzeichen mittheilen, welche sie an den Steinen einer alten türkischen Ruine (Old Khan), 3 Meilen vom Gulelook-Pass, auf dem Wege von Adalia landen. Kommen doch diese Steinmetzzeichen, Hausmarken und Logenzeichen bei den Indern sogar in verschie-




    1) Ausland für 1861, S. 24.
    2) Vergl. Symbolik I. S. 95 ff.



dener Farbe auf die Stirn oder Brust gemalt vor, um die Verehrer dieses oder jenen Gottes, die Bekenner dieser oder jener Secte erkennen zu lassen. Paulin voyage aux Indes orientales, II. S. 293 ff., hat diese indischen hieroglyphischen Zeichen, wie er sie nennt, theilweise beschrieben und auf Taf. X. b seiner Abbildungen dargestellt. Die Nummern 1 , 2, 6, 7 und 8 nähern sich den eigentlichen Hausmarken, wogegen die übrigen Zeichen aus Bildern oder göttlichen Symbolen bestehen, z. B. dem Auge der Vorsehung, dem Feuerdreiecke, dem Lingam, einem Bogen, Vierecke, Mondsviertel u. s. w. Auch der jüdische Hohepriester trug den Namen des Jehovah auf die Stirne geschrieben, was vermuthlich Nachahmung einer ägyptischen Sitte war, da in Aegypten auf dem Kopfe des Osiris der dreifache Phallus, der Dreizack des Çiwa erscheint. Den Steinmetzzeiehen stehen auch gleich die Zeichen der Goldschmiede, womit dieselben ihre schwerern Arbeiten, z. B. nach Vorschrift der Goldschmiedeordnung von Heidelberg aus dem J. 1563, bezeichnen mussten, damit ein Jeder über Nacht zu finden sei. 1) Dazu musste noch durch ein besonders hiefür bestelltes Rathsmitglied ein städtisches oder obrigkeitliches Zeichen (ein bestimmter Buchstabe des Alphabetes) gefügt werden, dass die Waare geprüft und probehaltig gefunden worden sei. Auch die Münzzeichen sind gleichen Entstehens. Dass die von den Privaten einmal angenommenen oder ihnen verliehenen Zeichen nicht willkührlich verändert werden durften, versteht sich. 2)

Die vorgehenden Ausführungen weisen zugleich die Richtigkeit der Angabe der Yorker Constitution vom Jahr 926 nach, dass schon die Griechen gleich den Römern "Logen", d. h. geschlossene Kunstwerkstätten, Zünfte eingeführt hatten. Krause, II. 1. S. 83, Anm. 3, glaubt sogar, dass in den ersten Jahrhunderten nach Chr. wie in alle römischen Provinzen so auch nach Britannien sich griechische Künstler und Gelehrte verbreitet hatten. Auch




    1) Mone, Zeitschrift, III. S. 161 unten.
    2) Vergl. Art. 59 der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom Jahr 1563.



behauptet die Yorker Urkunde noch, 1) dass bei der im J. 926 auf der dortigen allgemeinen Maurerversammlung den englischen Maurern ertheilten Verfassung die Einrichtungen der Griechen, worüber Schriften vorgelegt worden, Berücksichtigung gefunden haben. Nachdem die griechische Freiheit zuerst dem macedonischen Könige Philipp und dann den Römern erlegen war, bestanden die griechische Kunst und ihre alten berühmten Werkstätten namentlich auf Rhodos, zu Athen und Sikyon dennoch noch Jahrhunderte fort und besonders waren die Schulen zu Athen während der Zeiten der römischen Herrschaft als die Sitze der höchsten Bildung, Kunst und Wissenschaft besucht; 2) dennoch aber möchte entgegen Thiersch und Visconti, und hier mit K. O. Müller sehr zu bezweifeln sein, ob die bildende griechische Kunst seit den Zeiten des Phidias und Perikles bis herab auf Hadrian und Apollodorus trotz aller über Griechenland hingegangener Stürme sich auch nur in ihren besten Werken auf der gleichen Höhe noch unter den römischen Kaisern, z.B. unter Titus in der seiner Zeit angehörenden Gruppe des Laokoon und dein Borghesischen Centauren 3), während mehr als 5 Jahrhunderten forterhalten habe. Nach dem Untergange des weströmischen Reiches blieb Constantinopel oder Byzanz der letzte Sitz der alten Kunst und Bildung, von wo auch einzelne Meister und Gesellen nach dem Abendlande gekommen oder wohin solche zu ihrer Ausbildung gezogen sein mögen, ohne dass jedoch die byzantinische Kunst einen tiefern und stärkeren Einfluss auf die abendländische gewonnen hätte. 4) Thiersch mit seiner Behauptung der langen gleich hohen Fortblüthe der griechischen Kunst seit den Zeiten des Phidias und Polyklet steht ziemlich vereinzelt und ist auf fast allgemeinen Widerspruch gestossen; die gewöhnliche Ansicht, wie sie z. B. auch bei Romberg und Steger, Gesch. der Baukunst, I. S. 28 b, - Schnaase, Gesch. der bildenden Künste,




    1) Krause, II. 1. S. 93.
    2) Thiersch, S. 344 ff. und S. 391.
    3) Thiersch, S. 332 ff.
    4) Raumer. Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 527.



II. S. 315 ff., - Lübke, Geschichte der Architektur, S. 616 ff., aufgenommen ist, lässt mit dem Tode Alexanders des Grossen oder um 324 vor Chr. den Verfall der griechischen Kunst beginnen und bis zum J. 146 v. Chr. oder bis zur Zerstörung von Korinth und bis zum Untergange der griechischen Freiheit fortgehen.