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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel V., Teil 6, Seiten 501 - 550

Die deutschen Bauhütten.

H. Schweizer in seinen Bemerkungen zu Tacitus Germ. cap. 17 (Zürich 1862), beweist. Wo es keine Städte und keine Handwerke gibt, kann es auch keine Baukunst, keinen Steinbau geben, gleichviel ob in natürlichen oder künstlichen (gebrannten) Steinen gebaut werde, so dass die Geschichte der Städte und Handwerke durchaus gleichbedeutend mit derjenigen des Steinbaues ist und der Holzbau, die hölzerne Hütte im Allgemeinen dem Lande, dem Aekerbaue angehört. 1) Jedoch ist der Steinbau, der Städte- und Tempelbau, wie es von so Vielen und auch von Klenze 2) geschieht, an die troglodytische Technik keineswegs anzuknüpfen, sondern an die Befestigungskunst, das Befestigen zuerst mit ganz unregelmässigen und nicht künstlich mit einander verbundenen, sodann mit allmählig regelmässiger werdenden und künstlicher mit einander verbundenen Steinen, wie dieses die kyklopischen oder pelasgischen, 3) thyrrhenischen und keltischen Bauten zeigen, und in welchem geschichtlichen Sinne jede Stadt ein befestigter Ort, eine Festung, ein Weichbild oder oppidum ist und vorzüglich auch im Mittelalter war und sein musste. Der Quaderbau ist die höchste technische Vollendung des Steinbaues, der Canon des Steinbaues. Die Befestigungs- und die eigentliche Kriegskunst, das Heerwesen im eigentlichen Sinne und namentlich die Waffenkunst wird auf diese Weise gleichfalls zu einem untrennbaren Bestandtheile des Städte- und Staatswesens. Die pelasgischen Mauern fanden sich oder finden sich noch in




    1) Vergl. auch die Bemerkungen Klenze's über das Entstehen des Steinbaues in den aphoristischen Bemerkungen, Berlin 1838, S. 57 ff., und derselbe Versuch einer Darstellung der technischen und architektonischen Vereine und ihrer Wirksamkeit, in Böttiger's Amalthea, III. S. 78 ff.
    2) Vergl. Klenze, S. 57, 60 und 71; derselbe in Böttiger's Amalthea, III. S. 104.
    3) Vergl. auch Klenze, S. 190 und S. 366 ff.; W. Abeken, Mittelitalien vor den Zeiten römisch. Herrschaft nach seinen Denkmalen dargestellt, Stuttgart und Tübingen 1843; Brunn im Kunstblatte für 1843, S. 97 b ff.; Forchhammer, über die kyklopischen Mauern Griechenlands und die schleswig-holsteinischen Felsmauern, Kiel 1847; Unger, wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise in Griechenland und in den ionischen Inseln, Wien 1862.



Griechenland, z. B. an der Akropolis von Athen und von Nauplia, 1) ferner zu Tyrins 2) und zu Argos, zu Mykenae. 3) Die sog. Kyklopen lässt übrigens Klenze ähnlich wie Bachofen und Raoul-Rochette (oben S. 7) nach Persien, Phönicien und Lykien hinweisen und aus deren Kunstentwickelung hervorgehen (S. 536 ff.), womit er die Vermuthung begründet, dass die unregelmassigen Polygone zur Erfindung des eigentlichen Gewölbes eher führen konnten, als die regelmässig gefügten Horizontallager der Schatzhäuser zu Orchomenos und Mykenae, der Hypogeen zu Tarquinia, des Thores zu Arpino, der tuskulanischen Cisternen und anderer Monumente. Jedenfalls aber sind die Kyklopen nicht historisch, sondern rein mythisch, aber in ihrer Mythe sind historische Momente verborgen, d. b. die den mythischen Kyklopen zugeschriebenen Mauern sind von historischen Völkern, in Griechenland von den Pelasgern und in Italien ebenso von diesen, oder auch von den Tyrrhenern erbaut worden. Ob die Pelasger und Tyrrhener den Steinbau von den Aegyptern, Phöniciern, Lykiern oder einem innerasiatischen Volke erhalten haben, kann mit historischer Gewissheit niemals ermittelt werden; wir vermuthen, sie haben ihn durch Vermittelung der Phönicier von den Aegyptern erhalten, wie auf diese auch der Gewölbebau zurückzuführen ist. Hoskins, Reisen in Aethiopien oberhalb des zweiten Nilfalls, London 1835, glaubt, dass man den Aethiopiern die Erfindung des Gewölbes verdanke, wie er überhaupt den äthiopischen Baudenkmalen ein höheres Alter anweisen will als den ägptischen, was mit den vielverbreiteten unrichtigen Ansichten über den Ursprung der gesammten ägyptischen Kultur aus dem Priesterstaate Meroë oder gar über Meroë aus Indien zusammenhängt. Einer der Portiken der Pyramiden von Meroë sei dadurch merkwürdig, dass die Decke ganz nach den Regeln der Maurerei gewölbt und mit dem gehörigen Schlussstein versehen ist. Die Wölbung




    1) Kiepert, historisch-geogr. Atlas der alten Welt, Karte 8 mit dem Plane von Athen; Klenze, S. 506.
    2) Klenze, S. 515 ff. und S. 526 ff.
    3) Klenze, S. 530 ff.



besteht regelmässig aus 4 oder 5 Steinen; doch ist dieser Unregelmässigkeit ungeachtet das Princip immer dasselbe, weil die Steine nur durch lateralen Druck zusammenhalten. Während diese Wölbungen das Segment eines Zirkels bilden, fand Hoskins zu Gibel el Berkel solche mit Spitzbögen. 1) In der grossen ägyptischen Pyramide ist neuerlich die vollkommen gewölbte Mumienkammer durch Oberst Howard Vyse aufgefunden worden. 2) Ueber die Cloaca maxima vergl. W. Abeken, Mittelitalien, S. 173 und ebenso noch Klenze über die Kyklopen in Böttiger's Amalthea, III. S. 100 und 109. Hier sucht Klenze darzuthun, dass der Name Kyklopen und kyklopisch sich ursprünglich auf den troglodytischen Charakter der Bauwerke bezogen habe, weshalb er dann bei allen kyklopischen Bauten auch troglodytische oder unterirdische labyrinthische Gänge (Gewölbe) aufzusuchen und aufzufinden bemüht ist, wie namentlich bei den vorgenannten Akropolen. Daher sind Klenze auch die likyschen Bauten wegen der in Lykien sich findenden Felsenwohnungen und Felsengräber 3) kyklopische. Der lykische Steinbau, obwohl die darin erscheinenden Nachahmungen von Holzconstructionen nach Westasien zurückweisen mögen, muss dennoch von Aegypten ausgegangen sein, wie nach Bachofen auch die lykischen Felsengräber ganz mit den ägyptischen übereinkommen. Die Kyklopen, die kyklopischen Baumeister oder auch Baugenossenschaften im historischen Sinne wären sonach die Aegypter oder wenigstens ägyptische Zög- und Lehrlinge, welche ganz unzweifelhaft über die Inseln des Mittelmeeres aus Aegypten nach dem griechischen Festlande und nach Italien, besonders nach Etrurien kamen, theilweise aber auch über Kleinasien und hauptsächlich über Lykien dahin gezogen sein können. In den persischen Bauten sind jedenfalls die Einwirkungen aller Kulturvölker zusammengefasst, welche dem grossen Perserreiche unterworfen waren, also vorzüglich der Baby-




    1) Vergl. auch Kunstblatt von Schorn für 1835, S. 348 b.
    2) Kunstblatt für 1837, S. 308 a.
    3) Vergl. auch Bachofen, das lykische Volk und seine Bedeutung für die Entwickelung des Alterthums, Freiburg i. Br. 1862.



lonier, der Phönicier, der Aegypter und der kleinasiatischen Griechen. Dass wenigstens der Steinbau, der Damm- und Wasserbau von Aegyptern nach Babylonien zurückgetragen worden sei, ist dadurch keineswegs ausgeschlossen, dass einstens von Mittelasien auch die Aegypter auszogen. Böttiger findet 1) mit Klenze übrigens in der alten Welt Spuren von gewaltigen (kyklopischen) Bauvereinen, da nicht blos mythische, sondern auch materielle und plastische in den noch vorhandenen kyklopischen Constructionen und uralten thyrrhenischen Bauwerken uns ansprechen und auf eine wunderbare Weise mit ihren geheimen Verbrüderungen und Kennzeichen mit den Bauhütten neuerer Zeit und den daraus jetzt allgemein abgeleiteten Misteries einer durch ganz Europa verbreiteten Brüderschaft zusammentreffen. Es ist uns erfreulich, bei zwei so ausgezeichneten Archäologen, wie Klenze und Böttiger waren, wenigstens denselben Grundgedanken zu finden, dessen bessere geschichtliche Nachweisung hier versucht wird; dieser jetzt allein in Betracht kommende Grundgedanke ist, dass von der (ägyptischen) Priesterschaft, einer Priesterkaste, schon in dem grauesten Alterthume auch Baugenossenschaften in der Form oder innerhalb der allgemeinen Mysterien gegründet und mit ihrer Hülfe zu allen Zeiten die grossen Bauunternehmungen ausgeführt worden seien und allein haben ausgeführt werden können. Klenze sagt: 2) "Solche technische Vereine sehen wir als Werkzeuge aller grossen Bauunternehmungen, aus dem tiefsten Dunkel mythischer Vorwelt in riesenhafter Grösse und Ausdehnung sich entwickeln; vom Symbol zur positiven Einfachheit, und stets zu grösserer und weiter gedehnter Ausbildung fortschreiten, sich mehr und mehr vereinzeln, durch die hellenische und römische Welt in das Mittelmeer sich fortpflanzen, und endlich an den Klippen eines kleinlichen, durch politischen Egoismus erzeugten Zunftgeistes ganz zertrümmern." Was aber sodann Klenze weiter geschichtlich bemerkt, beruht auf den damals (um 1820 - 1825) allgemein




    1) Amalthea, III. S. XXV.
    2) Amalthea, III. S. 81.



verbreiteten grundirrigen und längst, besonders durch Lassen und Weber vollständig widerlegten Ansichten über das hohe Alter der indischen Bildung und namentlich auch der indischen Grottenbauten, von welchen dann mit Creuzer und Andern die ägyptische und medisch-persische Bildung und Architektur (Grottenbaukunst) abgeleitet werden. Sogar die maurerischen Mythen über die Erbauung des salomonischen Tempels durch Maurerbrüder unter ihrem Obermeister Adoniram haben sich aus Baruel, hist. d. Zacobinisme, II. S. 282 ff., in die geschichtliche Darstellung von Klenze verirrt. 1) Was Klenze über troglodytische Gebäude mystisch oder träumend vorbringt, ist auf seinen geschichtlichen Werth und Wahrheit mindestens in Indien zurückgebracht, wenn man die Grottenbauten als buddhistische und spätere brahmanische klösterliehe Bauten oder als Bauten des möglichst zurückgezogenen, sich und Gott allein betrachtenden, die Welt aber meidenden und selbst verachtenden Lebens betrachtet. Geschichtlich sind gewiss die mehrsten und die grössten indischen Grottenbauten gleichzeitig mit christlichen Klöstern. Unter Kyklopen, nach O. Müller und Hirt einäugige Grubenarbeiter oder Grubenwächter von dem Grubenlichte, welches sie an der Stirne trugen, 2) versteht Klenze zwar kein Kyklopenvolk, aber doch den ältesten Verein architektonischer Techniker, d. h. von Troglodyten, welche als Kunst ausübende Begleiter den alten asiatischen Kolonieen zunächst nach Thrakien und sodann nach Sicilien, Kreta, Lykien und Griechenland folgten. 3) Die Tyrrhener waren mehr Tagarbeiter, Arbeiter oder Techniker über der Erde, gleichfalls ein blosser grosser technischer Verein von Bauleuten; die Tyrrhener sind nach Klenze Thurmerbauer, Thürmer von oder , Thurm; erst später ging der Name von dem Bauvereine auf das Volk über. Die kyklopischen oder aus irregulären Polygonen ohne Bindungsmittel zusammengesetzten Mauern, welche man über einen grossen Theil des süd-




    1) Amalthea, III. S. 89.
    2) Vergl. dagegen Symbolik, I. S. 423.
    3) Amalthea, III. S. 101 ff.



lichen Europa's, den Archipel und Kleinasien zerstreut findet, sind das Eigenthum dieser alten Werkleute der Kyklopen und pelasgischen Tyrrhener. Doch genug von diesen Hypothesen, welchen entgegen einzig bemerkt sein mag: Wie die Kinder noch heute spielend Mauern dadurch erbauen, dass sie die rohen und unbehauenen Steine einfach zusammen- und über einander legen, ganz ebenso bauten die Völker in ihrer Kindheit die ersten Steinmauern und alle Regelmässigkeit bis zum cubischen Steine, zum Quader hinauf, ist spätere Fortentwickelung oder Kultur. Die ersten (grossartigen) Rohbauten nannte bei den Griechen die spätere oder kultivirtere Zeit kyklopische, indem sie dieselben als übernatürliche, durch Riesen oder Kyklopen errichtete Bauten bezeichnete. Aehnlich erbauen die Kinder und die Völker in ihrer Kindheit die ersten Dämme; überall hebt das Regelmässige und Künstliche von dem Unregelmässigen und Kunstlosen an. 1) Unter dem bergenden Schutze der Mauer, unter der Burgmauer entstehen feste Kriegs- und Lagerplätze, Häuser und Burgen, Städte und Staaten; das Vorbild und der Urbestandtheil der Mauer ist zuerst der rohe unbehauene und zuletzt der regelmässig behauene, der eubische Stein; zwischen dem rohen und dem cubischen Steine liegt die Geschichte der Entstehung des Steinbaues, der Baukunst eingeschlossen. Jeder Stein ist gleichsam eine (natürliche) Mauer. An und für sich hat der Holzbau keinen Zusammenhang, geschweige denn einen vorbildlichen, mit dem Steinbaue, wie davon auch Klenze bei seinen Betrachtungen ausgeht; der Holzbau ist wesentlich aufrichtend, zur Höhe strebend und in der Höhe, auf dem Dache und Thurme befindlich, wogegen der Steinbau mehr fundamentirend, den Grund- und Unterbau legend, die Umfassungs- und Schutzmauer des hölzernen Tempels und Hauses verleihend erscheint. Der Baum- und Baustamm ragt hoch über die Erde und wird gefällt; der in oder auf der Erde liegende Baustein wird gegraben oder gebrochen. Die Steinsäule, der Pfeiler und der Holzstamm, die Holzsäule haben ursprünglich




    1) Vergl. noch Amalthea, III. S. 105 ff.



ein ganz entgegengesetztes Gebiet und eine umgekehrte Bestimmung; schwere Lasten kann nur der von Natur breite, feste und gleichsam unbeugsame Stein tragen und wird durch diese Lasten selbst niedergedrückt, verkürzt und an der Erde gehalten werden wogegen der unbelastete Baumstamm sich zu der ihm eigenthümlichen Höhe frei und möglichst unverkürzt erheben darf. Auch wo es weite Flächen zu decken gilt, wird und muss man zum längern und leichtern Baumstamme oder hölzernen Balken greifen, weshalb man über steinernen Gebäuden und namentlich auch Kirchen in den ältesten Zeiten bis herab auf die Gegenwart hölzerne Decken und namentlich Dachstühle von Holz findet, zumal so lange der Gewölbebau nicht gefunden ist. 1) Auf diese Weise tritt der Holzbau mit dem Steinbaue in eine äussere Verbindung, ohne dass jedoch jemals dieser aus jenem genetisch abgeleitet werden dürfte, indem beide einen durchaus selbstständigen und völlig verschiedenen Ursprung haben; auch können durch den gleichen Zweck und die nämliche Bestimmung, z. B. des Verbindens oder des Stützens und Tragens, das Holz und der Stein und selbst das Eisen oder überhaupt die Metalle in eine gewisse Verwandtschaft der Gestalt und Form mit einander treten, was aber durchaus kein Uebertragen des Holzstyles auf den Stein und das Metall ist, sondern blos die gleichmässige Herrschaft des Menschen über das Holz, den Stein und das Metall beurkundet. Die Holz-, Stein- und Metallsäulen, - die hölzernen, steinernen und eisernen Brücken, - der hölzerne Gartenzaun, die Gartenmauer und das eiserne Gartengeländer u. s. w. vereinigen sich zwar in einer gemeinsamen Zweckbestimmung, aber durch den Stoff und den demselben eigenthümlichen Arbeiter und Bearbeitungsweise gehen sie wieder völlig auseinander und der Zimmermann, der Maurer und der Schmied oder Metallgiesser können so wenig die gegenseitigen Hauptwerkzeuge als die wesentliche Arbeitsweise, den Styl gebrauchen. So lange der Stein nicht mit der Axt gezimmert 2) zu werden




    1) Klenze, S. 71.
    2) Wenn zimmern, zimbarôn, zimbarjan, auch bauen, aedificare, struere bezeichnet (vergl. H. Schweizer, Bemerkungen zu Tacitus'



vermag, sondern mit Hammer und Meisel behauen werden muss, wird ein Nachahmen des Holzstyles in dem Steinbaue zu den Unmöglichkeiten gerechnet werden müssen; auch ist, was man so oft Stylübertragung oder Nachahmung zu nennen pflegt, nur die Aeusserung des gleichen und allgemeinen Schönheitsgefühls und Schönbeitsbestrebens an den verschiedenen den menschlichen Zwecken dienenden Stoffen; diese Gleichheit des schönen Styles, des allgemeinen Kunststyles ist dort durchaus unausbleiblich, wo noch keine Trennung der Arbeiten in dem Aufkommen verschiedener Handwerke und eines städtischen Lebens eingetreten ist, sondern der Jäger, Hirte und Ackerbauer zugleich, so weit erforderlich, Handwerks- und Gewerbsmann ist. Erst mit der Trenn- und der Arbeiten, mit dem Entstehen der verschiedenen Handwerke und Künste werden und können die verschiedenen Style sich ausbilden. Wir möchten in dem griechischen Daedalos, welchen auch noch Heinrich Meyer in seiner sonst beachtenswerthen Uebersicht der Geschichte der Künste bei den Griechen, Dresden 1826, für eine einzelne Person ansehen wollte und für den ersten eigentlichen atheniensischen Künstler in der Zeit des 13ten Jahrh. vor Chr. erklärte, die geschichtliche Stufe der ursprünglichen Vereinigung und der spätern Trennung der Handwerke und Künste dadurch angedeutet sehen, dass er überhaupt der mythische Techniker, - der kunstreiche Arbeiter, der Handwerker und Künstler, d. h. Bildhauer, Maler, Baumeister, Zimmermeister u. s. f. ist; 1) durch die dädalische Kunst, d. h. durch die Entstehung der griechischen Kunst, nach Klenze etwa um 1400 v. Chr., wurde auch zuerst der menschliche Körper in seine verschiedenen freien Theile aufgelöset, die menschlichen oder göttlichen Bilder, zunächst hölzerne Schnitzbilder (), die ursprünglich ägyptischen Mumienbilder, erhielten Leben und Bewegung,




Germania, Zürich 1862 , cap. 16), ist dieses begreiflich nur vom Holzbaue zu verstehen.
    1) Klenze, S. 60, 73, und 200 ff.; Brunn, Gesch. der griech. Künstler, I. S. 14 ff., welcher die dem Dädalos zugeschriebenen einzelnen Bild- und Bauwerke zusammengestellt hat.



lebten und bewegten sich, sahen mit den jetzt geöffneten, d. h. belebteren Augen. 1) Die Selbstständigkeit und Theilung der Handwerke und Künste wurde in Griechenland durch ägyptische oder ägyptisch-phönicische Einwanderer in der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Chr. vorbereitet und gebracht. 2) Namentlich wurde die ägyptische Schule und Kunst in Griechenland zur äginetischen, nach der Sage durch Smilis aus Aegina, 3) welchen Pausanias den weniger berühmten Zeitgenossen des Dädalos nennt, und zur attischen. Nach Klenze, S. 205, kann der Name des Smilis von , Messer, Schnitzwerkzeug abgeleitet werden, worunter sich auch oder , ein Eiben- oder Taxusbaum, subsumiren lässt, da die äginetische Kunst von der Holzschnitzerei ausgegangen war. Klenze, S. 233, legt der äginetischen Schule von Smilis bis Onatas, dem vermuthlichen Verfertiger der äginetischen Bildsäulen zu München, eine Dauer von 700 Jahren bei. In dem Entstehen der griechischen Handwerker- und Kunstschulen, besonders der äginetischen und attischen, darf wohl die allmähliche Um- und Fortbildung der ursprünglichen Kastenverfassung und streng geschlossenen Kasten zur freien Kunst und zu freien Kunstschulen erblickt werden, indem zwar immerhin die Schulen eine gewisse Abgeschlossenheit und den Kunststyl, die Manier, die Technik des Meisters bewahrten, aber dennoch das Verhältniss des Meisters zu dem Schüler ein frei gewähltes, stets auflösliches, nur durch gegenseitige Liebe und Treue, Achtung und Anhänglichkeit begründetes war. Von der dienenden knechtischen und despotischen Seite wird das Verhältniss erfasst, wo der Lernende und Helfende kein Schüler und Freund des Meisters, sondern dessen Diener und Knecht 4) (im Mittelalter und bis auf die Gegenwart herab bei Gelehrten selbst famulus) oder auch pythagoreischer Zögling




    1) Brunn, I. S. 21; Klenze, S. 201 und 269.
    2) Klenze, S. 193 ff. und besonders S. 201.
    3) Brunn, I. S. 26 ff.; oben S. 100.
    4) Bei den Bäckern, Metzgern, Brauern, Müllern, Schmieden und Schustern werden noch heute die Gesellen allgemein als Knechte bezeichnet. Vergl. Schmeller, bayer. Wörtrrbuch, II. S. 369; Ortloff, Recht der Handwerker, §. 9.



ist, der nur des Lehrers und Meisters Wort kennt und beschwört. Indessen können allerdings auch die Schulen nur entstehen und fortblühen durch die Unterordnung, Nachahmung und Nachfolge, weshalb die Schüler regelmässig kleiner als die Meister und Lehrer sein werden. Der Charakter der Schule wird nothwendig durch den ersten Lehrer bestimmt und hört auf, dessen Schule zu sein, sobald dessen Vorschriften, Lehre und Uebung verlassen und aufgegeben werden, namentlich in dem der blosse und frühere Schüler selbst zu einem grossen Meister, zu einem Phidias, Myron und Polyklet wird. Grüneisen, im Kunstblatte von Schorn für 1835, S. 30 ff., ist so viel einleuchtend, dass in früherer Zeit die attische und äginetische Kunst aus einander traten. 1) Wiewohl beide sich von den aus Aegypten eingewanderten Künsten und Schulen unterscheiden liessen, werden doch besonders die aus der Schule des Dädalos hervor gegangenen Bilder, d. h. die ältesten Bilder der attischen Schule, mit den ägyptischen verglichen. Grüneisen vermathet daher, die attische Schule habe nach den Grundsätzen eines Formalismus gearbeitet, welchen sie theils aus Aegypten überkommen, 2) theils in ihrem Kreise eigenthümlicher ausgebildet hatte; die äginetische Schule hingegen hatte ihr Absehen auf das Nackte, auf Nachahmung der Natur gerichtet, und so von vornherein die natürliche Entwickelung der griechischen Kunst vorbereitet, mit welcher Auffassung auch Klenze vollkommen übereinkommt (S. 213 ff.). An die epochemachenden äginetischen Bildwerke zu München, jedoch etwas jünger als diese, schliesst sich in dieser Beziehung an die sehr schätzenswerthe altgriechische Bronze des Tux'schen Kabinets zu Tübingen, worüber ausführlich Grüneisen in dem genannten Kunstblatte, S. 21 ff., handelt, auch da




    1) Vergl. oben S. 105; Klenze, S. 203 ff.
    2) Vergl, darüber Klenze, S. 193 ff., woselbst der ägyptisch-phönicische Einfluss auf alles Griechische der ältern Zeit für völlig erwiesen angesehen wird, wenn auch das Einzelne der diesfälligen Einwanderungen zur Hyksoszeit oder nach derselben nicht immer historisch festzustellen sei.



selbst abgebildet hat und für den Amphiaraos, einen der 7 Fürsten vor Theben erklärt. Thiersch erkannte darin den homerischen Pandaros. Grüneisen ist es gewiss, dass die Tux'sche Bronze auf der letzten Stufe vor der Vollendung der griechischen Kunst stehe und so genau zwischen die Münchener Aegineten und das Parthenon des Phidias hinein gehöre, als die Selinuntischen Metopen zwischen Dädalos und die äginetischen Giebelfelder. Grüneisen hält die Bronce für ein Original aus der Zeit oder der Schule des Agelados, eines berühmten argivisehen Künstlers. 1) Zu den ursprünglich entdeckten Selinuntischen Metopen (oben S. 20 ff.) sind übrigens später noch 5 andere ganze Metopen durch den Duca di Serra di falco vom südlichst gelegenen der drei Tempel des östlichen Hügels aufgefunden und in seinem Werke le Antichità della Sicilia, Palermo 1834, Vol. II, abgebildet und beschrieben worden. 2) Die ägyptischen Einflüsse auf die sehr alte Samische Kunstschule, welche vorzüglich unter Polykrates blühte, und dass dieselbe sich in ihren Werken der ägyptischen Kunst genähert habe, anerkennt Walz in dem Kunstblatte von Schorn für 1835, S. 237 a. Ein soIcher Samischer Apollo befindet sich vermuthlich in dem Kabinet Pourtalès. 3) Schon im 7ten Jahrh. vor Chr., in der 35. oder 36. Olymp., liessen samische Kaufleute aus ihrem Gewinne einen grossen ehernen Crater, von 3 knieenden Colossen getragen, verfertigen und weihten denselben der Juno zu Samos. 4)

Auch die griechische Malerei soll von Aegyptern, besonders von Philokles, erfunden und eingeführt worden sein. 5) Hiermit steht in Uebereinstimmung, dass die Erfindung des Schattens dem Saurias von Samos zugeschrieben wird. 4) Die Abstufung der Farben nach Licht




    1) Brunn, I. S. 63 ff.
    2) Vergl. auch Kunstbl. von Schorn für 1836, S. 30 ff.; Klenze, S. 214 ff.
    3) Panofka, l'Apollon Pythien, statuette votive du Polycrate, Paris 1834.
    4) H. Meyer, Uebersicht der Gesch. der Künste,
    5) Brunn, II. S. 4 und 5.
    6) Brunn, II. S. 5 und 6.



und Schatten wird von Plinius aber dem Apollodor beigelegt und er hatte den Beinamen des Schattenmalers (). 1) Zu Sikyon im Peloponnese (oben S. 97) am corinthischen Meerbusen, in welchem Sikyon einst die Telchinen (d. h. die die Telchinen als ihre Schutzgottheit verehrenden Metallarbeiter und deren Genossenschaften) wohnhaft gewesen sein sollen, 2) - blühte unter dem dort niedergelassenen Pamphilos aus Amphipolis in Makedonien oder nach Andern aus Nikopolis eine berühmte Malerschule auf, aus welcher als die Schüler des Pamphilos Melanthios, Pausias und Apelles hervorgegangen sind. Nach Plinius 35, 76 lehrte Pamphilos Niemand um einen geringeren Preis als ein Talent, nämlich jährlich 500 Denare, was für die 12 Jahre des Unterrichts, welche Pamphilos verlangte, ein Talent beträgt; diesen Preis bezahlten ihm Apelles 3) und Melanthios. Durch das Ansehen des Pamphilos geschah es, zuerst in Sikyon, dann im ganzen Griechenland, dass die freien Knaben vor allem in der Graphik, d. i. in der Malerei oder vielmehr Zeichnung auf Buxbaum, unterrichtet wurden und diese Kunst unter den freien Künsten ersten Ranges eine Stelle erhielt. Zwar war sie immer so in Ehren dass Freie sie übten; bald aber so, dass es Leute aus geehrterem Stande (honesti) thaten und für immer untersagt ward, dass Sklaven in ihr unterrichtet wurden. Angeregt durch den gleichfalls zu Sikyon befindlichen Polyklet, welcher in der Plastik den Kanon eingeführt hatte, drang auch Pamphilos in der Malerei auf die sorgfältigste Beobachtung der Proportionen des menschlichen Körpers und forderte dazu von dem Maler das Studium der Mathematik und Geometrie. 4) Die wissenschaftliche Kunstlehre, die Theorie der Malerei, die Malerei als Bildungsmittel und Unterrichtsgegenstand gehört dem Pamphilos und er hatte darüber mehrere Schriften verfasst, von denen aber nicht einmal Bruchstücke uns erhalten sind. Auch heisst es, Pamphilos habe als




    1) Brunn, II. S. 71; Klenze, S. 568.
    2) Amalthea, III. S. 95.
    3) Vergl. auch Brunn, Gesch., II. S. 203.
    4) Brunn, Gesch., II. S. 132 ff.



einer der Ersten enkaustisch gemalt und auch den Pausias in dieser Gattung der Malerei unterwiesen. 1) Auch Melanthios oder, wie Plutarch ihn nennt, Mela4thos, welcher unter allen Schülern seinem Lehrer Pamphilos am nächsten verwandt gewesen zu sein scheint, schrieb über die Kunst, wie auch Apelles in Form eines Lehrbuches für seinen Schüler Perseus. 2) Nach Plinius 35, 123 ff., war Pausias der Erste, welcher anfing, gewölbte Decken (camaras) zu bemalen. Auch war Pausias ein Meister in den kunstmässigen Verkürzungen. 3) Ebenso wird Pausias von Plinius wegen seiner Blumenstücke gerühmt, worunter sich besonders die Kränzewinderin, Stephanoplokos, oder Kränzeverkäuferin, Stephanapolis, auszeichnete. Schüler des Pausias waren wieder Aristolaos und Nikophanes. Aus Sikyon stammten auch die Maler Eutychides, Arkesilas und Thales. Später blühte unter Aratos, dem Sikyon seine politische Erhebung verdankte, noch einmal die Malerei auf. 4)

Es muss sorgsam beachtet werden, dass die Entwickelung und Blüthezeit der griechischen Schulen in allen Kunstzweigen, besonders aber in der Baukunst, Sculptur und Malerei, im Wesentlichen zusammenfällt mit der Entwickelung der griechischen Freiheit, der freien griechischen Städte und Staaten; die Periode der sog. hohen Kunst unter Phidias, das Perikleische Kunstzeitalter ist auch die echönste Periode des freien griechischen Städte- und Staatslebens, errungen und begründet durch die eben beendigten Perserkriege. Während in Aegypten, Indien und Mesopotamien oder in Assyrien und Babylonien, bei den Phöniciern und Hebräern die Schicksale der Künste und besonders der Baukunst an die herrschende Priesterschaft und das mit ihr vereinte Königthum geknüpft erscheinen, steigt, blüht und sinkt in Griechenland mit der Freiheit, mit den freien Städten und Staaten die Kunst;




    1) Brunn, II. S. 150 ff.
    2) Plinius, 35, 79 und 111.
    3) Brunn, II. S. 147 unten.
    4) Brunn, II. S. 289 ff.



alle Städte und Staaten wetteiferten, die Tempel, Städte und zum Theil selbst die Privatwohnungen mit den schönsten Kunstwerken jeder Art zu schmücken, so dass Griechenland in seinen schöneren Zeiten einen Reichthum an Kunstdenkmalen besass, wie er niemals wieder erreicht und noch weniger übertroffen werden wird. Die attische Kunst musste schon deshalb die Kunst aller übrigen griechischen Städte und Inseln überflügeln, weil Athen die reichsten Mittel zur Beförderung und Hebung der Kunst besass; nach Suidas haben z. B. die einzigen Propyläen an der Akropolis zu Athen 2012 Talente oder nach ungefährer Schätzung 11 Millionen Franken unseres Geldes gekostet. 1) In den christlich-germanischen Staaten blühten mit and nach den Kreuzzügen vorzüglich die freien Städte und mit ihnen auch die freien Künste in der Art und in dem Masse empor, dass man sich dabei wohl der griechischen Kunstgeschichte erinnern darf, wenn auch ein wirklicher Vergleich ausgeschlossen sein möchte. Das Grab des freien oder freiern Städtelebens wurde auch in den germanischen Staaten zum Grabe der städtischen Kunstschulen und Künste, dass seitdem die Künste als königliche und fürstliche nur ein höchst dürftiges und kränkliches Leben leben oder auch sie, gleich der maurerischen königlichen Kunst, den verlorenen Meister suchen. Hinsichtlich ihrer Entwickelungszeit und ihrer Dauer unterscheiden sich die mittelalterlichen Kunstschulen und Künste auffallend von den griechischen, indem dort Alles weit rascher entsteht, aber auch wieder vergeht, was seinen Grund nur darin haben kann, dass die mittelalterliche Kunst auf der griechisch-römischen ruht und daher sehr Vieles, namentlich das rein Technische, von dieser vollendet zur sofortigen Anwendung empfing, während die griechische Kunst dieses im langsamen Gange der Jahrhunderte erst selbst finden und entwickeln musste. In den mannigfachsten Stücken hatte die mittelalterliche Kunst nicht erst anzufangen und zu suchen, sondern blos fortzusetzen und das Dargebotene zu ergreifen, so dass sie überall leichter voranschreiten und zugleich nach neuen Kunstrichtungen sich wenden




    1) Klenze, S. 376.



konnte, um selbst einer spätern Zukunft wieder als Unterlage zu dienen und in der Menschen-, in der Kunstgeschichte ein Ring der fortlaufenden Kette zu werden und zu sein. Eine griechische Dauer von Jahrhunderten haben nur einzelne Bauschulen oder Bauhütten des Mittelalters, wie namentlich z. B. die Bauhütte zu Strassburg seit dem ersten Beginne des Münsterbaues, die seit dem 13ten Jahrh. wenigstens bis auf den heutigen Tag ununterbrochen fortbesteht, weil der vollendete Bau fortwährende Reparaturen nöthig hatte, so dass die Kirchenfabrik ihre eigenen Steinmetzen forthielt und alle ursprünglichen Profile, Schablonen und Hülfswerkzeuge aufbewahrt wurden, um zerstörte Steinstücke und Theile des Thurmes und der Kirche gleich und sicher wiederherstellen zu können. 1) Dass trotz der herabsetzenden Ansichten des Aristoteles in seiner Politik VII, 9 im 5ten Jahrh. wenigstens im attischen Staate die Handwerke im Wesentlichen dieselbe Stellung und Rechte besessen haben, wie die mittelalterlichen Handwerker und Handwerksgenossenschaften, mag schon daraus entnommen werden, dass, als nach dem Rathe des Themistokles (+ 450 v. Chr.) der Piräus zum Haupthafen der Athenienser erklärt und erhoben worden, die dabei durch den Architekten und Sophisten Ilippodamos aus Milet neu angelegte Stadt in drei regelmässige, mit geraden Strassen nach ionischer Art versehene Theile getheilt wurde, den einen für die Handwerker, den andern für die Landbauer und den dritten für die Waffentragenden oder Krieger. 2) Seit Hippodamos fanden die von ihm über neue Städteanlagen aufgestellten Regeln in Griechenland allgemeine, mehr oder weniger strenge Anwendung, so bei Smyrna, Kos, Mytilene, Alexandria und Antiochia, wie noch zu seinen Lebzeiten bei Thurium und Rhodos. Zufolge Strabo, V. 3, waren fruchtbare Lage, Nähe eines Hafens, gute Festungswerke und schöne Gebäude Das, was den Griechen bei ihren Städteanlagen genügte, während polizeiliche Anordnungen, Kloaken, Aquaeducte und gepflasterte Strassen




    1) Klenze, S. 364.
    2) Klenze, S. 411 ff.; Brunn, II. S. 362 ff.



von den Römern vorzüglich berücksichtigt wurden. Jedenfalls haben aber die Germanen die Kunst, Städte zu erbauen und zu befestigen, mit den erforderlichen Strassen, öffentlichen Plätzen, Gebäuden, Brunnen, Wasserleitungen u. s. w. zu versehen, die städtische Verwaltung einzurichten, einzig von den Römern und vorzugsweise in Gallien und Italien erlernt. Dass jemals in Zweifel gezogen werden konnte, wer den Germanen Städte zu erbauen und einzurichten gelehrt habe, wird nur dadurch einigermassen begreiflich und entschuldbar, dass hierüber so wenig geschichtliche Nachrichten uns aufbewahrt sind; auch wurden gar viele Städte nicht mit Absicht und Bewusstsein, sondern nur langsam durch die Verhältnisse selbst gegründet und erbauet, was gleichmässig auf die Bauhütten oder Baugenossenschaften Anwendung erleidet. Eben darnach bestimmt sich auch die Regelmässigkeit oder die sog. malerische Unregelmässigkeit, malerische Gruppirung nach Klenze, S. 417 ff., der Stadtanlagen; eine regelmässige Anlage und Eintheilung haben z. B.: Mannheim, Karlsruhe, Berlin, Nancy, Turin, Petersburg u. s. w.; erst gegenwärtig streben aus der malerischen Unordnung hunderte von Städten, namentlich Paris, München, Stuttgart, Frankfurt, Würzburg, Darmstadt, Genf, Zürich, Basel, St. Gallen u. s. w. zur Regelmässigkeit.

Am überzeugendsten haben den Zusammenhang der christlich-germanischen Zeit mit dem unmittelbar vorangehenden Alterthum die neuern Forschungen in der Kunstarchäologie dargethan, worüber z. B. auf Boissier, sur les progrès de l'Archéologie, Genève 1837, und vor allem auf die schon erwähnte mit ausserordentlichem Fleisse verfasste , aber noch nicht vollendete Schrift von Piper in Berlin, Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst, deren zweiter Band seit dem Jahre 1851 sich erwarten lässt, zu verweisen ist. Den Uebergang von der heidnischen Kunstsymbolik zur christlichen vermitteln besonders die Katakomben zu Rom, wie in allen neuern Kunstgeschichten erörtert wird 1) und worüber z. B. auch der




    1) Vergl. z. B. Piper, I. 2. S. 719, im Register unter: Denkmäler der Cömeterien (zu Rom).



ausgezeichnete französische Archäolog Raoul Rochette in mehreren Schriften gehandelt hat, wie in dem Tableau des catacombes de Rome, oò l'on donne la description de ces cimetières sacrés, avec l'indication des principaux monuments d'antiquité chrétienne en peinture et en sculpture, et celle des autres objets, qu'on en a retires, Paris 1837. 1) Das Werkchen bildet einen Theil der Bibliothèque universelle de la Jeunesse. Die ersten Christen Roms, welche in den alten Steinbrüchen vor den Thoren Roms ihren nächtlichen Gottesdienst feierten und dieselben zugleich als Begräbnissorte benützten, fuhren bis in das 8te Jahrh. fort, dieselben künstlerisch und besonders mit Decken- und Wandmalereien auszuschmücken. Ernst Förster in seiner Vorlesung über die Bedeutung des Domes zu Cöln in der Entwickelungsgeschichte der neuern Kunst 2) erklärt ungeeignet die Kirche, das kirchliche Gebäude im Hinblick auf den römischen Katakombendienst, dem ersten und ursprünglichen Begriffe nach, für ein Grab, gleichsam für eine blosse Krypta, was durch die Basiliken, als Versammlungsorte, als kirchliche Gemeindehäuser hinreichend widerlegt wird. Zur Zeit der Christenverfolgungen dienten nur nothgezwungen die unterirdischen Gräber als Versammlungsorte und der Sarcophag des Heiligen als Opfertisch oder Altar; gleichwohl entstand von da seit Constantin der christliche Gebrauch, die Kirchen, die Altäre über den Gräbern der Heiligen und Märtyrer zu errichten und ihre Gebeine oder doch Theile derselben als Reliquien in die Altäre niederzulegen. Auch finden sich Spuren von Tauf- und Ordinationsfeierlichkeiten, die man in den Katakomben vollzogen. Man betrachtete sehr bald die Katakomben wie die ersten christlichen Kirchen, und die Feier der Messe wurde auf dem Grabe eines Märtyrers vollzogen, welches als Altar diente. Daher leitet sich der Ausdruck confessio ab, welcher noch jetzt zur Bezeichnung des Hauptaltars in den christlichen Basiliken Roms gebraucht wird. Die Analogie der Seitencapellen in den christlichen Kirchen hat einen gleichen Grund; eines der




    1) Vergl. dessen Anzeige im Kunstbl. für 1838, Nr. 39.
    2) Tüb. Kunstbl, für 1842, Nr. 57 ff.



entschiedensten Beispiele einer solchen Verwandtschaft bietet das von Bosio entdeckte und von d'Agincourt edirte Grab des h. Hermas dar, welcher in dem letzten Jahr der Regierung des Kaisers Trajan den Märtyrertod gestorben sein soll. Confessio bedeutet an und für sich keinen Raum, sondern blos die Grabstätte des Heiligen, d. h. den Sarcophag selbst, welcher sich je nach Umständen über oder unter der Erde, in einer Seitenkapelle, oder hinter und nicht gerade unter einem Hochaltar befinden kann. 1) Befand sich, wie in der alten Kirche des Klosters St. Gallen, - zu S. Ursula, S. Severin und S. Kunibert in Cöln, der Heiligensarg hinter dem Hochaltar, wurde derselbe auf 4 Säulen schwebend angebracht, die Füsse des Leichnams gegen den Altar, das Haupt aber gegen Osten gerichtet. Förster (S. 425 a) möchte noch am liebsten annehmen, dass der Zeichner des St. Galler Kloster- und Kirchenplanes sich Altar und Sarcophag in der Krypta gedacht habe, obwohl bei der Ausführung Altar und Sarg des h. Gallus in die Oberkirche zu stehen kamen. Ihrem Ursprunge gemäss sind die Krypten oder unterirdischen Grabkirchen dem romanischen Baustyle eigenthümlich und erst der gothische oder germanische gibt dieselben auf. Raoul-Rochette hebt mit Recht für die ältesten Christen die Nothwendigkeit hervor, die zu ihrer Zeit herrschenden heidnischen Kunstformen anzunehmen, wie es ihnen unmöglich war, eine andere Sprache als die übliche, von ihren heidnischen Vorfahren hergebrachte Landessprache zu reden und sie sich keine ganz neue Sprache schaffen konnten. Namentlich war nicht blos die Form des christlichen Sarcophags durch die der römischen Sarcophage gegeben, sondern auch der Bilderschmuck derselben wurde in den meisten Fällen ganz unvermittelt herübergenommen. 2) Viele Christen und selbst Fürsten, Bischöfe und Päpste liessen sich unbedenklich in alten heidnischen Sarcophagen beerdigen, 3) indem etwa nur noch einige christliche Symbole und besonders das Kreuz




    1) Förster, im Kunstbl. für 1844, S. 422 a.
    2) Vergl. auch Piper, I. 2. S. 127 ff.
    3) Piper, I. 1. S. 47 ff.



darauf angebracht wurden, weshalb es so oft zweifelhaft wird, zu entscheiden, ob ein Denkmal dem heidnischen oder dem christlichen Alterthume angehöre. Aehnlich verhält es sich mit den Münzbildern unter den ersten römischen christlichen Kaisern, welche noch lange unverändert, nur mit einigen christlichen Zusätzen, beibehalten wurden. 1) Ebenso wurde der christliche Sonntag gewiss unter dem Einflusse des alten heidnischen Sonnendienstes von Constantin im J. 321 2) gewählt und bestimmt. Auch wurden nicht selten antike Saroophage zu Taufbrunnen gebraucht, namentlich im Dom von Girgenti ein marmorner Sarcophag, der die Jagd Meleagers vorstellt. So hat auch ein Krater, auf welchem die Pflege des jungen Bacchus gebildet ist, jetzt im Museum zu Neapel, bis auf die neueste Zeit als Taufgefäss dem Dome von Gaëta angehört. 3) Zuweilen wurden selbst antike Statuen zu Heiligen- und Apostelbildern geweiht. 4) Ferner findet man heidnische Bildwerke an christlichen Kirchen angebracht, wozu zunächst Veranlassung gab, dass theils heidnische Tempel in Kirchen umgewandelt, z. B. namentlich zu Athen and besonders auf der dortigen Akropolis 5) das Parthenon und der Tempel des Erechtheus, - theils Kirchen an dem Ort zerstörter heidnischer Tempel und Heiligthümer errichtet wurden. 6) Auch die Porta Nigra zu Trier, welche für die spätrömische und ältestdeutsche Baukunst so ausserordentlich wichtig ist, 7) diente vom J. 1035 bis zum Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts als Kirche. Nach Wyttenbach und Hirt ist die Porta Nigra unter Kaiser Constantin dem Grossen erbaut; zufolge Kugler (238 a und im Kunstbl. für 1844, Nr. 38) könnte vielleicht die Porta Nigra auch zur Zeit der fränkischen Herrschaft zwischen dem 5ten und 9ten Jahrh.




    1) Piper, I. 2. S. 130 ff. und I. 1. S. 96 ff.
    2) Piper, I. 1.S. 99 unten.
    3) Piper, I. 1. S. 57 ff.
    4) Klenze, S. 283.
    5) Ausland für 1854, S. 485 b ff.
    6) Piper, I. 1. S. 48 ff.
    7) Kugler, im Kunstblatte von Schorn für 1840, Nr. 56 ff., vergl. mit 1846, S. 142 ff.



erbaut sein, was, wenn es begründet wäre, unwiderleglich das Fortleben der römischen Baukunst in den Rhein-Moselgegenden bezeugen würde. Der sog. Constantinische Palast zu Trier ist nach Kugler's treffender Vermuthung eine der von Constantin erbauten Basiliken, so dass mithin Trier als einer der ältesten Sitze der Kirchenbaukunst sich darstellen würde, wenn bei den constantinischen Basiliken schon an kirchliche Gebäude gedacht werden darf, was aber Kugler und auch Lübke, Gesch. der Architektur, S. 150, allerdings nicht thun; war das römische Domgebäude zu Trier ein ursprünglich kirchliches Gebäude, möchte der Gedanke so schlechthin unzulässig nicht sein, weil dasselbe auch bei den verschiedensten sonstigen Beurtheilungen seiner ursprünglichen Bestimmung doch immerhin als ein basilikenartiges Gebäude geschildert wird. Wie Dr. Schneider zu Trier zu erweisen gesucht hat, ist die ältere, ursprünglich zu kaufmännischen und gerichtlichen Verhandlungen dienende Basilica unter Constantin in eine Kirche umgewandelt worden, weshalb dann Constantin zwischen dem J. 306 und 307 für die kaufmännischen und gerichtlichen Zwecke eine neue Basilica aufführen liess, den sog. constantinischen Palast, indem man im Mittelalter Basilica mit Palast übersetzte; fest stehe, dass schon im J. 379 die ältere Basilica als Kirche, vielleicht der spätere Dom, gedient habe. 1) Nach Piper, I. 1. S. 99, bestanden unter Constantin zu Trier, wo dieser einen prächtigen Apollo-Tempel erbaut hatte, beide Culte neben einander und der Bischof Agritius von Trier wird im Jahr 314 unter den zu Arles versammelten Bischöfen erwähnt. Besonders merkwürdig ist der Trierer Dom, welcher aus sehr verschiedenartigen Theilen besteht, je nach den verschiedenen Zeitperioden, in welchen dieselben ausgeführt wurden; dabei aber stehen die verschiedenen Baustyle nicht, wie an so vielen andern Orten, unvermittelt blos, neben einander und sind daher leicht als ungleichen Zeiten angehörige Bauten zu erkennen und zu unterscheiden, sondern sind so geschickt mit einander verbunden und so organisch zusammengefügt, dass die höchste Schärfe des




    1) Kunstblatt für 1844, S. 388.



Blickes und die kritischste Aufmerksamkeit allein das Ungleichartige, das Frühere von dem Spätern zu trennen vermag. 1) Die Trierer Baudenkmale sind sonach die schätzenswerthesten Urkunden für die organische und unmittelbare Entwickelung der Kirchenbaukunst aus der römischen Baukunst. Die erste Anlage des Domes gehört, nach Schmidt und Kugler der römischen Zeit an; sie bildete im Grundplan ein Quadrat, mit halbrundem Ausbau auf der Ostseite, war also orientirt. Im Innern standen vier grosse Säulen korinthischer Ordnung ebenfalls in quadratischer Stellung; auf ihnen und den entsprechenden Wandpfeilern ruhten kräftige Schwibbögen, welche eine flache Holzdecke trugen. Zwei Reihen grosser überwölbter Fenster liefen an den Wänden hin. Schmidt sucht zu erweisen, dass dieser älteste Dom eine der von Constantin erbauten christlichen Kirchen zwar, aber keine Basilica im antiken Sinne gewesen sei; Kugler dagegen glaubt, 2) dass die Ansicht, dass das Gebäude zu dem Behufe einer Basilica errichtet worden, nicht ganz abgewiesen werden könne; Trier würde bei der obigen Voraussetzung in diesem Falle zwei der ältesten christlichen Kirchen und vielleicht selbst Basiliken besessen haben, wie auch Eumenius in seiner Rede vom J. 310 ausdrücklich von mehreren, durch Constantin zu Trier aufgeführten Basiliken spricht. Kugler glaubte zuletzt, das dem Dome zu Grunde liegende römische Gebäude sei "bereits" eine christliche Kirche aus der spätern Zeit des 4ten Jahrh.; Steininger, Bemerkungen zur Gesch. des Doms zu Trier, Trier 1839, wollte das Gebäude für ein forum Nundinarum ansehen, was aber Kugler als durchaus unbegründet verwirft. Kugler's Meinung nach haben wir an dem Gebäude ein eigenthümlich interessantes Zeugniss für die frühest christliche Architektur gewonnen. Im 12ten Jahrh. wurde der ganze Dom überwölbt und




    1) W. Schmidt, Baudenkmale der römischen Periode und des Mittelalters in Trier und seiner Umgebung, Trier 1836 ff.; Kugler, im Kunstbl. für 1840, S. 246 ff. und für 1842, S. 281 ff.
    1) Kunstblatt für 1840, S. 217 b oben, vergl. mit Kunstbl. für 1842, S. 286.



eine Krypta unter demselben angelegt, jedoch war schon im 11ten Jahrh. an der Westseite bei der damaligen Verlängerung des Domes eine kleine Krypta erbauet; im Ganzen erscheinen die Ueberwölbungen und Krypten der Dome gleichzeitig, da ja die letzteren überwölbt sein mussten. Bei den spätesten romanischen Umänderungen des Domes im 12ten Jahrh. erscheint der Spitzbogen schon in einigen untergeordneten Fällen neben anderweitigen Motiven des gothischen oder germanischen Baustyls. So ist auch der östliche Chor nicht mehr im Halbkreise, sondern in einer polygonen Form und mit heraustretenden einfachen Strebepfeilern, den an dem Kuppelgewölbe angewandten Gewölbrippen entsprechend, angelegt; in den veränderten Theilen des Schiffs nähern sich die architektonischen Gliederungen ebenfalls schon den leichten, feinen, spielend belebten Formen des gothischen Styls. Für den hier dargelegten Umwandlungsprocess der römischen Baukunst durch die romanische in die germanische spricht noch besonders der Umstand, dass die auf den Grabdenkmalen der römischen Katakomben abgebildeten Handwerks- und Kunstwerkzeuge, um den Stand des Verstorbenen zu bezeichnen, den Beweis liefern, es haben sich unter den ältesten römischen Christen namentlich auch Bauhandwerker, Architekten und andere Künstler befunden, welche natürlich römisch gebildet waren und auch als Christen ihr Handwerk und ihre Kunst nur nach römischer Weise und im römischen Geschmacke übten. So erscheint auf einer Grabsäule des capitolinischen Museums der junge Aper, welcher als Mensor Aedificiorum bezeichnet wird, umgeben von allen Werkzeugen seines Berufes. Ebenso sieht man auf einer schönen Grabsäule der Sammlung Mattei den Fronton mit mehreren Werkzeugen des Architekten geschmückt. Auf einem Grabsteine aus dem Kirchhofe der h. Priscilla erblickt man neben der einem Artifici Signario geweihten Inschrift einen Hammer, woselbst der Hammer blos auf die Kunst des Bildhauers hinweisen kann. 1) Aehnlich ermisst Gottvater den von Engeln gehaltenen Weltkreis als dessen Schöpfer und Ordner mit,




    1) Kunstblatt von Schorn für 1840, S. 62.



dem Zirkel zu Anfang der deutschen Uebersetzung des alten Testamentes in einer Heidelberger Papierhandschrift aus dem 14ten oder 15ten Jahrhundert. 1) In einem Doppelbilde am Anfange einer Bilderbibel aus der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. in der Bibliothek Lobkowitz zu Prag hält Gott Vater in der Rechten den Zirkel, in der Linken die Wage, 2) wodurch er als der Welterbauer und ewige Weltrichter bezeichnet werden sollte. Diese Seelenwage erscheine sodann auch auf dem Rathsbrunnen zu ]Buttstädt am Brühl, indem in der einen Wagschale der Teufel mit einem Mühlsteine sitzt, um sich schwerer zu machen, und in der andern ein neugeborenes unschuldiges Kind sich befindet; die Wagschale wird von einem Engel gehalten und das Kind wiegt schwerer als der Teufel trotz des schweren Mühlsteines. 3) Diese christliche Seelenwage kann nur der ägyptischen Symbolik und Mythologie entlehnt sein. 4) Daran schliesst sich die Nachricht bei Diodor I, 96, dass Orpheus, welcher bekanntlich auch s ehr häufig in den christlichen Katakomben zu Rom erscheint, die Strafen der Gottlosen im Hades und die Fluren der Frommen und andere beim grossen Haufen gangbare Vorstellungen den bei den Aegyptern bestehenden Todtengebräuchen nachgebildet und bei den Griechen eingeführt habe. 5)

Die mit dem Dome zu Trier in Verbindung stehende Liebfrauenkirche, deren gegenwärtiger Bau im J. 1227 gegründet wurde, zeigt die Elemente des gothischen Baustyles schon vorherrschend, währeüd der Kreuzgang etwa noch in der Mitte zwischen dem romanischen und gothischen Style steht, so dass in seltener Weise an einem und demselben Gebäude die allmählige Ausbildung der Gothik sich zeigt und diese wenigstens in ihren ersten Anfängen gleichzeitig und unabhängig in Nordfrankreich und in




    1) Piper, I. 2. S. 175 und S. 473.
    2) Piper, I. 2. S. 303.
    3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 239.
    4) Symbolik im Register unter Wage.
    5) Tüb. Kunstblatt für 1842, S. 182.



Deutschland sich ausgebildet haben könnte. 1) Die Liebfrauenkirche verbindet übrigens in höchst eigenthümlicher Weise die Formen eines Rundbaues mit denen einer Kreuzeskirche. Auch die St. Willibaldskirche zu Echternach bildet ein wichtiges Beispiel für den Entwicklungsgang der deutschen Baukunst.

Auch ist hier noch zu erwähnen die Abhandlung von Kugler, der römische Basilikenbau, näher entwickelt nach den Resten der antiken Basilica von Trier, in dem Tüb. Kunstblatte für 1842, Nr. 84 ff. Lübke, a. a. O., S. 150, und auch Schmidt, a. a. O., Lief. V. (Trier 1845) Taf. 4, theilt eine Abbildung der jetzt restaurirten und zur vereinigten evangelischen Civil- und Militärkirche verwandten trierer Basilica 2) mit, welche in der Volkssage ohne nähere Begründung gewöhnlich zu einem Palaste Constantins des Grossen gemacht wird. Erst Steininger, a. a. O., S. 47, hat das Gebäude für eine Basilica erkannt, was seither in der Kunstgeschichte angenommen wird. Lübke setzt die Erbauung der Basilica bestimmt in die Zeit Constantins, Kugler nur möglicher Weise. Das ganze Gebäude ist aus 15 '' langen und 1 ¼ " dicken Ziegeln aufgeführt, zwischen denen sich Mörtellagen befinden. Noch wichtiger für den altchristlichen Basilikenbau sind die ravennatischen Basiliken, weil sie reiner und gesetzlicher aufgeführt sind als zu Rom. 3) Nach der Kirche S. Vitale in Ravenna, einem Rundbau, ist bekanntlich der Münster Karls des Grossen in Aachen und nach diesem wieder die Kirche zu Othmarsheim im obern Elsass, nicht sehr weit




    1) Vergl. auch im Tüb. Kunstbl. von 1842, Nr. 41 ff., die sehr kenntnissreiche Recension über Henry Gally Knight, über die Entwickelung der Architektur vom 10ten bis 14ten Jahrh. unter den Normannen, aus dem Engl. von Richard Lepsius, Leipzig 1841, - und Wiegmann, über den Ursprung des Spitzbogenstyles, Düsseldorf 1842; über das erstere Werk äussert sich auch Kugler im Kunstblatte für 1842, Nr. 73, und abweichend von ihm Lucanus in Nr. 81 des Kunstblattes von 1841.
    2) Kunstbl. für 1844, S. 422.
    3) Kugler, im Kunstblatt für 1843, S. 85; Quast, die altchristlichen Bauwerke von Ravenna vom 5ten bis zum 9ten Jahrh., historisch geordnet und durch Abbildungen erläutert, Berlin 1842.



von Basel und Mühlhausen, erbaut, wie das Letztere Schnaase im Tüb. Kunstblatte für 1843, Nr. 24, nachgewiesen hat. Den Münster zu Aachen hat Ansegis, Abt des von ihm prachtvoll erweiterten Klosters Fontanellum (St. Vaudrille), erbaut und Ernst Förster hat im Kunstblatt für 1844, S. 417, die Vermuthung ausgesprochen, dass Ansegis auch den vor dem J. 822 angefertigten Plan zum Kloster St. Gallen entworfen habe; Mabillon rieth auf Eginhard, J. von Arx auf Gerung. Ueber die römischen Basiliken ist sodann besonders zu vergleichen: Bunsen, die Basiliken des christlichen Roms, aufgenommen von den Architekten J. G. Gutensohn und J. M. Knapp, nach der Zeitfolge geordnet und in ihrem Zusammenhange mit der Idee und Geschichte der Kirchenbaukunst dargestellt, München 1844. 1) Nach Bunsen und nach seinem Recensenten im Kunstblatte ist im Dombau des 13ten Jahrh., d. i. in der germanischen (wie sie auch von Kugler genannt wird) oder gothischen Baukunst die Vollendung der Basilica zu begrüssen. Die Kirche des Klosters St. Gallen war nach jenem Plane eine Basilica von 200' Länge und 80' Breite (im Querschiff 120'); 22 Säulen (columnae) trennen das Hauptschiff von den Nebenschiffen. Als Haupträume erscheinen zwei Chori und ihnen entsprechend zwei Absiden an beiden Enden der Kirche, jedenfalls eines der frühesten Beispiele dieser später in Deutschland so verbreiteten Anordnung. Förster 2) denkt sich den Ursprung dieser Verdoppelung darin begründet, dass bei dem Zudrange des Volkes ein zweiter Hochaltar nebst Zubehör in der Nähe des Haupteinganges nöthig schien, damit der regelmässige Gottesdienst der Mönche im Ostchor nicht gestört werde; sonach wäre der Westchor, wie später in mehreren Kathedralen; als Leutechor aufzufassen, in dessen Nähe vielleicht auch gebeichtet wurde. An diese Anordnung knüpft sich ein antiphonischer Gottesdienst, welcher nach Kugler überhaupt die ganze Verdoppelung veranlasst haben soll; die Ostabsis enthält den Altar des h. Petrus,




    1) Angezeigt im Kunstblatte für 1844, Nr. 67 ff.
    2) Kunstblatt für 1844, S. 421 a. Gleichmässig erklärt sich Sulpice Boisserée im Kunstbl. für 1845, S. 87.



die Westabsis jenen des h. Paulus und der östliche grössere Chor hiess der des Abtes und der kleinere westliche der des Priors; der Ostchor war um 7 Stufen erhöht und ruhte auf der Krypta. Boisserée hat neben seiner ersten, mit der Förster'schen zusammentreffenden Ansicht noch die Vermuthung geäussert, dass die deutschen Kirchen mit zwei Chören zu Cöln, Fulda und St. Gallen der Kirche des h. Grabes zu Jerusalem nachgeahmt seien, wozu die Verbindung Karls des Grossen mit Jerusalem die Veranlassung gegeben haben möge.

Ausserdem hat Raoul-Rochette auch drei Mémoires, sur les antiquitès chrétiennes des Catacombes, Paris 1838, verfasst, worüber Piper, I. 1. S. 34 ff., und das Kunstblatt von Schorn für 1840, Nr. 14 ff., zu vergleichen ist. In dem zweiten dieser Mémoires werden die Formeln (Inschriften) und Symbole der Grabsteine durchgegangen.

Am wichtigsten ist es aber, dass aus den Mithrasmysterien und von den so zahlreich noch jetzt vorhandenen Mithrasdenkmalen auf die Christen und besonders auf die christlichen Bauleute und Bauzünfte die Idee eines für die Menschheit dargebrachten blutigen Opfers und der dadurch errungenen Unsterblichkeit und Reinigung des Geistes mit der ganzen diesfälligen Kunstsymbolik übergegangen zu sein scheint. Vorzügliche Beachtung verdient in dieser Hinsicht die im April 1838 beim Graben der Fundamente eines Hauses beim Eintritt in das Dorf Neuenheim in der Nähe von Heidelberg aufgefundene, viereckig ausgemauerte Mithrashöhle (Speläum) 1) mit ihren aus rothem Sandsteine gehauenen Bildwerken, welche hauptsächlich die hintere Wand des Ileiligthumes einnahmen und dermalen in der Universitätsbibliothek zu Heidelberg aufgestellt sind. 2) An Reichthum und Neuheit der Vorstellungen, an guter Ausführung und Erhaltung reihen sich die Neuenheimer Mithrasdenkmale denjenigen von Heddernheim, jetzt im herzogl. Museum zu Wiesbaden, und von Mauls in Tyrol, jetzt im Antikenkabinete zu Wien, an. Das mittlere und




    1) Vergl. Symbolik, I. S. 56 ff.
    2) Creuzer, das Mithreum von Neuenheim bei Heidelberg, Heidelberg 1838; Kunstblatt von Schorn für 1838, Nr. 82.



Hauptrelief stellt Mithras als Stiertödter in der gewöhnlichen Weise vor: er ist als Jüngling in gegürteter Tunica und kurzem Mantel, mit phrygischer Mütze, persischen Beinkleidern und Halbstiefeln vorgestellt, wie er auf dem Stiere knieend, demselben mit der Linken die Schnauze zurückzieht und mit der Rechten den Dolch in den Nacken stösst. Mithras, in der persischen Lehre der höchste der Izeds oder guten Genien zwischen Ormuzd und Ahriman als Vermittler stehend, ist nach Creuzer das Sinnbild des Lichts, welches aus der Finsterniss geboren wird, daher umgibt ihn auch auf dem Bildwerk eine dunkele Höhle; er sei als Licht der Vermittler der Welt, und indem er den Weltstier opfere, vollende er einen Schöpfungsact, welcher durch Zerlegung der Materie die darin enthaltenen Keime des Thier- und Pflanzenreichs zum Dasein bringt. Dies bezeichnen die sieben Getreideähren, welche aus dem Schweif des getödteten Stieres hervorspriessen. Wir halten den Stier nicht für den Weltstier und daher, das Opfer auch nicht für einen Schöpfungsact, sondern mit Andern für das Sinnbild des Frühlingsstiers, welcher jährlich, damit die Aehren und die Früchte reifen, durch den Sonnenlöwen, dessen Kopf auch über dem Mithra hervorragt und von dem ein Grad in den Mithrasmysterien der Löwengrad (Leontica) hiess, geopfert wird, so dass aus dem Geopferten die jährlichen neuen Früchte hervorgehen und der Opferer, Mithras, eben der stärkere Löwengott, Herakles selbst ist, wie Herakles daher auch in den Nebenbildern neben dem Hauptbilde erscheint. Die Siebenzahl ist die im Orient und Occident gewöhnliche planetarische und auch sonst bei den Parsen und Mithrasdenkmalen sehr gewöhnlich. 1) Aehnlich dem Mithrasdenkmale zu Apulum 2) ist die Bronzethür, welche im J. 1119 unter Bischof Wilhelm von dem Künstler Odrisias Berandus (Berardus) von Benevent für die Kathedrale von Troja gemacht wurde, in 4 Mal 7 Felder getheilt. 3) Nach Massudi, um das J. 900 n. Chr., sind. z. B. auch bei den Arabern




    1) Vergl. Symbolik, II. S. 397 ff. und besonders S. 402.
    2) Symbolik, I. S. 18.
    3) Kunstbl. für 1846, S. 39 a.



sprüchwörtlich "sieben Himmel", wovon der erste aus grünem Smaragd, der zweite aus Silber, der dritte aus rothen Rubinen, der vierte aus Perlen, der fünfte aus gediegenem Golde, der sechste aus Topas und der siebente aus Feuer (die himmlische Feuerburg) gebildet wurde, auf welchem letztern die Engel stehen mit einem Beine in der Luft, Psalmen zum Preise des Herrn singend. 1) Die Weltschöpfung, wie sie Massudi beschreibt, ist der mosaischen Kosmogonie mit den 6 Schöpfungstagen und dem Sabbat oder Samstag als Ruhetag des Schöpfers nachgebildet. Näher könnte auch die Siebenzahl die 7 Sommermonate, die 7 Monate des Lebens des Löwengottes, der Anwesenheit des Apollo, des Lichtes und der Wärme bedeuten. Das Mithrasopfer weist hin auf den jährlichen Wechsel von Winter und Sommer, Tod und Leben, daher stehen auch zu beiden Seiten der Hauptgruppe zu Neuenheim zwei Jünglinge, der eine mit gesenkter, der andere mit erhobener Fackel, über denen die mit dem Viergespanne aufwärts fahrende Sonne und der mit dem Zweigespanne abwärts fahrende Mond, gleich der aufsteigenden Sonne und dem sich senkenden Monde der Maurerlogen, sich erhebt, wie auch bei dem Eingange des Speleums zwei Säulen, entsprechend den beiden Säulen Jakin und Boaz des salomonischen Tempels, der ägyptischen und phönicischen Tempel, des Domes zu Würzburg




    1) Ausland für 1862, S. 458 a; Symbolik, I. S. 228 ff. Vergl. auch Schirren, die Wandersagen der Neuseeländer, S. 202 ff., wo viele neuseeländische Beispiele der Siebenzahl mitgetheilt, aber anders erklärt und abgeleitet werden, obwohl offenbar die Siebenzahlen der Neuseeländer, wie auch auf Borneo, Java und Bali, offenbar aus Indien stammen. Der tahitische Himmel zerfällt in 7 Regionen; Sapta akasa und Sapta patala heissen die 7 Regionen, in welche die Javaner der Heidenzeit den Himmel und die Erde theilten; die Unterwelf hat auf Bali 7 Abtheilungen; die Areoi zerfallen in 7 durch Schmuck und Tatu gekennzeichnete Grade; 7 Tage und 7 Nächte (ohne Zweifel eine Woche) fährt Ngatoro von Neuseeland nach Hawaiki; 7 Kähne werden zur Fahrt nach Neuseeland gebaut; die Talopoin (Priester) zu Cambodja lehren von 7 Höllen, ans welehen es keine Rettung gibt. Vergl. Symbolik, II. S. 395 ff. Die Maori auf Neuseeland zählten nach Nächten und die Nacht, weil aus ihr der Tag hervorgegangen, galt als das Aeltere.



und der heutigen Maurerlogen standen, hindeutend auf den jährlichen und täglichen Wechsel des Sonnenlebens, zugleich des dem Untergange entsprossenden Morgens, des aus dem Tode entkeimenden Lichtes und Lebens, worauf auch der nach der Brust des Stieres aufspringende Hund, nach Creuzer das Sinnbild der Todtenbestattung, und die zu den Füssen des Stieres auf dem Wahrsagebecher (wie Creuzer meint) des Mithras mit dem Kopfe liegende Schlange des Lebens oder Heils, d. h. wohl eher aus dem Lebensbecher trinkende Schlange weist. 1) Das so oft erscheinende mithrische Stieropfer sollte die Unsterblichkeit des natürlichen und geistigen Lebens und Lichtes bezeichnen; die Unsterblichkeit des Natur- und Sonnenlebens verbürgte dem Glauben des Alterthums und nach ihm dem Glauben der mittelalterlichen Bauhütten die Unsterblichkeit des Seelenlebens, und der sterbende Frühlingswidder, das Osterlamm der Christen, gleicht dem sterbenden herbstlichen Osiris-Dionysos-Hiram und noch mehr dem Adonis-Atys-Hyakinthos. Um die maurerische Symbolik voll zu machen, schiessen auf den Nebenbildern des Mithrasdenkmales zu Neuenheim zwei tapfere Schützen ihre Pfeile gegen die dunklen, Sonne und Licht verhüllenden Wolken ab, d. h. bekämpfen mit dem siegreichen Pfeile und Schwerte des Lichtes die Finsterniss, das Böse und Dunkle in der natürlichen und sittlichen Welt, sind die milites oder Krieger Mithrae, - die Streiter, Degen und Helden Christi und des lebendigen und leuchtenden Gottes, des ewigen Lichtes und Gottes, - die ecclesia pugnans et victrix, - der Kampf und der Sieg, - Mars und Nike, der Sohn und die Tochter des blitzeschleudernden und allmächtigen Zeus, des Vermittlers und Freundes Mithras, des Sohnes und des göttlichen Vaters. Ferner wird durch den aus einem Baume hervorragenden und vor und bei dem Baume beschäftigten Menschen zu beiden Seiten auf einem Nebenbilde des Hauptbildes zu Neuenheim die Geburt des Menschen aus dem Baume (nach persischer Lehre) angedeutet, so wie das Heilsame der Pflege der




    1) Vergl. oben S. 36.



Bäume, der zu Paradiesen vereinigten Bäume oder der Baumgruppen ausgedrückt. Die 4 geflügelten Köpfe in den 4 Ecken eines Nebenbildes weisen hin auf die Allmacht und Allgegenwärtigkeit des nach den 4 Weltgegenden sich ausbreitenden und diese siegreich erfüllenden göttlichen Lichtes, wie in der christlichen Symbolik darauf die 4 Löwen an der obern Aussenseite des Stephans- oder Löwenthores zu Jerusalem, auch das Thor der Stämme genannt, welche 4 Löwen ebenso auf seldschukischen Münzen vorkommen, 1) - die 4 von dem lehrenden und erlösenden Christus und von dem Paradiese ausströmenden Ströme, die 4 Jünger und Evangelisten, die 4 Genien des Osiris zu beziehen sind. 2) ln demselben Sinne geben auch die vier Seitenleisten eine jede vier Vorstellungen, worunter Jupiter Fulgur, d. i. der Blitze schleudernde und mit dem Blitze leuchtende Jupiter als Symbol des Perses, des Persers, wie der Höchsteingeweihte hiess, - des höchsten Grades der Mithrasmysterien, in welchem der Perses einem blitzeschleudernden und leuchtenden Gotte selbst verglichen und daher ihm der Blitz überreicht wurde, wornach in einzelnen maurerischen Systemen die Höchstgraduirten und Höchstgeweihten in Preussen Hocherleuchtete, d. i. Hochleuchtensollende, genannt werden. Eine Florentiner Handschrift des Cosmas Indicopleustes aus dem 10ten Jahrh. (ohne Zweifel nach dem Vorgange älterer Exemplare) enthält eine Ansicht der Erde, welche ein längliches Viereck bildet, ringsum in 4 Streifen vom Ocean umflossen, - jedoch erscheint in jedem dieser 4




    1) Ausland für 1861, S. 763 b.
    2) Vergl. auch C. Schirren, die Wandersagen der Nenseeländer und der Mauimythos, Riga 1856, Anhang S. 195 ff.: Ueber mythische Zahlverhältnisse. Unter den mythischen Zahlen wird daselbst die auch den Neuseeländern bekannte Vierzahl, die Zahl der 4 Weltgegenden oder der 4 Hauptpunkte der Sonnenbahn, vorangestellt, aus welcher die andern, namentlich die 8 und die 12 sich entwickelt haben dürften. Die 7 (und die 9) soll oft nur ein anderer Ausdruck der 8 sein; nach der Vierzahl seien es häufig 140 Kämpfer, welche sich um einen Helden schaaren. Die 10 sei 8 + 2, die acht Compasspunkte mit Zenith und Nadir u. s. w. Die ungeraden Zahlen 3, 5, 7 und 9 finden ihre Erklärung als 4 - 1, 4 + 1, 8 - 1, 8 + 1.



Streifen in einem Rund eine nackte Figur, in ein Horn blasend. 1) - Die Deutungen der weitern Nebelbilder des Speleums zu Neuenheim überlassen wir gerne Creuzer und seinem Recensenten (wahrscheinlich Schorn) im Kunstblatte; einzig sei noch bemerkt, dass in 4 Stierbildern mit dem Menschen einfach die vier Stufen des menschlichen Lebens und Lichtstreites symbolisch dargestellt scheinen. Das Kunstblatt erklärt das Neuenheimer Mithrasdenkmal als zusammengesetzt aus parsischen und indischen (?) Elementen und für ein Symbol agrarischer Cultur, welches zugleich als Sinnbild innerer Reinigung diene. - Die Hirammythe der Maurer, welche vor gleichfalls berührt wurde, d. h. die Mythe von dem Streite zwischen Meister und Gesellen, sei er angefacht durch den Neid jenes oder dieses, ist übrigens aus römisch-griechischen Quellen über ganz Deutschland bis in den höchsten Norden als Umgestaltung der alten Dädalossage verbreitet. 2) In einer Sage aus der Ukermark erschlägt der erzürnte Meister den Gesellen, weil diesem der von dem Meister vergeblich versuchte Guss einer Glocke gelungen war. 3) In einer andern Sage sticht der Meister dem Lehrjungen die Augen aus, weil der letztere an der Klosterkirche zu Königslutter eine schönere Säule als der Meister angefertigt hat. 4) Eine ähnliche Sage findet sich bei Müllenhof, Sagen aus Schleswig, Holstein und Lauenburg, Kiel 1845, Nr. 145. Gleich der Dädalossage ist auch die Sage von Hero und Leander in den verschiedensten Gestaltungen bis tief in den Norden Deutschlands verbreitet, wie dieselbe z. B. auch Eduard Ferrand in seinen norddeutschen Sagen unter der Ueberschrift: "Die, Liebenden" mittheilt. 5) Die Meleagersage findet sich in verschiedenen Formen nicht nur bei den Deutschen, 6)




    1) Piper, I. 2. S. 68.
    2) Vergl. Symbolik, II. S. 783; Brunn, Gesch. der griechischen Künstler, I. S. 15 Anm.
    3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 47.
    4) Kuhn und Schwartz, Nr. 166.
    5) Bei Arthur Müller, moderne Reliquien, II. (Berlin 1845) S. 350.
    6) Panzer, Beitrag zur deutschen Mythol., S. 278; Symbolik, I. S. 593.



sondern wohl von den Römern her auch bei den Albanesen, indem es bei ihnen herrschender Glaube ist, dass am dritten Tage nach der Geburt drei unsichtbare Frauen, Phatite, d. i. das Verhängniss, die Verhängnissvollen, die Schicksalsjungfrauen, vielleicht auch die Wahrsagerinnen von dem lat. vates, genannt, am Bette des Kindes erscheinen und über dessen Schicksal entscheiden; welchen Ausspruch die dritte thut, dem stimmen die beiden andern bei. 1) Nach Falmerayer wären die Albanesen Illyrier, nach Hahn 2) Pelasger. An jene die Geburt umgebenden drei Schicksalsjungfrauen erinnern übrigens die drei Engel, welche auf einem alten Holzschnitte das Kreuz des sterbenden Christus umschweben und in 3 Kelchen das aus den Wunden fliessende Blut auffassen. 3)

Ein anderes, ohne Zweifel gleichfalls der heidnischen Symbolik entlehntes und mit dem Mithrasstiere verwandtes christliches Symbol ist das in die Erde gestreute Samenkorn, die Aehre, 4) als ein Bild der Wiederauferstehung von dem Tode, wie in dem gleichen Sinne in den Alemannengräbern bei Oberflacht am Lupfen in Württemberg den Todten sich sehr viele Haselnüsse beigegeben fanden 5) und wie überhaupt die Jahreszeiten und der Kreislauf irdischer Dinge als ein Zeichen der Auferstehung und Unsterblichkeit genommen werden, zumal der Uebergang von dem Winter zu dem Frühling, indem er ein Vorbild gibt, wie auf das Ende ein neuer Anfang folgt. 6) So heisst es 1. Corinther 15, 35 - 37:

"Aber es möchte Jemand sagen: Wie können die Todten auferweckt werden? Mit was für einem Leibe werden sie wieder kommen? Du Thor! was du säest, das wird nicht wieder lebendig, es sterbe denn. Und was du säest, da säest du ja nicht den Leib, der wer-




    1) Ausland für 1854, S. 397 b.
    2) Ausland für 1854, S. 337 b. Vergl. noch Böttiger's Amalthea, III. S. 90.
    3) Lang, die Sage vom h. Gral, S. 137.
    4) Vergl. Symbolik, I. S. 611 und 612, II. S. 79; Lang, die Sage vom heiligen Gral, S. 98.
    5) Weinhold, altnord. Leben, S. 81.
    6) Piper, I. 2. S. 324 ff.



den soll, sondern ein blosses Korn, nämlich wie es sich zuträgt, des Weizens oder einer andern Frucht."

In demselben Sinne bemerkt Origines: "Omnis enim planta post hyemis mortem resurrexit", und Tertullianus: "Totus igitur hic ordo revolubilis testatio est resurrectionis mortuorum." Minncius Felix spricht: "Vide quam in solatium nostri resurrectionem futuram omnis natura meditetur; . . . . exspectandum nobis etiam ver corporis est." 1) Nach dem jüngern Titurel wachsen aus dem Sarge und Munde der im Grabe vereinten treuen Gatten Sigune und Schionatulander zwei Reben empor, welche sich zu hohem Stamme und Geäste verschlingen, immer grünen und nie von Reife und Kälte angegriffen werden. 2) - Das wichtigste altchristliche Denkmal mit einer Darstellung der 4 Jahreszeiten ist der Sarcophag des Junius Bassus vom J. 359. Hippocrates um 430 Chr. erwähnt bei den Griechen zuerst 4 anstatt der frühern 3 Jahreszeiten und seitdem wurden diese 4 Zeiten von den Griechen und von den Römern allgemein angenommen; darnach mussten auch die Horen auf 4 vermehrt werden und finden sich in der alten Kunst oft dargestellt. 3) Eine Darstellung der Jahreszeiten durch weibliche Figuren lässt sich im christlichen Alterthum nicht sicher nachweisen; es erscheinen regelmässig geflügelte oder ungeflügelte männliche, Genien. 4) Auch scheint die Vorstellung der 4 Jahreszeiten auf Gräbern nicht das christliche Alterthum und das Bereich der Katakomben zu überschreiten.

Ferner hat sich gewiss unter heidnischen, unter mithrischen Einflüssen, 5) bei den Christen schon im 2ten Jahrh. die noch heute geglaubte Sage gebildet, Christus sei in einer Höhle zu Bethlehem geboren worden, über welcher sagenhaften Höhle sodann die Kaiserin Helena eine Kirche erbaute, worin bis gegenwärtig zur Weihnachtszeit, welche selbst gleichfalls nur eine heidnisch-symbolische, der Win-




    1) Piper, I. 2. S 91 und S, 324, Anm. 2.
    2) Vergl. Symbolik, II. S. 44 ff.
    3) Piper, I. 2. S. 313 ff.
    4) Piper, I. 2. S. 328 und 329.
    5) Vergl. Symbolik, I. S. 57 ff.



tersonnenwende entlehnte ist, die Höhlengeburt Christi, des Lichtes aus der Finsterniss, der felsengeborne Mithras gefeiert wird. Diese Höhlengeburt Christi ist auch in alten Gemälden dargestellt. 1) Selbst die Krippe, das längliche Viereck, worin Christus geboren wird, ist blos das uralte und auch maurerische Symbol der Welt. Daran schliesst sich gewissermassen ein Kuppelgemälde des Baptisterium von S. Laura auf dem Berge Athos, welches die Taufe Christi darstellt. Christus, auf dessen Haupt Johannes der Täufer seine Rechte legt und auf den die Taube herabschwebt, steht hier auf einem rothen Felsen, der in dem Fluss in gleicher Höhe mit dem Wasser sich erhebt und von dessen 4 Ecken eine Schlange zischend auf ihn losschiesst (eine Darstellung, die in griechischen Mosaiken und Prosken häufig ist); diese 4 Schlangen bezeichnen die dämonischen Mächte der Erde, welche ihre ohnmächtige Wuth gegen den Sohn Gottes loslassen. 2) Das Kreuz, an dem der Ilerr stirbt, scheint in der Symbolik des Mittelalters mit seinen 4 Armen und Ecken gleichfalls als ein Symbol der Welt aufgefasst worden zu sein, wie z. B. in den 4 Kreuzesarmen Sol, Luna, Terra und Mars erscheinen. 3) Hermes, eine andere Gestalt des Apollo, des Lichtsohnes der nächtlichen Latona mit seiner Zwillingsschwester der leuchtenden Mondsgöttin Artemis oder Diana, wird von Zeus in einer Grotte mit der Maia erzeugt und daselbst zum Lichte geboren, worauf er sogleich die 7saitige planetarische Leyer spielte, welche er sich aus der Schaale einer Schildkröte angefertigt hatte; 4) dadurch, dass Hermes sogleich nach seiner Geburt 50 Rinder des Apollo, das alte Mondsjahr raubte, stellt er sich zugleich als Jahresgott dar. 5) Der Hekate war auf Samothrace nach der Stiftung der Korybanten die zerynthische Grotte heilig. 6) Auch Dionysos, von




    1) Piper, I. 2. S. 69 unten ff.
    2) Piper, I. 2. S. 71.
    3) Piper, I. 2. S. 74.
    4) Rinck, Religion der Hellenen, I. S. 101 und 189.
    5) Rinck, I. S. 78.
    6) Rinck, I. S. 112.



Nymphen gepflegt, wuchs in einer Grotte auf. 1) In einem indischen Mythos wird der Sonnengott ebenfalls aus der Nacht, der Nis, geboren, womit vielleicht Nysa und der dort geborne Dionysos zusammenhängen. 2) Mahomet fasste in dem 42. (6 x 7) Jahre seines Lebens den Entschluss, als Prophet aufzutreten, nach langem einsamen Aufenthalte in einer Höhle, in der von Mohamedanern sog. Nacht der göttlichen Rathschlüsse. 3) Auch die Sybillen, Personificationen mantischer Kräfte, wurden vorzüglich, wie z. B. die Sibylle von Kumae, als in tiefen und feuchten Grotten wohnende Jungfrauen gedacht; 4) ebenso wohnte Bakis, das männliche Gegenbild einer Sibylle, in Höhlen, und die Sibylle und Bakis erscheinen zugleich in naher Verbindung mit dem nachtgebornen Lichtgotte Apollo. Auf Aegina erstreckten sich, wahrscheinlich zum Zwecke irgend eines Mysterien- oder Tempeldienstes bestimmte, Grotten bis unter die Cella des Tempels der Athene mit den berühmten Statuen im azurblauen Giebelfelde, 5) wie sich auf Aegina auch zahlreiche Felsengräber finden. Die Grottentempel unfern Madras im südlichen Dekhan, genannt Mahamalaipur, 6) standen mit 7 frei gemauerten Pyramiden in Verbindung, woher sie den Namen der 7 Pagoden (nach Paulin, voyage aux Indes orientales, aus dem Namen der Göttin Bhagavadi verderbt, wogegen Schnaase, I. S. 164, Pagode mit Bohlen als gleichbedeutend mit Bhaguwadi, d. i. heiliges Haus, Bethel nehmen will) tragen. Zufolge Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 874, Anm. 3, wäre Mahâmalaipura so viel als Stadt der grossen Bergschlucht. Ueber die indische Baukunst, Felsentempel und Klosterhöhlen ist überhaupt nachzulesen: Lassen, IV. S. 853 ff.




    1) Rinck, I. S. 227.
    2) Dörner, Arrian's von Nicomedien Werke, V. (Stuttgart 1832) S. 595 Anm.
    3) Schlegel, Philosophie der Gesch., II. S. 80.
    4) Schoemann, a. a. O., II. S. 270.
    5) Klenze aphor. Bemerkungen, S. 180 und 163.
    6) Symbolik, I. S. 67.



Ferner die Steinmetzzeichen, 1) wie sie Deutschland besonders zur Zeit des gothischen Baustyles und der bürgerlichen Bauhütten zur Anwendung kamen und deshalb, ihr Entstehen von Vielen auch erst in diese Zeit versetzt wird, 2) möchten als dem Alterthume entlehnt oder nachgeahmt zu betrachten sein, da solche Bezeichnungen durch Aufschriften des Namens des bauenden Königs auf den Backsteinen oder Ziegeln im Oriente nicht nur vorzüglich zu Babylon, sondern mit einzelnen Buchstaben sehr zahlreich bei den Griechen in Syrien, auf Corfu, zu Athen u. s. w. gefunden werden. Klenze z. B. hat im J. 1834 in den Ruinen von Kardacckio auf Corfu solche erhaltene Buchstaben auf den Fragmenten der Dachziegel gefunden. 3) In welchem Sinne die Griechen diese Buchstaben auf den Ziegeln gebraucht haben, namentlich ob es Zeichen der Werkstätte oder des bestimmten Verfertigers seien, ist nicht ermittelt, jedoch möchte das Erstere das Wahrscheinlichere sein, wie die römischen Ziegel das Legionszeichen zu tragen pflegen. Zu Lentini, dem alten Leontini, auf Sicilien sieht man in den Ruinen der ältesten Burg in den Steinen eingehauen eine ungeheure Menge Zeichen und Monogramme, die an das in den Mauern von Pompeji so häufige erinnern, hier aber wegen der allerbizarresten Formen sich in den wenigsten Fällen auf Buchstaben reduciren lassen. Nach Ussing im Kunstblatte für 1846, S. 37, b, möchten dieselben den Steinhauer anzeigen, der vielleicht verpflichtet gewesen, sein Namenszeichen einzubauen, damit der Oberaufseher um so leichter Kontrolle halten könne.




    1) Vergl. Symbolik, I. S. 95 ff.; Homeyer bei Wolf, Zeitschr. für deutsche Mythol., I. S. 185 ff.; Massmann im Kunstbl. von Schorn für 1832, Nr. 19 und 104, und für 1837, Nr. 61; Back, Steinmetzzeichen, Altenburg 1861.
    2) Z. B. im Geschichtsfreund, Mittheilungen des historischen Vereins der fünf Orte, Bd. IX (Einsiedeln 1853) S. 166 oben. Heideloff, die Bauhütte, S. 18, welcher auf dem Titelkupfer auch Steinmetzmonogramme aus der zerstörten Spitalkapelle zu Esslingen mittheilt, lässt die Steinmetzzeichen sogar erst seit dem 15ten Jahrh. aufkommen.
    3) Klenze, aphoristische Bemerkungen, gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland, Berlin 1838, S. 11 unten.



Auch die Quader der Porta Nigra zu Trier sind mit Schriftzügen bedeckt, die wohl als Handzeichen der Steinmetzen zu halten sind. 1) Pertz glaubt diese Steinhauerzeichen für sehr alt und aus den ersten Zeiten schriftlicher Aufzeichnung (bei den Germanen ?) herrührend. Bei den Deutschen waren die Steinmetzzeichen hauptsächlich jedem einzelnen Steinmetzen unveränderlich von der Bauhütte oder der Zunft ertheilte und angehörende, auch allen seinen Arbeiten ihrer Erkennbarkeit und Beurtheilung wegen einzuhauende Zeichen, weshalb Art. 59 der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563 vorschreibt:

"Es soll auch keiner sein ehren zeichen, 2) das jme von einem Handwerck verlyhen und vergönt worden ist, für sich selbst und eigen gewalts nicht endern; so ers aber jhe zu endern vermeint, solle ers mit gunst wissen und willen eines gantzen Handwereks thun." 3)

Die Steinmetzzeichen in diesem Sinne, d. h. als Ehrenzeichen oder vielmehr als Wappen und Siegel der bürgerlichen Steinmetzen, wie sie auch in der That häufig dazu gebraucht wurden und Stieglitz mehrere solcher Steinmetzsiegel mit Steinmetzzeichen besass, machten durch den in den Kreuzzügen aufgekommenen allgemeinen Gebrauch der Wappen des Adels und der Ritter 4) hervorgerufen worden sein. In den so verschieden zusammengesetzten Heeren der Kreuzfahrer war es von der höchsten Nothwendigkeit und Wichtigkeit, dass die einzelnen Heerestheile genau gekennzeichnet, durch Zeichen von einander unterschieden wurden, um sie versammeln, zusammenhalten und leichter leiten zu können; das Kennzeichen des einzelnen Heerestheiles, die Marke desselben, war das Wappen und dieses wurde insofern eigenthümlich, kriegerisch, besonders aus Helm und Schild zusammengesetzt, als es zunächst Kriegern und zu kriegerischen Zwecken dienen




    1) Kunstbl. für 1846, S. 143 b.
    2) Vergl. Symbolik, I. S. 102; Heldmann, a. a. O., S. 282.
    3) Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 311 oben.
    4) Koch, tableau de révolutions de l'Europe dans le moyen age, I. (Paris 1790) S. 136; Symbolik, I. S. 97.



isollte. Die Wappen in dieser Bedeutung oder als Heereszeichen können leicht auch schon vor den Kreuzzügen in theilweiser Uebung gewesen sein, aber erst die Kreuzzüge bewiesen ihre Vortheile im Grossen, bewirkten dadurch das Entstehen der allgemeinen Uebung. 1) Aehnlieh waren also die Steinmetzzeichen Unterscheidungszeichen für die Arbeiten der einzelnen Steinmetzen und vielleicht gab es auch Unterscheidungszeichen für die einzelnen Steinmetz- oder Bauhütten selbst, was man erst dann gewisser wird beurtheilen und entscheiden können, wenn einmal die noch vorhandenen Steinmetzzeichen mit möglichst genauer Angabe ihres Standortes und ihrer Zeit vollständiger gesammelt und herausgegeben sein werden, denn bis jetzt ist alles in dieser Rücksicht Erschienene nur höchst unvollkommenes und unverbundenes Stückwerk. 2) Ganz die nämliche Bedeutung haben auch bei den Grundstücken die Markzeichen, die Grenzzeichen. 3) Was es bezeichnen solle, dass W. E. Shaw zu Leeds in Yorkshire die Steinmetzzeichen äussere Anzeichen einer mystischen Lehrart (teaching) und einer vereinigten und universalen Brüderschaft nennt, 4) versteht man nicht genügend.

Den Vorstellungen des Alterthums entlehnt und zugleich das hohe Alter der Maurerei, den Zusammenhang der Bauhütten mit den römisch-griechischen Zeiten bezeugend, ist das rechtwinkelige längliche Viereck als das Symbol oder vielmehr die Gestalt der Erde, wie auch noch Cosmas Indicopleustes die Erde für ein längliches Viereck hielt 5) und wornach auch in einer Handschrift des Cosmas in der florentinischen Bibliothek aus dem 10ten Jahrh. die Erde viereckig abgebildet ist. 6) Die Kelten




    1) Vergl. auch Liebenau, das älteste Siegel des Landes Uri, dessen Ursprung und Zusammenstellung mit Siegeln anderer Länder und Städte, bei Kopp, Geschichtsblätter aus der Schweiz, I. (Lucern 1854) S. 10 ff.
    2) Vergl. auch in Didron, annales archéolog., II., die AbIandlung: Documens sur les artistes du moyen age, deren Verfasser gegen 4000 Steinmetz- und Bildhauerzeichen gesammelt hatte.
    3) Maurer, Einleitung, S. 40 ff.
    4) Bauhütte für 1862, S. 200.
    5) Piper, I. 2. S. 463.
    6) Piper, I. 2. S. 167.



in Europa, welche vielleicht auch die erste Bevölkerung von Amerika gebildet haben, dachten sich, was als erwiesen angesehen werden darf, die Erde als Quadrat, wie die in Europa und Amerika erhaltenen alten Baudenkmale es vielfach darthun. 1) Das viereckige Erd-Symbol muss jedenfalls bei den Bauleuten zu einer Zeit aufgekommen sein, in der man die wahre Gestalt der Erde als einer Kugel noch nicht erkannt und festgestellt hatte. Die 4 Himmelsgegenden, die 4 Hauptwinde der Alten konnten nur die 4 Seiten des Vierecks bezeichnen, wie ganz allgemein auf den alten christlichen Kunstdenkmalen die 4 Winde oder auch 4 Himmelsgegenden in den 4 Ecken des Bildes dargestellt und angebracht wurden. 2) Das christliche Kreuz, insbesondere das lateinische oder langarmige Kreuz, welches bei den Bauleuten auch über dem länglichen Vierecke, jedoch als ein gleicharmiges oder griechisches Kreuz, erscheint (±), möchte kaum eine andere Bedeutung haben, als dass es die 4 Gegenden des Vierecks der Erde und der Welt bezeichnen sollte, nach denen allen, also die ganze Erde und Welt erfüllend, sich das Wort und das Licht Christi oder Gottes von dem in dem Mittelpunkte thronenden Christus und Gott aus breiten sollte. Bei dem griechischen Kreuze wäre die Erde und die Welt als Quadrat, bei dem lateinischen als längliches Viereck gedacht. 3) Hieronymus, abgedruckt bei Münter, a. a. O., fragt: "Ipsa species crucis, quid est nisi forma quadrata mundi? Oriens de vertice fulgens; Arcton dextra tenet; Auster in laeva consistit; Occidens sub plantis formatur. Unde apostolus dicit: ut sciamus, quae sit altitudo et latitudo et longitudo et profundum." Die alten griechischen Kirchen sind sehr häufig, z. B. zu Athen und zwar besonders die schöne und jetzt durch den russischen Kaiser wiederhergestellte Kirche des h. Nikodem daselbst, 4) in der Wirklichkeit ein orientirtes Viereck und




    1) Ausland für 1861, S. 738 b.
    2) Vergl. Piper, I. 2. S. 433 ff.
    3) Vergl. über das Symbol des Kreuzes auch Münter, Sinnbilder und Kunstvorstellungen der alten Christen, Altona 1825, I. S. 68 ff.
    4) Ausland von 1854, S. 486 ff.



innerhalb desselben das gleicharmige Kreuz; jeder der 4 Arme des Kreuzes ist oben mit einem bogenförmigen Gewölbe gedeckt und geht in der Mitte des Gebäudes in eine Kuppel über, welche sich über alle Bogengewölbe und alle andern Theile des Gebäudes gebieterisch erhebt. Die 4 Weltgegenden, die 4 Hauptwinde, die Windrose aus dem Erd- und Himmelsvierecke abzuleiten, dürfte näller liegend, natürlicher und volksgemässer sein, als dieselben astronomisch nach dem scheinbaren Sonnenlaufe, d. h. nach der Mittagslinie (Süden und Norden) und nach dem Aufgange (Osten) und Untergange (Westen) der Sonne zu bestimmen, zumal Osten und Westen mit der verschiedenen Breitelage der Orte sich stets veränderten, und daher der wirkliche Osten und Westen schwer zu berechnen waren, während das (längliche) Viereck, welches sich von Osten nach Westen oder nach dem scheinbaren täglichen Sonnenlaufe erstrecken sollte, 1) die 4 Gegenden oder Seiten desselben bestimmter bezeichnete. Die Windrose mit den 4 Winden ergibt sich, indem das rechtwinkelige Erd- und Weltviereek durch zwei, je in der Mitte der einen Seite zur gegenüberliegenden Seite gezogene Linien genau geviertheilt wird. Die Lage des Vierecks bestimmten wenigstens die Bauleute, zunächst nach dem Sonnenauf- und Niedergange, wodurch wohl zugleich die Vorstellung des länglichen Vierecks erzeugt wurde. Die Figur der Winde hat die christliche Kunst ebenfalls von der antiken entlehnt. 2) Die auf- und untergehende Sonne, welche auf antiken Denkmalen mit den Winden in Verbindung gebracht werden, weil, wie schon Aristoteles, Prolem. XXV, 4, bemerkte, beim Sonnenaufgang und Untergang die Winde sich erheben, bezeichnen in den Maurerlogen zunächst die Lage und Länge der Loge, desErd- und Weltviereckes. Auf einer Lampe mit den capitolinischen Gottheiten, unterhalb deren der Sonnengott und die Mondgöttin auf- und untergehend dargestellt sind, wie sie sicherlich auch einstens bei den Bauleuten anstatt der wirklichen Sonne und des wirklichen




    1) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 209 ff.
    2) Piper, I. 2. S. 433.



Mondes dargestellt waren, sieht man über denselben je einen Windgott. 1) In der vor schon berührten Handschrift des Cosmas umfliesst die viereckige Erde in 4 Streifen der Ocean und in der Mitte dieser 4 Streifen erscheinen die in ein Horn blasenden, nackten 4 Halbfiguren der 4 Winde der Erde in Medallions. In dem epternacher Evangeliarium zu Gotha aus dem 10ten Jahrh. erscheint vor dem Evangelium des Lucas eine Tafel mit den 4 (auch maurerischen) Elementen und vor dem Evangelium Johannis die Inschrift:

Quadrifidas partes habitantes quique fideles
devota mente trancendant terrea queque
ut cum Johanne mereantur adire."

Um die Inschrift erscheinen die 4 Weltgegenden in Runden auf Goldgrund in etwas mehr als halber Figur, verschiedenfarbig gekleidet, sonst ohne besondere Eigenthümlichkeiten, in folgender bis auf die Gegenwart von den Maurern beibehaltenen Ordnung:

Oriens
Septentrio                Meridies
Occidens. 2)

Für die Maurer, welche kaum jemals solche Dinge beachten und nicht wissen, dass eigentlich bei ihnen die Weltgegenden verkehrt liegen, ist dieses Miniaturbild höchst merkwürdig und wir wären nicht abgeneigt, demselben selbst einen maurerischen Urheber zuzuschreiben; jedenfalls aber beweist dasselbe urkundlich, dass die maurerische Ordnung der Himmelsgegenden schon dem 10ten Jahrh. angehört. Bei den 3 Reisen, welche der zum Maurerlehrlinge Aufzunehmende zu unternehmen hat und wobei ihm je nach dem verschiedenen Gebrauche der Logen 3 oder 4 Elemente begegnen, berühren sich, wie in unserm Evangeliarium, mithin die 4 Elemente mit den 4 Weltgegenden, wie sich hieran auch in mittelalterlichen Bildern die gleichfalls maurerischen 4 Cardinaltugenden reihen. Jüdische Erklärer, z. B. Philo und Josephus, und nach ihnen wieder christliche, wollten auch die 4 Farben an den Teppichen der Stiftshütte und an dem Vorhange




    1) Piper, I. 2. S. 435.
    2) Piper, I. 2. S. 465.



des salomonischen Tempels auf die 4 Elemente des Alterthums, wie sie besonders von Empedokles, Plato und den Stoikern gelehrt wurden, deuten. 1) Wo 5 Elemente, wie z. B. bei den Chinesen, angenommen werden, gibt es auch 5 Hauptweltgegenden; ein chinesisches Gebet hebt an: "Ihr fünf Sternenfürsten der fünf Gegenden und fünf Wege, die ihr durch die Kräfte der 5 Gegenden regiert." 2) In den gothischen Kirchengebäuden, deren Grundform das Kreuz ist, sollen die 4 Enden sowohl die 4 Elemente als die 4 Weltgegenden in ihrer Einheit als Creaturen des Herrn versinnbildlichen; 3) zugleich wird der Chor als Sinnbild des Hauptes des an das Kreuz geschlagenen Christus und das Schiff mit der Gemeine als Sinnbild seines Leibes betrachtet, wie der den Chor umgebende Kapellenkranz einer Krone um das Haupt des Herrn verglichen wird. An den 4 Ecken des Hauptaltares im Chore des Domes zu Cöln wurden um 1337 4 ehrerne Säulen aufgestellt, darauf Engel, die Wachslichter hielten. 4) Die 7 Kapellen des Chorkranzes können auf die 7 Gaben des h. Geistes, auf die 7 Sacramente, auf die 7 Strahlen um das Haupt des Sonnengottes und darnach auch Christi, auf die 7 Planeten u. s. f. bezogen werden. Der ideale Chor-Tempel des h. Gral ist eine Rotunde mit 72 Kapellen. 5) Eine Federzeichnung in einer Handschrift des 12ten Jahrh. zu Wien bringt in einer viereckigten länglichen Tafel, also in der Loge, in der Welt die Elemente und Himmelsgegenden also zusammen:




    1) Piper, I. 2. S. 88.
    2) Menzel, Literaturblatt für 1862, S. 101.
    3) Lang, die Sage vom h. Gral, München 1862, S. 203.
    4) Lang, S. 216.
    5) Lang, S. 229 unten; Symbolik unter ZweiundsiebzigzahI.



Innerhalb der Tafel, noch von einem Rhombus eingeschlossen, steht eine menschliche Figur (nach der damals herrschenden, alterthümlichen Lehre der Mikrokosmos in dem Makrokosmos, der aus den 4 Elementen zusammengesetzte Mensch in den 4 Elementen, welche auch dia Welt bilden) mit ausgebreiteten Händen; die Füsse ruhen auf der Erde, welche nur durch ein Brett mit Einschnitten angedeutet ist; über dem Haupte erhebt sich eine Flamme; in der Rechten auf der Seite der Luft hat sie ein rundes Gefäss, in der Linken auf der Seite des Wassers, wie es scheint, eine Pflanze. Eine Inschrift gibt die Erläuterung, dass wie die Welt im Grossen (der Makrokosmos) aus 4 Elementen zusammengesetzt ist, so aus denselben 4 Elementen der Mensch bestehe: denn aus dem Feuer komme die Wärme, aus der Luft der Odem, aus dem Wasser die Feuchtigkeit, aus der Erde der Leib. Dieselbe Erklärung findet sich auch sonst in dieser Zeit, nämlich fast wörtlich übereinstimmend bei Gottfried von Viterbo (in der zweiten Hälfte des 12ten Jahrh.). 1) Nunmehr können denkende und vergleichende Maurer wissen, aus welchem elementarischen Grunde die Lehrlingsreise noch gerade nach dieser oder jener bestimmten Weltgegend gerichtet und dort das derselben entsprechende Element gefunden werde. Die Erklärungen und Ermahnungen, welche bei den Maurern dem Lehrlinge bei der Darreichung der einzelnen (der drei Elemente des Feuers, des Wassers und der Erde) gegeben werden, sind eine blosse Fort- und Umbildung jener mittelalterlichen Erklärungen oder Beischriften. Jetzt fassen die Maurer die Elemente namentlich zugleich ethisch auf, so dass nicht blos z.B. der menschliche Körper von allem Unreinen durch das Wasser gereinigt, sondern auch die Seele alles Unedle und Befleckende ablegen, und gleich dem in die Erde gelegten Samenkorne der Mensch zur schönern Pflanze dem Himmelslichte entgegenwachsen solle. Auch können nach dem Vorgange der biblischen und der mittelalterlichen Deutungen die 4 Himmelsgegenden den Maurer mahnen, dass die Liebe und das Wort Gottes aus allen Gegenden




    1) Piper, I. 2. S. 468 ff.



die Menschen zusammenrufe und brüderlich versammele, um wieder liebend, belehrend, erwärmend und erleuchtend nach allen Gegenden der Erde auszuströmen und zu verkünden durch Wort und That, dass nur Ein Gott und Eine Menschheit sei. Zugleich ist in der Beschreibung, welche die ältesten englischen maurerischen Lehrlingsfragstücke von der Loge als aus der Tiefe der Erde bis zur Höhe des Himmels reichend geben, 1) offenbar die Vorstellung der Urmenschheit von dem durch die Götter auf der Erde bewohnten und in den Himmel hinüberreichenden Berge, dem Götterberge, dem parsischen Albordj, welchen Julius Braun mit Unrecht von dem Elborus des Kaukasus ableiten will, 2) während auf diesen Gipfel des Kaukasus der aus dem Innern Asiens mitgebrachte Namen des Albordj übertragen worden ist, - dem indischen Meru, - dem griechischen Olympos, - der germanischen Weltesche Yggdrasil, - dem semitischen oder mosaischen Berge Ararat u. s. w. verborgen. Um diesen Götterberg herum oder am Fusse desselben liegt das Paradies, Eden mit der Geburtsstätte der Menschen, - oder von dem Götterberge herab strömen nach 4 Weltgegenden, das Wasser und die Menschheit und mit ihr und in ihr der Geist und das Wort Gottes. Dass Julius Braun, vom Paradies, im Ausland für 1861, S. 966, das Paradies oder Eden nach Armenien oder Obermedien (Aderbidschan), dem Hedinesch (Eden) des Zoroaster (zufolge Braun, S. 1040 b, erst im 6ten Jahrh. lebend) verlegt und nach Art eines Euhemeros in den 4 biblischen Paradiesesströmen den Euphrat (Phrat), Tigris (Hiddekel), Araxes (Gihon) und den Halys (Pison) erblicken will, fällt schon mit der einzigen Bemerkung dahin, dass die Schöpfungsmythe der Urmenschheit, der noch vereinigten Menschheit gar nicht in den semitischen Landen entstanden sein kann, sondern die Semiten selbst aus dem fernern Osten her nach Babylon, Assyrien und Syrien zogen und herabstiegen, indem sie den Ursitz verliessen oder




    1) Krause, Urkunden, I. 1. S. 211.
    2) Ausland für 1861, S. 966.



auch vielleicht gewaltsam von jüngern Stämmen (den Cherubim) daraus vertrieben wurden.

Dass auch der Nimbus oder Strahlenkranz, 1) womit schon die alten Aegypter, Griechen und Römer die Köpfe ihrer gemalten Götter u. s. w. umgaben, aus dem Alterthume unmittelbar auf die christliche Kunst übergegangen sei, kann kaum in Zweifel gezogen werden. Selbst bei den Indern erblickt man eine Menge von Götterbildern mit dem Nimbus. Bei den Griechen wurde selbst den Statuen der Nimbus in Gestalt einer runden Scheibe aufgelegt, weil diese Scheibe zugleich dazu diente, die Statue gegen die Einflüsse der Witterung zu schützen. In den Katakomben von Rom erscheint Christus mit dem einfachen alterthümlichen (Licht-) Kreis um das Haupt, während es gegen das 6te Jahrh. bei den Christen üblich wurde, die drei Personen der Gottheit und nur diese mit einer ein Kreuz tragenden Kreisfläche zu umgeben, so dass der in eins zusammenhaltende Mittelpunkt des Kreises und des Kreuzes hinter dem obern Theil des Kopfes lag und daher von diesem, wie der untere Kreuzflügel vom Hals verdeckt ward. Die drei sichtbaren Kreuzflügel waren oft mit den Buchstaben (: er, welcher ist, - der Seiende) bezeichnet, oder bei römischen Bildern mit r - e - x. An diese 3 Kreuzesarme mit ihren 3 Buchstaben schliesst es sich, dass in den Freskogemälden auf dem Berge Athos der Nimbus des Schöpfers gewöhnlich ein Dreieck bildet; besonders merkwürdig sind in dieser Hinsicht die Darstellungen in den Klöstern Santa Laura, Iviron und Vatopedi. Das Dreieck, dessen symbolische Bedeutung von der platonischen Sekte besonders ausgebildet ward, galt auch bei den Druiden der Kelten schon als Zeichen der drei untrennbaren, oben berührten göttlichen Eigenschaften, nur wurden hier diese




Symbolik, I. S. 230; Kunstbl. für 1843, S. 113 ff.; Di dron, in der Revue générale de l'architecture et des traveaux publics, redigirt von César Galby, Paris 1843; Schnaase, IV. 1. S. 365 ff.; Münter, Sinnbilder und Kunstvorstellungen der alten Christen, II. S. 20 ff.



3 Eigenschaften, die 3 tragenden Säulen oder Pfeiler der maurerischen Logen, als das Sein, Denken und Reden bezeichnet. Auch findet man Darstellungen des Schöpfers, dessen Hand mit dem Kreuznimbus umgeben ist, und in dem Nimbus um den Kopf des symbolischen Lammes sieht man zuweilen nicht blos die 3 Kreuzesflügel, sondern in jedem derselben wieder ein kleines Kreuz. 1) Der Nimbus der Engel und der Heiligen bestand regelmässig nur aus einem einfachen Kreise und blos ausnahmsweise enthält der Nimbus der Engel das Kreuz. Aus Johannes Diaconus, und Ciambini (Vetera monumenta) wissen wir, dass schon in alter Zeit auch Lebende und Verstorbene, die einen gewissen Grad von Heiligkeit unbestreitbar erlangt hatten, mit dem Nimbus geschmückt wurden: aber in solchen Fällen war der Nimbus viereckig. Wahrscheinlich hatte diese Bestimmung ihren Ursprung in der Lehre der Neu-Platoniker, bei welchen das Quadrat das Zeichen der Erde, wie der Kreis das des Himmels war; doch scheint sich diese Form hauptsächlich auf altitalienische Darstellungen zu beschränken. Bei den Römern ist der Strahlenschein um das Haupt, von Cäsar an, das charakteristische Kennzeichen aller vergötterten Imperatoren gewesen und eben dadurch nach Böttiger, kleine Schriften, III. S. 234, auch das Vorbild zu dem Lichtkreise (auréola) geworden, der schon auf den ältesten christlichen Denkmälern alle geheiligten Köpfe umgibt. Ebenso erscheinen auf Siegeln die deutschen Kaiser, z. B. Heinrich II., 2) von dem Heiligenscheine umgeben. Auf den Münzen des indoskytischen oder Turushka-Königs Kanerki, Kanerku oder auch Kanishka, wird der altiranische Mithra, welcher auch Helios genannt, also dem Sonnengotte gleichgesetzt wird, mit einem kreisförmigen, von spitzen Strahlen umringten Nimbus dargestellt. Auf den gleichen Münzen, welche in die ersten beiden Jahrhunderte nach Chr. fallen, wird die




    1) Vergl. eine ähnliche Darstellung bei Münter, I. Taf. 1. Fig. 16, ein Grabstein mit dem kreuztragenden Lamme zwischen den Sinnbildern des Evangelisten Mathäus und Lucas.
    2) Bei Mone, Zeitsehrift für die Gesch. des Oberrheins, III. S. 188.



nämliche Gottheit des Mondes, Mao genannt, mit einer Strahlenkrone um das Haupt abgebildet. 1) Auf Basreliefs und Münzen aus der Sassanidenzeit erscheint König Sapor II. mit einer Strahlenkrone, worauf ein Globus ruht. 2) Der indische Astronom Varâhamihira zählt unter den Vorschriften, wie die Statue des Sonnengottes darzustellen sei, auch auf, derselben eine Art Krone (mukuta), von einem Strahlenkranze umgeben, auf das Haupt zu setzen. 3) Der Sonnengott Surja wird in den Veden der Gott mit dem strahlenden Haupthaar genannt. 4) Auf einer Münze von Dyrrachium befindet sich eine das Kalb säugende Kuh (die den Horus säugende Isis der ägyptischen Bildwerke, - die griechische Demeter oder Persephone mit dem Dionysoskinde) und darüber das strahlende Haupt der Sonne, was zufolge Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 389, bezeichnet: der Gott erstarket an den Brüsten der Natur unter dem Einflusse der Sonne, oder vielmehr die Natur erstarket an dem warmen und nährenden Herzen des jungen Licht- und Sonnengottes. Auf fränkischen Münzen des 6ten Jahrh. erscheint die Victoria einige Mal, das Haupt mit dem Nimbus umgeben. 5) Im Norden ist die Rune R, sobald sie Radegast bezeichnet, mit Strahlen umgeben. 6) In der christlichen Kunst, in welcher seit dem 12ten Jahrh. die alte feine Kreisfläche oder Scheibe des Nimbus als eines dem Haupte entströmenden Lichtes mancherlei Abänderungen und zum Theil auch Entstellungen erfuhr, erscheinen auch ganze Figuren in einem ovalen Heiligenscheine, welche spätere Form aber bald wieder verschwand. Zuweilen wurden selbst der Nimbus um das Haupt und derjenige um die ganze Figur mit einander verbunden; so haben in einem Manuscript der königlichen Bibliothek zu Paris aus dem 15ten Jahrh. die drei Personen der Gottheit jede einen Kreuznimbus um den Kopf, während die ganzen Figuren zu-




    1) Lassen, ind. Alterthumsk., II. S. 837 - 839.
    2) Kunstbl. für 1847, S. 62 b.
    3) Weber, indische Skizzen, S. 104.
    4) Dunker, Gesch. des Alterthums, II. S. 24 oben.
    5) Piper, I. 1. S. 185.
    6) Wolf, Beiträge, II. S. 14.



sammen mit einem grossen Strahlen- oder Flammenschein umgeben sind. Bei den Indern wird von der schönen Damajanti gerühmt, dass sie schimmernden Leibes sei, des Mondes Schimmer nicht achtend wegen des eigenen Lichtes. Der Tugendglanz auf Duschmanta's Angesicht strahlt wie ein schön geschliffener Diamant. Bei dem sog. Zendvolke lässt die Sage die alten Helden von einem Lichtglanze (qarenô) umgeben sein, kraft dessen sie ihre grossen Werke zu Stande brachten, wie der 19. Jescht zeigt. Haug, die Gâthâs des Zarathustra, II. (Leipzig 1860) S. 128, glaubt daher Çaoshjañtô's, wie in den Gâthâs die alten Helden genannt werden, als die Leuchtenden von çuc, leuchten, deuten zu können, wie leuchtend (çocucânah) auch im Weda ein öfter gebrauchtes Prädicat Agni's sei. Caoskjac soll nach Haug nur ein Name der uralten arischen Feuerpriester sein, wie Atharvan's und Bhrigu's im Weda, und die das Feuer (durch Anzünden und Unterhalten) wachsen oder hell und licht Machenden bezeichnen. Die Çaoskjañto hält Haug zuletzt (S. 161) mit den Feuerverehrern, mit den Mazdaverehrern für identisch oder nur für eine höhere Klasse derselben. - Psalm 104 beginnt den Schöpfer also zu lobpreisen:

Lobe den Herrn, meine Seele!
Herr, mein Gott, du bist sehr gross,
Mit Majestät und Herrlichkeit bist du gekleidet.
Er zeucht Licht an, wie ein Gewand,
Spannt den Himmel aus, wie eine Zeltdecke.
Der mit Wasser aufbaut seine Söller,
Die Wolken macht zu seinem Fahrzeug,
Der einherfährt auf den Flügeln des Windes:
Er macht die Winde zu seinen Boten,
Zu seinen Dienern lodernde Flammen.

Diese wenigen Verse umschliessen sehr Vieles von dem Glauben und der göttlichen Symbolik des Alterthums und könnten leicht zum Gegenstande längerer Betrachtungen gewählt werden. Majestät, Herrlichkeit und Licht ist das Kleid der Gottheit und der Himmel sein Zelt, seine Wohnung; da aber Kleid und Wohnung (und Leib) ganz verwandte Begriffe und Benennungen sind, 1) ist das Licht




    1) Vergl. darüber die schöne Abhandlung von L. Tobler in Pfeiffer's Germania, IV. S. 169 ff.



auch die Wohnung und der Himmel, die Welt, das Kleid und der Leib Gottes. Daher sagt auch Paulus in seinem ersten Briefe an den Timotheus 6, 16 von Gott: "der in einem unzugänglichen Lichte wohnt den kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann." II. 5, 1 schreibt Paulus an die Corinther: "Denn wir wissen, dass wenn unser irdisches Haus oder Hütte zerbrochen wird, wir ein Gebäude von Gott haben werden; ein Haus nicht von Händen gemacht, das ewig ist in Himmeln." Das Schiff der Kirche, welches Schiff schon die ägyptischen Götter, die germanische Nehalenia oder Nerthus und den christlichen Christus trägt, sind die Wolken, die Segler der Lüfte und die Flügel der Götter. Zugleich sind die Winde und die Flammen des Blitzes göttliche Boten und Verkünder. So wird z. B. im Rig-Veda I. 19, 6 Indra angerufen, mit den Marut's (den Winden) zu kommen, mit den Göttern, die im Himmel sind ob dem Lichtkreis des Göttersitzes. In dem Himmel Indra's leuchten die Tugenden der Seligen, zu Sternen verkörpert. 1) Rückert in den brahmanischen Erzählungen, S. 318, leitet sehr schön Himmel und Heimath, Hima (Schnee) und Hema (Gold), woher der Himalaia seinen Namen trägt, auf die gleiche Wurzel, auf die gleiche Bedeutung des Glänzens und Leuchtens zurück:

Die Sonne ist's also, die wie das Gestein im Schacht,
Den ew'gen Schneeberg auch zum ew'gen Goldberg macht.

Er ist Himalaia genannt und Himawat,
Wovon der Himmel und die Heimath Namen hat.

Die alte Heimath ist der Menschenstämme dort,
Wo heimlich Himmlische sind heimisch fort und fort.

Die Leuchte- oder Lüchtemännchen (die Irrlichter) der norddeutschen Sage sind Todtenknochen, 2) d. h. die Seelen der Verstorbenen. Das goldene lange Haar der germanischen Götter, worunter besonders die Sif als die




    1) Wollheim, Mythol. des alten Indien, S. 15.
    2) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 116 und Anm. 119.



schönhaarige erscheint, 1) fällt mit ihrem Strahlenkranze zusammen, macht sie goldleuchtend, 2) - erzeugt die radios capitis Deorum, von welchen Taeitus Germ. cap. 45 spricht. Ein Mädchen im Mährchen ist von seinem goldenen Haar bis zu den Fusszehen bedeckt. Daher war das lange, und zwar das helle (leuchtende) oder blonde, Haar zumal nach nordischer Ansicht, 3) die vorzüglichste (symbolische) Auszeichnung bei den Deutschen und besonders bei den salischen Franken; die Könige der salischen Franken waren die langhaarigen (crinitos), wie sie Gregor von Tours, II. 9, nennt, und das Abschneiden der Haare galt als die Entziehung aller königlichen Rechte und Macht. ln den Gesta Francorum, cap. 4, heisst es von dem (zweifelhaften) Könige Faramund: elegerunt et levaverunt eum super se regem crinitum, wie wir etwa sagen könnten, dass sie ihn zum gekrönten (zu krönenden) Könige gewählt und erhoben haben. Auch bei den Griechen war es den Sklaven untersagt, langes Haar zu tragen. 4) Den Lichtgöttern, z. B. dem Apollo bei den Griechen und dem Krichna (Wischnu) bei den Indern, 5) werden nicht selten die Haare zum Opfer gebracht. Hesiod in der Theogonie nennt die Phoebe "die goldbekränzte" und Rig-Veda, I. 45, 6, ruft den "flammenlock'gen" Agni an. Auch Christus wird auf den ältesten erhaltenen Kunstdenkmalen schon mit langem, bis auf die Schulter herabfallenden Haupthaare, wohl mit Rücksicht auf den jugendlichen Apollo, dargestellt, z. B. im Coemeterio S. Callisti und in dem Coemet. Pontiano zu Rom. 6) Die Statuen des Asklepios und der Hygieia zu Titane waren nach Pausanias, II. 11, 6, durch eine weisse Tunika




    1) Wolf, Beiträge, I. S. 197.
    2) Wolf, II. S. 12 ff.
    3) Weinhold, altnordischcs Leben, S. 31 und 33. Schwarze Haare galten gleich den schwarzen Augen für hässlich. Die Knechte (und der Teufel) sind schwarz und hässlich, wohnen auch an dunkelen, finstern Orten. "Sei ein Knecht schwarz und schlecht!" war ein Fluch.
    4) Schoemann, griech. Alterthümer, I. S. 352.
    5) Paulin, voyage, I. S. 46.
    6) Vergl. Münter, II Taf. I. Fig. 3, 4, 9 - 14.