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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel V



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Die königliche Kunst.

Gewöhnlich und allgemein verbreitet ist die Ansicht, die Freimaurerei trage den Namen einer königlichen Kunst von den Beziehungen, in welchen sie in England zu den Bestrebungen der Stuarts gestanden: allein dennoch möchte diese Ansicht eine unbegründete und irrige sein. Vielmehr scheint es, dass die königliche Kunst ein Leben nach dem Willen und Gebote des Himmelsköniges oder himmlischen Herrschers, ein gottgefälliges und tugendhaftes, ein reines und lichtvolles Leben bezeichne, und dieser Begriff oder diese Bezeichnung von den Aegyptern ausgegangen sei. Osiris wurde unzweifelhaft bei den Aegyptern als der Himmelskönig, als der Beherrscher der Götter und Menschen, von Himmel und Erde, von Ober- und Unterägypten aufgefasst und trug desshalb auf den Abbildungen eine doppelte Königskrone, wie eine solche Krone auch seine Gemahlin Isis als Himmelskönigin trug oder mit der ägyptischen Königskrone und dem Scepter dargestellt wurde. 1) Kronen trugen ebenso die besonders zu Sais verehrte Neith, die griechische




1) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, Il. S. 170.



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Athene, - die Satis u. s. w., ganz gleich wie noch heute die Maria als Himmelskönigin bei den Katholiken eine goldene Krone auf dem Haupte zu tragen pflegt. Mit Hinsicht auf den Himmelskönig und die Himmelskönigin war also königlich bei den Aegyptern gleichbedeutend mit göttlich und Osiris wird daher in dem Todtenbuche der königliche Weber und Schöpfer, oder der königliche Erzeuger der Erzeugten genannt. 1) Isis ist die königliche Gemahlin des Osisris, worüber Lepsius, Götterkreis S. 24, zu vergleich ist. In einem etwas weiteren Sinne möchte königlich mit heilig die gleiche Bedeutung gehabt haben, da die heiligen Kühe in dem Todtenbuche, Kap. 148, die königlichen heissen. Osiris heisst also bei den Aegyptern ganz in derselben Weise der König und die Isis die Königin, wie wir Gott den Vater oder Herrn und Richter der Menschen nennen. Ebenso preisen auch die Parsen ihre sieben obersten Lichtgötter, die Amesha-cpenta, als die guten Könige (z. B. II. Thl. des Yacna, LXII, 3 und 47) und ebenso wird von Ihnen auch der Ausdruck königlich für göttlich gebraucht (Z. B. II. Thl. des Yacna, LVI, 8. 2), so dass die diesfällige Anschauungs- und Ausdrucksweise als eine allgemeinere orientalische betrachtet werden dürfte. Auch gehört hierher, dass bei den römischen Christen die Kirche, das Haus des Herrn, zuerst das königliche oder Basilica hiess, weil, wie Isidor sagt, dort der König Aller, Gott, angebetet wurde (quia ibi regi omnium Deo cultus et sacrificia offeruntur). Eusebius vindicirt den christlichen Kirchen, weil dem Herrn gewidmet, den Namen , dominica, Gebäude des Herrn. König, Herr und Vater, ohne weiteren Beisatz, bezeichnet also vorzugsweise den göttlichen und himmlischen König, Herrn und Vater.

Die königliche Kunst ist nun die Anleitung zu dem königlichen oder göttlichen Leben der Menschen, die Lehre von den guten Werken, die Religions- und Morallehre und ihr scheint bei den Aegyptern das zweite Buch ihrer heiligen Schriften oder der 42 sog. hermetischen (weil Thot-Hermes beigelegten) Bücher gewidmet gewesen zu sein,




1) Uhlemann, a. a. O., IV. S. 231 u. 183.



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obgleich man gewöhnlich annimmt, z. B. Movers 1) und Prichard, 2) dass dieses Buch Vorschriften für die Lebensweise der Könige enthalten habe. Derartige Vorschriften würden wohl nicht gleichsam an die Spitze der heiligen Schriften unmittelbar nach den Lobgesängen an die Götter, welche das erste Buch in sich begriff, gestellt worden sein und noch weniger hätte dieselben der heilige Sänger auswendig lernen müssen. Clemens von Alexandrien sagt, dass die beiden ersten hermetischen Bücher für den heiligen Sänger. "Lobgesänge an die Götter und Anleitungen zum königlichen Leben" enthalten haben 3) und unter diesen Anleitungen zum königlichen Leben, können sicherlich nur Vorschriften für das göttliche und heilige Leben überhaupt verstanden werden, obwohl allerdings auch besondere Vorschriften für den König nach Clemens dabei gewesen sein müssen. 4) Nach Diodor I. 70-72 dürfte es wohl gar keinem Zweifel unterliegen, dass die Schrift des Sängers, welche die Anleitungen zum königlichen Leben, Betrachtungen über das königliche Leben enthielt, die Sittenlehre, das umfasste, woraus dem Könige täglich von dem Sänger einzelne Abschnitte vorgelesen werden mussten, um denselben für die Staatsgeschäfte vorzubereiten. 5) Diese Auffassung wird auch durch den Inhalt des Todtenbuches bestätigt, indem das erste Kapitel desselben überschrieben ist: "Rede vom Schöpfer überhaupt" und das zweite: "Rede vom Aufgange des lebendigen Lichtes (der Sonne), des Richters der Frommen und der Bösen," 6) also man hier den Gedankengang und die Eintheilung der hermetischen Bücher befolgt zu haben scheint. Die heiligen Schriften der Aegypter kämen nach unserer Auffassung auch in überraschende Uebereinstimmung mit den heiligen Schriften der Parsen. Der Inhalt der beiden ersten Bücher des Zendavesta, welcher 21 anstatt der 42 ägyptischen oder nur dreimal an-




1) Die Phönicier, I. S. 112.
2) Aegypt. Mythologie, Bonn 1837, S. 6.
3) Uhlemann, a. a. O., IV. S. 135.
4) Uhlemann, Thot, S. 83.
5) Uhlemann, ägyptische Alterthumskunde, II. S. 235 unten.
6) Uhlemann, Thot, S. 189.



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statt sechsmal sieben Bücher enthielt, wird dahin angegeben, das erste Buch sei du Buch der Lobpreisungen und Gebete gewesen, das zweite Buch aber habe von den guten Werken gehandelt. 1) Wie es mich aber auch mit dem Inhalt des zweiten Buches der hermetischen Bücher verhalten möge und was unter der Anleitung zum königlichen Leben des Clemens zu verstehen sein sollte, wenn der Ausdruck: "königliche Kunst" bei den alten Steinmetzen und Maurern ein hergebrachter, ein traditioneller gewesen ist, wie wir glauben vermuthen zu dürfen, bezeichnete die königliche Kunst ursprünglich gewiss das gottgefällige und tugendhafte Leben. Jedenfalls aber steht Nichts entgegen, sondern geht vielmehr aus dem innersten Wesen und Streben der Freimaurerei hervor, jetzt und künftig die königliche Kunst so zu deuten und zu verstehen. Je mehr sich die Freimaurerei von den irdischen Königen frei und unabhängig macht und blos auf den Himmelskönig bauet und trauet, um so besser wird sie sich gestalten und um so näher ihrem erhabenen Ziele kommen. Also nicht nach den irdischen Königen, sondern nach Gott, nach dem Himmelkönig, vor welchem die Könige und die Better der Erde gleich sind, dem der Mächtige wie der Niedrige unterworfen ist, nennt man und nenne man die Freimaurerei die königliche Kunst. Osiris spricht Kap. 11 des Todtenbuches:

"Ich bin der Sonnengott, leuchtend am Firmamente, der erröthen macht seine Widersacher, auch selbst den Mächtigen und den Fürsten des Volkes. Ich richte den Herrn der königlichen Diademe, und sowohl den leuchtenden als den nichtleuchtenden Menschen, welche in meinem Lichte wandeln , sowohl den Bettler als auch Den, welcher mir ähnlich ist an Macht. Desshalb Vernichtung dem Volke der Sünder, welches mir nicht ähnlich ist, so wie dem Führer des Volkes - - - Fürchtet, betet an! Niemand ist mir gleich, auch nicht einmal der Führer des Volkes."

So spricht Osiris und wohl den Fürsten und den Menschen, die seine Worte nicht zu fürchten haben.




1) Dunker, Geschichte des Alterthums, II. S. 306.



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Im altenburger Constitutionenbuche, S. 126, behauptete Br. Schneider, und Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 64 Anm., wie auch Mossdorf in Lenning's Eneyklopädie unter Kunst scheinen ihm darin beizustimmen, dass die Benennung der Freimaurerei als einer königlichen Kunst in England aufgekommen sei, als König Wilhelm III. im J. 1693 zum Freimaurer aufgenommen worden. Indessen war jedenfalls in England schon vor dem J. 1693 die Benennung königliche Kunst gebräuchlich. 1) Ein älterer Lehrlingscatechismus wollte die Benennung daraus erklären, dass die Freimaurerei die Herrschaft über sich selbst lehre.




1) Vergl. auch Gädicke, Freimaurer-Lexikon unter Kunst.