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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel X



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Die Hand.

Was dem schaffenden und thätigen Menschen die Hand ist und wozu sie ihm mit den Fingern naturgemäss dient, 3) ist zugleich die allgemeine und ursprünglichste symbolische Bedeutung der Hände der Götter und der zu Göttern erhobenen Naturkräfte in Phönicien und Aegypten, in Indien, in Griechenland und ltalien, wie bei den Germanen. Sobald der Mensch sich die Götter menschlich gestaltet dachte. musste er auch die Götter in der gleichen Weise schaffen und vollbringen lassen, wie er selbst schuf und vollbrachte. wesshalb überall die Hände, die Hand und die Finger das Symbol für die schaffende, gestaltende, bildende. ordnende, zeugende und webende Kraft und Thätigkeit der Gottheit und der Natur sind. Vorzüglich wurde die Weltschöpfung. die Erdschöpfuno, und die Schöpfung des jährlich sich erneuernden Erd- und Natur-




3) im Sanskrit hiess die Hand Kara, das griechische , von kri, machen, bilden. Auch der griechische Cheiron trägt nach Furtwängler, die Idee des Todes, S. 742 Anm. 3, seinen Namen von der Hand oder . Preller, griech. Mythol., II. S. 14 unten, stimmt damit zusammen, indem er den Chiron als den Mann der helfenden (heilenden) Hand erklärt.



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als ein ein Werk der göttlichen Hände und Finger gedacht und dargestellt; auch selbst der Mensch sollte daraus hervorgegangen und gebildet sein. Wie wir noch heute bildlich und poetisch von der schaffenden Hand der Gottheit und der Natur reden, hatte das Alterthum dieses poetische Bild zu mythologischen Personen und ihrem Schaffen und Wirken gestaltet. Bei den Processionen des Isis, der grossen ägyptischen Ur- und Erdmutter, trug daher der vierte, Priester mit Hindeutung auf die schaffende und gebärende Natur derselben die Abformung einer linken Hand, welche nach Apulejus die Hand der Billigkeit, aequitatis manus genannt wurde, weil die Mutter Erde unter alle Menschen ihre Gaben gleich gerecht und billig vertheilt. Von der Kunstfertigkeit ihrer Finger führen selbst die idäischen Dactylen, denen sich die Kureten und Korybanben anschliessen, und die pränestinischen Digitier ihren Namen. Sie sind nicht blos Erzarbeiter, und nicht desshalb Daetyli oder Digitii genannt, weil zum Schmiedehandwerk Hand und Finger besonders erforderlich sind, vielmehr hat in jenem Namen ihre allgemeine Gottesnatur, welche die Zeugungskraft des Stoffs in sich schliesst, ihren Ausdruck gefunden. Die Dactyli bilden in ihrem Vereine die Gotteshand. welche alle Organismen schafft und bildet. 1) Dem gleichen symbolisirenden Ideenkreise gehört es an, dass im Norden die Orchis mit ihrer handförmigen Wurzel Niardhar vöttr, Handschuh des Niördr, des germanischen Gottes der im Boden genannt wird. In der handförmigen Wurzel der Pflanze erkannte man die schaffende Hand der Natur selbst. In der christlichen Zeit wurde sodann die Wurzel, wenn sie weiss war, Marienhand, wenn schwarz, Satanshand geheissen und heisst noch in Deutschland Liebfrauenhand, Jesushand, Christhändlein. 2) Menzel, Odin. S. 104, hält es für wahrscheinlich, dass die symbolischen Hände, welche er im J. 1846 in den alemannischen Gräbern am Lupfen gefunden hat und die noch in der Sammlung des württeinbergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart aufbewahrt werden, den Todten




1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 17S.
2) Menzel, Odin, S. 27.



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als Pfand der Wiedergeburt mit in das Grab gegeben worden seien. Die Hand war nämlich das germanische Svmbol der Hand des Tyr, des Frühlings und des Kriegsgottes des römischen Mars, von welchem auch der Frühlingsmonat Merz den Namen trägt, d. h. der ewig sich verjüngenden und siegreich den Winter und den Tod überwindenden Vegetations- und Naturkraft, auf welche Unsterblichkeit der Natur der Mensch den Glauben an die Unsterblichkeit des eigenen Geistes gründete und deren Fest oder Mysterium er als das Fest und Mysterium der eigenen Unsterblichkeit feierte. Die Hand würde also in ihrer symbolischen Bedeutung ganz mit Adonis-Osiris-Dionysos-Hiram und mit der aus seinem Grabe stets neu erblühenden Akazie, dem Symbole des ewigen Lebens, zusammenfallen. Die niemals ersterbende und immer wiedererstehende Natur war überall den Völkern gleichsam das Faustpfand (dessen Namen im Deutschen nach Menzel wohl dieser Symbolik angehört) des Wiedererstehens aus dem Tode, der eigenen Unsterblichkeit. Das Grab ist nur die Wiege eines neuen Lebens, wie die herabfallenden welken und verwesenden Blätter des Baumes die Begründer seiner künftigen Frühlingspracht werden. Auch die Blumen auf dem Sarge und auf den Gräbern deuten nur auf den ewigen Frühling, das ewige Leben und Licht, in welches der Verstorbene durch den Tod hinübergegangen ist. Schon bei den ägyptischen Leichenbegängnissen pflegte der Sargkasten mit Blumen geschmückt zu werden und sieben Männer streuten dabei Palmzweige auf den Weg, gewiss zum Symbole, dass der Verstorbene in das Land des ewigen Frühlings hinübergegangen sei. 1)

Den blos oder vorzugsweise weidenden und ackerbautreibenden Völkern ist die Hand das Symbol der vergöttlichten und personificirten Erd- und Naturkraft, der Erdmutter oder des Blumen- und Früchtegottes; nachdem aber ein. Volk, wie unter allen Völkern der Erde zuerst die Aegypter, sich dem Steinbaue, dem festen Baue der Tempel und der Städte zugewandt und Gott unter dem Begriffe




1) Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, II. S. 327.



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des allmächtigen Baumeisters der Welt und der Menschheit erfasst hat, wird die Hand (mit dem Hammer) zum Symbole des allmächtigen Baumeisters, des die Welt und die Menschheit bauenden Gottes. Nach Harapollo war bei den Aegyptern und in der ägyptischen HierogIyphik die Hand das Symbol, die symbolische Hieroglyphe für einen Baulustigen oder einen Bauenden, so dass also zwei verschlungene Hände das eben so natürliche als passende Symbol der Bauleute, der Baubrüder, der Masonen, der Maurer sind und waren. Wenn irgend eine historische oder symbolische Behauptung mit Bestimmtheit aufgestellt werden darf, ist es die, dass das Symbol der zwei verschlungenen Hände ägyptischen Ursprunges und von den Aegyptern durch die Vermittelung der Phönicier, Griechen und Römer den Germanen überbracht worden sei. Die verschlungenen Hände oder auch nur eine Hand sind das eigentlich architektonische und damit zugleich ägyptische, das maurerische Symbol des Eingeweiht- und Verbundenseins, - des gemeinsamen Bauens, Strebens und Lebens, wie zufolge Bachofen, Gräbersymbolik S. 182, die Hand auch als Symbol der Einweihung in die baccisch-orphischen Mysterien auf griechischen Gräbern erscheint. So gefällig und geistreich Menzel's vorgehende Deutung der Hand und des deutschen Faustpfandes auch erscheinen mag, dennoch ist es natürlicher und menschlicher, geschichtlicher, den Handschlag, die Vereinigung zweier Hände als das Zeichen und das Pfand der Liebe, Freundschaft und Treue, des vereinigten Lebens und Strebens, - des Bundes, des Eingeweihtseins zu betrachten. Wie sich verbindend der Ring der Verlobung um den Finger der Braut oder des Bräutigams legt, so umschliesst und umringt eine Bruder- und eine Freundeshand die andere. Die ursprüngliche phönicisch-ägyptische Schrift, die Urschrift der Menschheit war eine Bilderschrift und das Urbild, die Urhieroglyphe der Liebe, der Vereinigung und des Verbundenseins sind gewiss zwei sich umschlingende Hände, zwei gleichsam sich umarmende und küssende Menschen. Diese verschlungenen Hände scheinen auch nach dem an einem andern Orte Bemerkten das Symbol der





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Zwillinge, der im Tod und Leben untrennbaren Brüder im Thierkreise ursprünglich gewesen zu sein. Wie es heisst, dass die Ehen, die Bündnisse im Himmel geschlossen werden, so reichen auch in den Sternen, aus den Wolken sich die verschwisterten und verwandten Geister die Hände und was der Himmel und die Ewigkeit gebunden und geschürzet hat, wird die Erde und der Tod nicht lösen.

Einige Verwandtschaft mit dem maurerischen Symbole der zwei verschlungenen Hände hat das spartanische Symbol der Dioskuren oder der Tyntariden Kastor und Polydeukes, der unzertrennlichen, jugendlichstarken Zwillingsbrüder des Morgens- und des Abendsternes. In Sparta nämlich gab es ein altes Symbol der göttlichen Brüder, zwei parallele Balken, welche durch Querhölzer verbunden waren; dieses begleitete die Spartaner in den Krieg, so lange seine beiden Könige, gleichsam zwei Dioskuren auszogen. 1) Diese fest verbundenen Balken sollen also die brüderliche Liebe bezeichnen, welche die beiden Brüder und Lichtgötter so innig und unauflöslich vereinte, dass der unsterblich geborene Polydeukes lieber den Himmel als seinen sterbenden Bruder Kastor verliess und leicht mit ihm ein zwischen Leben und Tod wechselndes Schicksal ertrug. 2)

Die Hand in den Mysterien und in den Gräbern der Eingeweihten möchte nicht allein das Symbol des Verbundenseins. der treuen Bruderliebe, sondern noch mehr des abgelegten Gelübdes und geschwornen Eides sein, wie in dem Rechtsleben, besonders in dem germanischen, 3) mit einem Handschlage alle Gelübde und Verträge bekräftiget und mit der rechten Hand alle Eide ausgeschworen wurden. Die Hand in den Gräbern der Eingeweihten drückt also zunächst einfach das Eingeweihtgewesensein, das Gebundengewesensein durch Gelübde und Eidschwur aus. Dass bei der Aufnahme in die Mysterien der Alten, besonders aber in die eleusinischen Geheimnisse und in die Mithrasmysterien, ein feierlicher Eid über die Bewahrung




1) Preller, griech. Mythologie, II. S. 70
2) Preller, a. a. O., II. S. 67.
3) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 138 ff.



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des Geheimnisses und über die Erfüllung des Gelübdes habe abgelegt werden müssen, darf ohne das mindeste Bedenken angenommen und behauptet werden und gerade desshalb wissen wir so wenig Bestimmtes und Näheres über die alten Mysterienanstalten. Die Hand in den Gräbern der Eingeweihten könnte daher auch bedeuten. dass der Verstorbene getreu seinem Gelübde und Eide gestorben sei, - dass die Hand bis zum Tode erfüllt habe, was sie gelobt und geschworen. Ganz die ähnliche symbolische Bedeutung hat die Hand auch bei den Maurern. So trägt eine vor Kurzem zu Halberstadt aufgefundene, wahrscheinlich auf die Beschwörung des Bundes der niedersässischen Bauhütten im Jahre 1546 bezügliche Denkmünze sehr bedeutungsvoll eine Rose (als Symbol des zu bewahrenden Geheimnisses) und eine zum Schwure ausgestreckte Hand, mit den Namen der vier gekrönten Märtyrer. 1)

In ihrer letzten und höchsten Bedeutung dürfen die zwei verschlungenen Hände der Maurer als die Hand der Gottheit und des Menschen aufgefasst werden, welche die Welt und die Menschheit schaffen, bilden und bauen. Die Maurer, die Menschen bauen mit der Gottheit und nach ihrem Plane in der Menschheit den grossen Tempel Gottes, den zerstörten salomischen Tempek, das himmlische Jerusalem. Die Gottheit reicht gleichsam ihre Hand aus dem Himmel, aus den Wolken den Menschen auf die Erde herab und der Mensch hebt gläubig und hoffend seine Hand zu dem Himmel empor, um die Gottheit zu erfassen, und indem die beiden Hände sich vereinigen und verschlingen, wird der Gottmensch, ist Gott in der Menschheit und diese in jenem. Aehnlich verehrten die Syrer nach Macrobius den Adad und die Adargatis, die Sonne und den Mond, jene dargestellt mit sich herabsenkenden und dieser mit hinaufsteigenden Strahlen, um anzudeuten, dass die Erde alles Leben und alle erzeugende Kraft von dem Himmel empfange. 2)

Endlich mag hier von vielen maurerischen Denkmünzen und Siegeln mit den verschlungenen Händen nur eine




1) Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 210. 2) Prichard, ägyptische Mythologie, S. 36.



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solche der Loge zu den drei Degen in Halle vom 24. Juni 1744 berührt werden, welche in der Numotheca numismatica Latomorum von Ernst Zacharias veröffentlicht wurde. Auf dem Revers dieser Denkmünze bezeichnen drei in den Wolken sich umschlingende Hände der drei Stände die innige Vereinigung aller Stände zu einem erhabenen Zwecke.