Seite 170 Die maurerische Lehrweise.Die symbolische Lehrweise der ägyptischen Priester hatte besonders auch Pythagoras, ihr 22jähriger Schüler und endlicher Genosse, sich angeeignet und in seiner Schule eingeführt. Ab jedoch Pythagoras nach seiner Rückkehr aus Aegypten und aus Babylon nach seinem Vaterlande Samos hier um das Jahr 511 v. Chr. mit Vorträgen nach der ägyptischen oder symbolischen Unterrichtsweise begann, soll er dadurch seine samischen Zuhörer so sehr abgeschreckt haben, dass er sich bald auf einen einzigen Zuhörer, seinen namensverwandten Pythagoras beschränkt sah; aber auch diesen habe Pythagoras nur dadurch an seinen Unterricht fesseln können, dass er ihm, als einem armen Menschen, anfangs für jeden erlernten Satz eine Geldbelohnung gab, bis endlich der junge Mann, durch die gemachten Fortschritte begeistert, auch ohne die Lohnung des Geldes sein bleibender Anhänger wurde und ihn auch dann nicht verliess, als er von Samos schied und nach Korton in Unteritalien übersiedelte, wo seine Vorträge grössern Beifall fanden. 1) Die Unterrichtsweise der ägyptischen Priester und mit ihnen des Pythagoras war ausserdem eine katechetische, d. h. bestand anfänglich in ganz kurzen Fragen und Antworten, welche die Schüler einfach auswendig zu lernen hatten und die erst später erläutert wurden, gerade wie es noch dermalen mit dem Erlernen der maurerischen Katechismen gehalten zu werden pflegt. Solche pythagoräische Fragen und Antworten, griechisch-ägyptische Spruchweisheit, sind z. B.: 1) Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, II. S. 391 |
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Was ist die Harmonie?Die Weltordnung.Was ist es, das die Orakel in Delphi gibt?Die Vierfaltigkeit (d. i. der ägyptische viereinige Gott des Urgeistes und Urmaterie, der Urzeit und des Urraumes.1)Was ist das Weiseste?Mass und Ziel.Und nach diesen?Der Erfinder der Sprache.Was ist das Mächtigste?Die Intelligenz.Was ist der wahrste Ausspruch?Dass die Menschen elend sind. Aehnlich hatte schon Thales von Milet, welcher auch bei den ägyptischen Priestern gewesen und in ihre Geheimnisse eingeweiht war, gefragt: Was ist das Schwerste?Sich selbst zu erkennen.Was ist das Leichteste?Der Gewohnheit folgen. Auch liebten es die ägyptischen Priester, nach Art der Maurerei ihren Schülern kurze Lebens- und Verhaltungsvorschriften zu geben; solche pythagoräische Vorschriften sind:
1) R ö t h, a. a. O., I. S. 131 ff. |
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Auch war es eine solche, nach den Berichten von Pythagoras bei jeder Gelegenheit eingeschärfte allgemeine Vorschrift: Mit allen Mitteln, und selbst den strengsten, wie bei Krankheiten mit Brennen und Schneiden, müsse man vertilgen und ausrotten - aus der Seele die Unwissenheit, aus dem Bauche die Ueppigkeit, aus dem Staate den Bürgerzwist, aus der Familie die Uneinigkeit und aus allen endlich die Masslosigkeit. Mehr religiöse Vorschriften des Pythagoras waren:
1) Creuzer, Symbolik, I. (stets zweite Ausgabe) S. 104 ff. 2) Spiegel, Avesta, Il. Einleitung, S. L. |
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Derartige ägyptisch-pythagoräische Lebensvorschriften finden sich nun auch bei den Maurern und besonders dem Meister werden bei seiner Aufnahme z. B. nachfolgende Klugheitsregeln ertheilt:
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Die maurerischste Lehr- und Redeweise wäre diejenige in Triaden, d. h. in dreifachen oder dreigegliederten Sätzen, wie dieselbe vorzüglich bei den Druiden (d. i. den Wissenden, den Gelehrten) üblich war und auch bei den ältern griechischen Philosophen, sowie in den Zendschriften vorkommt. Vendidad, Farg. XXIII, 41 und 42 sagt z. B.: "Wendet euch nicht von den 3 besten Dingen: dem guten Denken, Sprechen und Handeln. Wendet euch von den 3 schlechten Dingen ab: dem schlechten Denken, Sprechen und Handeln." Farü. VIII, 95 heisst es: ,"Aehnlich, o heiliger Zarathustra, nimmt das mazdayacnische Gesetz alle schlechten Gedanken, Worte und Handlungen eines reinen Mannes hinweg, wie der starke, schnelle Wind den Himmel von der rechten Seite her reinigt." - Zoroaster, Zarathustra (d. i. nach Haug der grösste Liederdichter), hatte den sinnreichen Spruch: "Die höchste Dreiheit (drigu) ist Gedanke. Wort und That;" denn aus Gedanken fliesst das Wort und aus beiden die That. Fine solche Trias sind ferner die dem letzten Könige von Babylon von unsichtbarer Hand auf den Kalk des Palastes geschriebenen hebräischen Worte: "Mene, Tekel, Peres," wovon der Prophet Daniel die Auslegung gab: "Gezählt" ist deine Regierung, "gewogen" bist du und zu leicht befunden, "getheilt" wird dein Reich an die Meder und Perser. 1) Sehr beachtenswerth für den Zusammenhang der indogermanischen Völker ist es, dass auch die Druiden die Triade hatten: "den Mann empfiehlt es, wenn er richtig, denkt, richtig spricht und richtig handelt." Andere Triaden der Druiden sind z. B.: 1) Dunker, Geschichte, II. S. 557. |
Seite 175 Die Gottheit ehren, nichts Böses thun und der Mannhaftigkeit pflegen.
Der Gesang soll den Verstand.bilden, das Herz veredeln und die Leidenschaft mässigen. 1) Im Buddhathuine wird die Morallehre des Buddha in die Triade zusammengefasst, dass man alles Böse unterlassen, das Gute vollbringen und die eigenen Gedanken bezähmen solle. 2) Auf das Letztere fällt dabei das Hauptgewicht; die Zähmung des Selbst, die Bändigung der Leidenschaften und Begierden, die Reinigung der Seele von schmutziger Sinnlichkeit und Selbstsucht ist das erste und im Grunde das einzige Gebot. - Von dem Gesetze des Buddha wird trilogisch gesagt, es sei gut am Anfang, gut in der Mitte und gut am Ende. Ferner ist es auch ein buddhistisches Gebot: Nichts Uebles thun, nichts Gutes unterlassen, der Gedanken Gang Rein halten unablässig sich, Gebot den Buddhen ist. Bei den Römern werden in §. 3 Inst. de justitia et jure I, 1 die gesammten Vorschriften des Rechts, die ganze Rechtsgesetzgebung in die Triade zusammengezogen, ehrbar zu leben, Niemanden zu verletzen und Jedem das Seinige zu geben (boneste vivere, alterum non laodere, suum cuique tribuere). Als eine maurerische Trias erscheinen in dem ältesten englischen Lehrlingskatechismus die Fragen und Antworten 74 und 75.
Als weitere maurerische Triaden mögen angeführt werden: 1) Brosi, die Kelten und Althelvetier, Soloth., 1851, S. 92. 2) Köppen, die Religion des Buddha, S. 447. |
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Eine andere maurerische Trias, welche dem Gesellen bei der Aufnahme zum Meister zugerufen wird, ist diese: "Mit redlichem Herzen suchen, mit Verstand begehren, mit Zutrauen und Beharrlichkeit anklopfen, dies ist die Wissenschaft der Weisen." Als seine Pflicht wird dem neu aufgenommenen Meister trilogisch eingeschärft, die Arbeiter zu leiten, zu belehren und ihnen mit gutem Beispiele vorzuleuchten. - In der bekannten Halliwell'schen Urkunde aus dem 15ten Jahrhundert wird gesagt: Der Meister Maurer darf wanken nie, In dem Lehrlingskatechismus der frühern Loge zu Prag wurde auf die Frage: "Wodurch muss sich ein Freimaurer auszeichnen?" geantwortet: "Durch einen Wandel ohne Tadel, durch eine Denkart ohne Vorurtheil und durch eine Freundschaft gegen seine Brüder, die jede Prüfung aushält. Das sind eigentlich die drei grossen Lichter, die den schönsten Glanz über unsre allgemeine Loge streuen." 1) 1) Lenning, Encyklopädie in Art. "Lichter." |
Seite 177 Aehnlich wie hier die Dreizahl, die Trias die trilogischen Gebote erscheinen und angewandt werden, wird auch die Fünfzahl angewandt und erscheinen fünfgliederige Gebote, fünf Gebote. So sind namentlich die mosaischen zehn Gebote eigentlich zwei unzertrennliche Fünfgebote auf zwei Tafeln mit je fünf Geboten. 1) Nach Bunsen lauteten diese mosaischen zwei Fünfgebote, beziehungsweise Zehngebote, der Decalog, also:
Die buddhistische Moral zählt fünf Haupttugenden und damit auch umgekehrt fünf Hauptsünden; jene sind:
1) Bunsen, vollständ. Bibelwerk, V. S. 232 ff. |
Seite 178 Die Erfüllung dieser 5 Gebote sind die 5 Haupttugenden und ihre Uebertretung die 5 Hauptsünden. 1) Jedem wird und muss die merkwürdige Uebereinstimmung auffallen zwischen dem buddhistischen Fünfgebote, welches sich auch zu einem Zehngebote oder Decalog erweitert, mit der 2ten mosaischen Gesetzestafel und ihren fünf Geboten, so dass man einen Zusammenhang in dem Sinne vermuthen darf, dass Buddha die mosaische Gesetzgebung gekannt und nachgeahmt habe, obwohl Köppen, a., a. O., S. 446 nicht an einen solchen Zusammenhang glauben will. Erwähnt mag bei dieser Gelegenheit noch werden, dass der ägyptisch-pythagoräische oder maurerische 5eckige Stern sich als Symbol auch bei den Indern findet und bei ihnen vorzüglich dem Wischnu heilig ist. 2) Nach den Münchner gelehrten Anzeigen für 1857 Nr. 27 haben die geheimen Gesellschaften im heutigen China, welche überhaupt in ihren Einrichtungen den Freimaurern ähnlich sind, besondere eigene Erkennungszeichen und Erkennungsworte haben und einen innigen Bruderbund bilden, den 5eckigen Stern mit versetzten chinesischen Charakteren zum Siegel. Nach dem persischen Dichter Dschami in seinem 1487 geschriebenen Rosengarten gibt es 5 Dinge hienieden, die ihrem Besitzer Lebensglück und Frieden geben: das erste heisst Gesundheit, das zweite Unabhängigkeit, das dritte Wohlstand, das vierte ein treuer Gefährte, das fünfte ein ruhiges Herz. Wer diese 5 Dinge verlor, dem schloss sich auf immer des Glückes Thor. Ebenso sagt ein indischer Dichter: Folgsame Kinder und eine zärtliche Gattin, treue Genossen und gütige Herren, Frohsinn im Herzen und feste Gesundheit, Güter, die von Vergänglichkeit fern; dann einen Freund und Weisheit daneben, möge uns Wischnu, der himmlische geben!" Br. Goethe hat in seinem westöstlichen Divan den Versuch gemacht, die Lebensregeln in fünfgliederige Sätze 1) Kappen, a. a. O., S. 414 ff. 2) Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, I., Mainz 1822, Taf. II. Nr. 18 u. 58. |
Seite 179 einzukleiden, wie solche oben in dreigliederige Sätze eingekleidet vorkommen, und zwar also:
Entgegen den 7 Gaben des heiligen Geistes, den 7 Kardinaltugenden, den 7 guten menschlichen Geistern, nach der maurerischen Bezeichnung der Weisheit, Stärke, Schönheit, Sanftmuth, Bruderliebe, Hülfeleistung und Treue, nimmt die katholische Kirche 7 Todsünden, 7 Hauptlaster, 7 böse menschliche Geister an. Bei den Aegyptern waren, wie 42 Todtenrichter, auch 42 Todsünden und von diesen Sünden allen hatte sich der Todte zu reinigen. 1) Die 7 oder 6 Mal 7 Kasteiungstage der Priester sollen mit den 7 oder 42 Todsünden zusammenhängen. 2) 1) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 71. 2) Dunker, a. a. O., I. S. 78. |