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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XVIII.



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Das Feuer und das Licht als Symbol der Gottheit, des ewigen Lichtes.

Dass die Maurer wesentlich Lichtgläubige und Lichtsuchende und die Freimaurerei ein Lichtglaube und ein Lichtsuchen sei, ist in ihren Symbolen und Gebräuchen, in ihrem Reden und Thun, in ihrer Geschichte und in ihren Urkunden mit unauslöschlichen und Jedem sich aufdrängenden Zügen verkündet und ausgedrückt, auch im Vorgehenden schon vielfach berührt und dargelegt worden, so dass dazu in gewissem Sinne nur noch ein bestätigender und ergänzender Nachtrag gegeben werden kann und soll. Der maurerische Logendienst ist ein reiner Lichtdienst, beginnt und endet mit dem Anzünden und Löschen der maurerischen drei kleinen und drei grossen Lichter oder vielmehr der sie symbolisirenden Lichter, und wie jede Logenarbeit nur beim Leuchten des hellsten physischen Lichtes geschieht und vorgenommen wird, muss auch das geistige Licht die Gedanken, Herzen und Thaten erfüllen und beseelen, wenn es ein rechtes und wahres




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maurerisches Arbeiten sein soll. Eine jede Loge ist eine Pflegestätte des heiligen und ewigen Lichtes, - ein Orient auf Erden, in welchem der Orient im Himmel, der ewige Osten und das ewige Licht geglaubt und gesucht und hoffentlich im Tode jenseits des Grabes auch gefunden werden wird. Der maurerische Logendienst ist auch in dem Sinne ein Sternendienst, dass die Maurer in den Sternen Gott als deren allmächtigen Schöpfer und Regierer ahnen und erkennen, in der Schöpfung den Schöpfer bewundern und verehren. Sonne, Mond und das ganze Heer der unendlichen Welten und Sterne sind in der Maurerloge nur die Symbole und Zeugen des allmächtigen Baumeisters der Welt, wie die Lichter in der Loge nur brennen zum Symbole und zum Zeichen, dass die Maurer an Gott als das ewige Licht glauben und ihn und seinen Himmel gläubig und hoffend suchen. Weil der Logendienst ein Lichtdienst, ein Suchen und eine Anbetung des ewigen Lichtes ist, erscheinen dabei auch die Dienenden und Arbeitenden in dem symbolischen weissen Lichtkleide und tragen in der Hand ein Schwert als Symbol des Lichtes; wie jede Logenarbeit mit dem Anzünden und Löschen der Lichter beginnt und schliesst, beginnt und schliesst sie auch mit dem Anlegen und Ablegen des Lichtkleides und des Lichtschwertes. Der Glaube an das Licht, der maurerische Lichtglaube umfasst die drei Hauptsätze, dass Gott das ewige Licht und das ewige Licht Gott sei, dass aus diesem der Menschengeist stamme oder in dem menschlichen Geiste der göttliche erscheine und sich offenbare, und dass wir wieder zu dem Lichte, vor Gott und zu Gott zurückkehren werden und sollen. In diesen drei Glaubenssätzen liegt eingeschlossen der Glaube an Gott, die Liebe zur Tugend und zu den Menschen, sowie die Hoffnung auf Unsterblichkeit, auf die Belohnung des Guten und die Bestrafung des Bösen, und sie bilden die drei Sprossen der Jakobs-, der Himmelgleiter, auf welcher der Maurer von der Erde zu dem Himmel aufsteigt, - die wahren drei Pfeiler, welche die Maurerloge tragen oder doch tragen sollten.

Schon diese wenigen Vorbemerkungen werden genügen, um nunmehr die nachfolgenden Fragen und Ant-




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worten des englischen sog. ältesten Lehrlingsfragestückes in ihrer wahren und tiefern Bedeutung zu verstehen und aufzufassen:

  1. M. Nun, Bruder, als Ihr diese Verpflichtung (den Maurereid) übernommen hattet, was wurde Euch dann zuerst gesagt?
    A. Ich wurde gefragt, was ich am meisten verlangte.
  2. M. Was war Eure Antwort?
    A. Zum Lichte gebracht zu werden.

  3. M. Wer brachte Euch zum Lichte?
    A. Der Meister und die übrigen Brüder.
  4. M. Als Ihr nun so zum Lichte gebracht worden waret, welches waren die ersten Dinge, die Ihr sahet?
    A. Die Bibel, das Winkelmass und der Zirkel.

  5. M. Was sagte man Euch, dass sie bedeuten?
    A. Drei grosse Lichter in der Maurerei.

  6. M. Erkläret sie, Bruder!
    A. Die Bibel, um unsern Glauben zu regieren und zu leiten; das Winkelmass, um unsere Handlungen gesetzmässig zu machen; der Zirkel, um uns innerhalb der gehörigen Grenzen mit allen Menschen, insonderheit mit einem Bruder, verbunden zu erhalten.

  7. M. Was waren die nächsten Dinge, die Euch gezeigt wurden?
    A. Drei Kerzen, von denen man sagte, sie wären drei kleinere Lichter in der Maurerei.

  8. M. Was stellen sie vor?
    A. Die Sonne, den Mond und den Meistermaurer.

  9. M. Warum diess, Bruder?
    A. Die Sonne regiert den Tag, der Mond regiert die Nacht, und der Meistermaurer seine Loge, oder sollte es wenigstens. 1)

Wir glauben zu diesen Antworten nur die einzige Bemerkung noch beifügen zu sollen, dass die Freimaurer keineswegs wähnen und glauben, das Licht schon zu besitzen, sondern es nur suchen, weshalb auch dem neu




1) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 164 ff.



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aufgenommenen Lehrlinge von dem Meister und den übrigen Brüdern nicht das Licht ertheilt oder zu ertheilen versucht wird, sondern sie bringen den neuen Bruder nur zu den drei grossen und drei kleinen Lichtern, sie zeigen ihm dieselben blos und erklären ihm ihre Bedeutung, ihn ermahnend und ihm überlassend, nunmehr darnach zu handeln und zu streben, das wahre Licht zu suchen und zu finden.

Seit den ältesten Zeiten der Menschheit ist es die erhabenste Vorstellung der Gottheit, der reinste Gedanke und Begriff Gottes, dass Gott das von allem Körperlichen, Gebrechlichen und Irdischen oder Sinnlichen entkleidete reinste und ewige Licht, - dass Gott und seine Wohnung, der Himmel, nur das unendliche Licht sei. Gott, Himmel und Licht sind ganz die gleichen Begriffe und nur verschiedene Bezeichnungen desselben Wesens, da Gott und der Himmel, der gleichsam wohnende und thronende oder seiende Gott, nur die Leuchtenden, Glänzenden, Strahlenden, der ewige und unendliche Glanz und das reinste Licht, der reine Geist sind und davon Gott und der Himmel bei fast allen Völkern, besonders bei den arischen oder indogermanischen, ihren Namen tragen. So z. B. stammt im Sanskrit djaus, der Himmel, von der gleichen Zendwurzel div, im Sanskrit nach Roth dju, d. i. glänzen, leuchten, von welcher bei den Zendvölkern und bei den Indern, bei den Griechen und Römern, bei den Germanen (Tyr, gen. Tys, accus. Ty, Diu und Ziu), bei den Kelten (dia), bei den Galliern (dis), bei den Litthauern (diewas) u. s. w. der Name Gottes abgeleitet ist und zugleich auch den Himmel und das Licht bezeichnet, wie besonders auch Zeus (gen. ) und Jupiter (Djupatir, gen. Jovis). Auch gehört dahin das lateinische dium, divum für Himmel (sub divo). Nach der deutschen Benennung Gott, Gaut, althd. Kôz, ist Gott das Wesen, welches die Welt ausgegossen hat, - oder der Gute und Gütige von dem Adjectiv gut, goth. gôds. 1) Gott könnte nach Menzel, Odhin S. 3, auch abstammen von Wodan, Wuodan, Guodan, Voden, Weda, nordisch Odhinn, und es würde dann das Wort abzuleiten sein von wuot




1) Simrok, deutsche Mythol., S. 189.



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(animus), so dass ihm der Begriff der Bewegung, des Geistigen und Lebendigen zu Grunde läge, ohne irgend eine sittliche Beziehung. Den arischen oder indogermanischen Völkern aber sind Gott und der Himmel, worin Gott wohnt und thront, wesentlich und vorzüglich in dem unendlichen Lichte, in dem unerforschlichen blauen Himmelsäther oben. Der Mensch gelangte und gelangt zu diesem Gedanken und Begriffe Gottes durch die denkende Betrachtung des unendlichen leuchtenden Weltraumes, des blauen Himmelsäthers, der endlos über den Welten und Weltsystemen sich wölbet. Deshalb sagt Euripides:

"Siehst du den grenzenlosen Aether über uns, der diese Erde rings in feuchten Armen hält? Der, wisse, der ist Zeus, in dem erkenne Gott."

Im gleichen Sinne bemerkt Kant, es gebe zwei natürliche Beweise für das Dasein Gottes: das Gewissen in uns und der gestirnte Himmel über uns.

Wer kann, besonders im Anblicke des in stiller und ruhiger Nacht dahinziehenden Sternenhimmels, sich den unendlichen Raum denken, ohne zugleich eine ewige und unendliche Macht zu ahnen und zu glauben, welche in diesem Raume seit ewiger Zeit und in endloser Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit die Welten schafft, ordnet und regiert, - jeden Augenblick wegen der Unendlichkeit des Raumes zu den Myriaden Welten neue Myriaden in ihrer Allmacht hinzuzufügen vermag. Gott ist die unendliche Macht, der unendliche Schöpfer des unendlichen Raumes und der unendlichen Zeit; die letzte Grundursache, der Urgrund, die Urquelle des unendlichen Raumes und der unendlichen Zeit ist Gott. Wer den Begriff des unendlichen Raumes und der unendlichen Zeit wahrhaft erfasst hat und in allen seinen Folgesätzen durchdenkt, hat auch den unendlichen und allmächtigen Gott als den Schöpfer und Lenker des Weltalls gefunden; weil das unendliche Weltall seit Ewigkeit ist und in Ewigkeit sein wird, muss es auch einen unendlichen und ewigen Gott geben, der dieses All geschaffen hat und erhält. Die Grundursache, welche allmächtig den unendlichen Raum und die unendliche Zeit geschaffen hat und regiert, körperlos, schrankenlos gedacht, kann der Mensch sich nicht anders denken als ein




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reines Lichtwesen, als das ewige und unendliche Licht, d. i. als den ewigen und unendlichen Geist, indem der Geist das körperlose Licht ist, weshalb auf diesem Gedanken des Geistes und des Lichtes alle höhere Vorstellungen und Begriffe Gottes in den Mythologien und Religionen der Völker mehr oder weniger klar und bestimmt beruhen. Man dürfte die Astronomie, die Kenntniss der Weltharmonie und des unendlichen Weltraumes, die Mutter und Pflegerin der Theologie, des Glaubens bei den Völkern des Alterthums nennen, daher auch, und ganz besonders bei den Babyloniern und Aegyptern, ihre Mythologie oder Theologie wesentlich und durchaus astronomisch und in ihrer Verirrung auch astrologisch ist. Den Begriff des unendlichen Raumes und der unendlichen Zeit haben neben dem Urlichte oder Urgeiste und der Urmaterie die Aegypter in ihren Gottesbegriff aufgenommen. 1) Den Lichtglauben oder den Glauben an Gott als das reine und schöpferische Licht haben vorzüglich Zarathustra bei dem Zendvolke, und die Griechen in dem Apollocultus oder in der apollinischen Religion geistvoll und tiefsinnig ausgebildet. Getrübt und verdunkelt, gleichsam verhüllt wird der Gedanke Gottes als des reinen und ewigen Lichtes nur dadurch, dass man diesen Gedanken nicht scharf genug festhält oder nicht vollständig durchführt, sondern Gott auch als das irdische oder kosmische, als das sichtbare Licht, als den wirklichen blauen Himmelsäther, - als Sonne, Mond und Sterne, und seinen Himmel als den Himmelsäther, als das Luft- und Wolkenmeer denkt, wodurch alsdann die blossen Naturgottheiten, die kosmischen und Erdgottheiten entstehen und irdisches Licht sich zum Wesen Gottes und seines Himmels verbindet, - das irdische- und das himmlische Licht, die Schöpfung und der Schöpfer vielfach in einander überfliessen, so dass das rein Geistige und Göttliche stets mehr zurücktritt, misskannt und missverstanden wird.

Ehe Gott und sein Himmel in den Sternen, in dem unendlichen Weltraume gesucht und erkannt werden, werden sie von den alten Völkern auf den zu den Wolken




1) Röth, Gesch. unserer abendländischen Philosophie, I. S. 131 ff.



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emporragenden höchsten Bergesspitzen gesucht und verehrt, weil Sonne, Mond und Sterne von hier auszugehen und hierher zurückzukehren, hier mit den Göttern zu wohnen scheinen: Der mythologische Verlauf, die mythologische Entwickelung besteht also darin , dass die Götter zuerst Bergbewohner sind und erst später von den Bergen zu dem Himmel emporsteigen, zu Bewohnern des Aethers, des Himmels und der Sterne werden. Bei dem Zendvolke, bei den Indern und bei den Griechen ist die erste Wohnung der Götter ein idealer Berg, bei dem Zendvolke der Albordj, bei den Indern der Meru und bei den Griechen der thessalische Olympos. Die Götter bewohnen den Theil der Berge, welcher aus der irdischen Luftregion in die des Aethers, d. h. des reinen Himmels emporragt, also die obersten Bergesgipfel, wo ewige Heiterkeit und allezeit ungetrübter Glanz ist. Die Götter sind Berg- und Himmelsgötter, Götter des ewigen Lichtes, bei den Griechen und . Damit hängt es auch zusammen, dass Gott mit Moses auf dem Berge Sinai verkehrt; Moses dahin zu Gott hinaufsteigt, um die Tafefn mit den Gesetzen zu empfangen, wie auch Ahuramazda bei den Baktern auf den Höhen des Albordj, d. h. auf den unübersteiglichen, weithin leuchtenden Schneegipfeln des Belurdagh, von Zarathustra befragt worden sein und ihm dort das Gesetz verkündet haben sollte. 1) Auch lassen die Schriften des alten Testamentes Jehovah fast immer auf einem Berge wohnen und verehrt werden; daher ruft z. B. Psalm 15:

Jehovah, wer darf weilen in deinem Zelte,
Wer wohnen auf deinem heiligen Berge?

Die Ausleger lassen diesen Psalm von David selbst gedichtet sein und zwar bei der Uebersiedelung der Bundeslade nach dem Berge Zion, auf welchem Berge auch David selbst wohnte. Eben deshalb erbaute Salomo seinen Tempel dem Jehovah auf dem Berge Moria; die merkwürdigen, zum Theil erhaltenen Substructionen des salomonischen Tempelperibolos an der Ostseite des Berges




1) Dunker, Geschichte des Alterthums, II (1855). S. 358 oben.



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Moria sind ganz phönicisch, 1) woraus hervorgeht, dass .Salomo sich bei seinem Tempelbaue phönicischer Baumeister bediente. Auch in der deutschen Mythologie wohnt Odhin auf dem Berge, ist der Mann vom Berge und wird erst später in die höheren Sphären hinaufgerückt. 2) Die indische Gott Ciwa hat den Beinamen Girica, der Herr der Berge, und seine Gattin heisst Pârvati, die Berggeborne; auch nahm er die von dem Himmel herabfallende Gangâ auf, was Alles nur darauf hindeutet, dass die Götter auf dem Himâlaja wohnen. 3) Nach Wollheim, Mythologie des alten Indien, S. 73 und 75, soll Ciwas als Giricas oder Adricas auf dem Kailâsas, dem nördlichen Gipfel des Berges Himawân gewohnt haben. Es ist schon ein mächtiger Fortschritt der Menschen und ihres Gottesbewusstseins, wenn sie den Blick von der Erde und von den Bergen hinauf zu dem Himmel, zu den Sternen erheben und nunmehr dahin Gott und seinen Himmel versetzen. Richtet der fühlende Mensch, der einsame Hirte und Ackerbauer auf den hohen Bergen und in den Hochflächen nach des Tages Mühen und Leiden am anbrechenden Abend und in der lautlosen Nacht das Auge zu den flimmernden, glänzenden, ruhigen Sternen empor, erkennt er ahnend und hoffend das Dasein eines höhern Wesens, eines Schöpfers und Erhalters; in und über den Sternen der Nacht muss Gott thronen und wachen. Zum Zeichen, dass in den fernen Sternen der Nacht der Mensch zuerst den wahren Gott erkannt habe, wölbet sich über jeder Maurerloge das blaue Himmelszelt, der endlose Sternenhimmel, darin das jedem Auge so leicht erkennbare Sternbild des Orion mit dem Hundsstern, Sirius, Sura nach den Zendschriften. Es ist das tiefste und umfassendste Licht- und Gottessymbol, dass die Maurer zur Erkenntniss und zur Verehrung des höchsten Wesens sich gleichsam in der stillen Nacht auf den Bergen unter dem leuchtenden Sternenhimmel in dem von Gott selbst geschaffenen einzigen Tempel des grossen Weltalls versammeln. Alle Logen bedeuten die endlose




1) Semper, der Stil, I. S. 899.
2) Simrok, Handbuch der deutschen Mythologie, S. 231.
3) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 781 u. 847.



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Welt, ruhend unter dem Sternenmeere, und diese Welt, dieser Tempel der Weltmacht, umfasst alle Maurer der kleinen Erde. Der Maurer stürze in der Loge mit dem Geiste die engen Logenmauern ein und versetze sich hinaus mit allen Maurern der Erde, unter das eine weite Sternenzelt, in die einzige und unendliche Loge Gottes und der Menschheit; dann wird in ihm der wahre Menschen- und Maurergeist entstehen, wie über ihm in den strahlenden Sternen der göttliche Geist sich verkündet. Wie das blaue Himmelszelt über den Maurerlogen und über den Altären der jüdischen Synagogen und in den katholischen Kirchen an den Gott erinnert, welchen das Hirtenvolk der Urarier einstens auf den Höhen Asiens in den Sternen gelesen, so auch der blaue Baldachin über dem Altare der Maurerloge und über dem Altare der katholischen Kirchen oder das Tabernakel der katholischen Kirchen, welche dem Hirtenzelte entlehnt sind und nur dieses darstellen sollen; der Vorhang im Tempel Salomo's ist ursprünglich, auch nur der Vorhang des Zeltes, der einzigen Wohnung und des einzigen Tempels der Nomaden.

Der Gedanke der Urmenschheit, dass Gott in den Höhen wohne, fand in der Gottesverehrung dadurch seinen, lebendigen Ausdruck, dass die Zendvölker, die Juden, die Philister und Phönicier, die Kananiter und Moabiter, 1) die Phrygier, 2) die Myser, Lyder und Karer, 3) die Araber, 4) die Griechen 5) und die Kelten ihren höchsten Gott auf den höchsten zugänglichen Bergeshöhen und Bergesgipfeln anbeteten und ihm hier Altäre bauten, um Gott möglichst nahe zu sein. Namentlich wohnten auch die alten Donnergötter, vielleicht die ersten und ältesten Personificationen der Naturgötter, 6) bei den Indern Indra, bei den Griechen Zeus, bei den Römern Jupiter, bei den Deutschen Thôrr, Thôrr statt Thonr (Donner), bei den Kelten Tharan und bei den alten Slaven Perun als Vater des Himmels und




1) Dunker, a. a. O., I. S. 153.
2) Dunker, a. a. O., I. S. 245.
3) Dunker, a. a. O., I. S. 283.
4) Dunker, a. a. O., I. S. 137 ff.
5) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 169.
6) Simrok, deutsche Mythologie, S. 278.



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des Lichtes auf den höchsten Bergen, welche ihr Haupt in die Wolken strecken und von denen der Blitz niederfährt, und wurden hier auch verehrt, woher die hohen Berge oft wieder Donnersberge oder Grossvater (Etzel, wie ein solcher auch am Zürichsee im Kanton Schwyz liegt, - oder Attila) hiessen. 2) Ukko, der Name des finnischen Donnergottes, bedeutet Grossvater, Altvater, Greis, entsprechend dem ungar. agg Greis, ostjakischen jig, Vater, und dem jakutischen aga, aka, Vater. Ueberhaupt sind fast in allen gebildeten Religionen nach den Nachweisungen von Grimm, a. a. O., S. 13, die heutigen allgemeinen Benennungen von Gott aus der ursprünglichen besonderen Bedeutung eines Donnergottes hervorgegangen. Dem deutschen Wort Donner liegt zunächst die Wurzel dehnen zu Grund, weil der Donner eine Spannung der Luft ist. Der fürchterliche Donner, der niederfahrende Blitz, das Gewitter mit seinen Schrecknissen und Segnungen verkündeten den Menschen zuerst das Dasein Gottes. Daher ist auch der Donner nach der Vorstellung vieler, ja fast aller Völker Gottesstimme, die Himmelsstimme, die Stimme von oben. Auf dem Berge Sinai bei Erlassung seiner zehn Gebote antwortet Gott dem Moses aus dem Wolkendunkel durch den Donner; der Donner ist die Stimme des Ewigen, die furchtbare Posaune des Himmels. Deshalb heisst es auch bei Moses II. 20. 18 ff.: "Und alles Volk gewahrte die Donner und die (Blitzes-) Flammen, und den Ton der Posaune und den rauchenden Berg. Da sie aber solches sahen, flohen sie, und traten von ferne: und sprachen zu Moses, rede du mit uns, dass wir's hören, und lass Gott nicht mit uns reden, dass wir nicht sterben." In dem reinen vedischen Naturglauben, in der blosen Natursymbolik der Vedas ist Indra derjenige Gott, dessen Walten am unmittelbarsten in das Ergehen der Menschen hineingreift. Als Träger des Blitzes und Herrscher im Donnergewölk ist Indra, wie der Homerische Zeus, Gott des Kampfes und des Sieges, Entscheider der Schlachten, Zerstörer der Städte u. s. w. Der Hammer des Thôrr, welcher geschleudert stets wieder von selbst




1) Jac. Grimm, die Namen des Donners, Berlin 1855, S. 16.



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in seine Hand zurückkehrt, heisst Miöllnir d. i. der Malmer, der Allzerschmetternde, 1) und derselbe ist insofern das Zeichen oder Symbol des Stärksten in der Natur, der höchsten und allgewaltigen Naturkraft, des zerschmetternden und tödtenden Blitzes.

Indem Thôrr durch Blitz und Gewitter den Boden zum Ackerbau bereitet und die Saaten befruchtet und segnet, ist er weiter der Gott, der Beschützer und Bringer der neuen Landansiedelungen und Besitzergreifungen, der Urbarmachung des Ackerlandes, des Fleisses und der Thätigkeit der Menschen; auch die menschlichen Wohnungen und heiligen Gebäude, die Brücken und Strassen u. s. f gründet und schützt Thôrr, weil in dem urbar gemachten Lande, mit dem Ackerbau sie erstehen und wachsen. 2) Thôrr ist daher der Gründer und Schützer des angebauten Landes, der Städte, der Staaten und aller staatlichen Verbindungen, besonders auch der Ehen; er ist im wirklichen und sittlichen Sinne der grosse Baumeister der Erde, - der Welt, da den Menschen die Erde ihre Welt ist. Vorzüglich auch in dieser Bezeichnung ist der Hammer sein Symbol, und seine Bauleute, seine Arbeiter sind die Menschen, die Bauern. Die nordische Mythologie drückt dieses noch bestimmter darin aus, dass sie den Thiâlfi, d. i. den Arbeiter, den menschlichen Fleiss beim Anbau der Erde, und dessen Schwester Röskwa, d. i. die Rasche, die unverdrossene Rüstigkeit, Kinder eines Bauern, zu den dienstpflichtigen Gefährten Thôrrs macht 3) und Thrudheim, d. i. das fruchtbare Land, ihm zur Wohnung gibt. Thôrrs Hammer gilt für ein weihendes und heiligendes Geräthe, das Becher und Brautpaare weihte, Leichen einsegnete, sei es sie zum Leben zu erwecken, oder ihnen die Wiedergeburt zu sichern; besonders der Scheiterhaufen des Gottes Baldur wurde so durch Tôrrs Hammer geweiht. Nach altdeutschem Rechte konnten durch den Wurf des Hammers auch die Rechte auf Grund und Boden, auf Wasser und Flüsse, und andere Befugnisse bestimmt wer-




1) Menzel, Odin, S. 47.
2) Simrok, a. a. O., S. 290 vergl. mit 281.
3) Uhland, der Mythus von Thôr, Stuttgart 1836, S.27 u. 52 ff.



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den; durch den Hammer wurden oft die Volksgemeinden berufen, wie noch heute in Rheinbayern an vielen Orten die Juden zum Gottesdienste und zur Schule in die Synagoge berufen worden, indem ein Jude ein oder drei Male von Haus zu Haus geht, worin Juden wohnen und ihnen mit einem oder einem 3fachen Hammerschlage an die Thür oder den Fensterladen das Zeichen zur Versammlung gibt. Bei Güterverkäufen und überhaupt bei Ganten schlägt der Richter mit dem Hammer 3 Mal bis zum letzten Male zu. Der Hammer der Maurermeister ist aber auch ein weihendes Geräthe gleich dem Hammer des Thôrr. Mit dem Hammer des Meisters wird der Maurerlehrling durch 3 Schläge auf das Herz eingeweiht und eingereiht unter die Bauleute an dem Tempel der Menschheit und der Gottheit; drei Schläge öffnen die Pforte der Loge. Drei Hammerschläge weihen bei den Maurern und bei den Nichtmaurern den Grundstein der neuen Gebäude und verhalten sich wie das dreifache Besprengen mit. dem Weihwasser der katholischen Kirche. Es darf also jetzt der Hammer des Meisters vom Stuhl, womit er die Loge regieren soll und der das Symbol seiner Herrschaft über die Loge ist und als solches gegeben und zurückgegeben wird, zugleich als das uralte Symbol des allgewaltigen Blitzes betrachtet und aufgefasst werden, womit die alten Donnergötter die Welt und die Menschheit beherrschten. Die helfenden Bauernkinder des Thôrr sind die mit dem Meister vom Stuhl und unter seiner Leitung, unter seiner Hammerführung arbeitenden Maurer und Glieder der Loge. Der Hammer der Maurerloge darf der Glocke der christlichen Kirche, besonders aber dem Altarglöcklein oder der Schelle der katholischen Kirche und des katholischen Altardieners verglichen werden; Glocke, Schelle und Hammer rufen die Christen, die Maurer gewöhnlich mit dreifachem Klang und Schlage zur Versammlung, zur Erhebung, zum Niederknien, zum Geben des dreimaligen Zeichens des Kreuzes oder des Lehrlings, zur Anbetung und Verehrung des Höchsten und Unendlichen. Der Glockenklang und Hammerschlag sind eine Mahnung aus den Wolken, die Posaune des Himmels, eine Stimme von oben, und wohl den Christen und den Maurern, wenn sie die Mahnung und die




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Stimme vernehmen und erfüllen und die Mahnung nicht, zum strafenden, rächenden und zürnenden Donner und Blitze werden muss. Die alten Donnergötter waren auch die Schützer und Rächer des Rechts. Die kabirischen Priester oder die Gottheiten in den sehr alten Mysterien auf Samothrace führen gleichfalls in der einen Hand einen Hammer als Zeichen ihrer Gewalt und Herrschaft über die Erde. Die bei den Ceremonien fungirenden buddhistischen Weltpriester des nördlichen Asiens tragen noch heute den Donnerkeil, die Waffe Indras, als Gebetsscepter in der Hand. 1) Nach Grimm, die Namen des Donners, S. 17, verbanden die Völker mit dem Donnerkeil, der aus den Wolken zündend und schmetternd niederfährt, die Vorstellung eines Hammers , - einer spitzen, scharfen Felsenzacke, - eines spaltenden Schwertes. Die ältesten Hämmer wurden aus Stein bereitet und erst später liess Zeus seinen aus Metall schmieden; aber beide Bedeutungen des Hammers, das Klopfen, der Lärm, den seine Schläge verursachen, wie sein Verwunden und Treffen, kommen dem Donner zu. Hamar drückt wörtlich Stein und Fels aus, so dass hier der Gedanke an Berg und Fels, an den Berggott und Bergriesen zunächst tritt.

Der Teufel, Meister Hämmerling, Hammerlein, Hämmerlein der deutschen Volkssagen, welcher gleichfalls den Hammer führt, ist nur der bei den Christen zum Teufel gewordene alte Donnergott Thunar. 2) Es liegt darin zugleich das Zurückdrängen der alten heidnischen Vorstellungen und Götter durch das Christenthum; aus dem alten Donnergotte mit dem Hammer wird der Teufel, der Hämmerling gemacht.

Neuerlich hat J. Grimm, die Namen des Donners' s, 19 ff., auch wieder darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem Evangelium Marci, Kap. 3, Vers 17, Jesus dem Apostel Jakobus, dem Sohne Zebedäi, und dem Evangelisten Johannes, dem Bruder des Jakobus, den Namen Boanerges, d. i. Donnerkinder, Söhne des Donners,




1) Köppen, die Religion des Buddha, S. 251.
2) Simrok, a. a. O., S. 285 u. 502, und Mannhardt, germ. Mythen, S. 113.



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beilegte. Grimm hält es für keine ungezwungene Deutung, den Beinamen auf die Gemüthsheftigkeit der beiden Apostel zu beziehen.

An den indischen Indra, den Gott des blauen Aethers, an dessen Stelle später bei den Indern Vishnu als der Gott des glänzenden Firmamentes getreten ist, 1) erinnert ferner der deutsche Odhin, der alldurchdringende Gott der Luft und des lebendigen Geistes, indem er einen weiten blauen, oder auch einen vielfarbigen, einen blauen fleckigen Mantel trägt, nämlich den blauen Himmelsäther oder den Wolkenhimmel mit seinen wechselnden Farben. 2) Der Mantel Odhins gleicht der Decke der maurerischen Loge. Das Gewand der Gottheit, ist der Sternenhimmel, das Weltenmeer. So wird auch zu dem tyrischen Baal oder Herakles gebetet: "Herakles mit dem Sternengewande bekleidet, Feuerbeherrscher, Weltgebietender, Helios, des sterblichen Lebens weitschallender Hirte, der Du in kreisender Bahn deinen Lauf vollendest, und den Sohn der Zeit, das 12monatliche Jahr, hinrollend, Kreis fortwälzest auf Kreis." 3) Es bedarf wohl kaum noch einer weitern Erörterung, dass und wesshalb auch die blaue Farbe als das Symbol der Treue, Zuverlässigkeit und Wahrheit gelte. Der wolkenlose blaue Aether ist dem einfachen Hirten und Ackerbauer der sicherste Bürge seiner Unternehmungen, - des guten Wetters, welches er dazu bedarf; der blaue Aether lässt bis zum tiefsten Grunde, bis in die weiteste Ferne sich durchschauen und bleibt stets der gleiche reine und himmlische; der blaue Aether ist der unwandelbare Sitz der Sterne und des Lichts. Die blaue Farbe und der Hammer der Maurer, besonders des Meisters vom Stuhl, womit er die Loge regiert, wie der Himmelskönig den Himmel und die Erde, sind uralte Lichtsymbole, aufgekommen zur Zeit des Entstehens des Licht- und Sternendienstes und mit diesem auf die Völker fortgetragen. In dem Donnergott verbindet sich die Vorstellung der Gottheit als eines Naturwesens, als der allgewaltigen Natur-




1) Lassen, I. S. 764, und Dunker, II. S. 211.
2) Simrok, a. a. O., S. 212 u. 223.
3) Movers, Untersuchungen, S. 182.



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kraft, mit der Vorstellung, wornach Gott das Licht ist und im Lichte wohnet; durch den natürlichen Donnergott steigt man zur Gottheit als Lichtwesen auf und im gleichen Verhältniss dieses Aufsteigens wird jener zurück - und herabgesetzt. Der Donnergott ist zunächst kein Lichtwesen, sondern nur die göttliche, in Wind und Wetter, besonders aber in den Gewittern rege Kraft.

Mit der Vorstellung, dass die Götter auf den Bergen wohnen, hängt es vielleicht zusammen, dass besonders bei den Assyriern die Bilder der Götter alle geflügelt sind; mit den Flügeln sollen die Götter sich auf die Berge, auf die Höhen erheben. Der Hauptgott der Assyrier war z. B. Assarak, der Nisroch, d. i. der Adlergott der Bibel.

Vielleicht ist es bei den Maurern ein Nachklang der uralten Gottesverehrung auf den höchsten Bergen unter den leuchtenden Gestirnen des Himmels, dass in den englischen Lehrlingskatechismen von der Loge gesagt wird, sie sei auf heiligem Grunde und zwar entweder auf dem höchsten Hügel, oder in dem tiefsten Thale. 1) Jedenfalls aber beruhen die hohen Thürme der mittelalterlichen Dome und Kirchen und der ganze gothische kühne Kirchenbau auf jenem Gedanken, denn auch sie streben empor zu dem Gotte in den lichten Himmelshöhen, zu dem griechischen Zeus Lykäos, Diespiter, Jupiter, diei et lucis pater, im Sanskrit divaspati, 2) und möchten gleichsam Gott und den Himmel erfassen. Die ältesten solcher Zeichen aber der Verehrung und der Anbetung sind wohl die ägyptischen Obelisken als Symbole der zu dem Himmel emporstrebenden Feuerflamme und des aus dem zerfallenden Leibe zu dem Himmel sich aufschwingenden Menschengeistes, der unsterblichen menschlichen Seele. Die Pyramiden, die Grabdenkmale und Feuersäulen, sind hier das gleiche Symbol, wie das maurerische Denkmal des Meisters, oder wie das aufgerichtete Dreieck des Feuers. In ihrer Gestalt erinnern zwar die Pyramiden von Memphis noch an den Urzustand der Menschheit, indem es eigentlich blose Grabhügel sind, wie sie zuerst aus Erde und




1) Krause, Kunsturkunden, I. 2. S. 469.
2) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 756.



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Steinen aufgeworfen worden und besonders als Keltengräber sich noch erhalten haben; aber der Bau der Pyramiden setzt schon eine sehr ausgebildete Baukunst und eine besondere Geschicklichkeit in der Bearbeitung des Materials, zumal des Kalksteines und des harten Granites voraus. 1) Ebenso zeigt die genaue Richtung der Pyramiden nach den 4 Himmelsgegenden, dass schon damals also 3000 bis 3500 Jahre v. Chr. die ägyptischen Priester sorgfältige Gestirnbeobachtungen gemacht hatten. Die Alten stellten vielfach die Götter blos in Gestalt von hohen obeliskenartigen oder pyramidalen Säulen dar, so z. B. den Zeus, die Hera, den Apollo und die Artemis. 2) Ueberreste dieser alten Götterdarstellungen waren in den spätern griechischen Zeiten die Hermen, wenngleich dieselben zunächst phallische Zeichen oder Symbole der zeugenden Kraft des Hermes waren. Die dem Apollo Agyieus in Griechenland vor jedem Hause errichteten konischen Säulen müssen trotz des Widerspruches von Welker, a. a: O., I. S. 498, als den Obelisken verwandte Symbole, als Sonnen- und Lichtstrahlen angesehen werden; sie sind einem ewigen Lichte zu vergleichen, welches dem Licht- und Sonnengotte Apollo in einem jeden griechischen Hause in Stein gebrannt wurde. Auch die Araber errichteten als Zeichen der Gottesverehrung auf den Bergen, wie in den Thälern viereckige Steine und vorzüglich war es ein schwarzer Würfel (die Kaaba, der Cubus), welcher seit uralter Zeit in Hedschas verehrt wurde und der nach der Meinung der Theologen des Islam von Abraham dem himmlischen Urbilde, welches die Engel anbeten, nachgebildet worden ist; Ibrahim und Ismael haben dann das Heiligthum nach der Sündfluth restaurirt und Gabriel hat ihnen zu diesem Behufe den schwarzen Stein herabgebracht. Zufolge Dunker, Gesch. des Alterthums, I. S. 139, Anm. 3, gehört das Heiligthum von Mekka ursprünglich dem Saturn, so sehr auch Schahrastani dagegen protestiren möge. Die weib-




1) Dunker, Gesch. des Alterthums, I. S. 15. Im Aegyptischen hiess die Pyramide maïn, d. i. Denkstein.
2) Welker, griechische Götterlehre, I. S. 220, 230, Anm. 16 und S. 596.



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liche Seite des arabischen Saturn oder Baal ist bei den Arabern die Allat oder Alilat, die babylonische Baaltis (Herrin) und Mylitta, die persische oder iranische Wassergöttin, oder nach Lassen Mondsgöttin Anahid, auf den Münzen der indoskytischen Turuskha-Könige Nanaia oder Nana genannt. 1) Die grosse syrische Erdgöttin (Dea Syria) ist dieselbe göttliche Gestalt; ebenso die zu Askalon verehrte Derketo, die Aschera (Baaltis) der Syrer, die Göttin von Phaphos und Amathus auf Cypern. In der Gegend von Medinah herrschte eine andere Göttin Manat, deren Idol ein Felsblock war.

Weil Osiris, Gott, ein Lichtwesen ist, tragen er selbst, wie seine Diener, die Priester und überhaupt alle nach der Gottheit, nach dem Lichte strebenden Menschen im Leben und im Tode die weisse, die lichtvolle Kleidung, woran das Gold als Symbol des goldenen Lichtes, des Lichtglanzes und die rothe Kleidung als Symbol der Morgenröthe, der aufwachenden Sonne oder auch des das Licht symbolisch. ausdrückenden rothglänzenden Feuers sich anschliesst. Auch ist bei einzelnen Völkern roth das Symbol des Blitzes und der aus dem Blitze personificirten Donnergötter, so namentlich bei den Germanen des Thôrr oder Thunar. Neben dem Blau als dem Symbole des blauen Himmelsäthers sind daher weiss, golden oder roth die allgemein gebräuchlichen göttlichen, die kirchlichen und die priesterlichen Farben. Sind den Göttern Thiere geweiht oder werden Thiere als Symbole der Götter und der menschlichen Seele gebraucht, - erscheinen die Götter oder menschlichen Seelen in dem Gewande, in dem Kleide, in der Gestalt von Thieren, so werden auch diese in die Lichtfarben, besonders in Weiss und Roth gekleidet. Aehnlich verhält es sich mit den Pflanzen. Ist das Licht das Wesen, die Wohnung und das Kleid der Götter und der göttlichen Menschenseelen, der seligen Geister, erscheint umgekehrt die Finsterniss, das Lichtlose, das Schwarze und Dunkele gewöhnlich als das Wesen, die Wohnung und das Kleid der ungöttlichen und unseligen, der teuflischen und verdammten Wesen und Geister, so wie der




1) Lassen, a. a. O., II. S. 841.



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sie begleitenden und vertretenden Thiere und Pflanzen. So wird bei dem Zendvolke dem Ahura-Mazda, dem Ormuzd, d. i. dem weissen Geiste, dem Lichte des Himmels, Angrô mainyus, Ahriman, d. i. der schwarze Geist der Hölle, der Finsterniss entgegengesetzt und dieser Ahriman ist in der babylonischen Gefangenschaft zum Satan oder Teufel der Juden und damit auch der spätern Christen geworden. Bei den Indern werden der Gott Ciwas als Zerstörer der Welt, als Zeit und Tod, und ebenso der Lastermensch, Pâpapuruschas, d. i. die Personification der Hauptsünden, schwarz dargestellt; schwarz ist auch der seelengeleitende Hund des indischen Todtengottes Jama, und Jama selbst wird der Schwarze (Kala) genannt. Unter den Beiwörtern der griechischen Kêren oder nach Homer Todesgöttinnen, der Göttinnen des Sterbens, besonders des gewaltsamen Todes, welche zufolge Hesiod aus der dunkeln Nacht geboren sind, ist das gebräuchlichste die Schwarze . Auf einer Kiste von Cedernholz in dem Tempel der Juno zu Elis ruhten die Zwillingsbrüder, der Schlaf und der Tod, als Knaben in den Armen der Nacht, nur war der eine weiss, der andere schwarz; jener schlief, dieser schien zu schlafen, beide mit übereinander geschlagenen Füssen. Die Unterweltsgöttin Demeter wurde in Arkadien zu Phigalia in einer Höhle als eine finstere, feindliche Göttin mit schwarzem Gewand und Schlangenhaaren verehrt. Von den zwei Genien, welche die alten Etrusker einem jeden Menschen beigegeben glaubten, wird der gute Genius weiss, der böse schwarz abgebildet. Bei den nördlichen Germanen wird die Göttin der Unterwelt, der Erde, der Hel oder des Todtenreiches, weiss und schwarz geschildert, was Simrok darauf deutet, dass diese Göttin zwei Seelen, eine gute und eine böse habe, - über Geburt und Tod, Leben und Sterben, Lohn und Strafe gebiete. Nach der blosen Naturanschauung sind die weissen und schwarzen Frauen der nordischen und deutschen Mythologie nur die Göttinnen der lichten und dunkeln Wolken, die Personificationen des lichten und dunkeln Wolkenhimmels, welche erst später von dem Himmel auf die Erde versetzt oder irdisch localisirt wurden. In sehr vielen deutschen Volkssagen werden verwünschte, nach der Erlösung harrende




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Jungfrauen weiss und schwarz beschrieben, und zwar je nach dem Grade ihrer Schuld und Bosheit schwärzer und nicht selten ganz schwarz, oder nach der Nähe ihrer Erlösung weisser. Die weisse Farbe ist somit nach der ethischen Betrachtung das Symbol des Lebens, des Guten, der Tugend, der Reinheit, der Seligkeit, und schwarz das Symbol des Todes, der Trauer und des Schmerzes, des Bösen, des Lasters, der Befleckung, der Verdammniss. Hiemit hängt es zusammen, dass bei dem noch heute üblichen Gottesurtheile des Looses in Indien zwei Loose gemacht werden, ein weisses oder auch silbernes, welches die Unschuld, und ein schwarzes oder bleiernes, welches die Schuld bedeutet, und worunter der Angeschuldigte zu ziehen hat. Nach Tacitus suchten die alten Germanen durch auf ein weisses Gewand (super candidam vestem) geworfene und gezogene Loose, Runenstäbehen, den Willen der Götter zu erforschen. Die Mitglieder des maurerischen Ritterordens Kadosch, d. i. der heiligen, geweihten oder reinen Ritter, des 30sten Grades (Grand Elu) nach dem in Frankreich aus Amerika eingeführten sog. altenglischen Systeme, werden auch die Ritter des weissen und des schwarzen Adlers genannt, indem sie den weissen und den schwarzen Adler als Symbol des Guten und des Bösen gebrauchen. Diese Maurer haben auch in dem gleichen symbolischen Sinne einen Dolch mit weisser Klinge und schwarzem Griffe. Das grosse Banner des Ordens ist halb weiss und halb schwarz mit dem deutschen Kreuze in der Mitte. Diese Ordensfahne erinnert an diejenige der Tempelherren, welche aus dem weiss und schwarz getheilten Beauseant bestand und die Umschrift trug: "Non nobis, Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam (Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen verleihe Ruhm und Ehre)!" Als Ordenskleid trugen die Templer einen weissen leinenen Mantel mit Achteckigem rothen Kreuze; die weisse Farbe sollte Symbol der Reinheit und die rothe des Marterthums, des blutigen Märtyrertodes sein. Die deutschen Ritter hatten einen weissen Mantel mit schwarzem Kreuze. Solche weisse leinene Mäntel trugen auch bei den Pythagoräern und zwar nicht blos in ihrem Leben, sondern auch bei ihrer Beerdigung, die eigentlichen Ein-




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geweihten, die Pythagoriker; so wie die Essäer in Syrien und Palästina und die ihnen verwandten oder gleichen Therapeuten in Aegypten. Der Gebrauch dieser leinenen Kleider beruhte unstreitig auf ägyptischer Religionssitte, wonach die wollenen Kleider nicht als rein galten; aus Aegypten hatten auch die jüdischen Priester das weisse leinene Gewand als die Tempelkleidung erhalten 1) und von ihnen ist alsdann dieses Gewand auf die christlichen Priester übergegangen. Die Johanniter, Rhodiser oder Malteserritter trugen ein weisses Kreuz auf der linken Seite ihrer schwarzen Kleidung. Indessen nicht allein die schwarze Farbe ist Symbol des Bösen, sondern zuweilen auch die rothe, in welchem Falle dieselbe auf die Gluthitze, auf das Höllenfeuer zu beziehen ist. Der ägyptische Typhon, d. i. der Widersacher, wurde röthlich gedacht, wesshalb auch die ihm zu opfernden Thiere dieselbe Farbe tragen mussten. Judas hat rothes Haar und rothen Bart. Bei uns erscheinen noch heute Mephistopheles und Samiel, die Höllenfürsten in rother Kleidung und rothen Mänteln. Der ägyptische Sonnengott Ra oder mit dem Artikel Phra erscheint auf den Monumenten mit rothem Körper und mit der rothen Sonnenscheibe auf dem Haupte. Aus Plutarch, Qu. rom. 98, ergibt sich die Sitte der Römer, das capitolinische Jupiterbild roth anzustreichen, wobei die rothe Farbe auf den den rothen Blitz schleudernden Gott gedeutet werden muss. Die gleiche rothe Farbe wird für Dionysos bezeugt. Mit Röthel war das hölzerne Schnitzbild desselben zu Phelloë in Achaia, ebenso das von Phigalia in Arkadien bemalt. Nach Macrobius, Sat. 1, 18, trug das Dionysosbild an den Festen des Gottes , und wenn diese Kleidung auf Orpheus zurückgeführt wird, so spricht sich hierin gewiss der Gebrauch der rothen Farbe in den Mysterien aus. Mit rothem Gewand erscheint Bacchus öfters.2) - Jesus trägt auf alten mittelalterlichen Gemälden durchgängig ein röthliches Kleid als die neue Sonne, sol novus, die Wintersonne, im Gegensatz zu der untergehenden und abnehmenden Sommer-




1) Dunker, Gesch. des Alterthums, I. S. 527.
2) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 293.



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sonne, Johannes dem Täufer. 1) In den bildlichen Darstellungen der byzantinischen Kirche tragen Christus, die Apostel und die übrigen Heiligen vorzugsweise die weisse Kleidung, 2) wie auch bei den Katholiken die Maria, die Himmelskönigin. Bei den feierlichen Prozessionen der Katholiken wird an vielen Orten bei der Jugend eine rothe Fahne vorgetragen zum Zeichen der Kindheit und der Liebe, der jugendlichen Morgenröthe; eine blaue Fahne bei den Männern als Symbol der Beständigkeit, der Treue und des festen oder männlichen Sinnes, und eine weisse bei den Frauen zum Zeichen der Sittsamkeit und Reinheit. Den Maurern ist die weisse Farbe das Symbol ihres Glaubens und Suchens des irdischen und himmlischen Lichtes, die blaue das Symbol des allumfassenden blauen Himmelsäthers und der allumfassenden Gottes- und Menschenliebe, die rothe Farbe aber, welche gewöhnlich mit Grün vereint wird, das Symbol des dereinst anbrechenden Morgens der Unsterblichkeit, des ewigen Lebens.

Der goldene Strahlenkranz als Lichtsymbol wurde schon besprochen. Auch gehört hierher die Tonsur der Priester, wie diese vorzüglich bei den Buddhisten in Asien gebräuchlich und von ihnen auf die katholischen Geistlichen übergegangen ist. Die Tonsur ist gleichfalls ein Lichtsymbol, das Symbol des Sonnenkreises oder der Sonnenscheibe, und durch dieselbe wird der Priester ein dem Lichte, dem Gotte Geweihter, wie der Maurer durch die weisse Schürze und das Schwert die gleiche Weihe erhält. Auch wird die Sonne selbst vielfach in den Religionen wie in der Maurerei als Symbol des Lichtes und Gottes, besonders als das Auge der göttlichen Vorsehung und Allwissenheit angewandt und getragen. Das Wappen der persischen Könige war eine Sonne, und ihr Banner war blau, roth und gold. 3) Auch nennt sich bei den Persern der König selbst die Sonne, das Licht, wie Cyrus, im Zend Khoro, die Sonne bedeuten soll. 4) Das Symbol des




1) Creuzer, Symbolik, I. S. 129.
2) Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, Bd. Ill. S. 188.
3) Kruger, Gesch. der Assyrier und Iranier, S. 45.
4) Movers, die Phönicier, I. S. 228; Heeren, Ideen, I. S, 449.



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höchsten himmlischen Wesens, das heilige Feuer, wurde dann bei den Persern zum Symbole des Höchsten auf Erden, des Königs, des Fürsten gemacht und ihm in der Art vorausgetragen, wie das Licht noch heute in der katholischen Kirche vor dem Priester oder vor dem Sanctissimum, und bei den Maurern vor dem Meister vom Stuhl und vor dem Grossmeister vorausgetragen wird. Diesem persischen Gebrauche war es auch nachgeahmt, dass bei den Römern seit der Zeit der Antonine vor dem Kaiser und vor der Kaiserin, wenn sie öffentlich erschienen, ein Feuer vorausgetragen wurde. In Fortsetzung derselben Symbolik hatte in den persischen Kriegslagern das Zelt des Königs seinen Platz auf der Ostseite derselben, weil der Osten der Wohnsitz der himmlischen und der irdischen Götter war. 1) In der Inschrift von Bisitun nennt Dareios die sechs Stammhäupter (er selbst war als das siebente Oberhaupt der Pasargaden), welche ihm zum Throne verhalfen, die Lichter" des Reichs. 2) - Der Name Pharao, welchen die ägyptischen Könige gemeinschaftlich führen, bezeichnet gleichfalls die Sonne, das Erhabene. In Inschriften heissen die ägyptischen Könige Sonne, Söhne der Sonne. Endlich sind auch die reichen und langen, die goldenen Haare der Licht- und Sonnengötter ein sehr oft vorkommendes Lichtsymbol, indem die Haare nur die Sonnenstrahlen, die Sonnenkraft bezeichnen. Die 7 Haarlocken, welche Delila dem Sonnengotte Simson abschneidet und raubt, 3) nehmen ihm daher seine Kraft und Riesenstärke. Sobald die Haare auf dem Haupte des seiner Augen beraubten Simson wieder wachsen, erlangt er auch seine Stärke wieder und reisst in dem Hause der um ihn frohlockenden Philister die beiden es tragenden Säulen ein, dass er sterbend mehr Philister tödtete, als in seinem Leben. Bei den Indern werden Civa und Krischna ebenfalls die Gelockten, die Lockigen genannt. Auch der




1) Dunker, a. a. O., II. S. 458 (der ersten Ausgabe).
2) Dunker, a. a. O., Il. S. 470 (der zweiten Ausgabe, wie sonst immer).
3) Buch der Richter, Kap. 16.



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griechische Apollo, der jugendlich Schöne zeichnet sich durch seine herabfliessenden ungeschorenen goldenen Haare aus, und wird daher der Goldgelockte genannt; 1) ihm weihten die Jünglinge das erste Haar. 2) Auch bezeichnet nur den lichtgelockten Apollo, von , das wallende Haar. 3)

Die ägyptischen und jüdischen Vorstellungen und Beschreibungen von Gott als einem Lichtwesen haben wir schon oben mitgetheilt und sie können daher jetzt zur Seite gelassen werden; namentlich lassen die jüdischen sich dahin zusammenfassen, wie Paulus I. 17 an Timotheus schreibt, dass Gott allein Unsterblichkeit habe und in einem unvergänglichen Lichte wohne, den kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann, welchem sei Ehre und Herrlichkeit. In einem verwandten Sinne wird auch Gott in den Mithrasmysterien der Unbegreifliche (indeprehensibilis) genannt. 4)

Die eigentlichen lichtgläubigen, man machte fast sagen die maurerischen Völker sind die arischen oder indo-germanischen, an deren Spitze das Zendvolk, die Baktrer, Meder und Perser stehen, und wohin auch die Inder, die Kelten, die Griechen und Römer, die Germanen u. s. w. gehören. Die neuesten mythologischen Forschungen eines Grimm, Mannhardt, Kuhn, Schwartz, Weber, Roth u. s. f. weisen eine solche Uebereinstimmung der Mythologie oder der religiösen Ansichten und Mythen der arischen Völker nach, dass bei ihnen schon in ihrem asiatischen Ursitze oder vor ihrer Trennung in verschiedene Völker der Lichtglaube in seinen Grundzügen entwickelt und ausgebildet gewesen sein muss, wie zu diesem Ergebnisse auch die vergleichende Sprachforschung führt und wohl künftig noch mehr führen wird. Das Zendvolk oder Zarathustra besonders jetzt übergehend, mögen vorzugsweise die Inder und Germanen berührt werden.

Nach dem indischen Vedenglauben hat das Licht als




1) Preller, griech. Mythologie, I. S. 183 unten.
2) Welker, griech, Götterlehre, II. S. 339.
3) Furtwängler, die Idee des Todes, S. 90, Anm. 4.
4) Preller, röm. Mythologie, S. 764.



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die ewige Kraft, die nicht an das Leuchten der kosmischen Körper gebunden ist, seine Heimathsstätte in dem unendlichen Himmelsraume. In dem unendlichen Himmelsraume, in dem ewigen Lichte wohnen die ewigen und unverletzlichen Götter, die Adityas, welche Alles durchdringen, selbst dem Entferntesten nahe sind. Die Vedas sagen:

"Die Engel sammelten sich um den Thron des Allmächtigen und fragten mit Demuth, wer Er selbst wäre. Da antwortete Er: Wäre ein Anderer als ich vorhanden, so würde ich mich durch ihn beschreiben. Ich bin von Ewigkeit gewesen und werde in Ewigkeit sein; ich bin die erste Ursache von Allem, was sich findet im Osten und Westen, im Süden und Norden, oben und unten; ich bin Alles, älter als Alles, König der Könige; ich bin die Wahrheit, ich bin der Geist der Schöpfung, der Schöpfer selbst; ich bin Kenntniss, Reinheit und Licht; ich bin allmächtig."

Auch Indra wird als Gott des unermesslichen Glanzes geschildert. 1) Unter den älteren indischen oder vedischen Göttern tritt aber vorzüglich Varuna, "der Allumfasser, der Umhüller," der Herrscher des weltumgebenden Himmelsmeeres hervor, in welchem alles höhere Sein ruht. Im Aitareya Brahmana des Rig-Veda werden angerufen Mitra und Varuna, welche treulich des Opfers Verdienst wahren, des wahren Lichtes Herrn. Varuna wohnt im schimmernden fernen, hundertthorigen Palaste, der die Grenze des Alls bezeichnet. Von hier schauet er die Welt und aller Menschen Thaten. Der Sängermund strömt zu seinem Preise über:

"Wenn in sein Anblick ich mich versenke,
So deucht sein Ansehen mich wie Feuergluten,
Wo am Himmel, der Herr des Lichts und des Dunkels,
Seinen schönen Leib zum Schauen mir bietet."

Er ordnet Licht und Zeiten, gibt dem Menschen Einsicht, dem Rosse Kraft, der Kuh die Milch. Der Wind, der die Luft durchrauscht, ist sein Athem, die Sonne und die




1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 638. Anm.



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Sterne sind seine Augen. Bei Varuna im Lande des Lichtes versammeln sich die Seligen zu ewigem Aufenthalt, die der Inder mit dem Namen der Väter, Vorväter (Pitris, das lat. patres) belegt. "Gehe hin," ruft man dem Sterberden zu, "auf den Pfaden, die unsere Väter vormals beschritten haben. Die hohen Herrscher sollst du, Jama und Varuna, den Gott schauen." Die Sehnsucht nach dem Lande des Lichts und der Seligen wird im Rig-Veda also ausgesprochen:

"Wo unvergängliches Licht ist, in der Welt, wo Sonnenglanz wohnt,
Dahin bring' mich, o Soma, in die unsterbliche, unverletzliche Welt.
Wo Jama, der Wiwavatssohn als König gebietet, wo das Innerste des Himmels ist,
Wo jene grossen Wasser wohnen, dort lass mich unsterblich sein!
In des Dreihimmels Gewölbe, wo man sich regt und lebt nach Lust,
Wo die lichtvollen Räume sind, o dort lass mich unsterblich sein.
Wo Wunsch und Sehnsucht verweilen, wo die strahlende Sonne steht,
Wo Seligkeit und Genüge ist, o dort lass mich unsterblich sein!
Wo Fröhlichkeit und Freude ist, wo die Lust und Entzücken herrscht,
Wo alle Wünsche erfüllt sind, o dort lass mich unsterblich sein!"

Wenn die Dahingeschiedenen in das Lichtreich eingehen, legen sie alles Irdische und Unvollkommene ab, erhalten einen ätherischen Geisterleib, werden selbst Licht, weshalb der Rig-Veda einen Verstorbenen ermahnt: "Gelange zu den Vätern, zu Jama, bei dem der Wünsche Genüge ist, im höchsten Himmel. Geh' ein zur Heimath, alles Unvollkommene wieder ablegend, gelange (zu jener) herrlich an Gestalt." Um zum Lande der Pitris zu gelangen, muss die Seele einen Luftstrom überschreiten; damit die Seele über den Strom hinüberkomrne, wurde eine Kuh mit folgenden Worten geopfert: "Am grausen Pfade zu Jama's Thor ist der grause Strom Vaitarani, ihn zu überschreiten begehr' ich, darum geb' ich die schwarze Kuh Vaitarani." Dieser Luftstrom, welcher gleichmässig auch bei den Germanen vorkommt, ist also der eigentliche und ursprüngliche Todtenstrom des Alterthums. Auch die Milchstrasse und der Regenbogen (bei den Parsen die Brücke Tschinevad und bei den Germanen die Brücke Bifröst) wurden bei den Indern und Germanen, 1) sowie bei den




1) Menzel, Odin, S. 151.



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Aegyptern als die Wege gedacht, auf welchen die Seelen aus dem Himmel zur Erde hinab- und von der Erde wieder in den Himmel zurücksteigen. Kruger, Geschichte der Assyrier und Iranier, S. 422 erklärt die Brücke Tschinevad für die Milchstrasse, an deren Ende der Hund Sura oder der Stern Sirius im Sternbilde des grossen Hundes als Wächter sich befindet. In den Veden wird häufig auch von sieben Himmelsströmen gesprochen, welches die Räume der sieben Planeten und zugleich diejenigen Räume, der Luftraum sind, die und den die Seele überschreiten muss, um in das Reich Gottes zu dem Todtenrichter Jama zu gelangen. Diese sieben Ströme, der Luftraum, welche die Seele des Verstorbenen überschreiten, durchschiffen muss, um in das Todtenreich zu gelangen, stehen gleich der Brücke Tschinevadi über welche die gereinigte und gerechtfertigte Seele bei den Parsen in das Reich des Lichtes hinübergeht. Diese sieben himmlischen Ströme mahnen auch an die sieben Schritte, durch welche bei den Indern die Braut in die Ehe, gleichsam in den ehelichen Himmel eintritt, sowie an die sieben Schritte, welche der Maurer zurückzulegen, und an die sieben Stufen des Tempels und Altares, welche er zu ersteigen hat, um Meister zu werden, um in das Innere, - gleichsam in den Himmel des Tempels und des Bundes zu gelangen. Die drei und fünf Schritte, Jahre und Stufen des Lehrlings und des Gesellen sind nur Theile, nur Vorbereitungen der sieben Schritte, Jahre und Stufen des Meisters, des Vollendeten und des in das Licht, in den Osten, in den Himmel und in das Innere Eingegangenen. Dasselbe wird auch durch den Satz und die maurerische Lehre ausgedrückt, dass 5 (und 3) Maurer eine unvollkommene und 7 eine gerechte und vollkommene Loge ausmachen, d. h. die Vollendung, das Ende in sich schliessen. Der gemeinsame und letzte Gedanke aller dieser indischen und maurerischen Gebräuche, sowie fast aller alten Todtenculte und Beerdigungsgebräuche ist der, dass die Seele in sieben Tagen und Schritten durch die sieben Planetensphären in den über diesen gelegenen Himmel und zu dem dort mit den Seligen wohnenden Gotte zurückkehre.

Mit der Reise des Verstorbenen durch die sieben Planeten-




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sphären bis zu seiner Ankunft in dem himmlischen Reich und Lichte, mit den alten sieben Trauertagen oder mit der Trauer- und Planetenwoche hängt es auch zusammen, das nach Lajard recherches sur le culte du cyprès pyramidal, S. 349, Anm. 4, bis auf unsere Tage an manchen Orte der Gebrauch beobachtet wird, beim Bette des Verstorbenen während der ersten sieben Tage und Nächte seine Todes eine Lampe, eine Laterne oder ein Licht zu brennen, ihm gleichsam auf seiner Reise durch die sieben Planotensphären zu leuchten. Die alten sieben Trauertage die siebentägige Trauerwoche sind durchaus nichts Anderes als der siebentägige Reisezeitraum des Verstorbenen durch die sieben Planetensphären, - das siebentägige Harren und Zuwarten der Zurückgebliebenen bis zur Ankunft des Verstorbenen bei dem über sieben Sphären Wohnenden und Thronenden. Die irdische Hülle des Verstorbenen durfte erst dann zur Erde bestattet werden, wenn sein Geist im Reiche der Geister angekommen und der zurückgelassene Leichnam nur noch (seelen- und geistloser) Erdenstaub war. Darin liegt der eigentliche und tiefere, aber freilich nicht mehr gewusste Grund, dass auch heute noch fast überall die Verstorbenen nicht sogleich beerdigt, sondern ganz absichtlich einige Tage in dem Trauerhause, in der irdischen Wohnung liegen gelassen werden. Fast aller Orten oder in den verschiedensten Ländern werden bei den Katholiken am Bette oder Sarge eines Verstorbenen noch dermalen ein oder auch mehrere Lichter angezündet und fortgebrannt, bis der Leichnam zum Hause hinausgetragen wird, zum Symbole, dass man wünsche, hoffe und bete, es möge der Verstorbene vor dem himmlischen Richter Gnade gefunden haben und zum Mitgenusse des ewigen Lichtes, zur Anschauung des unendlichen Gottes zugelassen werden; deshalb wird auch bei den Katholiken beim Leichname von Personen der höhern Stände und besonders von fürstlichen Personen von eigens dazu bestellten Geistlichen unter grösserer oder geringerer Mittheilnahme der Anverwandten des Verstorbenen fortwährend für dessen Seelenheil und ein gnädiges letztes Gericht gebetet.

Da Gott das Licht ist, ist bei den Indern in Gemälden




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und auf Bildwerken 1) das Plammenrad (tschakra), d. i. ein Rad ohne Speichen, aus welchem oben und an jeder der beiden Seiten Flammen schlagen, ein oft vorkommendes göttliches Attribut, besonders des Vischnu und Krischna. 2) Es soll die Gottheit bedeuten, welche sich in Geburt, Wachsthum und Untergang ewig umschwingt, wie darauf sich auch der Dreizack (Trisula, tricûla, lat. trisulcum des Jupiter) des indischen Viva beziehen mag. 2) In einem andern Sinne erscheinen bei den Germanen feurige Räder. Am Tage der Sommersonnenwende liess man früher in Deutschland und Frankreich an einzelnen Orten feurige oder brennende Räder als ein Symbol der Sonne von den Bergen in das Wasser herabrollen oder warf dieselben in einem Bogen in die Höhe, dass sie in das Wasser fielen und erlöschten, womit ausgedrückt werden sollte, dass die Sonne nunmehr ihre höchste Höhe erreicht habe und schnell wieder niedersteige. Dabei wurde ein kleines Lied gesungen, dass die Sonne über den Rain d. i. über die Grenze fliegen solle. 4)

Auch die Germanen betrachteten die Götter als Lichtwesen und das Licht als den Aufenthaltsort der Götter und der Seelen, wofür schon Einzelnes an andern Stellen beigebracht wurde.

Odhin, der höchste Lichtgott der deutschen Mythologie, reitet auf einem weissen Rosse und mit weissem Schilde, d. h. er ist das himmlische und irdische Licht und wird durch das letztere, durch die lichten Wolken, das weisse Ross schnell überall hingetragen. Baldur, der Gott des allerfreuenden Lichtes, die Sommersonne, dessen Gegensatz Hödur, d. i. das Dunkel des Winters, die Wintersonne ist und ihn tödtet, bewohnt im Himmel die Stätte,




1) Man vergl. z. B. die Abbildungen zu Creuzer's Symbolik, - die Bildertafeln bei Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, - und die Abbildungen bei Müller, über die Alterthümer des ostindischen Archipels, Berl. 1859, S. 18 vergl. mit S. 24.
2) W. v. Humboldt, über die Bhagavad - Gitá, Berlin 1826, S. 27 Anm.
3) Vergl. Müller, über die Alterthümer des ostindischen Archipels, S. 24.
4) Mannhardt, germanische Mythen, S. 393.



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die Breidalblik (Weitglanz) heisst. In der deutschen Volkssage wird die Todten- und Seelengöttin Holda, die weisse Frau, als eine Frau von wunderbarer Schönheit mit langem goldgelbem Haare beschrieben; ihr Leib ist so weiss wie Schnee; sie trägt ein langes weisses Gewand und einen Schleier oder auch einen weissen Mantel; von ihr strahlt wunderbares Licht aus; wo sie geht und steht, ist es glockenhell in der dunkelsten Nacht. Der Aufenthalt der Seelen, der Todtenaufenthalt ist nach dem germanischen Urglauben in dem glänzenden von der Sonne durchleuchteten blauen Himmel, im Himmelsfirmamente, auf dem Glasberge, d. i. auf dem glänzenden Berge, in Glerrhimin, Glaesisvellir, Glasir, wie der glänzende und leuchtende Aufenthaltsort der Seelen von dem gothischen Zeitworte glisa, glas, glêsum, glisans, nord. gles, glâsun, glesinn mit der Bedeutung glänzen, leuchten genannt wird. 1) In diesem Lande Glaesisvellir soll ein Ort Odainsakr (Unsterblichkeitsfeld) liegen, wo Niemand stirbt, jeder Kranke genest, jeder Greis sich verjüngt. Der nordische Allvater, der ruhende Gott der Ewigkeit wohnt im höchsten Aether über den Sphären der sieben Planeten, welche die einzelnen jüngern Götter beherrschten. So ist auch bei den Aegyptern Phat oder Ptah, der Gott des Himmelslichtes, der Lichtgott, die Helle, das Licht, dessen Zeichen und Symbol das Feuer ist und der die Sonne geschaffen hat und bewegt. Die Griechen nennen diesen Gott Hephästos. Die Chaldäer hatten auf den armenischen Bergen, wo sie zuerst wohnten, gleichfalls den Lichtglauben sich erworben und Bel war den Chaldäern der Herr des Himmels und des Lichtes, welcher Himmel und Erde getheilt und die Menschen erschaffen hatte, der auf den höchsten Bergen über den Wolken thronte und den Sternen ihre Bahnen anwies. 2) Bel, den Gott des Himmels, erkannten die Chaldäer in der mächtig wirkenden Kraft der Sonne, aber sie weihten ihm zugleich den fernsten und darum höchsten Wandelstern, den Saturn, welchen sie mit seinem




1) Mannhardt, gerrnanische Mythen, S. 332 ff.
2) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 115 ff.



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Namen bezeichneten. Indem aber die Chaldäer von ihren Bergen in die fruchtbaren Thäler des Euphrat und des Tigris herabstiegen und dem Bel zu Babel eine Wohnung erbauten (Babel bedeutet Wohnung des Bel), nahmen sie neben ihrem alten Lichtgotte noch eine Göttin der Erdfruchtbarkeit, der aus dem Wasser zeugenden und gebärenden Naturkraft an, die Mylitta oder Aschera der Phönicier und Syrer, wodurch ein höchst sinnlicher, den semitischen Völkern überhaupt eigenthümlicher Cultus aufkam, welcher den ursprünglichen und höhern Lichtglauben ganz zurückdrängte und überwog. Der religiöse Glaube und Cultus muss daher überall als ein Erzeugniss seines besonderen Landes, seiner Berge, wie z. B. bei den Baktern, Medern und Persern und den ursprünglichen arischen Indern, - des fruchtbaren und warmen Stromgebietes, wie bei den Indern des Gangeslandes, bei den Babyloniern und Aegyptern u. s. w. betrachtet werden, um recht verstanden und recht gewürdigt zu werden. Aehnliche Vorstellungen, wie die Chaldäer und die Araber, hatten auch die Vorfahren der Hebräer von den Abhängen der armenischen Berge und den Steppen zwischen den beiden Strömen Euphrat und Tigris mitgebracht. Auf den Bergen war Jehova angerufen, hier waren ihm Brandopfer dargebracht worden und er pflegte auf die Berge niederzusteigen.

Wenn nun Gott und der Himmel nach der allgemeinen Vorstellung der alten Völker das himmlische und irdische Licht ist, lag es nahe, bei der Verehrung Gottes oder gewisser einzelner Lichtgötter, in den ihrer Verehrung und Anbetung geweihten Stätten reine und heilige Feuer oder doch Lichter anzuzünden und zu brennen, um sich dadurch den Gedanken Gottes und gleichsam Gott selbst zu vergegenwärtigen, um sich symbolisch vor Gott und in das himmlische Licht zu versetzen. So sind die brennenden Feuer, die brennenden Lichter zu Begleitern, zu einem wesentlichen Bestandtheile des öffentlichen und Privatgottesdienstes überhaupt oder wenigstens einzelner Götter und Göttinnen, welche eine besondere Beziehung zu dem Lichte hatten, geworden, wie sie noch heute in den buddhistischen Tempeln, in den jüdischen Synagogen, in




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den katholischen und griechischen Kirchen, in den lutherischen Kirchen, in den maurerischen Tempeln u. s. w. brennen. Zu den Lichtern gebrauchte man dabei hauptsächlich drei- oder siebenarmige Leuchter, um entweder den dreieinigen Gott oder die sieben Planetengötter, den siebeneinigen Gott zu bezeichnen. Um zugleich die Ewigkeit und Unvergänglichkeit des Lichtes zu symbolisiren und vielleicht auch um auszudrücken, dass Gott stets bei den Menschen sein und ihnen seinen Schutz und Segen verleihen solle, musste vielfach an den heiligen Orten ein nie erlöschendes, Tag und Nacht sorgfältig, oft mit kostbarem Holze zu unterhaltendes Feuer oder Licht gebrannt werden; so beim Zendvolke, bei den lndern, bei den Phöniciern und Juden, bei den Griechen und Römern, in den griechischen und katholischen Kirchen, wohl auch bei den Kelten und Germanen.1) Was die Germanen betrifft, so vermuthet Jak. Grimm, dass in dem germanischen templum Tanfanae, das übermüthige Feinde dem Boden gleich machten, keine Bildsäule, sondern das heilige Feuer gestanden habe, denn Tanfana war , Vesta, noch näher die skytische Tahiti. 2) Schon nach der mosaischen Gesetzgebung z. B. war die zum Priesterthume Jehova's erwählte Familie Aaron's aus dem Stamme Levi verpflichtet, für die beständige Unterhaltung des Feuers auf dem Altare des Zeltes oder des Tempels zu sorgen. Ebenso musste in den Tempeln der griechischen und der römischen Vesta von Priesterinnen, und zwar zu Rom von keuschen Priesterinnen, auf dem Altare der jungfräulichen reinen und heiligen Göttin das ewige Feuer genährt werden. Erlosch in dem Tempel der Vesta zu Rom das heilige Feuer, was für eine schwere Vorbedeutung, für ein Zei-




1) Die Chinesen scheinen dem von ihnen verehrten bösen Geiste in ihren Häusern fortwährend Kerzenlichter zu brennen, wie in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft, Bd. IX. S. 810, vermuthet wird. Für ihre Verehrung und Anbetung des bösen Geistes sollen die Chinesen anführen, der gute Geist sei ohnehin gut und gnädig, den bösen Geist aber, der feindselig gesinnt sei und Böses drohe, müsse man durch Gebet und Opfer zu gewinnen suchen.
2) Grimm, die Namen des Donners, S. 2.



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eben des Untergangs der Stadt galt, sollte es nach Plutarch nur von einem reinen und unbefleckten Funken der Sonne wieder angezündet werden können, was mit der Ansicht der Alten, dass das irdische Feuer aus dem himmlischen oder ätherischen stamme, dass es durch Prometheus nur von dem Himmel zur Erde herabgebracht, geraubt worden sei, zusammenhängt und wesshalb auch die heiligen Feuer durch einen solchen himmlischen Funken entzündet oder wirklich himmlische Feuer sein sollten, indem man die heiligen Feuer entweder mit einer Art Brennspiegel oder mit dem durch das Reiben von Hölzern gewonnenen Feuer anzündete. Den maurerischen Gebräuchen bei der Ertheilung des Lichtes an den neu gewählten Meister vom Stuhl liegt diese alte Ansicht zu Grunde. - Bei den Phöniciern, z. B. zu Tyrus und Gades, brannten in den Tempeln des Moloch, des Baal-Molokh, Malakh-Bal, d. i. des Gottes des verzehrenden und vernichtenden, darum aber auch heiligenden und reinigenden Feuers, und der Kriegsgöttin Astarte, der keuschen Mondsgöttin, das ewige Feuer. 1) In Irland wurde Brigitte, die Tochter des Tages, durch ein ewiges Feuer geehrt. 2) Auch auf den Altären der keltischen Göttin Belisana, der Himmels- und Unterweltskönigin, in Britannien brannte ein ewiges Feuer 3) u. s. w. Dem arkadischen Licht- oder Sonnengotte Pan wurde zu Phigalia und Olympia Tag und Nacht ein Feuer unterhalten, wie es auch an vielen Orten zu Ehren des Apollo geschah. 4 ) Auch wurde Pan, wie Athene, Hephästos und Prometheus, durch Fackelläufe gefeiert. Bei dem Zendvolke und daher noch heute bei den Parsen in Indien und bei den Gebern in Kirman, bei den Indern, bei den Chinesen, bei den Griechen und Römern war und ist es sogar der Gebrauch, in jedem Hause auf dem Herde ein nie erlöschendes heiliges Feuer oder doch ein Licht Tag und Nacht zu brennen und zu unterhalten, sowie dasselbe als ein theures Gut bei der Verlegung der Wohnung mit sich




1) Bunsen, Aegyptens Stelle, V. S. 297; Dunker, Geschichte, des Alterthums, I. S. 157.
2) Grimm, Mythologie, S. 578.
3) Brosi, die Kelten, S. 96.
4) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 456.



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fortzunehmen. Das Altar- und Herdfeuer als Symbol der Gottheit sollte der mächtige Schützer, das heilige Band, der belebende Geist, das Palladium der Familien, Städte und Staaten sein; es war das Symbol des die Familie, die Stadt und den Staat verbindenden göttlichen Geistes und Lebens. Der Gott des Feuers, Agni (ignis), wird daher bei den alten Indern oder in den Vedas der Beschützer des Hauses (grihapati) und der Gemeinde (vicpati) genannt; auch heisst er der bei allen Menschen Wohnende (Vaievârana 1)). Das leuchtende Feuer und daher auch sein Gott Agni schützt und bewahrt die Menschen und ihre Wohnungen vor allem Bösen, besonders auch in der Nacht vor Mördern und Dieben. Ueberhaupt ist der indische Gott Agni, wie die griechische und die römische Vesta nur die Personifikation der wohlthätigen Wirkungen des Herdfeuers für die Familien und Staaten. Die Festtage der Römer und der Christen sind nur die Tage der Verehrung der , denn Festtag (dies festus, dies festivus) bezeichnet den Tag der , des Feuers, und aller Gottesdienst ist in diesem Sinne ein Feuerdienst, ein Dienst des göttlichen Feuers (ignis Jehovae). Der christliche Sonntag namentlich aber ist der Tag der Anbetung der Sonne, des himmlischen Lichtes.

Nach dem parsischen Vendidad, Farg. XVIII, 43 ff., scheint es eine besondere Pflicht des Hausherrn gewesen zu sein, das heilige Feuer (den Sohn) Ahura-mazdas auch während der Nacht zu unterhalten und zu beschützen, denn ihm wird für das erste Drittel der Nacht von dem Feuer zugerufen: "Stehe auf, o Herr des Hauses! Ziehe deine Kleider an, wasche deine Hände, suche Brennholz und bringe es her zu mir, mache mich leuchtend durch das reine Brennholz mit gewaschenen Händen. Zu mir möchte der von den Daêvas (den bösen Geistern) geschaffene Azis kommen, welcher erscheint, um mich der Welt zu entreissen (d. h. die Finsterniss, die Nacht kämpfet wider das Licht und strebt es zu erlöschen." - Aus dem Gesetzbuche des indischen Menu ist ebenso bekannt, dass jeder Brahmane oder Hausvater (grihapati) ein oder meh-




1) Lassen, a. a. O., I. S. 760.



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rere (drei) geheiligte Feuer in seinem Hause zu unterhalten hatte, und dass es seiner Frau zum besondern Verdienste gereichte, für dieselben zu sorgen. DenZendschriften zufolge galt es auch als Sühnopfer, reinen und heiligen Menschen ein glänzend brennendes und wohl geläutertes Feuer anzuzünden und zu unterhalten; auch bei den heutigen Parsen kann man für die Feueraltäre milde Gaben stiften, die wahrscheinlich zur Anschaffung des Brennholzes und der Wohlgerüche für das Feuer verwendet werden. Aehnlich kommen noch heute in der katholischen Kirche Stiftungen zu Gunsten des ewigen Lichtes oder eines auf einem bestimmten Altare diesem oder jenem Heiligen oder Verstorbenen zu brennenden Lichtes vor, sowie Gaben von Kerzen. Das heilige Feuer in den einzelnen Häusern darf in aller und jeder Hinsicht dem katholischen Cruzifixe oder Kreuze verglichen werden; es war dem Hause und den Hausbewohnern das theure Symbol des allgegenwärtigen Gottes, Schützers und Erlösers und musste sie überall hin begleiten. Wenn daher im ältesten Indien der Familienvater gegen das Ende seines Lebens Haus und Familie verliess und eine Einsiedelei bezog, Waldsiedler (Vânaprastha) wurde, nahm er dahin nach dem Gesetzbuche des Manu VII, 1-30 das heilige Feuer als untrennbaren Gefährten seines Lebens mit. 1) Der Gott des Feuers, das Feuer ist der Mittler und Bote zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen, indem es in dem Blitze und den Sonnenstrahlen zur Erde und zu den Menschen niedersteigt und in der emporlodernden reinen Opferflamme wieder zu dem Himmel zurückkehrt. Sehr schön wird deshalb bei den Indern Agni, der Gott des Feuers, auch Mantradschihwas, d. i. die Gebetzunge genannt, weil das Opferfeuer gleichsam die Zunge der Sterblichen ist, welche zu dem Himmel spricht und ihre Wünsche, Gebete und Danksagungen zu Gott emporträgt. Hiermit hängt auch das Verbrennen der Leichname zusammen, denn die Inder glaubten, dass die abgeschiedenen Geister, die von dem Scheiterhaufen aus in leuchtenden Funken zum Himmel




1) Lassen, a. a. O., I. S. 580.



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steigen, in diesem ihrem Strahlenkörper, dem Harnische Agni's, als Sterne am Firmamente wieder erscheinen, 1)

Am Feste der Apaturien, welches die Griechen im Monat Oktober zu Ehren des Hephästos als des Gottes des Feuerherdes, das heisst des Familienlebens, zu feiern pflegten, wurden die neugebornen Kinder im Laufe um das Herdfeuer getragen und durch diesen symbolischen Gebrauch in die Familie und den Familienverein der Phratrie aufgenommen. 2) Das eigentliche Symbol indessen des die menschlichen Ansiedlungen bedingenden, von dem Himmel stammenden und die Familien und die Staaten beschützenden Herdfeuers war bei den Griechen die Göttin Hestia, die jüngste der olympischen Gottheiten, welche Homer noch nicht kannte. 3) Von der Familienverbindung an bis hinauf zu der alle Familien- und sonstigen Vereine umfassenden allgemeinen Stadt- und Staatsverbindung hatte jede Verbindung in dem heiligen Herdfeuer, in seiner Hestia, den religiösen Mittelpunkt, das Symbol seiner Verbindung, so dass in die Verbindung Derjenige eintrat, mit dem man das Feuer theilte, den man an dem Feuer Theil nehmen liess. Das gemeinschaftliche heilige Feuer der ganzen Stadt und des Staates brannte als das ewige Licht in dem Prytaneum, in dem Stadthause, z. B. seit Theseus zu Athen, zu Sparta, und später auch zu Rom. Die geschichtliche Sage erzählt es als eine Epoche machende Veränderung des Theseus in der Verfassung des attischen und des ionischen Gesammtstaates, dass er Athen zu einer Hauptstadt gemacht habe mit einem Centralfeste, den Panathenäen, des ganzen attischen Staates zu Ehren der obersten Landesgöttin und der übrigen sie umgebenden Landesgottheiten. 4) Die religiöse Bedeutung solcher Stätten aber tritt vorzüglich in dem schönen Gebrauche hervor, dass die griechischen Colonien von dem Herde der Mutterstadt d. h. aus seinem Prytaneum das Feuer mitzunehmen pflegten, an welchem auf dem




1) Köppen, Religion des Buddha, S. 37.
2) Preller, griech. Mythologie, I. S. 121 u. 269.
3) Preller, a. a. O., I. S. 266 ff.
4) Preller, a. a. O., II. S. 199.



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Gemeinherde ihrer neuen Niederlassung sich ein neues Leben entzünden sollte. In dem vaterländischen Feuer sollte der vaterländische Geist und das vaterländische Leben gebracht und bewahrt werden. Von ganz besonderem Ansehen waren solche Hestien, welche mit angesehenen Heiligthümern und gemeinschaftlichen Cultusstätten grösserer nationaler Vereine zusammenfielen, z. B. Delos als Hestia der Cycladen, die Hestia im Prytaneum zu Olympia, wo auch ein ewiges Feuer brannte, und vor allen übrigen die des pythischen Heiligthums zu Delphi. Wegen des religiösen Ansehens von Delphi konnte diese Opferstätte, wo gleichfalls ein ewiges Feuer brannte, noch am ersten für den religiösen Mittelpunkt aller Griechen oder vom ganzen Griechenland gelten. 1) Bei grössern Opfern pflegte immer mit einer Spende an die Hestia begonnen und wieder geschlossen zu werden, wie sie überhaupt bei allen Gebeten und religiösen Acten zuerst genannt zu werden pflegte. Das Anzünden und das Löschen der Kerzen beim Beginnen und beim Schlusse des katholischen Gottesdienstes und der Maurerlogen hängt hiemit zusammen und deutet darauf hin, dass das Feuer als das Symbol Gottes jeder Gottesverehrung und jedem Gottesdienste, jeder Loge anwohnen, dass man Alles mit Gott anfangen und enden solle, - dass Gott der Anfang und das Ende aller Dinge sei. Mit dem Feuer, mit dem Lichte muss angefangen werden, - war schon ein griechisches Sprichwort. Wo die Menschen sieh versammeln und niederlassen, soll das Feuer, als das Symbol Gottes, soll Gott bei ihnen sein und bleiben und ewig weilen; darin besteht das Wesen des ewigen Lichtes, des Feuers in der Kirche und in dem Hause, der öffentlichen und privaten Hestien. Die zwei Säulen, welche in den Maurerlogen als die Säulen Sets erscheinen, könnten auch auf die Hestia Bezug haben oder doch gedeutet werden, da sie dargestellt wird sitzend zwischen zwei Spitzsäulen als den Symbolen des Wendekreises der Sonne, 2) in welcher Bedeutung die zwei Säulen




1) Preller, a. a. O., I., S. 269 u. 270.
2) Preller, a. a. O., I. S. 267 u. 272.



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auch in den Rennbahnen aufgestellt zu werden pflegten. Den Hestien der Griechen waren übrigens ganz entsprechend die Feuertempel oder Pyräen (Dadgads) des Zendvolkes auf der Berge Gipfel, in denen auch ein heiliges und gereinigtes Feuer unterhalten wurde, welches niemals erlöschen durfte und vor denen das Zendvolk zu Ormuzd, dem Gotte des reinen und ewigen Lichtes, betete. 1)

Auch das heilige Feuer, welches die lichtgläubigen und nach unseren Vermuthungen aus Hochasien in uralten Zeiten nach Amerika eingewanderten, zu dem indogermanischen Völkerstamme gehörigen Peruaner 2) ihrem Licht- und Sonnengotte Pachakamak anzündeten und zu ihren Opfern bedurften, musste von der Sonne selbst gegeben werden und wurde durchaus in derselben Weise von ihrem Oberpriester gewonnen und in der Hauptstadt Cusco durch heilige keusche Jungfrauen oder Priesterinnen, die sogenannten Sonnenjungfrauen bewahrt, wie zu Rom das heilige Feuer der Vesta.

Bei den Indern war es ein heiliger Gebrauch, beim Feuer die Bündnisse und Freundschaftsgelöbnisse zu bekräftigen. So heisst es z. B. im Ramajana nach der Uebersetzung von Fr. Schlegel:

Sugrivo, da er dies alles gehört, Ramo's Geschick und Art, Da macht er Freundschaft mit Ramo, hat beim Feuer gelobt den Bund.

Auch die alten Perser schworen bei dem Mithra, d. i. bei dem Lichte, in seinem Unterschiede von Sonne, Mond und Gestirnen aufgefasst. Mithra war ursprünglich der Gott des allessehenden und allesdurchdringenden Lichtes, daher auch der Gott der Treue und Wahrheit und der Rächer der Lüge und Falschheit. 3) Unter den positiven Pflichten des Mazdayacna, des Ormuzdieners, des Lichtgläubigen, steht die Pflicht, die Wahrheit zu reden und das gegebene Wort, den gegebenen Handschlag und die Verträge heilig zu halten, oben an. Jeder Verstoss dagegen, jeder Wort- und Vertragsbruch und jede Falschheit und Unwahrheit,




1) Vergl. darüber Spiegel, Avesta, II. Einleitung S. LXIV ff.
2) Alpina für 1860, S. 256 ff.
3) Windischmann, Mithra, S. 52 ff.



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ist eine schwere Mithrasünde, weil Mithra über Treue und Wahrheit, über das Licht in den Handlungen und Verträgen der Menschen zu wachen hatte. 1) Ebenso betheuerte man früher bei den Deutschen mit den Worten: "sammir daz heilige licht;" 2) ja heute noch pflegt als eine Betheuerung, als eine Versicherung der Wahrheit, im Deutschen gesagt zu werden: "So wahr mich das Licht (die Sonne) bescheint, - so wahr, als dass die Sonne scheint (am Himmel steht)." Da wir auf diese Weise übereinstimmend bei den Indern, bei den Persern und Parsen, und bei den Germanen die Sitte finden, das Licht als Zeugen der Treue und Wahrheit anzurufen und den Lichtgott als den Wahrer derselben zu betrachten, dürfen wir auch annehmen, dass sie diese gemeinsamen Sitten und Ansichten schon aus ihrem gemeinsamen Ursitze in Hochasien mitgebracht haben. Wenn die Griechen beim Zeus oder die Römer bei Jupiter betheuerten, war auch dieses im Grunde nur ein Schwur beim heiligen und ewigen Lichte. Schon bei Homer ist Zeus der oberste der Schwurgötter und er blieb dieses fortgesetzt im Rechtsverkehre der Griechen; Zeus rächt furchtbar jeden Meineid. 3)

Bei den Niederlassungen der Norweger auf Island kehren die Besitzergreifungen durch Feuer öfters wieder. Man befestigte einen Zunder an den heiligen Pfeil, welcher Tundrör hiess, entzündete ihn im heiligen Feuer und schoss ihn über die Landstrecke , die man sich aneignen wollte. Dieser Rechtsgebrauch, sowohl von herrenlosem Lande als von erkauften Grundstücken mittelst angezündeten Feuers Besitz zu ergreifen, bestand im Norden allgemein; man hatte sich damit das Grundstück geheiliget (helgat 4)). Die Einweihungen neuer Kirchen bei den Katholiken und der Logen bei den Maurern sind, näher und tiefer aufgefasst, durchaus nichts Anderes als diese alten Besitzergreifungen und Heiligungen durch das Feuer und das Licht;




1) Spiegel, Avesta, II. Einleitung LV.
2) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 813, Anm.
3) Preller, griech. Mythologie, I. S. 97.
4) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 194 u. 941; Uhland, der Mithus von Thôr, S. 57.



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durch das Anzünden der Lichter werden die Kirchen und Logen zu heiligen Stätten, zu Stätten und Tempeln der Anbetung und Verehrung Gottes, des ewigen Lichtes geweiht.

Auch gehört hierher die bei den Indern, bei dem Zendvolke und bei den Germanen gleichmässig vorkommende und bei den Indern bis auf den heutigen Tag erhaltene Feuerprobe, um sich von falschem Verdachte zu reinigen und gleichsam durch Gott selbst seine Unschuld zu erhärten. Schon in dem Ramajana bewährt Sita, die Gattin Rama's, ihre eheliche Treue durch die Feuerprobe. Das Gesetzbuch Manu's sagt, das Feuer sei der Beweis der Unschuld oder Schuld für alle Menschen; der heilige Vatisa habe einst seine Unschuld dargethan, indem er durch das Feuer schritt und kein Haar ihm versehrt ward. 1) Später kam als Ordale bei den Indern das Tragen einer glühenden eisernen Axt auf. Das in den Rivâiets enthaltene Schwurbuch sagt, dass früher bei den Parsen oder bei dem Zendvolke Ordalien gebräuchlich gewesen seien, als da: durch das Feuer gehen, glühendes Eisen auf die Zunge zu legen u. s. w. 2) Das Gottesurtheil des Feuers, judicium ignis, erscheint bei den Germanen in verschiedener Gestaltung, 3) z. B. dass der zum Urtheil Gelassene seine blose Hand eine Zeit lang in das brennende Feuer halten musste; war sie beim Herausziehen unversehrt, galt er für unschuldig, sonst für schuldig; - oder dass der Beweisende in blosem Hemde, nach Einigen sogar im Wachshemde durch einen entflammten Holzstoss gehen musste; auf diese Art soll Richardis, Carls des Dritten Gemahlin, nach den Chroniken des Mittelalters ihre Unschuld bewährt haben; oder dass - und dieses war das Gewöhnliche - ein glühendes Eisen mit blosen Händen getragen oder mit blosen Füssen betreten werden musste (judicium




1) Dunker, a. a. O., II. S. 116, Anm. 1.
2) Spiegel, Avesta II. Einleitung LVI.
3) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 912 ff.; Dümgé, Symbolik germanischer Völker, Heidelberg 1812, S. 53.; Chassan, essai sur la symbolique du droit, précédé d'une introduction sur la poésie du droit primitif, Paris 1847.



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ferri candentis), indem 9 Pflugschaaren geglüht und in bestimmtem Zwischenraum, von einander gelegt wurden, über die der sich Reinigende barfuss gehen musste, - oder indem die geglühte Eisenmasse von bestimmter Schwere eine Strecke weit mit blosen Händen getragen werden musste.

Dass bei den Maurern bei dem Beginne der Loge die Lichter angezündet werden und bis zu deren Schlusse fortbrennen sollen, hat die unendlich tiefe symbolische Bedeutung, dass die Maurer Alles mit Gott beginnen und beendigen sollen, - dass, wenn und wo die Maurer zur Arbeit versammelt sind, Gott bei ihnen weilen, der göttliche Geist sie erleuchten und beseelen möge. Nur das in allen Logen brennende heilige Feuer, der in allen Logen lebende Geist und das Licht Gottes vereinen wirklich alle Maurer der Erde zu einem unsichtbaren Bunde unter sich und mit der Gottheit. Dem Lichte und der Gottheit geheiligte Stätten sollen und wollen die Maurerlogen sein; ferne von ihnen bleibe die Finsterniss, das Böse und das Schlechte. Mögen wir niemals den Meister vom Stuhl die Lichter der Loge anzünden und löschen sehen, ohne Gottes und seines Gebotes zu gedenken, ohne uns und alle unsre Brüder dem Schutze und der Gnade Gottes zu empfehlen. Die Hestia als Göttin des Herdfeuers wurde bei den Griechen und bei den Römern abgebildet, mit der einen Hand hinauf nach dem Himmel zeigend, wie sie selbst nur die unsichtbare Allgegenwart Gottes bezeichnete; so sollen auch den Maurer die zum Himmel emporflammenden Lichter stets an den allgegenwärtigen Gott mahnen. Wer in dem Lichte der Loge steht, glaube vor Gottes Thron und in seinem Lichte zu stehen, dann wird die rechte maurerische Gesinnung und der rechte maurerische Geist ihm verliehen werden. Ich schliesse mit dem alten Muttergebete:

"O Herr, du grosser und allgemeiner Baumeister der Welt, du erster Bildner des Menschen, dass er wie ein Tempel sei; sei mit uns, o Herr, wie du versprochen hast, wenn Zwei oder Drei in deinem Namen versammelt sind, wollest du mitten unter ihnen sein. Sei mit uns, o Herr, und segne alle unsere Unternehmungen!"