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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XXXIII.



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Die maurerischen Trinksprüche.

Ein Toast.

Bei den heiligen Mahlzeiten oder den gemeinsamen Opfermahlen der Aegypter, Griechen und Römer pflegten den sieben Planeten des Alterthums, der Sonne, dem Mond, dem Mars, dem Merkur, dem Jupiter, der Venus und dem Saturn, sieben Trankopfer, Libationen, dargebracht zu werden, woraus die sieben dreifachen Ordensgesundheiten bei den maurerischen Tafellogen am Feste Johannis des Täufers hervorgegangen sind. An die Stelle der Sonne, des erstell lind mächtigsten Planeten, sind bei den Maurern die Fürsten, die Landesregierungen, die Sonnen der Erde, getreten. Den Landesfürsten und Landesregierungen folgen in dem Platze des Mondes, des zweiten Planeten, die




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maurerischen Fürsten und Regierungen, die blauen und rothen Grossmeister, die Verwaltungsräthe und Direktorien. Auf den Stuhl des Mars ist der Meister vom Stuhl erhoben und ihm als das Zeichen seiner Macht, als auszeichnendes Attribut, das Schwert ertheilt worden, welches ihm bekanntlich in einigen englischen Logen bei feierlichen Gelegenheiten durch einen besondern Schwertträger vorausgetragen wird. Das schwere Amt des Merkur, des Götterboten des Gottes der Beredsamkeit und des Handels, mussten die beiden Brüder Aufseher übernehmen; sie haben die Befehle des Meisters der Loge zu überbringen und gleich dem heiligen Herolde in den eleusinischen Geheimnissen, der auch die Attribute des Merkur trug, die Einzuweihenden in den Tempel einzuführen und die Profanen zu entfernen. Statt des die Gäste beschützenden Jupiter, des , begrüssen wir in Gastfreundschaft die uns besuchenden Brüder. Der letzte und entfernteste Planet, der Saturn, welcher in unermesslicher Bahn gleichsam das Weltall umkreiset, lässt die Maurer aller ihrer Brüder gedenken, welche auf der weiten Oberfläche der Erde zerstreut sind, und sie bis herab zu den dienenden Brüdern in den saturnischen Kreis, in die maurerische Kette einschliessen. Vor dem Saturn her zieht, als der sechste Planet, die Venus, die Göttin der Schönheit und Liebe, und den neu aufgenommenen, den jüngsten Brüdern, ist durch die Ordensgesundbeit das bedeutungsvolle sechste Loos gefallen, die in sittlicher Schönheit blühende und in reiner Liebe glühende Jugend darzustellen. Möchten die heute aufgenommenen Brüder und mit ihnen alle übrigen Brüder niemals vergessen, dass sie gleich dem Sterne der Venus durch schöne Gedanken, Worte und Werke strahlen und leuchten sollen, - dass ihr ganzes Leben nur ein Leben der Liebe zu Gott und den Menschen, zum Guten und Wahren sein solle.

Den ihnen dargebrachten dreifachen Toast erlauben sich die neu aufgenommenen Brüder mit einem gleichen zu erwiedern:

Am Tage Johannis des Täufers muss das erste Hoch ertönen dem bescheidenen Vorläufer des Herrn, der Bescheidenheit. In dem Evangelium Johannis wird erzählt,




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dass, nachdem Johannes Christus im Jordan getauft hatte, auch Christus zu taufen angefangen habe, was die Unzufriedenheit der Jünger Johannes erregte. "Sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Meister, der bei dir war, jenseits des Jordan, von dem du zeugtest, siehe, der tauft und Jedermann kommt zu ihm. Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann Nichts nehmen, es werde ihm denn von dem Himmel gegeben: Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe, ich sei nicht Christus, sondern vor ihm hergesandt. Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber stehet und höret ihm zu und freuet sich hoch über des Bräutigams Stimme. Dieselbe meine Freude ist nun erfüllet. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen." - Welche rührende und ausserordentliche Bescheidenheit, welche wahre maurerische Seelengrösse beurkundet hier nicht Johannes? Aus tief fühlendem Herzen erschallt daher mein erstes Hoch Johannes dem Täufer, der Bescheidenheit; sie muss und wird stets wachsen!

Die Bescheidenheit Johannes war um so grösser und wahrer, als sie mit Todesmuth, mit Freiheit verbunden war. Johannes ist nicht blos der Vorläufer, sondern auch der Vorkämpfer des Herrn. Die Gebrechen und Laster, in welche seine Zeit versunken war, tadelte Johannes mit unerschrockenem Muthe und verlangte von Allen bis hinauf zum Fürsten, dass sie Busse thun und sich bessern sollen. Die mahnende Stimme der Wahrheit können die Menschen nicht ertragen; Johannes wurde deshalb von Herodes verhaftet und enthauptet. Lassen Sie uns gleich Johannes ohne Furcht und Wanken vor aller Welt die Wahrheit bekennen und dafür, wenn es sein muss, selbst in den Tod gehen; nur wer den Tod nicht fürchtet, nur wer das Leben waget, ist frei. Das zweite Hoch dem Todesmuthe, der freien Bescheidenheit, der Freiheit!

Mochte auch das Haupt des Johannes fallen, Christus lebte noch; an dem Grabe Johannes wachte das Wort und der Geist Christi und breitete sich siegreich über die ganze Erde aus. In den Worten Johannis: "Er muss wachsen, ich muss abnehmen," lag die prophetische Ahnung und Vorausverkündigung der ganzen christlichen Zeit und Ge-




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schichte eingeschlossen. Es ist eine geschichtlich höchst wichtige und noch ungelöste Frage, woher dem Johannes seine Ahnung; seine Erkenntniss des kommenden Grössern geworden sei. Einige haben diese Frage durch die Annahme zu lösen geglaubt, dass, wie schon Moses es gewesen, auch Johannes und Christus in die ägyptischen, in die essäischen Geheimnisse eingeweiht und von dort als die geheimen Verbündeten, als zwei maurerische Propheten und Apostel, ausgesandt worden seien, um der Welt eine neue Lehre und ein neues Licht zu verkünden. Jedenfalls haben die Mysterien der Aegypter, Perser, Inder, Griechen und Römer bis herab auf unsere maurerischen Verbindungen an der Gestaltung des Weltgeistes und der Weltgeschichte mehr Antheil, als man glaubt und weiss; das Geheime und Verborgene sieht der grosse Haufe nicht. Die Essäer und die in die eleusinischen Geheimnisse Eingeweihten haben am frühesten und am wärmsten unter den Heiden zu dem Christenthum sich bekannt und wesentlich dessen Ausbreitung begünstigt. Mein letztes und stärkstes Hoch dem grossen und verborgenen Geiste, der in den Mysterien durch die Jahrtausende hindurchzieht und das unsichtbare Kleid der Menschheit webt; funde merum genio. 1)




1) Vergl. auch noch den Artikel "Gesundheiten" in Lenning's Encyklopädie wegen der darin enthaltenen Bemerkung über den mystischen Gebrauch, die Gesundheit dreifach zu trinken.