Freimaurer-Loge "Am Rauhen Stein", Matr.-Nr. 888, Moorweidenstr. 36, 20146 Hamburg, Deutschland



Texte Frontispiz

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Bild "Frontispiz u. Programm"

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Bild "Titelblatt Programm"

Fällt das Stichwort "Die Zauberflöte", so denkt man zuerst an die wunderschöne Musik aus der Feder des Freimaurers Mozart. Als zweites drängen sich vielleicht Bühnenbilder und Kostüme in das Bewußtsein. Schon bei der Uraufführung war besonderer Wert auf die Ausstattung gelegt worden, für die Herr Gayl als Theatermaler und Herr Neßthaler als Dekorateur verantwortlich zeichneten. Der Text der Oper entstand 1791 als Gemeinschaftsarbeit von Theaterdirektor Schikaneder und Schauspieler Gieseke, die beide Freimaurer waren. Zauberopern waren zu der Zeit gerade in Mode, doch der an vielen Stellen für den Eingeweihten zu erkennende freimaurerische Ansatz geben dem Text auch heute noch eine besondere Note. Hervorzuheben ist dabei besonders der Anfang des zweiten Aktes. Der Philosoph Hegel stellte sich zu Recht schützend vor den vielgeschmähten Text des Werkes als er meinte:

"Wie oft kann man nicht z. B. das Gerede hören, der Text der "Zauberflöte" sei gar zu jämmerlich, und doch gehört dieses Machwerk zu den lobenswerten Opernbüchern. Schikaneder hat hier nach mancher tollen, phantastischen und platten Produktion den rechten Punkt getroffen. Das Reich der Nacht, die Königin, das Sonnenreich, die Mysterien, Einweihungen, die Weisheit, Liebe, die Prüfungen und dabei die Art einer mittelmäßigen Moral, die in ihrer Allgemeinheit vortrefflich ist - das alles, bei der Tiefe der bezaubernden Lieblichkeit und Seele der Musik, weitet und erfüllt die Phantasie und erwärmt das Herz."

Mit dem Tag der Uraufführung lag auch ein Buch zur Oper vor, welches sorgfältig editiert den vollständigen Text enthielt. Hergestellt wurde es in einer führenden Wiener Druckerei, die dem Freimaurer Ignaz Alberti (geb. 1760, gest. 1794) gehörte, der sich 1789 als Verleger selbständig gemacht hatte. Alberti wählt für den Text eine Frakturtype, wobei er innerhalb des Satzbildes vier Schriftgrade miteinander abwechselt: Der größte für die Personennamen, der zweitgrößte für die Prosa Dialoge, ein kleinerer für die Gesangstexte und der kleinste für die Regieanweisungen. Als Illustration fügt Alberti zwei Radierungen ein. Die eine befindet sich im Heft gegenüber Papagenos Auftrittsarie und zeigt den Vogelfänger im Federkleid, einen Käfig auf dem Rücken.

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Bild "Gewoelbeuebersicht"

Die zweite Radierung steht dem Titelblatt gegenüber und zeigt bei näherer Betrachtung rätselhaften, symbolischen Gehalt.

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Bild "Gewoelbeteilansicht"

Auf dem nackten Erdreich gegründete Säulen und Mauern bilden eine Staffel von vier Toren bzw. Arkaden, die sich in einer sanften Biegung im Hintergrund verlieren.

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Bild "Gewoelbe Toreinfahrt"

In einer sanften Biegung verliert sich im Hintergrund eine Staffel von vier Toren bzw. Arkaden.

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Bild "Obelisk"

Ein mit alchimistischen Kürzeln und Tiersymbolen bedeckter Obelisk steht, wie ein Wachsoldat den Weg einengend, im Vordergrund zur Linken. Man erkennt einen mit einer Art Krone festlich geschmückten Stierkopf, einen wurmverschlingenden Storch und zwei einander kreuzende Schlangen. Angeführt werden die Symbole zuoberst vom Planetenzeichen der Venus als Hinweis auf die Göttin Isis. In der alten Welt begegnete die Venus den Menschen als Morgen- und Abendstern Lucifer, übersetzt "Lichtträger". Ihren Strahlen wurde der Ursprung für die Schönheit von Menschen, Tieren, Kräutern und Blumen nachgesagt. Als Planet wird die Venus, altmesopotanisch auch Ischtar genannt, mit dem weiblichen Wesen des Mondes in Verbindung gebracht. Der Name "Gehörnte Astarte" kann mit der Sichelform des Mondes zusammenhängen, dem kanaanäisch-israelischen Gegenstück zur babylonisch-assyrischen Ischtar, der Göttin der geschlechtlichen Liebe, in deren Dienst die heilige Unzucht getrieben wurde. Auch wurde Ischtar als Muttergöttin verehrt, gewöhnlich nackt mit einem Kind auf dem Arm. Ist in der Zauberflöte mit der Königin der Nacht vielleicht Ischtar gemeint? Vielleicht wurden Goethe und Schinkel beim Entwurf ihrer Bühnenbilder von ähnlichen Gedanken geleitet.

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Bild "Obelisk Teilansicht Stierkopf"

Der Stier gilt allgemein als Befruchter und Träger der Lebenskraft. Der die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern tragende Stier wurde bei den Ägyptern als Urgott Ptah verehrt und später mit Osiris gleichgesetzt. Gleichzeitig könnte der Stierkopf hier eine Anspielung auf die Initiationsriten der Mithras-Religion sein, die in anderer Form auch den Suchenden in der Zauberflöte bevorstehen. Einer persischen Überlieferung folgend, kann der Schmuck des Stierkopfes als Getreideähren gedeutet werden, denn nach ihr wuchs aus dem Rückenmark des getöteten Stieres Getreide. Dieses wiederum verweist auf den Zoroaster, besser bekannt als Zarathustra, der als Vorlage für den Hohenpriester der Zauberflöte Sarastro gilt.

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Bild "Obelisk Teilansicht Storch, Schlangen"

Zwei Schlangen sind links unten auf dem Obelisken dargestellt, die ineinander verschlungen mit etwas Phantasie als Sonnenrad zu erkennen sind. Sollten sie ein Hinweis auf den Sonnenkreis sein, der der Königin der Nacht verloren ging und nun von Sarastro verwahrt wird? Die Abbildung des Storches war in der Antike Sinnbild fürsorgender Liebe der Kinder zu ihren Eltern. Spiegelt er die Liebe von Pamina zu Ihrer Mutter? Mit etwas Phantasie kann man in dem Wurm, den der Storch im Schnabel hält, einen Schlüssel als Sinnbild der Verschwiegenheit erkennen. Der Schlüssel ist auch ein Symbol der Sprache. Sie ist eines der wesentlichen Elemente unseres Menschseins. Das Schweigen ist die erste der Prüfungen, der sich Tamino und Papageno im 2. Aufzug, 3. Auftritt, der Oper unterziehen müssen:

Sprecher:

Auch dir, Prinz, legen die Götter ein heilsa-
mes Stillschweigen auf; ohne dieses seid ihr
beide verloren. Du wirst Pamina sehen,
aber nie sie sprechen dürfen; dies ist der
Anfang eurer Prüfungszeit.

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Bild "Gewoelbeuebersicht (11)"

Auf der rechten Seite des Bildes, dem auf einem dreistufigen Sockel stehenden Obelisken direkt gegenüber, ist eine hohe Ziervase aufgestellt.

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Bild "Ziervase"

Die Ziervase könnte einen Teil eines Grabmales darstellen und als Hinweis auf den Tod die Vergänglichkeit des Menschen symbolisieren. Auf dem historischen Friedhof der Herrgottskirche in Creglingen (Südwestdeutschland) ist heute noch bei der "Tetzelkanzlei" ein ähnliches klassizistisches Grabmal in Form einer Vase für "Frederika Sophia Eleonora Charlotta Neun, Mutter des Generalvisitators der Indianischen Geschäftsbücher der Holländischen Ostindischen Compagnie in Batavia", geschaffen 1791 von Johann Georg Endner, Bildhauer in Uffenheim, zu sehen.

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Bild "Ziervase Fuss"

Am Fuß der Vase hocken zwei angekettete sphinxähnliche Figuren mit Tierunterleibern. Aus ihren Ohren quellen Zöpfe, mit denen sie an den Fuß der Ziervase gefesselt sind.

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Bild "Ziervase Oberteil"

Vier Schlangen ringeln sich auf der uns zugewandten Seite der Vase, und an den von der Rückseite hereinragenden Schlangenschwänzen erkennen wir, daß sich dort noch weitere Schlangen befinden. Schlangen sind schon seit Urzeiten gefürchtet. Sie galten als listig und klug. Sie sind den Menschen mit ihren gewandten Bewegungen, ihrem unvermuteten Angriff und ihrem gefährlichen Gift unheimlich. Die Schlange ist ein Symbol mit vielen widersprüchlichen Deutungen. Sie ist der Erde und den Erdgottheiten zugehörig. Nach altägyptischer Vorstellung ist die Unterwelt bevölkert mit feuerspeienden Schlangen. In der Gnostik ist sie ein Symbol von Leben und Tod sowie von Licht und Finsternis.

Zwei ineinander verschlungene Hunde liegen wachend auf dem Deckel. Symbolisch ist der Hund ein Tier an der Schwelle zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Er ist Wächter an der Pforte zur Unterwelt.

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Bild "Gewoelbe Oberteil"

Rauhes unbearbeitetes Gestein füllt das Bild oberhalb des Obelisken, aber auch oberhalb und seitlich des vorderen Torbogens. Im Halblicht meint man über dem linken vordersten Torpfeiler ein Steinmetzzeichen zu erkennen. Ein Rundbogen und zwei korintische Säulen füllen die Wand über dem zweiten Bogen.

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Im zweiten Aufzug und zweiten Auftritt wird im Texheft der Zauberflöte eine Verwandlung des Bühnenbildes vorgegeben:

"Nacht. Der Donner rollt von weitem. Das Theater verwandelt sich in einen kurzen Vorhof des Tempels, wo man Reste von eingefallenen Säulen und Pyramiden sieht, nebst einigen Dornbüschen. An beiden Seiten stehen praktikable, hohe altägyptische Türen, welche mehr Seitengebäude vorstellen."

Haben wir es hier mit dieser ägyptischen Ruinenszene zu tun? Obelisk und bisher besprochene Symbolik deuten darauf hin.

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Bild "Relief"

Über der vorderen Arkade ist aus dem Felsen ein schmales Relief herausgearbeitet.

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Bild "Relief Ausschnitt"

Es zeigt Menschen, die sich in verneigender Haltung von beiden Seiten einem tempelartigen auf einem dreistufigen Sockel stehenden Gebilde nähern, vor dem zwei freistehende Säulen angeordnet sind.

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Bild "herabhaengender fuenfzackiger Stern"

Am Relief hängt, befestigt mit der Spitze nach oben, ein fünfzackiger Stern in den vorderen Raum.

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Die Szene scheint menschenleer zu sein, doch der Eindruck trügt.

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Bild "Gestalt"

Eine männliche Gestalt ragt mit Kopf und Schulter aus dem Boden und richtet ihren Blick unverwandt in die Höhe. Sie wirkt hilflos und ist weder nackt noch bekleidet.

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Befindet sich die Gestalt in einer Erdspalte? Die Position des aufblickenden Hauptes ist rätselhaft. Blickt sie auf das Pentagramm oder auf das Relief? Die Kabbalisten zeichneten in das Innere des Pentagramms eine Gestalt, Kopf und Glieder in der Position der fünf Ecken. Sie symbolisierten damit eine Gestalt, die sich bewußt einer höheren Welt öffnet. Soll hier die Verwandschaft mit Adam Kadmon angedeutet werden? Es bleibt offen.

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Bild "Erdspalte mit Bruchstuecken"

Hinter dem Haupt ist eine Erdspalte zu erahnen, aus der Bruchstücke von Säulen und Mauern ragen. Sind es vielleicht Bruchstücke der Säulen des Henochs bzw. des Hermes, in die das Weltwissen eingemeißelt war? Oder symbolisieren sie den zerstörten Salomonischen Tempelbau? Wir können nur vermuten.

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Bild "Krug, Sanduhr, Winkel, Spaten"

Im halbdunklen Vordergrund rechts neben den Architekturtrümmern sehen wir Krug und Sanduhr, davor einen Spaten und ein fast rechtwinkliges Intrument, das häufig als Sense gedeutet wurde. Die Sanduhr ist ein Symbol des Todes. Die Bedeutung des Kruges ist dagegen von seinem Inhalt abhängig. Er könnte Wasser als Lebenselixier enthalten.

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Bild "Uebersicht unterer Teil des Gewoelbes"

Unter der großen Vase, deren Sockel vom aufgeworfenen Erdreich verhüllt wird, scheint ein unterirdischer, erhellter Gang zu münden.

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Bild "Abbildungen an Torsaeule und Obelisk"

Auf der Gegenseite, am Eingang, gibt uns der Obelisk ebenfalls ein Rätsel auf. Die Bilderschrift versucht dem Kundigen zu enthüllen, daß diese Oper mehr als ein lustiges Singspiel ist. Der Freimaurer Alberti wird mit diesem Bild seinen Brüdern die Ernsthaftigkeit von Hintergrund und Absichten des Stückes zu vermitteln versucht haben.

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Bild "Signatur Albert sc."

Hat der Freimaurer Alberti das Bild selbst schon als Vorzeichnung entworfen? Wir wissen es nicht genau. Seiner Signatur ist die Abkürzung "sc." (von sculpsit, er hat gestochen) nachgestellt, was lediglich nachweist, daß er die Radierung ausgeführt hat. Es ist aufgrund der Symbolik davon auszugehen, daß der Entwurf dieses Bildes aus der Hand eines freimaurerischen Künstlers stammt.

Schon zur Zeit Mozarts war es üblich, freimaurerische Bezugspunkte in den eigenen künstlerischen Arbeiten zu reflektieren. Die Arkandisziplin wird dabei nicht verletzt, denn die vermittelten Inhalte bleiben trotz Veröffentlichung geschützt. Nur von den Eingeweihten können diese Berührungspunkte mit der Freimaurerei zugeordnet werden. Als "offenen Tressor" bezeichnet man heute in der Kryptographie ein solches Verschlüsselungsverfahren oder einfacher ausgedrückt mit dem Satz "Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht".

Das in der Loge Mozarts verwendete Ritual hatte einen unterschiedlichen Rhythmus für die Hammerschläge der einzelnen Grade:

- v - für den Lehrlingsgrad,
v - - für den Gesellengrad und
v v - für den Meistergrad
(v = kurzer, - = langer Hammerschlag)

Der Interessierte kann diese Schläge an vielen Stellen in den Kompositionen Mozarts, und nicht nur in dessen freimaurerischen Musikschöpfungen, heraushören (z. B. Ouvertüre zur Zauberflöte; Klavierkonzert C dur "Elvira Madigan", K. 467 etc.).

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Der Prager Mozart-Forscher Paul Nettl meint, die Radierung stelle den Eingangsbereich zu den Einweihungsräumen dar. "Von der Decke herab hängt der fünfzackige Stern, das Zeichen des zweiten Grades, während die Sanduhr das des dritten Grades bedeutet."

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Bild "Uebersicht unterer Teil des Gewoelbes"(31)

Über die Geräte unterhalb der Vase ist viel spekuliert worden. Wir sehen eine Schaufel bzw. einen Spaten, nicht aber eine Kelle. Wir sehen ein im rechten Winkel geformtes Instrument, nicht aber eine Sense oder rechten Winkel. Vielleicht hat es die Funktion eines Stechzirkels, der dafür geeignet wäre, eine bestimmte Weglänge festzulegen oder auszumessen. Der Zirkel ist das allumfassende Symbol der Menschenliebe aber auch gleichzeitig ein Hinweis auf die sieben freien Künste. Beide Gerätschaften könnten das Handwerkszeug eines Bergmannes, aber auch das eines Totengräbers sein.

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Bild "Gewoelbe Mittelteil mit fuenfzackigen Stern"

Folgen wir noch einmal dem Blick des körperlosen Jünglings. Er sieht auf einen fünfzackigen Stern, aus dessen Mitte eine Flamme hervorzuzüngeln scheint. Ein Pentagramm, auch Drudenfuß genannt, ist ein altes magisches Zeichen aus zwei ineinander verschränkten, gleichschenkligen Dreiecken ohne Basis, die in einem Zug gezeichnet werden. Hier sind die Linien nicht eingezeichnet, aber zu erahnen. Seine Eckpunkte spiegeln den Lauf des Planeten Venus, und in der babylonischen Keilschrift ist dieser Stern das Ideogramm für das Göttliche. Im Mittelalter diente das Pentagramm als Abwehrzauber gegen dämonische Wesen und zur Bannung der Elementargeister. Schon im alten Ägypten erglänzte dieses Zeichen als heiligstes Symbol der Wahrheit. Von dort übernahm es der Weise Pythagoras als Symbol der Vollkommenheit und des Weltalls. Die Alten Maurer betrachteten es als Sinnbild der Geometrie, als jener Lehre, die es dem schöpferischen Menschen ermöglicht, seine Werke im rechten Ebenmaß zu errichten, der Grundbedingung für Schönheit und Harmonie. Um diese Bedeutung recht klar und deutlich zu machen, setzten die Alten Maurer das "G" in den Stern und umgaben ihn mit den Flammen, deren mildes Feuer den Adepten begleiten sollte.

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Der Adept, der sich seiner Kleidung entledigt hat, hat mit ihr die Abzeichen seines Standes abgelegt. Erinnern wir uns an die folgende Stelle im 2. Aufzug, 1. Auftritt, der Zauberflöte:

Sarastro:

(nach einer Pause)
Ihr, in dem Weisheitstempel eingeweihten Diener der großen Götter Osiris und Isis! Mit reiner Seele erklär ich euch, daß unsere heutige Versammlung eine der wichtigsten unserer Zeit ist. Tamino, ein Königssohn, zwanzig Jahre seines Alters, wandelt an der nördlichen Pforte unseres Tempels und seufzt mit tugendvollem Herzen nach einem Gegenstande, den wir alle mit Mühe und Fleiß erringen müssen. Kurz, dieser Jüngling will seinen nächtlichen Schleier von sich reißen und ins Heiligtum des größten Lichtes blicken. Diesen Tugendhaften zu bewachen, ihm freundschaftlich die Hand zu bieten, sei heute eine unsrer wichtigsten Pflichten.

Erster Priester:
(steht auf)
Er besitzt Tugend?

Sarastro:
Tugend!

Zweiter Priester:
(steht auf)
Auch Verschwiegenheit?

Sarastro:
Verschwiegenheit!

Dritter Priester:
Ist wohltätig?

Sarastro:
Wohltätig! - Haltet ihr ihn für würdig, so folgt meinem Beispiele.
(Sie blasen dreimal in die Hörner.)
Gerührt über die Einigkeit eurer Herzen, dankt Sarastro euch im Namen der Menschheit. Mag immer das Vorurteil seinen Tadel über uns Eingeweihte auslassen, Weisheit und Vernunft zerstückt es gleich dem Spinnengewebe. Unsere Säulen erschüttern nie. Jedoch das böse Vorurteil soll schwinden, sobald Tamino selbst die Größe unserer schweren Kunst besitzen wird. - Pamina, das sanfte, tugendhafte Mädchen, haben die Götter dem holden Jüngling bestimmt; dies ist der Grund, warum ich sie der stolzen Mutter entriß. Das Weib dünkt sich groß zu sein, hofft durch Blendwerk und Aberglauben das Volk zu berücken und unsern festen Tempelbau zu zerstören. Allein, das soll sie nicht. Tamino, der holde Jüngling selbst, soll ihn mit uns befestigen und als Eingeweihter der Tugend Lohn, dem Laster aber Strafe sein. (Der dreimalige Akkord mit den Hörnern wird von allen wiederholt.)

Sprecher:
(steht auf)
Großer Sarastro, deine weisheitsvollen Reden erkennen und bewundern wir; allein wird Tamino auch die harten Prüfungen, so seiner warten, bekämpfen? Verzeih, daß ich so frei bin, dir meinen Zweifel zu eröffnen! Mir bangt es um den Jüngling. Wenn nun, im Schmerz dahingesunken, sein Geist ihn verließe und er dem harten Kampf unterläge? Er ist Prinz.

Sarastro:
Noch mehr - er ist Mensch!

Betrachtet man die Symbolik, so läßt sich die Eingangshalle mit einer Linie fortgesetzt durch den flammenden Stern in zwei Hälften teilen: in die Hälfte des Lebens und die des Todes. Der Jüngling hat dem Tod und seinen Symbolen den Rücken zugewendet. Auf ihn wartet eine Initiation. Aufgrund der Symbolik wird die Initiation den Grad des Lehrlings, den des Gesellen und den des Meisters in einem Durchgang bearbeiten. Gleiches wurde früher häufiger fürstlichen Personen ermöglicht.

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Bild "Fuenfzackiger Stern mit leuchtendem Kreuzschatten"

Der fünfzackige Stern hängt über dem Eingang zu einer ganzen Reihe von Toren, die der die Vollkommenheit Suchende zu durchschreiten hat. Der flammende Stern scheint über die vorderste Pforte ein Kreuz zu projizieren. John Dee, ein bekannter Alchimist und Rosenkreuzer, überlieferte uns eine Tafel, auf der ein Kreuz zusammenfassend die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde symbolisierte. Die Suchenden werden hinter diesen Toren vermutlich mit den vier Elementen geprüft werden, was auf den 28. Auftritt im 2. Aufzug der Oper anspielt:

Die zwei Geharnischten:

Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden,
wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden;
Wenn er des Todes Schrecken überwinden kann,
schwingt er sich aus der Erde himmelan.
Erleuchtet wird er dann imstande sein,
sich den Mysterien der Isis ganz zu weihn.

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Bild "Toreingaenge"

In sanfter Biegung verliert sich der Weg nach einem uns unsichtbaren Ziel. Der Weg als solcher kann auch als ein Symbol gedeutet werden. Alles Leben in Raum und Zeit ist in Bewegung, ist auf "dem Wege". Die Ägypter erblickten im Lauf der Sonne das Vorbild für ihren eigenen Lebensweg. Im Alten Testament der Bibel entspricht der Weg dem göttlichen Weltplan wie auch dem Leben der Menschen. Für den Freimaurer ist der Weg das Ziel.

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Bild "Wandgliederung ueber zweiter Arkade"

Die Gliederung der Wand über der zweiten Arkade mit den beiden Säulen und der weiteren Staffel von Arkaden sowie die Andeutung eines weiteren Tores wird häufig übersehen. Soll dieser Weg ohne Zugang, ausgeleuchtet vom Flammenden Stern, den Eingang in den Salomonischen Tempel andeuten? Versinnbildlichen hier die zwei freistehenden Säulen die von Hiram gegossenen Säulen Jachin und Boas am Eingang zum Salomonischen Tempel? Aus Bronze gefertigt und vor dem Tempel aufgestellt, wirkten diese Säulen wie Blitzableiter. Da so die Gottheit in das Gerät fuhr, war es heilig, Gott und wundertätig. Bei den Griechen und den Römern war die Säule bis weit in in die klassische Zeit hinein ein Stück des Kultes selber. In der Zauberflöte werden die beiden Säulen durch die zwei Geharnischten im 2. Aufzug, 28. Auftritt, versinnbildlicht, auf deren Helmen Feuer brennt.

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Bild "Relief Ausschnitt"(24)

Das Gebilde in der Mitte des Reliefs scheint ebenfalls den Salomonischen Tempel anzudeuten. Manche Betrachter meinen hier ein thronartiges Gebilde und damit den zeitgenössischen Lehnstuhl vom Logenmeister zu erkennen. Der Thron gehört zu den ältesten Herrschersymbolen im sakralen und weltlichen Bereich. Der Sitzende ist dem Stehenden gegenüber der Herrscher. Der Salomonische Thron galt im Mittelalter als Vorbild des messianischen Richterstuhles und würde in diesem Bild die Bewertung der angedeuteten Prüfungen bedeuten. Der Thron könnte hier aber auch einen Zusammenhang zu Isis beschreiben, denn der Name der berühmtesten Göttin Altägyptens wurde mit einem Thron als Zeichen geschrieben, was sie meist als Symbol auf dem Kopf trägt.

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Bild "Weg zwischen den Symbolen der Verfuehrung"

Es ist ein unbefestigter Weg, den der Suchende zu durchwandern hat. Die Architekturtrümmer und den Abgrund hinter sich lassend, schreitet er neuen Prüfungen entgegen. Welche Prüfungen hat der Suchende bereits durchlebt? Ist hier der Ausgangspunkt seiner Wanderungen oder steht er, das Licht des Flammenden Sternes erblickend, bereits kurz seinem Ziel?

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Bild "Die beiden Vasenmaenner"(19)

Am Fuß der Vase hocken zwei angekettete sphinxähnliche Figuren. Es könnte sich um zwei Affen handeln. Im alten Ägypten verkörperten Affen den Mondgott Thot; andererseits galten sie auch als Anbeter der Sonne. Bei Heraklit ist der Affe Symbol menschlicher Unvollkommenheit. Im christlichen Mittelalter symbolisierte ein gefesselter Affe den in den Schlingen der Sünde gefangenen Menschen.

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Bild "Ziervase Oberteil"(20)

Die Hunde auf dem Deckel könnten Mahner und Vorboten der zu bestehenden Prüfungen für den Suchenden sein. Weit verbreitet ist der Glaube, daß die als geistersichtig geltenden Tiere den Tod anzukündigen vermögen. Als Symbol der Treue erscheint der Hund in antiker und mittelalterlicher Grabplastik. Die Schlange finden wir im alten Ägypten an den Gräbern, aber auch an der Pharaonenkrone als Uräusschlange, die die Seelen vor dem Tod bewahrt. Die Schlangen auf diesem Deckel werden häufig als ein Hinweis auf die freimaurerische Knotenschnur gedeutet. Triebe, Lüste und Begierden sollen mit diesem Band gebunden werden.

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Bild "Obelisk"(14)

Von den fünf Hieroglyphen ist nur das Venuszeichen und das Jupiterzeichen links unter dem Stierkopf zu deuten. Die Esoterik hat den klassischen sieben freien Künsten (Astronomie, Musik, Geometrie, Arithmetik, Dialektik, Rhetorik, Grammatik) Planetennamen zugeordnet. Das Zeichen der Venus steht für die Rhetorik, das des Jupiters für die Geometrie u.s.w. Ob diese Verknüpfung hier gemeint ist, kann nicht eindeutig festzustellen. Auf den Betrachter wirken die Symbole wie eine Geheimschrift. Die Gnostiker aller Zeiten und Kulturen suchten und fanden ihr "Fahrzeug", ihre "Arkandisziplin", ihre "Chipher" - sei sie nun Zahlenmystik, Astrologie, Alchemie, Kreuzrittertum, mystische Religion oder Konter-Religion, Minnesang --- oder Geheimschrift. Da von effektiver Geheimhaltung mittels Chiffren keine Rede sein konnte und zahlreiche führende Freimaurer dies sogar erkannt haben mußten, bleibt als einziger Sinn, den das Chiffrieren in der Freimaurerei haben konnte, die Annahme, daß dies zu rituellen Zwecken geschah. In der Zauberflöte übernehmen die zwei Geharnischten diese rituelle Handlung im 2. Aufzug, 28. Auftritt: "Sie lesen ihm (Tamino) die transparente Schrift vor, welche auf einer Pyramide geschrieben steht."

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Bild "Architekturtruemmer mit Gestalt"(29)

"Was die Wiederauferbauung des Tempels betrifft"erklärt der anonyme Verfasser der "Geheimen Unternehmungen der Freymaurer" (1787), "so verordnen sie den Gesellen alle Bruchstücke davon zu sammeln, sie zu bearbeiten und von neuem zurechtzuhauen, daß man den Tempel von den Werkstücken, woraus er ehedem bestanden, und die man aus seinen verfallenen Mauern zusammengelesen, wieder aufrichten könnte."

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Bild "Gewoelbeuebersicht"(11)

Arie des Sarastro (Nr. 15)


In diesen heil'gen Hallen
Kennt man die Rache nicht,
und ist ein Mensch gefallen,
führt Liebe hin zur Pflicht.
Dann wandelt er an Freundes Hand
Vergnügt und froh ins beßre Land.
In diesen heil'gen Mauern,
Wo Mensch den Menschen liebt,
kann kein Verräter lauern,
Weil man dem Feind vergibt.
Wen solche Lehren nicht erfreun,
Verdienet nicht, ein Mensch zu sein.



Ende der Betrachtungen