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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer



Schauen Sie, was Sie hier sehen,
das ist schon alles, da ist nichts dahinter.
Ich bin nur eine Fassade,
jedenfalls für die Außenwelt. -
Ich will auch nicht erkannt werden.
Ich bin kein Exhibitionist.

(Modeschöpfer Karl Lagerfeld in einem Interview)

Alternde Menschen sind wie Museen:
Nicht auf die Fassade kommt es an,
sondern auf die Schätze im Innern.

(Jeanne Moreau)



F.-L. B.

Die freimaurerische Arbeit an unserer Fassade

"Wir alle sind von den vererbten Verhaltensmustern unserer Urahnen mehr oder weniger geprägt. Uns dies bewußt zu machen, aber ebenso aufzuzeigen, daß darin für den Menschen auch die Chance liegt, sich mehr und mehr zu einem wirklich humanen Wesen zu entwickeln, sollte das Ziel unserer freimaurerischen Arbeit sein.

Die Metapher von der freimaurerischen Arbeit am Rauhen Stein mittels Spitzhammer, um unsere Selbstvervollkommnung voran zu treiben, scheint den Kern des Problems nicht zu treffen, denn dieser versagt in der Praxis erkennbar als Werkzeug bei der Bearbeitung unseres Urgesteins. Vielmehr müssen wir zur Maurerkelle greifen, um uns mühsam mit einem nur wenig haftenden "Zement" aus Kultur und Menschenliebe einen gemeinschaftsfähigen Verputz für unseren Rauhen Stein zu erarbeiten. Leider sind unsere verputzten Fassaden und Oberflächen im täglichen Leben der Erosion als auch wechselnden Anforderungen ausgesetzt, so daß wir sie immer wieder erneut bearbeiten müssen, um ihre Struktur zu erhalten bzw. zu ergänzen."

Diese Quintessenz vermittelten die Betrachtungen unter dem Titel "Bruder Neanderthaler". Was aber hat es mit der Fassade auf sich, die es aus dieser Sicht für den Freimaurer zu bearbeiten gilt?

Die Fassade (von franz.: façade, ursprüngl. von lat.: facies: Angesicht) eines Gebäudes ist die z. T. besonders künstlerisch hervorgehobene Schauseite, was sie dadurch zu einem zentralen Thema der Architektur macht. Vereinfachend wird der Begriff auch allgemein für die Außenwand eines Gebäudes verwendet. Die Fassade kann die innere Gliederung bzw. die Struktur des Baukörpers widerspiegeln oder diese als sogenannte Blendfassade verschleiern. Zusammen mit den übrigen Außenwänden umschließt die Fassade einen Raum, der dann weiter funktionell unterteilt wird. Gegliedert wird die Fassade durch Fenstergruppierungen, Portale, Vorbauten und Säulenordnungen sowie durch Bauplastik. Viele Gestaltungsmöglichkeiten der Fassade ergeben sich auch vom verwendeten Material her.

Die verschleiernde Blendfassade wird einem unschönen oder verschiedenartig zusammengestückten Baukörper vorgestellt, um diesem ein ästhetischeres, einheitliches Aussehen zu geben. Die Blendfassade ist meist größer als das Bauwerk, dem sie vorgelagert ist, und hat häufig aus Gründen der Symmetrie Blendfenster. Der Blendstein dient dagegen zur Verkleidung der Sichtfläche einer in einfachem Material ausgeführten Mauer, um diese schöner oder haltbarer zu machen.

Der Begriff "Blendung" hat die verschiedensten Bedeutungen. In der Medizin beschreibt er die Störung des Sehvermögens durch allzu hohe Leuchtdichten. In der Rechtsgeschichte steht er für die Zerstörung des Sehvermögens als schwerste Verstümmelungsstrafe des antiken und mittelalterlichen Rechts. Als "Blendwerk" wird eine Sache bezeichnet, die durch ihren äußeren Anschein eine gewollte Täuschung hervorruft.

Im übertragenen Sinn bedeutet Blendung ein auffälliges, die eigenen Vorzüge betonendes Verhalten. Menschen dieses Verhaltensmusters werden auch als Blender bezeichnet. Die Blendfassade führt uns zur weiteren Sinnübertragung: Mit dem Ausdruck "Fassade" wird der Eindruck bezeichnet, den ein Mensch in seinem Umfeld hervorzurufen versucht, denn meistens wird der Mensch nach seinem Äußeren - der Fassade - beurteilt. So kommt es viel zu sehr auf sein Aussehen an. Der eigentliche "Kern" des Menschen, d. h. seine "inneren Werte", werden wenig beachtet. Wir werden auf diese Weise förmlich herausgefordert, unsere Mitmenschen über eine aufpolierte Fassade zu täuschen, um dadurch Vorteile zu erringen und Nachteile zu vermeiden. Häufig unterliegen wir dabei noch einer Selbsttäuschung: Wir ordnen unsere Blendfassade als real ein und gefallen uns selbst. Damit ist dann für uns logischerweise jegliche Arbeit an der Selbstvervollkommnung abgeschlossen, denn das Ziel ist ja bereits erreicht. Mehr noch: Ein großer Teil der Menschheit versteckt sich selbstgefällig hinter der glitzernden Fassade der Zivilisation.

Jeder ist entsprechend seines Selbstwertgefühls und Selbstbewußtseins damit beschäftigt, mittels seiner Fassade gut angesehen und umworben zu sein. Wenn wir uns mit unserer Fassade überfordert haben und Krisen das Innere nach außen kehren, wenn die Fassade Risse bekommt und Beschädigungen der Seele sichtbar werden, erst dann merken wir unsere Selbsttäuschung. Nur mit großer Mühe werden wir unser "Gesicht" wahren können.

Eine Gesichtsbedeckung wird mit dem Begriff Maske (von arabisch maskharat Narr, Posse, Hänselei, Scherz) bezeichnet. Sie tarnt das Geheimnis unserer Identität. Masken werden seit Urzeiten in Theater und Kunst, aber auch zu religiösen und rituellen Zwecken eingesetzt. Eine Maske, die das Gesicht nicht verdeckt, ist die Totenmaske, die seit der Antike den Toten abgenommen wird. Totenmasken sollten die Erinnerung an den Verstorbenen erhalten. Durch die vom Tod veränderte Gesichtsmuskulatur wirkt das Gesicht des Toten dabei aber eingefallen und dadurch wiederum maskenhaft. Die Schminkmaske, eine einfache Form davon ist das "Make up", ist ein weiterer Maskentypus, der unser Gesicht verändert.

In der Psychologie bezeichnet man mit Maske eine dem menschlichen Rollenverhalten eigene Haltung. Ein bewußt neutral angenommener Gesichtsausdruck kann unsere wirkliche Reaktion und Einstellung unserem Gegenüber verbergen. Bewußt bedeckt, z. B. durch eine feste Charaktermaske, können wir im Rollenspiel neue Aspekte über uns entdecken. Wir bekommen Antworten auf die Frage "Wer bin ich?" Die Frage bezieht sich auf unser wahres Selbst, nicht nur auf seine Manifestation. Nur wenige Menschen können diese Frage mit voller Bewußtheit beantworten, aber die Suche, das Lernen und die Verwandlung der Identität endet nie. Gehen wir flexibel mit unseren Masken um, ohne mit ihnen identifiziert zu sein, und verwenden wir sie, um die Spanne unserer Wahlmöglichkeiten und Aspekte auszudrücken, erhöht sich unser Freiheitsgrad und die mögliche Selbsterkenntnis bezüglich unserer Identität. Dagegen bedeutet für uns in der Maske steckenzubleiben, d. h. nur mit einer Schicht bzw. Sichtweise identifiziert zu sein, die Unfähigkeit, uns zu verändern.

Während der rituellen Arbeit ist ein Freimaurer zugleich Schauspieler und Zuschauer in einer Person. Festlich gekleidet tragen die Brüder quasi einheitliche Kostüme. Durch die Beleuchtung wirken z. T. die Gesichter der Brüder maskenhaft. Die Persönlichkeit des einzelnen Bruders tritt dadurch in den Hintergrund: Es sind alle gleich, es sind alle Brüder. Über die verschiedenen rituellen Rollen erlebt der Bruder sein "Ich" und die Bruderschaft aus den verschiedensten Aspekten. In seiner menschlichen Fassade öffnet er dabei Fenster, in die er das freimaurerische Licht in sein Innerstes einfließen lassen kann. Aus der Erbauung heraus gibt er der Bruderschaft auf gleichem Wege Weisheit, Stärke und Schönheit zurück.

Allgemein dient das Fenster als Öffnung in einer Mauer der Belichtung und Belüftung eines geschlossenen Raumes. Dabei sind Größe, Form und Einfassung des einzelnen Fensters sowie Lage und Gruppierung mehrerer Fenster Mittel zur Fassadengestaltung. Bedeutend ist die Art und Lage der Fenster und damit der Lichtführung für das Innerste eines Gebäudes.

Das Blendfenster ist dagegen einer geschlossenen Wand vorgeblendet, d. h. es hat keine dahinterliegende Fensteröffnung. Meist handelt es sich nur um das Fenstergewände, doch wird teilweise auch die Fensterfläche selbst durch Malerei oder Spiegelglas vorgetäuscht.

Fenster auf freimaurerischen Teppichen und Symboltafeln im Zusammenhang mit dem Salomonischen Tempelbau finden sich seit 1747. In einer frühen französischen Verräterschrift finden drei Fenster Erwähnung, die von Prichard in seiner 1730 in England veröffentlichten Verräterschrift "Masonry dissected" (Zergliederte Freimaurerei) im Katechismus erklärt werden:

Frage: "Habt ihr einige feste Lichter in der Loge?"
Antwort: "Ja, drei."
Frage: "Wie sind sie gelegen?"
Antwort: "Im Osten, Süden und Westen."
Frage: "Wozu dienen sie?"
Antwort: "Um den Männern zu, bei und von der Arbeit zu leuchten."
Frage: "Warum ist kein Licht im Norden?"
Antwort: "Weil die Sonne keine Strahlen daher wirft."

Nach Lennhoff/Posner werden diese drei festen Lichter in Gegensatz gebracht zu den kleinen beweglichen Lichtern auf den drei Säulen.

Wenn ein Bruder nur vordergründig zur Blendung seines Umfeldes auf den Aufbau der Fassade eines "Gutmenschen" bedacht ist, ohne tatsächlich in seinem Innersten freimaurerisch arbeiten zu wollen, wird er tarnend Blendfenster als Lichtabweiser in seine Fassade einbauen, denn das helle freimaurerische Licht würde ihn sonst blenden.

Bürger alter Kaufmannsstädte wie z. B. Lübeck oder Lüneburg haben sich in vergangenen Zeiten Wettkämpfe mittels Blendfassaden geliefert. Größer und schöner als das tatsächlich dahinter liegende Haus mußten sie sein. Jeder versuchte dabei den anderen zu übertrumpfen, um einen Vorsprung im Ansehen zu erhaschen. Tiefgründige Menschen sehen nicht nur die Fassade, sondern den Menschen als Ganzes. Zwischen geistig orientierten Menschen, wie es Freimaurer eigentlich sein sollten, besteht kein Wettbewerb, mehr besitzen zu wollen, mehr zu haben, um es vorzuzeigen. Es mag durchaus und selbstverständlich Meinungsverschiedenheiten geben. Aber diese bilden dann die Grundlage zu Diskussion bzw. Kommunikation. Man tauscht sich aus über Kultur, Gedanken, Empfindungen. Man lernt voneinander und regt sich gegenseitig zum Nachdenken an. So lernen sich die Brüder untereinander zu verstehen, zu akzeptieren und zu tolerieren. Das Handwerk der Freimaurerei richtig verstanden ausgeübt, ergibt einen menschenfreundlichen Umgang miteinander. So müssen wir daran arbeiten, daß unsere freimaurerische Fassade nicht zur Blendfassade oder schnell austauschbaren Maske verkommt. Wir müssen eine feste Verbindung zwischen rauhem Stein und unserer Fassade schaffen. Eine ehrliche Fassade wird uns durch die Höhen und Tiefen unseres Lebens tragen und uns dabei helfen, uns selbst zu erkennen und zu vervollkommnen.



Literatur: